TE Vfgh Erkenntnis 2000/12/12 V139/97

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Veröffentlicht am 12.12.2000
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsumfang
StGG Art5
Stmk LStVG 1964 §8 Abs3
Verordnung der Gemeinde Michaelerberg vom 28.07.97 betr die Verlegung eines Wegabschnittes

Leitsatz

Zulässigkeit des Individualantrags eines Grundeigentümers auf Aufhebung einer Einreihungsverordnung aufgrund unmittelbaren Eingriffs in das Eigentum durch Widmung einer bereits bestehenden Privatstraße als Gemeindestraße; Aufhebung der Verordnung infolge Unzulässigkeit der Erlassung einer solchen Einreihungsverordnung ohne vorhergehende Öffentlicherklärung

Spruch

I. Die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Michaelerberg vom 28. Juli 1997, kundgemacht durch Anschlag an der Gemeindetafel zwischen 30. Juli 1997 und 20. August 1997, mit der "gemäß §7 Abs(1) Ziffer 5 in Verbindung mit §8 Abs(3) des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl Nr. 154 idgF (...) der Wegabschnitt laut dem Plan des Herrn Dipl. Ing. Gernot Windholz GZ 7725/97 auf die Parzelle 1125 verlegt (wird und) gleichzeitig (...) der Wegabschnitt der Parzelle 1124 im Hofbereich Mayer vulgo Mitterhofer aufgelassen" wird, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Steiermärkische Landesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

III. Die Gemeinde Michaelerberg ist schuldig, dem Antragsteller die mit S 41.538,- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der Gemeinde Michaelerberg beschloss am 28. Juli 1997 folgende (in der Zeit vom 30. Juli 1997 bis 20. August 1997 durch Anschlag an der Gemeindetafel kundgemachte) Verordnung "Gemeindestraßenverlegung Nerwein":

"Gemäß §7 Abs(1) Ziffer 5 in Verbindung mit §8 Abs(3) des Steiermärkischen Landesstraßenverwaltungsgesetzes 1964, LGBl Nr. 154 idgF wird der Wegabschnitt laut dem Plan des Herrn Dipl. Ing. Gernot Windholz GZ 7725/97 auf die Parzelle 1125 verlegt. Gleichzeitig wird der Wegabschnitt der Parzelle 1124 im Hofbereich Mayer vulgo Mitterhofer aufgelassen.

Diese Verordnung tritt gemäß §92 Abs1 Gemeindeordnung 1967 idgF mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft."

2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Antrag wird begehrt, die Verordnung des Gemeinderats der Gemeinde Michaelerberg vom 28. Juli 1997 zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

2.1. Zur Antragslegitimation verweist der Antragsteller darauf, dass er Eigentümer der in dieser Verordnung genannten Parzellen 1124 und 1125, EZ 62 KG Michaelerberg sei. Durch die angefochtene Verordnung würde unmittelbar und aktuell in seine Rechtssphäre eingegriffen werden, indem seine Parzelle 1125 zum Teil zum Gemeindeweg erklärt werde, so dass er die Öffentlichkeit unentgeltlich über diesen Teil seines Privatgrundstückes gehen und fahren lassen müsse. Außerdem würde gleichzeitig der Wegabschnitt der Parzelle 1124 aufgelassen. Die Parzelle 1124 sei eine Gemeindestraße gewesen. Dieses Vorgehen der Gemeinde schränke unzumutbarerweise und ohne Rechtfertigung sein Eigentums- und Verfügungsrecht ein. Es stünde dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, um sich gegen diese rechtswidrige Verordnung zur Wehr zu setzen.

2.2. Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit der Verordnung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Erlassung der angefochtenen Verordnung das Verfahren gemäß §§47 ff Stmk Landesstraßenverwaltungsgesetz nicht eingehalten worden sei. Auch eine Enteignung gemäß §§48 ff leg. cit. sei nicht durchgeführt worden. Die Wegverlegung, wie sie im Lageplan des Dipl. Ing. Windholz aufscheine, sei weder im öffentlichen Interesse notwendig noch zumutbar.

