TE Vwgh Erkenntnis 2004/7/28 2002/04/0158

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Veröffentlicht am 28.07.2004
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
16/02 Rundfunk;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
PrivatradioG 2001 §3 Abs1;
PrivatradioG 2001 §5 Abs1;
PrivatradioG 2001 §5 Abs2;
PrivatradioG 2001 §5 Abs3;
PrivatradioG 2001 §6 Abs1;
PrivatradioG 2001 §6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Bodensee Privatradio GmbH in Bregenz, vertreten durch Mag. Harald Schuh und Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12, gegen den Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 14. Dezember 2001, Zl. 611.151/001- BKS/2001, betreffend Zulassung zur Veranstaltung eines Hörfunkprogramms (mitbeteiligte Partei: Bregenzer Lokalradio GmbH, vertreten durch Achammer Mennel Welte & Partner, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Schlossgraben 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) vom 18. Juni 2001 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 3 Abs. 1 und 2 iVm §§ 5 und 6 Privatradiogesetz (PrR-G) iVm § 49 Abs. 3a Telekommunikationsgesetz /TKG) für die Dauer von 10 Jahren ab dem 20. Juni 2001 die Zulassung zur Veranstaltung eines - näher umschriebenen - Hörfunkprogramms (Spruchpunkt 1) unter Vorschreibung einer Auflage (Spruchpunkt 3) für das Versorgungsgebiet "Bregenz" erteilt.

Die Zulassungsanträge (u.a.) der beschwerdeführenden Partei wurden gemäß § 6 Abs. 1 und 2 PrR-G abgewiesen (Spruchpunkt 4).

Begründend stellte die erstinstanzliche Behörde zunächst den Verfahrensgang, die angewendeten Rechtsvorschriften, die Grundsätze des Auswahlverfahrens gemäß § 6 PrR-G sowie die Stellungnahmen der Länder und des Rundfunkbeirates dar und führte sodann zu ihrer Auswahlentscheidung aus, im Ergebnis erschienen auf Basis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der darauf aufbauend zu treffenden Prognoseentscheidung die Zielsetzungen dieses Gesetzes bei Erteilung der Zulassung an die mitbeteiligte Partei am besten gewährleistet; von dieser sei auch zu erwarten, dass das Programm den größeren Umfang an eigengestalteten Beiträgen aufweise. Mit dem von der mitbeteiligten Partei gestalteten Programm werde nämlich sowohl das "Lokalkolorit und die Identifikation des Publikums" als auch - durch die (näher umschriebene) Kooperation mit einem (namentlich genannten) freien Radio - eine alternative Plattform für andere soziale, religiöse und politische Gruppen gewährleistet.

Die von der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 14. Dezember 2001 als unbegründet abgewiesen; der Erstbescheid wurde vollinhaltlich bestätigt. Nach der Begründung dieses Bescheides seien für die Berufungsentscheidung "folgende weitere Tatsachen" von Bedeutung gewesen:

Die beschwerdeführende Partei sei eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von ATS 1 Mio., an der eine (namentlich genannte) Kommanditgesellschaft zu 26 % beteiligt sei. Über deren Vermögen sei mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 12. Oktober 2001 das Konkursverfahren eröffnet worden, das im Entscheidungszeitpunkt noch nicht beendet sei. Der Umstand, dass über einen Hauptgesellschafter der beschwerdeführenden Partei der Konkurs eröffnet worden sei, sei bei der zu treffenden Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die übrigen Gesellschafter und die im Berufungsverfahren vorgelegte Finanzplanung werde "zunächst noch" davon ausgegangen, dass die beschwerdeführende Partei fachlich, finanziell und organisatorisch die Voraussetzungen für eine regelmäßige Veranstaltung und Verbreitung des geplanten Programms im Sinne des § 5 Abs. 3 PrR-G erfülle. Nach dem Finanzplan für 5 Jahre solle im dritten Geschäftsjahr erstmals ein Gewinn erzielt und mit der Rückzahlung der eingesetzten Mittel begonnen werden. Das Fremdkapital solle in Form von Gesellschafterdarlehen in Höhe von EUR 1 Mio. aufgebracht werden.

