TE Vfgh Erkenntnis 2000/12/14 B219/00

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2000
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/05 Bezüge, Unvereinbarkeit

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
BezügeG 1972 §1 Abs2
BezügeG 1972 §15
BezügeG 1972 §24
BezügeG 1972 idF ArtVIII BezügebegrenzungsG §49i Abs2
BundesbezügeG §1 Abs2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung des Antrags einer ehemaligen Nationalratsabgeordneten auf Zuerkennung eines Ruhebezugs nach Mandatsverzicht aufgrund einer schweren Erkrankung mangels ausreichender ruhebezugsfähiger Gesamtzeit der Mandatsausübung; keine Verfassungswidrigkeit der Unterscheidung zwischen obersten Organen einerseits und Mitgliedern des Nationalrates und Bundesrates andererseits seit der Reform des Bezügerechts 1997

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführerin gebührte nach ihrer Wahl in den Nationalrat mit Beginn der XIX. Gesetzgebungsperiode und der am 7. November 1994 geleisteten Angelobung als Mitglied des Nationalrates gemäß den §§2, 3 und 7 Abs1 des Bundesgesetzes vom 9. Juli 1972 über die Bezüge und Pensionen der obersten Organe des Bundes (im Folgenden Bezügegesetz genannt), BGBl. Nr. 273 idF BGBl. Nr. 665/1994, ab 7. November 1994 ein monatlicher Bezug, der dem jeweiligen Gehalt eines Bundesbeamten des Dienststandes der Allgemeinen Verwaltung, Dienstklasse IX, Gehaltsstufe 1 zuzüglich allfälliger Teuerungszulagen entspricht, mit nächster Vorrückung am 1. Dezember 1996 (Vorrückungsstichtag 7. November 1994).

Am 21. Oktober 1999 teilte die Beschwerdeführerin der Bundeswahlbehörde beim Bundesministerium für Inneres mit, dass sie ab 21. Oktober 1999 auf die weitere Ausübung ihres Mandates zum Nationalrat verzichte. Gemäß §2 Abs8 des Geschäftsordnungsgesetzes 1975 teilte die Bundeswahlbehörde dem Präsidenten des Nationalrates am 21. Oktober 1999 den Mandatsverzicht mit. Dieser wiederum setzte am 22. Oktober 1999 die Bundeswahlbehörde davon in Kenntnis, dass der Mandatsverzicht mit Ablauf des 22. Oktober 1999 wirksam wird.

Die Bezüge wurden gemäß §4 Abs2 des Bezügegesetzes mit 22. Oktober 1999 eingestellt. Gemäß §14 Abs2 des Bezügegesetzes entfiel die Anweisung einer einmaligen Entschädigung, da die für die Berechnung der einmaligen Entschädigung maßgebliche Funktionszeit nach den Bestimmungen des §49 j Abs1 leg. cit. vom 7. November 1994 bis 31. Juli 1997 weniger als drei Jahre betrug.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1999 stellte die Beschwerdeführerin an den Präsidenten des Nationalrates den Antrag auf monatlichen Ruhebezug mit der Begründung, dass sie auf Grund einer schweren Erkrankung ihre Funktion nicht mehr weiter ausüben könne.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Präsident des Nationalrates den Antrag der Beschwerdeführerin auf monatlichen Ruhebezug gemäß §24 des Bezügegesetzes BGBl. Nr. 273/1973 idF BGBl. I Nr. 64/1997, iVm §8 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 idF BGBl. I Nr. 10/1999 ab.

2.1. Die Rechtslage, soweit sie für den vorliegenden Fall von Bedeutung ist, stellt sich wie folgt dar:

Die §§15 und 24 des Bundesgesetzes über die Bezüge und Pensionen der obersten Organe des Bundes und sonstiger Funktionäre (Bezügegesetz), BGBl. Nr. 273/1972, in der vor dem 1. August 1997 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 3/1997 lauten:

"§15. Für die in diesem Bundesgesetz geregelten Bezüge gilt auch der Monat als ganzer, in den der Beginn oder das Ende der Amtswirksamkeit fällt. Dies gilt jedoch nicht für die Anwendung des §2 (ausgenommen Abs3) und des §8 Abs2 sowie für die Berechnung der ruhebezugsfähigen Gesamtdienstzeit oder der der Bemessung des Ruhe- oder Versorgungsbezuges zugrundezulegenden Funktionsdauer.