Auch eine Öffentlicherklärung gemäß §6 leg. cit. habe im gegenständlichen Fall nicht stattgefunden.

Aus der Verordnung ergebe sich nicht klar, ob es sich bei dem verlegten Weg nunmehr um eine Gemeindestraße oder um einen öffentlichen Interessentenweg handle.

Zur Vorgeschichte weist der Antragsteller darauf hin, er habe sich bereits gegen die Verordnung der Gemeinde Michaelerberg vom 27. Februar 1980, mit der "der Gemeindeweg auf der Parzelle 1124 in ... (seinen) Hofbereich verlegt worden war" durch einen an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Individualantrag (V132/94) zur Wehr gesetzt. Mit Vergleich vom 17. Dezember 1994 zu Z C176/94 y BG Gröbming, (Bestätigung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit vom 11. Jänner 1995) sei die Verlegung "dieses Weges" und die Zurückziehung des Individualantrages mit der Gemeinde Michaelerberg vereinbart worden. Der Weg sei jedoch nicht so verlegt worden, wie in diesem Vergleich vereinbart worden sei. Aus diesem Grund habe der Antragsteller auch kein Ansuchen an die Agrarbehörde auf Vermessung der verlegten Straße im Sinn des Flurbereinigungsgesetzes gestellt. Die Gemeinde habe mit einer Klage gedroht, jedoch dann die angefochtene Verordnung erlassen.

3. Die Gemeinde Michaelerberg begehrt in ihrer Äußerung (unter Vorlage von Verordnungsakten) die kostenpflichtige Abweisung des Antrages und verteidigt die Gesetzmäßigkeit der Verordnung. Sie verweist darauf, dass der Antragsteller selbst im Jahr 1979 an die Gemeinde Michaelerberg mit dem Ersuchen herangetreten sei, ihm einen Teil des öffentlichen Weges zur Vergrößerung seines Stallgebäudes zu überlassen. Im Gegenzug habe er sich bereit erklärt, die öffentliche Durchfahrt durch seinen Hof zu gestatten. Der Antragsteller schien davon ausgegangen zu sein, die Gemeinde verzichte auf jeglichen "Gemeindeweg". Daher habe er die öffentliche Durchfahrt verweigert. Daraufhin habe die Gemeinde gegen ihn Klage beim BG Gröbming eingebracht. Am 17. Dezember 1994 sei ein gerichtlicher Vergleich geschlossen worden. Zum Vorteil des Antragstellers sollte die in diesem Vergleich vorgenommene Verlegung der "Gemeindestraße" und somit neue Trassenführung der "Gemeindestraße" nicht mehr durch den Hof des Stallgebäudes führen, sondern außerhalb des Stallgebäudes verlaufen. Im Zuge eines "Tausches" sollte die Grundfläche der "alten" Gemeindestraße in das Eigentum des Antragstellers übergehen. In einem schriftlichen Übereinkommen zwischen den Parteien vom 26. April 1995 sei die Trassenführung vor Ort einvernehmlich festgelegt worden. Der Antragsteller habe sich verpflichtet, unverzüglich bei der Agrarbehörde ein Ansuchen um Vermessung im Sinne des Flurbereinigungsgesetzes zu stellen. In der Folge sei der Weg vereinbarungsgemäß errichtet worden und der Antragsteller habe den auf ihn entfallenden Anteil der Kosten bezahlt. Der Antragsteller habe das Ansuchen bei der Agrarbehörde jedoch mit der Behauptung verweigert, dass der Weg nicht vereinbarungsgemäß errichtet worden sei. Tatsächlich entspreche "der Weg exakt dem abgeschlossenen Vergleich und der Planskizze des DI Gernot Windholz vom 7.7.1997".