Die finanzielle Ausstattung bilde eine wichtige Voraussetzung für einen möglichst hohen Anteil eigengestalteter Beiträge, die ihrerseits einen wesentlichen Beitrag zur Vielfalt eines auf die Interessen im Verbreitungsgebiet Bedacht nehmenden Programmangebotes darstellten. Während die finanziellen Ressourcen der mitbeteiligten Partei, die bereits bisher Lizenzinhaberin für das Versorgungsgebiet Bregenz gewesen sei, außer Zweifel stünden, könne von der beschwerdeführenden Partei wegen des Konkurses eines ihrer Gesellschafter nur mit geringerer Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sie ein Programm mit mehr eigengestalteten und somit kostenaufwändigen Beiträgen produzieren werde. Stelle man die mitbeteiligte und die beschwerdeführende Partei unter Berücksichtigung der Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde sowie der nun eingetretenen Tatsache der Konkurseröffnung über einen Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei einander gegenüber, falle die Auswahlentscheidung wiederum zu Gunsten der mitbeteiligten Partei aus. Von ihr sei zu erwarten, dass sie die Zielsetzungen des Privatradiogesetzes besser gewährleiste, indem sie u.a. durch die Kooperation mit einem "freien Radio" ein auf die spezifischen Interessen im Versorgungsgebiet in höherem Maße Bedacht nehmendes Programm anbiete und auf Grund ihrer außer Zweifel stehenden finanziellen Basis in der Lage sei, ein Programm mit mehr eigengestalteten Beiträgen zu senden, als dies im Fall der Erteilung der Zulassung an die beschwerdeführende Partei der Fall sei.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 9. Oktober 2002, B 145/02, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Die mitbeteiligte Partei äußerte sich trotz gebotener Gelegenheit nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf gesetzmäßige Auswahlentscheidung gemäß § 6 PrR-G verletzt. In Ausführung des so verstandenen Beschwerdepunktes bringt sie vor, die belangte Behörde sei im Rahmen ihrer Auswahlentscheidung davon ausgegangen, auf Grund der Eröffnung des Konkurses über einen Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei sei nicht mehr zu erwarten, dass ihr Programm den größeren Umfang an eigengestalteten Beiträgen aufweise, weil es nunmehr weniger sicher sei, dass die finanziellen Mittel für die regelmäßige Veranstaltung des geplanten Programms aufgebracht werden könnten. Diese Tatsachenfeststellungen und Schlussfolgerungen habe die belangte Behörde gezogen, ohne die Beschwerdeführerin in irgendeiner Weise hiezu zu befragen oder ihr mitzuteilen. Für die beschwerdeführende Partei sei es "ein Leichtes", die finanzielle Absicherung ihres Vorhabens durch die übrigen Gesellschafter darzustellen und nachzuweisen. Für die übrigen Gesellschafter stelle es kein Problem dar, einen allfälligen Ausfall seitens der insolventen Mitgesellschafterin auszugleichen, was sie auch problemlos durch Beibringung von Bankauskünften hätten nachweisen können. Die Finanzierung des Programmes sei auch durch die verbleibenden Gesellschafter "ohne jeden Zweifel" gesichert. In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, dass die von der früheren Gesellschafterin gehaltenen Anteile von den übrigen Gesellschaftern übernommen worden seien; die Bereitschaft und die Fähigkeit zur vollen Finanzierung des beabsichtigten und beantragten Programms sei bei allen Gesellschaftern nach wie vor vorhanden.

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die beschwerdeführende Partei geltend, die belangte Behörde könne zu einer Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 1 PrR-G nur dann gelangen, wenn sie grundsätzlich die fachliche, organisatorische und finanzielle Eignung zur Durchführung des Programmes im Sinne des § 5 Abs. 3 PrR-G mehrerer Teilnehmer bejahe. Obwohl die belangte Behörde ganz offensichtlich von der fachlichen, organisatorischen und finanziellen Eignung der Beschwerdeführerin ausgegangen sei, ziehe sie diese im Ergebnis im Rahmen der Auswahlentscheidung nach § 6 PrR-G wiederum in Zweifel. Dies sei unzulässig: halte die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei für nicht geeignet, das beantragte Programm durchzuführen, dann dürfe sie sie nicht in die Auswahlentscheidung nach § 6 PrR-G aufnehmen; halte sie die beschwerdeführende Partei für geeignet, könne sie derartige Zweifel nicht im Rahmen der Auswahlentscheidung nach § 6 PrR-G geltend machen. In dieser führe die belangte Behörde aus, von der beschwerdeführenden Partei könne nicht mehr erwartet werden, dass ihr Programm den größeren Umfang an eigengestalteten Beiträgen aufweise und setze dies in direktem Bezug zu der zuvor behaupteten Verminderung der finanziellen Ausstattung, ohne hiefür aber irgendwelche Belege oder Argumente zu bringen, warum der Anteil des eigengestalteten Programms geringer werden sollte.

Gemäß § 3 Abs. 1 PrR-G ist eine Zulassung zur Veranstaltung eines Hörfunkprogramms von der Regulierungsbehörde auf 10 Jahre zu erteilen.

Anträge auf Erteilung der Zulassung haben gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 PrR-G jedenfalls Nachweise über die Erfüllung der in den §§ 7 bis 9 genannten Voraussetzungen zu enthalten.

Der Antragsteller hat gemäß § 5 Abs. 3 PrR-G zusammen mit dem Nachweis der Zulassungsvoraussetzungen gemäß Abs. 2 glaubhaft zu machen, dass er fachlich, finanziell und organisatorisch die Voraussetzungen für eine regelmäßige Veranstaltung und Verbreitung des geplanten Programms erfüllt und dass die Programmgrundsätze gemäß § 16 eingehalten werden, dies insbesondere durch Vorlage eines Programmkonzepts und des geplanten Programmschemas sowie des vom Zulassungswerber in Aussicht genommenen Redaktionsstatuts.

