TE Vwgh Erkenntnis 2004/8/4 2003/08/0097

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Veröffentlicht am 04.08.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;
AlVG 1977 §36c;
AlVG 1977 §38;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Marco Iglitsch, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ballgasse 6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 17. März 2003, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2002-9421, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 38 i.V.m. § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) den Bezug der Notstandshilfe für die Zeiträume vom 1. Jänner 1998 bis 7. Juli 2000, vom 17. Juli 2000 bis 16. Dezember 2000 und vom 4. Jänner 2001 bis 28. Februar 2001 widerrufen und den Beschwerdeführer gemäß § 38 i.V.m. § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der empfangenen Notstandshilfe in Höhe eines Gesamtbetrages von EUR 21.973,10 verpflichtet.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer unter anderem ab 18. Juli 1997 im Bezug der Notstandshilfe stand. Im Antrag vom 7. Juli 1998 habe er angegeben, weder erwerbstätig zu sein noch aus einer selbständigen bzw. unselbständigen Erwerbstätigkeit ein Einkommen zu erzielen. Es sei dem Beschwerdeführer daher mangels aktenkundiger Anspruchshindernisse die Verlängerung der Notstandshilfe zuerkannt worden. Auch bei den weiteren Notstandshilfeanträgen habe er keine Erwerbstätigkeit und kein Einkommen gemeldet. Im Zuge einer anonymen Anzeige am 13. März 2001 sei dem Arbeitsmarktservice mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer zum Anzeigezeitpunkt bereits seit einigen Jahren bei einem im Bescheid näher bezeichneten Unternehmen täglich von 8 bis 17 Uhr beschäftigt gewesen sei. In der Folge sei seitens des Arbeitsmarktservice eine Erhebung an Ort und Stelle und eine Anfrage bezüglich Versicherungspflicht bei der Gebietskrankenkasse veranlasst worden. Anlässlich der Erhebung sei der Beschwerdeführer am 23. März 2001 bei der Ausübung einer nicht gemeldeten Beschäftigung betreten worden. Dabei habe er angegeben, zum damaligen Zeitpunkt die (aushilfsweise) Beschäftigung seit drei oder vier Jahren ausgeübt zu haben. Eine Meldung an das Arbeitsmarktservice sei nicht erfolgt. Die Gebietskrankenkasse habe in der Folge nach einer Beitragsprüfung auf Grund der Beschäftigung des Beschwerdeführers eine vollversicherungspflichtige Beschäftigung auf Grund eines freien Dienstvertrages für die Zeit vom 1. Jänner 1998 bis 28. Februar 2001 festgestellt. Die belangte Behörde habe nicht davon ausgehen können, dass der Beschwerdeführer lediglich Aushilfstätigkeiten gemacht hätte. Er habe dem Erhebungsorgan gegenüber nach Vorhalt der Öffnungszeiten nicht angeben können, wann und wie lange genau er diese "Aushilfstätigkeit" durchgeführt habe; eine Einsicht in das Kassabuch, das nach Darstellung in der (anonymen) Anzeige die regelmäßige Tätigkeit hätte belegen können, habe er anlässlich der Erhebung verweigert. Bei der Vorsprache vor der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer zunächst angegeben, lediglich bei einer Bekannten im Unternehmen gesessen zu sein; erst nach Vorhalt des Erhebungsberichtes habe er angegeben, "Frau R. ausgeholfen" zu haben. Ein Einkommen in konkreter Höhe habe nicht festgestellt werden können, weil der Beschwerdeführer trotz evidenter Erwerbstätigkeit wiederholt angegeben habe, kein, auch kein geringfügiges Einkommen gehabt zu haben. Es sei daher nach § 36c Abs. 1 und 6 AlVG davon auszugehen gewesen, dass kein geringfügiges Einkommen vorgelegen sei. Ob die Beschäftigung in Form einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sei, sei für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit ohne Belang, zumal von einem Bruttoeinkommen über der Geringfügigkeitsgrenze auszugehen gewesen sei. Die Rückforderung gründe sich auf § 25 Abs. 1 AlVG; die Beschäftigung sei dem Arbeitsmarktservice weder in den Leistungsanträgen, noch auf andere Weise rechtzeitig angezeigt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG in der im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl I Nr. 71/2003 ist die Zuerkennung von Arbeitslosengeld zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgeblicher Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 12 Abs. 3 AlVG gilt als arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 1 und 2 insbesondere nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht oder wer selbständig erwerbstätig ist.