Das Vorgehen der Gemeinde müsse unter dem Blickwinkel der geschilderten Entwicklung gesehen werden. Die Verlegung einer Gemeindestraße habe gemäß §8 Abs3 Steiermärkisches Landesstraßenverwaltungsgesetz durch Verordnung der Gemeinde zu erfolgen. Gemäß §47 Abs2 leg. cit. sei von einer Verhandlung abgesehen worden, da die gerichtlich fixierte Wegverlegung ohnehin nur im Interesse des Antragstellers erfolgt sei. Es sei nicht ersichtlich, in welchen Rechten sich der Antragsteller, welcher der Wegtrassierung nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs an Ort und Stelle ausdrücklich zugestimmt habe und die anteiligen Kosten für die Errichtung bezahlt habe, nunmehr verletzt erachte. §§6 und 48 leg. cit. seien nicht anzuwenden, da sich die Frage der Enteignung im vorliegenden Fall nicht stelle.

Beim Zitat der Gesetzesbestimmung sei in der Verordnung ein Fehler unterlaufen (§7 Abs1 leg. cit. Z5 anstelle von Z4). Es handle sich um die Verlegung einer Gemeindestraße und nicht eines öffentlichen Interessentenweges. Der Antragsteller könne sich jedoch hiedurch nicht beschwert erachten.

4. Die Steiermärkische Landesregierung erstattete im Hinblick auf die umfangreiche Stellungnahme der Gemeinde Michaelerberg keine Äußerung.

5. Der Antragsteller erstattete mehrfach Äußerungen. Er bringt ua. - unter Vorlage des Planes des DI Windholz mit der Einzeichnung der angeblichen Abweichung vom Ergebnis des gerichtlichen Vergleichs - vor, dass unter Punkt 2. des gerichtlichen Vergleichs des BG Gröbming ausgeführt werde, dass die Gemeindestraße etwa von der Höhe der Südostecke des Stalles weiter in südliche Richtung bis zur Verbindung zur Gemeindestraße 1130 hergestellt werde und zwar in der Weise, dass diese Gemeindestraße in etwa gerader Richtung bis zur östlichen Begrenzung der Eisenbahnunterführung gehe. Die Straße sei aber nicht so verlegt worden, dass sie zur östlichen Begrenzung der Eisenbahnunterführung gehe. Im Übereinkommen vom 26. April 1995 werde die tatsächliche Trassenführung nicht detailliert wiedergegeben. Der Antragsteller sei jedoch davon ausgegangen, dass das Übereinkommen die Trassenführung in gleicher Weise vorsehe wie die Festlegung im gerichtlichen Vergleich. Das Übereinkommen sei außerdem früher datiert als der Plan des DI Windholz aus dem Jahr 1997.

6. Die Gemeinde Michaelerberg erstattete ebenfalls mehrfach Äußerungen, in denen sie ua. vorbringt, dass die Trassenführung des Weges nicht vom gerichtlichen Vergleich abweiche. Der Antrag der Gemeinde auf exekutive Durchführung des gerichtlichen Vergleichs vom 17. Dezember 1994 sei am 20. Mai 1998 (laut Äußerung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Äußerung nicht rechtskräftig) bewilligt worden. Der hiergerichtliche Antragsteller habe die Exekutionskosten bezahlt. Zum Zeitpunkt der Entrichtung der anteiligen Kosten der Wegerrichtung sei von einer nicht vereinbarungsgemäßen Trassenführung keine Rede gewesen. Das Übereinkommen vom 26. April 1995, in dem die Trassenführung nicht detailliert wiedergegeben worden sei, lasse jedoch erkennen, dass dem Übereinkommen Vorgespräche vorausgegangen seien.

7. Die maßgeblichen Bestimmungen des Steiermärkischen Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 (im Folgenden Stmk LStVG), LGBl. Nr. 154/1964 idF LGBl. Nr. 133/1974 lauten:

"§2 Abs1:

Öffentliche Straßen sind im Sinne dieses Gesetzes alle Straßen, die entweder von den zuständigen Stellen bestimmungsgemäß dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden sind oder die in langjähriger Übung allgemein, ohne Einschränkung und unabhängig vom Willen des Grundeigentümers und dritter Personen für ein dringendes Verkehrsbedürfnis benützt werden.

...

§5:

Die bestimmungsgemäße Benützung einer öffentlichen Straße zum Verkehr ist jedermann gestattet und darf von niemandem eigenmächtig behindert werden.