Bewerben sich mehrere Antragsteller, die die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 5 Abs. 1 und 2 leg. cit.) erfüllen, um eine Zulassung, so hat die Regulierungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. dem Antragsteller den Vorrang einzuräumen,

1. bei dem auf Grund der vorgelegten Unterlagen sowie der Ergebnisse des Verfahrens die Zielsetzungen dieses Gesetzes am besten gewährleistet erscheinen, insbesondere indem insgesamt eine bessere Gewähr für eine größere Meinungsvielfalt geboten wird sowie ein eigenständiges auf die Interessen im Verbreitungsgebiet Bedacht nehmendes Programmgebot zu erwarten ist, oder im Fall von Spartenprogrammen im Hinblick auf das bereits bestehende Gesamtangebot an nach diesem Bundesgesetz verbreiteten Programmen von dem geplanten Programm ein besonderer Beitrag zur Meinungsvielfalt im Versorgungsgebiet zu erwarten ist, und

2. von dem oder von der zu erwarten ist, dass das Programm den größeren Umfang an eigengestalteten Beiträgen aufweist.

Gemäß § 6 Abs. 2 PrR-G hat die Behörde auch zu berücksichtigen, ob einer der Antragsteller bereits bisher die zu vergebende Zulassung entsprechend dem Gesetz ausgeübt hat.

§ 6 Abs. 2 PrR-G legt den Beurteilungsspielraum der die Zulassung vergebenden Behörde durch Auswahlkriterien fest, die das Ermessen der Behörde determinieren; vorgegeben ist ein variables Beurteilungsschema, das eine Quantifizierung und einen Vergleich der einzelnen Bewerber, die die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung erfüllen, im Hinblick auf die Zielsetzung, einen leistungsfähigen und in seinem Bestand kontinuierlichen Privatradiobetrieb sicherzustellen, der Gewähr für größtmögliche Meinungsvielfalt, eines der wesentlichsten Ziele des Privatrundfunkrechts, bietet, zulässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zlen. 2002/04/0006, 0034, 0145, und die dort zitierte Judikatur).

Hinsichtlich der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen durch die mitbeteiligte Partei, zu denen ungeachtet des verkürzten Hinweises "(§ 5 Abs. 1 und 2)" in § 6 Abs. 1 PrR-G auch jene des § 5 Abs. 3 PrR-G zählen, ist die belangte Behörde "zunächst noch" davon ausgegangen, die mitbeteiligte Partei habe im Sinne des § 5 Abs. 3 PrR-G glaubhaft gemacht, dass sie fachlich, finanziell und organisatorisch in der Lage sei, das von ihr geplante Programm regelmäßig zu veranstalten und zu verbreiten.

In Ansehung der Auswahlentscheidung gemäß § 6 Abs. 1 PrR-G liegt dem angefochtenen Bescheid - als zu den Feststellungen des erstinstanzlichen Bescheides hinzutretendes wesentliches Kriterium - die Auffassung zu Grunde, die finanzielle Ausstattung der beschwerdeführenden Partei lasse im Hinblick auf die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen eines ihrer Gesellschafter mit geringerer Wahrscheinlichkeit die Produktion eines Programmes mit mehr eigengestalteten und kostenaufwändigen Beiträgen erwarten als jene der mitbeteiligten Partei, deren finanzielle Ressourcen "außer Zweifel" stünden. Es ist nicht als rechtswidrig zu beanstanden, dass Überlegungen zur finanziellen Ausstattung in die Auswahlentscheidung im Hinblick auf die zu erstellende Prognose einfließen, doch sind diese Überlegungen zu begründen. Weshalb die Eröffnung des Konkurses über einen Gesellschafter der beschwerdeführenden Partei diese Erwartung der belangten Behörde rechtfertigt, wird nicht (näher) dargelegt. Dass das Fremdkapital in Form von Gesellschafterdarlehen in Höhe von 1 Million Euro aufgebracht werden soll (der - im Verfahren vor der erstinstanzlichen Behörde noch als unschlüssig angesehene, im Berufungsverfahren verbessert vorgelegte - Finanzplan wurde als glaubhaft angesehen), lässt für sich allein - ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die von der belangten Behörde jedoch nicht dargetan werden - Zweifel an der Realisierung des von der beschwerdeführenden Partei geplanten Programms (noch nicht) aufkommen, zumal auch Feststellungen fehlen, von welchen Gesellschaftern (mit welchen Anteilen) dieses Darlehen aufzubringen ist. Durch diese Begründungslücke ist der Verwaltungsgerichtshof aber gehindert, den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit im Hinblick auf die Auswahlentscheidung zu überprüfen.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Juli 2004

Schlagworte

Ermessen besondere Rechtsgebiete Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002040158.X00

Im RIS seit

25.08.2004

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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