§ 36a Abs. 5 und 6 und § 36c Abs. 1 und 6 AlVG in der im

vorliegenden Fall maßgebenden Fassung lauten:

"Einkommen

§ 36a.

...

(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:

1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;

2. bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit durch die Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung;

3. bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft durch Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides;

4. bei steuerfreien Bezügen durch eine Bestätigung der bezugsliquidierenden Stelle.

(6) Über Sonderausgaben, allfällige steuerfreie Bezüge und Beträge gemäß Abs. 3 Z 2 ist eine Erklärung abzugeben.

...

Mitwirkungspflicht

§ 36c. (1) Personen, deren Einkommen oder Umsatz zur Feststellung des Anspruches auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz heranzuziehen ist, haben die erforderlichen Erklärungen und Nachweise auf Verlangen der regionalen Geschäftsstelle abzugeben bzw. vorzulegen.

...

(6) Wenn der Leistungsbezieher oder dessen Angehöriger (Lebensgefährte) keine Nachweise nach § 36a Abs. 5 und § 36b Abs. 2 vorlegt bzw. keine Erklärung nach § 36a Abs. 6 und § 36b Abs. 2 abgibt, so ist für den Leistungsbezieher kein geringfügiges Einkommen anzunehmen bzw. kein Anspruch des Leistungsbeziehers auf Familienzuschlag und auf Notstandshilfe gegeben. "

Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, dass dem Beschwerdeführer lediglich eine "Vorsprache" bei der belangten Behörde gestattet worden sei. Es seien ihm jedoch weder die bisherigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorgehalten worden noch sei ihm die Möglichkeit eingeräumt worden, dazu Stellung zu beziehen.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Wie sich aus der vom Beschwerdeführer unterzeichneten Niederschrift vom 5. Februar 2003 ergibt, wurden ihm sowohl das Ergebnis der Beitragsprüfung durch die Gebietskrankenkasse, als auch der Erhebungsbericht des Arbeitsmarktservice vorgehalten und es wurde ihm auch die Gelegenheit eingeräumt, zu diesen Vorhalten Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer hat zu diesen Vorhalten auch Stellung genommen, und seine Aussagen wurden in der Niederschrift festgehalten. Der Beschwerdeführer ist daher nicht in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass aus dem Bescheid der belangten Behörde nicht nachvollziehbar sei, auf welche Weise überhaupt die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Tatsachenfeststellungen ermittelt worden seien. Als einziger konkreter Hinweis dazu finde sich lediglich der Passus, wonach die Gebietskrankenkasse nach einer Beitragsprüfung eine vollversicherungspflichtige Beschäftigung auf Grund eines freien Dienstvertrages festgestellt habe. Wann diese Beitragsprüfung stattgefunden habe bzw. ob eine konkrete Bezugshöhe habe ermittelt werden können, bleibe unerfindlich und werde nicht erwähnt. Ebenso wenig werde auf eine Aussage eines informierten Vertreters der Gebietskrankenkasse bzw. auf eine entsprechende Urkunde Bezug genommen. Es bleibe völlig unerfindlich, worauf sich die Feststellungen der belangten Behörde stützen. Auch diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt, wurde seitens des Arbeitmarktservice an die Gebietskrankenkasse eine Anfrage bezüglich der Versicherungspflicht gestellt; auch wenn im angefochtenen Bescheid die Stellungnahme der Gebietskrankenkasse nicht ausdrücklich zitiert wurde, ist aus dem Gesamtzusammenhalt doch nachvollziehbar, dass sich die Feststellungen über die Versicherungspflicht auf die Auskunft der Gebietskrankenkasse stützen, welche im Verwaltungsakt einliegt. Die weiteren Feststellungen - soweit sie nicht hinsichtlich des Leistungsbezuges auch vom Beschwerdeführer nicht in Streit gezogen werden - stützen sich auf den Erhebungsbericht vom 23. März 2001 sowie auf die Niederschrift vom 5. Februar 2003. Eine Verletzung der Begründungspflicht im Hinblick auf die Angabe der Beweismittel, die den Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde gelegt wurden, liegt daher nicht vor.