§6 Abs1 und 2:

(1) Läßt sich ein dringendes Verkehrsbedürfnis in anderer Weise ohne unverhältnismäßige Kosten nicht befriedigen oder wird die Umlegung einer öffentlichen Straße aus wichtigen Gründen notwendig, so kann auch eine bestehende Privatstraße auf Antrag einer oder mehrerer Gemeinden oder der Landesregierung von der Bezirksverwaltungsbehörde oder, wenn sich die Straße auf mehrere politische Bezirke erstreckt, von der Landesregierung nach Anhören der bisher Berechtigten und Feststellung des unabweislichen Bedürfnisses auf Grund eines Augenscheines durch Enteignung als öffentlich erklärt werden. Dabei sind die Vorschriften dieses Gesetzes über die Entschädigung (§50) und über Vorarbeiten (§51) entsprechend anzuwenden.

(2) Handelt es sich um eine Privatstraße, die Zwecken einer öffentlichen Eisenbahn, eines öffentlichen Flughafens (Landungsplatzes) oder militärischen Zwecken dient, so ist im Einvernehmen mit der Eisenbahn- oder Luftfahrtbehörde oder der zuständigen Militärbehörde vorzugehen.

§7 Abs1 Z4 u. 5:

4. Gemeindestraßen, das sind Straßen, die vorwiegend dem Verkehr innerhalb von Gemeinden oder zwischen Nachbargemeinden dienen und zu solchen erklärt wurden (§8). Als Gemeindestraßen gelten auch alle öffentlichen Verkehrsanlagen, die nicht zu einer anderen Gattung der Straßen gehören.

5. Öffentliche Interessentenwege, das sind Straßen für den öffentlichen Verkehr von örtlicher Bedeutung, die überwiegend nur für die Besitzer oder Bewohner einer beschränkten Anzahl von Liegenschaften dienen und als solche erklärt wurden (§8).

...

§8 Abs3:

(3) Die Einreihung, Neuanlage, Verlegung, den Umbau, die Verbreiterung und wesentliche Verbesserung sowie die Auflassung einer Gemeindestraße (§7 Abs1 Z. 4) sowie eines öffentlichen Interessentenweges (§7 Abs1 Z. 5) erfolgt durch Verordnung der Gemeinde."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof stellt auf Grund des Ergebnisses der Verhandlung vom 6. Dezember 2000 folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt fest:

1.1. Im Zuge eines Rechtsstreites zwischen dem Antragsteller und der Gemeinde Michaelerberg über die Verlegung einer Gemeindestraße schlossen die Streitteile vor dem BG Gröbming zu C176/94 y am 17. Dezember 1994 folgenden gerichtlichen Vergleich (auszugsweise):

"...

II.

Die beiden Streitteile kommen überein, daß von diesem Punkt (etwa Höhe SO-Ecke des Stalles des Beklagten) die Gemeindestraße weiter in südliche Richtung die Herstellung der Verbindung zur Gemeindestraße 1130 so angelegt wird, daß diese Gemeindestraße in etwa gerader Richtung bis zur östlichen Begrenzung der Eisenbahnunterführung geht. Dort mündet diese neuanzulegende Gemeindestraße mittels eines leicht auszuführenden Trichters in Richtung Osten in die bereits bestehende Gemeindestraße 1130 ein. Dieser Trichter ist so auszuführen, daß ein anstandsloses Linkseinbiegen in die Gemeindestraße 1130 gewährleistet ist. Der so entstehende Einmündungstrichter darf in seiner gesamten Breite nicht mehr als fünf Meter überschreiten. Die Gemeindestraße ist in einer befestigten Breite von 3 m anzulegen, wobei beidseits jeweils ein halber Meter Bankett auszuführen ist. Der beschriebene Einmündungstrichter ist, was die Länge betrifft, möglichst schonend auszuführen, wobei die Länge des Trichters selbst 8 m nicht |berschreiten darf.

Der Abbiegung von der Gemeindestraße 1124 nach links in den bereits östlich des Stalles des Beklagten befindlichen Weg ist ein Einmündungstrichter in gleicher Weise auszubilden. Hiezu erteilt der Beklagte seine ausdrückliche Zustimmung. Die Ausbildung der oben beschriebenen Einmündungstrichter erfolgt jeweils nur in östliche Richtung, nicht jedoch in westliche Richtung.