§24. (1) Einem Mitglied des Nationalrates oder des Bundesrates gebührt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auf Antrag ein monatlicher Ruhebezug, wenn die ruhebezugsfähige Gesamtzeit (§25 Abs2) mindestens zehn Jahre beträgt.

(2) Der §8 des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, ist mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, daß an die Stelle der Dienstunfähigkeit die Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung und an die Stelle der ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit die ruhebezugsfähige Gesamtzeit zu treten hat."

§8 des Bundesgesetzes vom 18. November 1965, BGBl. Nr. 340 idF BGBl. I Nr. 127/1999, über die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensionsgesetz 1965) lautet:

"§8. (1) Ist der Beamte infolge einer von ihm nicht vorsätzlich herbeigeführten Krankheit oder körperlichen Beschädigung dienstunfähig geworden und beträgt seine ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit noch nicht 15, jedoch mindestens fünf Jahre, dann ist er so zu behandeln, als ob er eine ruhegenußfähige Gesamtdienstzeit von 15 Jahren aufzuweisen hätte."

Gleichzeitig mit dem Bundesgesetz über die Bezüge der obersten Organe des Bundes, der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates und der von Österreich entsandten Mitglieder des Europäischen Parlaments (Bundesbezügegesetz - BBG) und dem Bundesgesetz über die freiwillige Pensionskassenvorsorge für Personen, die dem Bundesbezügegesetz, BGBl. I Nr. 64/1997, unterliegen (Pensionskassenvorsorgegesetz - PKVG), BGBl. I Nr. 64/1997, wurden in das Bezügegesetz als ArtVIII in den §§49d bis 49k besondere Übergangsbestimmungen für die Zeit nach dem Ablauf des 31. Juli 1997 aufgenommen:

§49e Abs1 und Abs4 lautet:

"Weiteranwendung der Bestimmungen über Ruhe- und Versorgungsbezüge kraft Gesetzes

§49e. (1) Einen Anspruch auf Ruhebezug nach diesem Bundesgesetz können nur mehr Personen erwerben, die mit Ablauf des 31. Juli 1997

1.

zehn Jahre an ruhebezugsfähiger Gesamtzeit im Sinne der §§24 und 25 oder der §§44a und 44b oder

2.

vier Jahre an ruhebezugsfähiger Funktionsdauer im Sinne der §§35 und 36

aufweisen.

...

(4) Auf Personen nach den Abs1 bis 3 sind für die Zeit nach dem 31. Juli 1997 folgende Rechtsvorschriften anzuwenden:

1.

das Bundesbezügegesetz mit Ausnahme der §§12 bis 15,

2.

folgende in Betracht kommenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes:

a)

vom Abschnitt I nurmehr die §§12 (Pensionsbeitrag der obersten Organe) und 23g (Pensionsbeitrag der Mitglieder des Europäischen Parlaments),

b)

Abschnitt II (§§23j bis 44m), wenn die Voraussetzungen für den Anfall eines Ruhe- oder Versorgungsbezuges erfüllt sind oder wenn es sich um die Anwendung des §23 j (Verzicht auf die Pensionsversorgung) handelt

c)

Abschnitt III (§§45-51), soweit er sich auf die anzuwendenden Bestimmungen der Abschnitte I und II bezieht."

§49f Abs1 lautet:

"Optionsrecht

§49f. (1) Personen, die am 31. Juli 1997 eine im Bundesbezügegesetz angeführte Funktion bekleiden und mit Ablauf des 31. Juli 1997 eine geringere als im §49e Abs1 Z1 oder 2 genannte ruhebezugsfähige Gesamtzeit oder ruhebezugsfähige Funktionsdauer aufweisen, können bis zum Ablauf des 31. Dezember 1997 schriftlich erklären, daß auf sie weiterhin die im §49e Abs4 Z2 angeführten Rechtsvorschriften anzuwenden sind."

§49g Abs1 und Abs2 lautet:

"Rechtsfolgen einer Option

§49g. (1) Auf Personen, die innerhalb offener Frist eine schriftliche Erklärung im Sinne des §49f Abs1 oder 2 abgeben, sind die im §49e Abs4 angeführten Rechtsvorschriften und §49e Abs5 nach Maßgabe der Abs2 bis 9 anzuwenden.