Der Beschwerdeführer führt weiters aus, dass sich die belangte Behörde mit seiner Rechtfertigung nicht auseinander gesetzt habe, obwohl er wiederholt darauf hingewiesen habe, dass eine Anwesenheit im Unternehmen "lediglich aus Gefälligkeit und ohne Erzielung eines Einkommens" erfolgt sei. Er habe auf die Meldung als freier Dienstnehmer bei der Gebietskrankenkasse "seitens des angeblichen Arbeitgebers" keinerlei Einflussmöglichkeit und es könne daher aus dieser Meldung nicht geschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer "auch tatsächlich nur ein einziger Euro als Einkommen zugeflossen" sei.

Mit diesem Vorbringen wendet sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung, hinsichtlich derer sich die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes nur auf die Vollständigkeit der Sachverhaltsermittlung und die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung erstreckt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053).

Die belangte Behörde hat sich entgegen den Ausführungen in der Beschwerde im angefochtenen Bescheid mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinander gesetzt und dargelegt, aus welchen Gründen sie seiner Verantwortung, es sei lediglich eine "Aushilfstätigkeit" vorgelegen, für die er kein Entgelt erhalten habe, nicht gefolgt ist. Die belangte Behörde hat sich in einer schlüssigen und mit den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehenden Weise mit den vorliegenden Beweismitteln auseinander gesetzt und ist in ihrer Abwägung zum Ergebnis gekommen, dass eine vollversicherungspflichtige Beschäftigung im Zeitraum vom 1. Jänner 1998 bis zum 28. Februar 2001 vorgelegen ist. Dieses Ergebnis kann nicht als unschlüssig erkannt werden.

Soweit die Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht, wendet sie sich gegen die Heranziehung des § 36c Abs. 1 und 6 AlVG zur Begründung der Annahme, dass dem Beschwerdeführer ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Einkommen aus seiner Beschäftigung zugekommen sei. Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers im Sinne des § 36c AlVG könne erst dann entstehen, wenn tatsächlich ein Einkommen oder ein Umsatz während des Bezugszeitraums der Notstandshilfe vorgelegen sei. Der Beschwerdeführer habe jedoch im maßgeblichen Zeitraum kein Einkommen durch selbständige oder unselbständige Tätigkeit erzielt; diese Darstellung werde auch durch zwei vom Beschwerdeführer namentlich angeführte Zeugen bestätigt, welche entsprechende Aussagen unter Wahrheitspflicht im Zuge eines anhängigen gerichtlichen Strafverfahrens gemacht hätten. Der auf die angebliche Verweigerung der Mitwirkungspflicht nach § 36c AlVG gestützte Rückforderungsanspruch gehe schon deshalb ins Leere, da der Nachweis eines nicht vorhandenen Einkommens technisch unmöglich und juristisch absurd sei.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde in ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandenden Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen ist, dass eine Beschäftigung vorgelegen ist, die die Vollversicherungspflicht als freier Dienstnehmer begründete. Der Beschwerdeführer habe kein Einkommen angegeben, sondern vielmehr wiederholt angegeben, kein - auch kein geringfügiges - Einkommen gehabt zu haben. Gemäß § 36c Abs. 6 AlVG idF BGBl I Nr. 47/1997 ist, wenn der Leistungsbezieher keine Nachweise nach § 36a Abs. 5 und § 36b Abs. 2 vorlegt bzw. keine Erklärung nach § 36a Abs. 6 und § 36b Abs. 2 abgibt, für den Leistungsbezieher kein geringfügiges Einkommen anzunehmen. Gemäß § 36c Abs. 1 haben Personen, deren Einkommen oder Umsatz zur Feststellung des Anspruches auf Leistungen nach diesem Bundesgesetz heranzuziehen ist, die erforderlichen Erklärungen und Nachweise auf Verlangen der regionalen Geschäftsstelle abzugeben bzw. vorzulegen.

Wenn der Beschwerdeführer weiterhin geltend macht, es sei kein Einkommen vorgelegen, so entfernt er sich diesbezüglich vom festgestellten Sachverhalt. Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes ist jedoch die Heranziehung des § 36c Abs. 6 AlVG nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 4. August 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2003080097.X00

Im RIS seit

06.09.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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