Die beschriebene, neuanzulegende Gemeindestraße von der SO-Ecke des Stalles des Beklagten wird in einem vorgelegten Plan der ABB-Stainach vom 31.01.1980 mit seinem ungefähren Verlauf eng strichliert eingezeichnet.

...

V.

Vor Errichtung des Weges ist der genaue Trassenverlauf von den Streitteilen gemeinsam mit fachkundigen Vertretern der Agrarbehörde auszustecken. Die Errichtung des Weges erfolgt nach Aussteckung im Frühjahr 1995, spätestens bis 01.06.1995. Die Errichtung des Weges erfolgt auf kostengünstigste Weise, und herrscht diesbezüglich zwischen den Streitteilen Einvernehmen. Die entsprechenden Aufträge erteilt die klagende Partei, der Beklagte erklärt hiezu seine ausdrückliche Zustimmung.

Für die so entstehende Verbindung zwischen der Gemeindestraße 1124 und 1130 kommen die Bestimmungen des Stmk. LandesstraßenverwaltungsG zur Anwendung.

Festgehalten wird, daß die Vermessung die Agrarbehörde Stainach durchführt, und voraussichtlich keine Kosten hiefür anfallen. Sollten jedoch Kosten, aus welchem Grunde immer, für die Vermessung anfallen, werden diese Vermessungskosten von den beiden Streitteilen je zur Hälfte getragen.

VI.

Nach Herstellung der Gemeindestraße, wie oben beschrieben, fallen alle Grundstücksteile, die bisher lt. Grundbuchsstand die alte Gemeindestraße bildeten, und die alte Verbindung zwischen den Gemeindestraße 1124 und 1130 bildeten, und mit rotem Kugelschreiber in den oben genannten Plan der ABB Stainach lasiert sind, in das Eigentum der beklagten Partei, und gibt die klagende Partei sämtliche Erklärungen ab, daß diese Teile in das Eigentum des Beklagten übergehen können.

..."

1.2. Auf Grund des Vergleiches schloss der Antragsteller mit der Gemeinde am 26. April 1995 folgendes Übereinkommen:

"Ü B E R E I N K 0 M M E N

Aufgrund des Vergleiches des Bezirksgerichtes Gröbming, Geschäftszahl C176/94 y vom 17.12.1994 wird nachstehendes Übereinkommen getroffen.

Ich, Mayer Mathias, Landwirt vlg. Mitterhofer erkläre mich mit der Durchführung der Trassenführung einverstanden.

Weiters stimme ich zu, daß die Firma, welche die Fachabteilung IIe Agrartechnische-Abteilung Stainach beauftragt, den genannten Weg errichtet.

Wenn der Weg fertiggestellt ist, werde ich unverzüglich bei der Agrarbehörde ein Ansuchen um die Vermessung im Sinne des Flurbereinigungsgesetzes stellen."

1.3. Nach Aussteckung des Trassenverlaufes teilte der Rechtsvertreter des Antragstellers in einem Schreiben vom 8. Mai 1995 dem Rechtsvertreter der Gemeinde mit, dass die Trasse nicht entsprechend dem Vergleich geführt werde und verlangte eine Versetzung der Trasse nach Osten.

1.4. Die Straße wurde im Auftrag der Gemeinde Michaelerberg in der Zeit vom 16. bis 18. Mai 1995 hergestellt. Am 1. September 1995 entrichtete der Antragsteller einen ca. 50%igen Beitrag zu den Kosten der Errichtung der genannten Straße in der Höhe von S 35.164,50.

1.5. Die Frage, ob die Straße entsprechend dem Vergleich hergestellt wurde, war zwischen dem Antragsteller und der Gemeinde weiterhin strittig.

