TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/7 2001/18/0056

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Veröffentlicht am 07.09.2004
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AsylG 1997 §21;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §27 Abs2 Z2;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des N, geboren 1972, vertreten durch MMag. Dr. Axel Reidlinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, dieser vertreten durch Dr. Romana Zeh-Gindl in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5/10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Oktober 2000, Zl. SD 742/00, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 20. Oktober 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Sierra Leone, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststehe, sei am 21. Juli 1999 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. August 1999 abgewiesen worden sei. Das Asylverfahren sei beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Das Bundesasylamt habe am 7. September 1999 seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (nach dem Asylgesetz) widerrufen. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 8. August 2000 sei der Beschwerdeführer wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Kurz vor dem 14. Dezember 1999 habe der Beschwerdeführer, der über kein regelmäßiges Einkommen verfügt habe, rund neun Gramm Heroin erworben, um sich durch den Verkauf im Straßenhandel eine laufende Einnahme zu sichern. Sein Fehlverhalten gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung, sodass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Der Beschwerdeführer sei ledig, habe keine Sorgepflichten und keine familiären Bindungen in Österreich. Selbst wenn man auf Grund seines bisherigen Aufenthaltes von einem Eingriff in sein Privatleben ausgehen wolle, wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 37 FrG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, Schutz der Rechte Dritter und der Gesundheit) dringend geboten. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers habe verdeutlicht, dass er nicht in der Lage oder nicht willens sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten. Die gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführende Interessensabwägung müsse zu Ungunsten des Beschwerdeführers ausfallen. Einer allfälligen aus seinem bisherigen Aufenthalt ableitbaren Integration komme kein entscheidendes Gewicht zu, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch sein strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt worden sei. Seinen ohnehin nicht stark ausgeprägten privaten Interessen stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Den Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers komme kein größeres Gewicht zu als den gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftat und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne ein weiterer Aufenthalt auch nicht im Rahmen des Ermessens in Kauf genommen werden.

Mit einem Aufenthaltsverbot werde nicht die Abschiebung des Fremden in ein bestimmtes Land angeordnet, sondern nur das Verbot ausgesprochen, sich weiter in Österreich aufzuhalten. Dem Berufungsvorbringen betreffend die Verfolgungsgefahr im Heimatland des Beschwerdeführers komme daher keine Bedeutung zu. Außerdem könne ein Fremder während eines anhängigen Asylverfahrens nicht in den Herkunftsstaat zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden. Die Erstbehörde habe das Aufenthaltsverbot zu Recht unbefristet ausgesprochen. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr könne derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund - die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet - wegfallen werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht seine rechtskräftige gerichtliche Verurteilung wegen § 27 Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten. Damit ist der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FrG verwirklicht.

1.2. Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/18/0058, mwH). Diese Wiederholungsgefahr manifestiert sich im Fall des Beschwerdeführers auch in seiner Absicht, sich durch die wiederkehrende Tatbegehung - den Verkauf von Suchtgiften im Straßenhandel - eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl. § 70 StGB iVm § 27 Abs. 2 Z. 2 erster Fall SMG). Angesichts des besagten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2000/18/0060, mwH), das sowohl unter dem Blickwinkel der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) als auch unter dem Geschichtspunkt anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG) - insbesondere des Schutzes der Gesundheit - gegeben ist, ist auch die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.

Die Beschwerde bringt vor, ein einmaliges Fehlverhalten könne nicht dazu führen, "daß von vornherein über die gesamte Zukunft eines Menschen hier geurteilt werden könne". Es könne keinesfalls davon gesprochen werden, "daß die gesamte Zukunftsprognose nicht positiv ausfallen werde". Nicht in jedem Suchtgiftdelikt könne "automatisch Wiederholungsgefahr gesehen werden". Eine (günstige) Zukunftsprognose könne erst nach Ableistung eines gewissen Teils der Freiheitsstrafe erstellt werden. Dem ist entgegenzuhalten, dass - wie bereits erwähnt - die Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftkriminalität erfahrungsgemäß besonders groß ist. Das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers zeigt seine Gleichgültigkeit und die von ihm ausgehende massive Gefahr in Bezug auf das Leben und die Gesundheit anderer sowie seine mangelnde Verbundenheit mit den in Österreich rechtlich geschützten Werten. Dieses Fehlverhalten lag bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch keineswegs so lange zurück, dass ein Wegfall oder eine maßgebliche Verminderung der von ihm angesichts seines Handels mit Suchtgift ausgehenden Gefahr angenommen werden könnte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 10. April 2003, Zl. 2003/18/0061, vom 27. Jänner 2004, Zl. 2004/18/0005, und vom 19. Mai 2004, Zl. 2001/18/0009). Daher steht der Gefährdungsprognose auch der Umstand nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer zuvor noch nie verurteilt worden ist.

2. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen kann das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, dass § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG der Erlassung des vorliegenden Aufenthaltsverbots nicht entgegenstünde, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Angesichts des besagten gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist diese fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten. Ferner treten aus den im angefochtenen Bescheid zu § 37 Abs. 2 FrG angestellten Erwägungen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an seinem Verbleib in Österreich gegenüber dem an der Erlassung des Aufenthaltsverbots bestehenden gewichtigen Allgemeininteresse in den Hintergrund.

3. Schließlich bringt der Beschwerdeführer vor, er sei nach Österreich geflüchtet, um hier Asyl zu erlangen. Eine Rückkehr in sein Heimatland würde unweigerlich "mit dem Tod des BF verbunden sein". Die Zusammenhänge mit dem Kriegszustand in seinem Heimatland und dem Tod seiner Eltern hätten aufgeklärt werden müssen.

Auch damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Ein Asylwerber ist nicht vor der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes geschützt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2002/18/0117). Auch ist es für die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltsverbotes ohne Bedeutung, ob und gegebenenfalls in welchem Staat der Fremde iSd § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist. Denn mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist die Verpflichtung des Fremden verbunden, unverzüglich auszureisen, und das Verbot, wieder einzureisen; es wird damit jedoch nicht (auch) ausgesprochen, in welchen Staat er auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde. Die Frage der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat stellt sich etwa im Rahmen eines Feststellungsverfahrens gemäß § 75 FrG bzw. einer Non-refoulement-Prüfung gemäß § 8 AsylG oder im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG 1997, nicht jedoch im Verfahren betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (vgl. das zu einer Ausweisung ergangene hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0149).

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 7. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001180056.X00

Im RIS seit

20.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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