TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/23 2001/02/0163

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Veröffentlicht am 23.07.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §134;
KFG 1967 §99 Abs5;
StVO 1960 §20 Abs2;
StVO 1960 §7 Abs1;
VStG 1991 §51e idF 1998/I/158;
VwGG §33a;
VwGG §38 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, in der Beschwerdesache des JS in R/Deutschland, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 28. Mai 2001, Zl. Senat-AM-00-106, betreffend Übertretungen der StVO und des KFG

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er sich auf die Strafbemessung (einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens) der Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO und auf die Übertretung nach § 99 Abs. 5 i.V.m. § 134 KFG bezieht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen - sohin hinsichtlich des Schuldspruches der Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO und hinsichtlich der Übertretung des § 7 Abs. 1 StVO - wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

Der Bund und das Land Niederösterreich haben der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 586,44 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. Mai 2001 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 25. März 2000 um 22.30 Uhr an einem näher genannten Ort auf der A 1 als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKWs folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

1. Er sei auf der Autobahn schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h gefahren (200 km/h gemessene Geschwindigkeit).

2. Er sei nicht so weit rechts gefahren, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen sei. Er sei auf dem

2. Fahrstreifen gefahren, obwohl der erste Fahrstreifen frei gewesen sei.

3. Er habe Breitstrahler verwendet, obwohl weder eine Sichtbehinderung durch Regen, Schneefall, Nebel und dgl. gegeben, noch die Strecke eng und kurvenreich gewesen sei.

Er habe dadurch zu Pkt. 1 eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO, zu Pkt. 2 nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 3 lit. a StVO und zu Pkt. 3 nach § 99 Abs. 5 i.V.m. § 134 Abs. 1 KFG begangen, weshalb über ihn zu Pkt. 1 eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 168 Stunden), zu Pkt. 2 eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) und zu Pkt. 3 eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Zur Ablehnung der Beschwerde betreffend den Schuldspruch der Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO und betreffend die Übertretung des § 7 Abs. 1 StVO:

Gemäß § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid eines unabhängigen Verwaltungssenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil sie von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird, in Verwaltungsstrafsachen außerdem nur dann, wenn eine Geldstrafe von höchstens EUR 726,-- verhängt wurde.

Die Voraussetzungen für eine Ablehnung der vorliegenden Beschwerde nach dieser Gesetzesstelle sind erfüllt. Es wurde in der Sache jeweils keine EUR 726,-- übersteigende Geldstrafe verhängt. Die Fällung einer Sachentscheidung über die Beschwerde hängt von keiner Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

2. Zur Strafbemessung der Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO und zur Übertretung nach § 99 Abs. 5 i.V.m.

§ 134 KFG:

Der Beschwerdeführer wendet insbesondere ein, es würden keine Gründe für den Entfall einer mündlichen Verhandlung nach § 51e Abs. 2 VStG vorliegen, ebenso wenig solche für ein Absehen von der Berufungsverhandlung nach § 51e Abs. 3 und 4 leg. cit. Warum die belangte Behörde entgegen dem gesetzlichen Auftrag nach § 51e Abs. 1 VStG keine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt habe, werde im angefochtenen Bescheid nicht begründet; die belangte Behörde behaupte auch nicht, dass die Voraussetzungen der Abs. 2, 3 oder 4 für einen Entfall oder ein Absehen von der mündlichen Verhandlung vorlägen.

Der Beschwerdeführer habe keine "Breitstrahler" verwendet. Zur gegenteiligen Ansicht der Beamten werde ausgeführt, dass diese vermutlich sein helles Xenon-Licht irrtümlich als von "Breitstrahlern" ausgestrahltes Licht interpretiert hätten.

Bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte sein Beifahrer als Zeuge die vom Beschwerdeführer angegebene Geschwindigkeit von 160 km/h bestätigen können. Daher sei die Verhängung einer Geldstrafe von S 5.000,.-- in Anbetracht der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers bedeutend überzogen; der gesetzliche Strafrahmen hätte nicht zu 50 % ausgeschöpft werden dürfen.

Nach § 38 Abs. 2 VwGG hat die Behörde die Akten vorzulegen. Unterlässt sie dies, so kann der Verwaltungsgerichtshof, wenn er die Behörde auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen hat, auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen.

Die belangte Behörde wurde anlässlich der Einleitung der Vorverfahrens auf die Rechtsfolgen des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen. Auf Grund einer Betreibung der Aktenvorlage mit hg. Verfügung vom 31. Jänner 2002 teilte die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 25. Februar 2002 u.a. mit, dass die gegenständlichen Aktenunterlagen in Verstoß geraten und Nachforschungen eingeleitet worden seien. Eine Aktenvorlage ist jedoch nicht erfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof geht daher - gestützt auf die Beschwerdebehauptungen - gemäß § 38 Abs. 2 VwGG davon aus, dass seitens des Beschwerdeführers kein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung bei der belangten Behörde im Zuge des Berufungsverfahrens gestellt wurde. Ferner geht der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der diesbezüglichen Übereinstimmung der Begründung des angefochtenen Bescheides mit den Beschwerdeausführungen davon aus, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens bestritt, mit mehr als 160 km/h auf dem in Rede stehenden Streckenabschnitt der A 1 unterwegs gewesen zu sein.

Der Verwaltungsgerichtshof geht ferner gemäß § 38 Abs. 2 VwGG auf Grund des Beschwerdevorbringens davon aus, dass sich der Beschwerdeführer in der Berufung durch konkrete Behauptung eines anderen Sachverhaltes auch gegen die von der Erstbehörde getroffenen Sachverhaltsannahmen zu der ihm nach Spruchpunkt 3 des Straferkenntnisses zur Last gelegten Übertretung des § 99 Abs. 5 KFG wandte.

§ 51e Abs. 1 bis 5 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lauten:

"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)

§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

              4.              sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

Es fehlt an Anhaltspunkten dafür, dass die belangte Behörde nach § 51e Abs. 2 bis 5 VStG hinsichtlich der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO berechtigt gewesen wäre, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen zu lassen bzw. von einer solchen abzusehen, was allerdings - da der Schuldspruch nicht als rechtswidrig zu erkennen ist (vgl. den diesbezüglichen Beschluss über die Ablehnung der Beschwerde) - nur für die Strafbemessung von Bedeutung ist.

Gleiches hat für die ihm vorgeworfene Übertretung nach § 99 Abs. 5 KFG zu gelten (wobei allerdings auch ungeklärt blieb, was unter "Breitstrahlern" zu verstehen ist, weil sich dieser Begriff in dieser Vorschrift nicht findet).

Die belangte Behörde wäre daher verpflichtet gewesen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen; da sie dies unterlassen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid, soweit dieser die Strafbemessung der Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO sowie die Übertretung nach § 99 Abs. 5 i.V.m. § 134 KFG betrifft, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher diesbezüglich (einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBL. II Nr. 333/2003. Die von der beschwerdeführenden Partei in einem gesonderten Schriftsatz gegen die in der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 vorgebrachten Bedenken gegen die Anwendung des dort für den Fall des Obsiegens der beschwerdeführenden Partei festgesetzten Pauschalsatzes für den Schriftsatzaufwand gehen zufolge der im Beschwerdefall bereits anwendbaren VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333 (vgl. § 3 Abs. 2 dieser Verordnung) ins Leere.

Wien, am 23. Juli 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001020163.X00

Im RIS seit

31.08.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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