1.6. Am 28. Juli 1997 beschloss der Gemeinderat die unter Punkt I.1. dargestellte Verordnung.

Im Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung am 28. Juli 1997 ist Folgendes festgehalten:

"Laut Herrn Bgm. hat Herr Dipl. Ing. Windholz einen neuen Plan erstellt, d.h. dieser hat nachträglich die Straße vermessen, da es bei der vorangegangenen Begehung nicht zur Vermessung kam. Herr Dipl. Ing. Windholz hat die Straße von der Mitte weg links u. rechts vermessen, angeblich unter Beisein des Herrn Mayer. Mit dem Plan sollte der Vergleich aus dem Jahre 1994 exekutiert werden, aber man (Bürgermeister u. Vizebgm.) wählte dann eine andere Vorgangsweise. Man werde die Verlegung der Straße nach dem Landesstraßengesetz verordnen, unabhängig vom Besitzstand. Nach dem Liegenschaftsteilungsgesetz könnte man dieses Problem bereinigen. Laut Vzbgm. fehlte immer der Rechtstitel, um das Grundstück, auf dem der Weg liegt, ins Grundbuch einzutragen. Er schlägt vor, dies gehe indem man auf Grund des Landesstraßenverwaltungsgesetzes die Wegverlegung beschließe und verordne. Es gäbe da kein Einspruchsrecht vom Betroffenen lt. Rechtsauskunft der Rechtsabteilung 3. Wenn die Verlegung verordnet worden sei, basierend auf dem rechtsgültigen Gerichtsvergleich mit Herrn Mayer, könne man den gezeichneten Plan von Herrn Dipl. Ing. Windholz grundbürgerlich (wohl grundbücherlich) durchführen. Öffentliches Gut könne man ohne Notar grundbürgerlich eintragen. Es müßte also nur eine Verlegung verordnet werden."

2. Der Antrag ist zulässig.

Nach der ständigen Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 12.133/1989, 13.811/1994, 14.797/1995) greift eine Verordnung, mit der ein in der Natur bereits vorhandener und daher benützbarer Weg zur öffentlichen Verkehrsfläche erklärt wird, in die Rechtssphäre des betreffenden Grundeigentümers aktuell und nicht bloß potentiell ein, da damit stets schon der Gemeingebrauch (vgl. §5 Stmk LStVG) begründet wird. Der Eigentümer muss also die Benützung des Weges durch jedermann in Kauf nehmen (vgl. zum Stmk LStVG, VfSlg. 8282/1978). Es bedarf keines weiteren behördlichen Aktes zur Konkretisierung dieser Wirkung.

Der Antragsteller ist grundbücherlicher Eigentümer der Grundparzelle 1125.

Eine Verordnung des Gemeinderates gemäß §8 Abs3 Stmk LStVG nimmt die Einreihung der künftigen Straße in die Kategorien des Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 (hier als Gemeindestraße) vor und legt den Verlauf der Straße fest. Mit diesen Festlegungen allein sind jedoch noch keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Rechtsposition des Eigentümers des Grundstückes, über das die Trasse verläuft, verbunden. Die Einreihungserklärung ist Voraussetzung für die weiteren straßenverwaltungsbehördlichen Maßnahmen, nämlich insbesondere für den straßenrechtlichen Bewilligungsbescheid gemäß §47 Abs3 leg. cit., die Bewilligung von Vorarbeiten gemäß §51 leg. cit. und für einen allfälligen Enteignungsbescheid gemäß §50 leg. cit. Erst mit dem straßenrechtlichen Bewilligungsbescheid gemäß §47 Abs3 leg. cit. werden jene Bedingungen festgesetzt, die bei Ausführung der beabsichtigten Straßenbauten vom Standpunkt des öffentlichen Interesses und der mit diesem nicht in Widerspruch stehenden Interessen der Beteiligten zu erfüllen sind. In diesem Verfahren hat der Eigentümer des Grundstückes, über das die künftige Gemeindestraße führen soll, jedenfalls Parteistellung. Wird für die Straße fremder Grund in Anspruch genommen, ist ein Enteignungsverfahren gemäß §§48 ff leg. cit. durchzuführen. Auch in diesem Verfahren hat der Eigentümer des Grundstücks, das für die Straßenherstellung in Anspruch genommen wird, Parteistellung. Die Verordnung gemäß §8 Abs3 leg. cit. würde daher - infolge der Unzulässigkeit, die Straße ohne Bewilligung und ohne Verfügungsmacht über das Straßengrundstück herzustellen - (noch) keinen unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers bewirken, insbesondere nicht in sein Eigentum an jenen Grundflächen eingreifen, über die die neu zu errichtende Verkehrsfläche führen soll (vgl. VfSlg. 8060/1977, 8156/1977, 8587/1979, 10.593/1985, 10.988/1986, 11.453/1987).

Im vorliegenden Fall wurde die Straße jedoch bereits vor Erlassung der Verordnung gemäß §8 Abs3 leg. cit. ohne Durchführung eines straßenrechtlichen Bewilligungs- und Enteignungsverfahrens gebaut. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Verordnung war daher die Straße in der Natur bereits vorhanden und benützbar. Bis zur Erlassung der angefochtenen Verordnung lag außerdem weder ein anderer öffentlich-rechtlicher Widmungsakt noch eine privatrechtliche Willensübereinstimmung zwischen dem Antragsteller und der Gemeinde über die Begründung eines Gemeingebrauchs an der tatsächlich hergestellten Straße vor. Der gerichtliche Vergleich vom 17. Dezember 1994 vermochte keine ausreichende Willensübereinstimmung zu erzeugen. Der neu verlegte Weg war daher bis zur Erlassung der Verordnung gemäß §8 Abs3 leg. cit. als Privatstraße im Sinne des Stmk Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1964 anzusehen. Daher hat die Widmung der bestehenden Straße als Gemeindestraße durch Verordnung dieselbe unmittelbare Wirkung wie die Öffentlicherklärung eines in der Natur bereits vorhandenen Privatwegs und greift daher bereits unmittelbar in das Eigentum des Grundeigentümers ein.

Soweit die Verordnung die Auflassung des Wegabschnitts auf der Grundparzelle 1124 betrifft, steht sie aufgrund der Intention des Verordnungsgebers, jedenfalls über eine öffentliche Verbindungsstraße zwischen bestehenden Gemeindestraßen zu verfügen, im untrennbaren Zusammenhang ("gleichzeitig") mit der Verlegung und dem neuen Verlauf einer Verbindungsstraße auf Grundparzelle 1125. Deshalb ist der Antrag auf Aufhebung der ganzen Verordnung zulässig.

3. Der Antrag ist auch begründet:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu verschiedenen Landesstraßen(verwaltungs)gesetzen ausgesprochen, dass durch die Öffentlicherklärung eines in der Natur schon bestehenden privaten Weges durch Verordnung der Gemeinde mangels Eigentumserwerbs in gesetzwidriger Weise Gemeingebrauch begründet wird (vgl. VfSlg. 8156/1977 zum OÖ Landesstraßenverwaltungsgesetz 1975, 8282/1978 zum Stmk Landesstraßenverwaltungsgesetz 1964).

Eine Einreihungsverordnung gemäß §8 Stmk LStVG darf also hinsichtlich bereits bestehender Straßen nur dann ergehen, wenn sie schon vorher dem öffentlichen Verkehr gewidmet waren (vgl. VfSlg. 8282/1978). Bestehende Privatstraßen müssen hingegen gemäß §6 leg. cit. von der Bezirksverwaltungsbehörde bescheidmäßig durch Enteignung für öffentlich erklärt werden.

Wie bereits unter II.1. dargestellt, war die neu hergestellte Straße vor Erlassung der Verordnung nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Die angefochtene Einreihungsverordnung war daher wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben. Aufgrund des untrennbaren Zusammenhangs der beiden Verordnungsteile (Widmung und Auflassung) war die ganze Verordnung aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind ein Pauschalsatz für die Verhandlung in Höhe von S 15.000,-, Umsatzsteuer in Höhe von S 6000,-, eine Eingabegebühr ("Bundesstempelmarken") in Höhe von S 2.500,- und Barauslagen (Fahrtkosten) in Höhe von S 3.038,- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs1 VerfGG 1953 nach öffentlicher mündlicher Verhandlung vom Verfassungsgerichtshof gefasst werden.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Widmung, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:V139.1997

Dokumentnummer

JFT_09998788_97V00139_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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