(2) Für den Erwerb eines Anspruches auf Ruhebezug sind auch in den Fällen des Abs1

1.

zehn Jahre an ruhebezugsfähiger Gesamtzeit im Sinne der §§24 und 25 oder der §§44a und 44b oder

2.

vier Jahre an ruhebezugsfähiger Funktionsdauer im Sinne der §§35 und 36

erforderlich. Für die Bemessung des Ruhebezuges zählen diese Zeiten jedoch nur, soweit sie vor dem 1. August 1997 liegen."

§49h Abs1 und §49i lauten:

"Vollständiger Übergang auf das Bundesbezügegesetz

§49h. (1) Auf Personen,

1.

die unter §49f fallen, aber innerhalb offener Frist eine schriftliche Erklärung im Sinne des §49f nicht abgeben, oder

2.

die erst nach dem 31. Juli 1997 erstmals mit einer im Bundesbezügegesetz angeführten Funktion betraut werden, ist - soweit nicht §49i ausdrücklich anderes anordnet - anstelle dieses Bundesgesetzes das Bundesbezügegesetz anzuwenden.

...

§49i. (1) Auf Personen nach §49h Abs1 Z1, die

1.

wegen Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung aus ihrer Funktion ausscheiden und

2.

bereits am 31. Juli 1997 die für ihre zum Zeitpunkt dieses Ausscheidens ausgeübte Funktion maßgebenden zeitlichen Voraussetzungen des §24 Abs2 oder des §44a Abs2 erfüllt haben,

sind ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens Abschnitt II und - soweit er sich auf Abschnitt II bezieht - Abschnitt III dieses Bundesgesetzes anzuwenden.

(2) Für Personen nach §49h Abs1 Z1, die wegen Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung aus ihrer Funktion als oberstes Organ des Bundes ausscheiden, gelten die Voraussetzungen des Abs1 Z2 auch dann als erfüllt, wenn sie vor dem 1. August 1997 die Funktion eines obersten Organes des Bundes bekleidet haben.

(3) Scheidet eine Person gemäß Abs1 oder 2 mit Anspruch auf Pensionsversorgung nach Abschnitt II und - soweit er sich auf Abschnitt II bezieht - Abschnitt III dieses Bundesgesetzes aus der Funktion aus, ist §13 Bundesbezügegesetz nicht anzuwenden."

2.2. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wies der Präsident des Nationalrates darauf hin, dass die Beschwerdeführerin vom 7. November 1994 bis 22. Oktober 1999 Mitglied des Nationalrates gewesen sei. Am 31. Juli 1997 habe ihre ruhebezugsfähige Gesamtzeit weniger als fünf Jahre betragen. Die Funktion eines obersten Organs des Bundes iSd §49i Abs2 Bezügegesetz (das seien der Bundespräsident, die Mitglieder der Bundesregierung, die Staatssekretäre, der Präsident des Rechnungshofes und die Mitglieder der Volksanwaltschaft) habe sie nie, also auch nicht vor dem 1. August 1997, bekleidet.

In der gesetzlich vorgesehenen Frist vom 1. August bis 31. Dezember 1997 habe die Beschwerdeführerin eine Erklärung, dass auf sie weiterhin die Rechtsvorschriften nach §49e Abs4 Z2 Bezügegesetz, also die Ruhebezugsbestimmungen des (alten) Bezügegesetzes, anzuwenden seien, nicht abgegeben. Daher seien die pensionsrechtlichen Bestimmungen des Bezügegesetzes mangels Abgabe einer Optionserklärung nicht anzuwenden.

Nach §49h Abs1 Z1 Bezügegesetz seien auf Personen, die wegen Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung aus ihrer Funktion ausscheiden und bereits am 31. Juli 1997 die für ihre zum Zeitpunkt des Ausscheidens ausgeübte Funktion maßgebenden zeitlichen Voraussetzungen des §24 Abs2 Bezügegesetz erfüllt haben, die pensionsrechtlichen Bestimmungen des Bezügegesetzes bei Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung anzuwenden.

Die zeitlichen Voraussetzungen des §24 Abs2 Bezügegesetz seien unter Hinweis auf §8 Pensionsgesetz, der die Begünstigung bei Dienstunfähigkeit bei Vorliegen einer ruhegenussfähigen Gesamtdienstzeit von mindestens fünf Jahren vorsieht, erst dann erfüllt, wenn eine ruhebezugsfähige Gesamtzeit von mindestens fünf Jahren vorliege.

Diese Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung eines Ruhebezuges wegen Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung zum Stichtag 31. Juli 1997 lägen im Fall der Beschwerdeführerin nicht vor.

Die Beschwerdeführerin sei im Sinne des §49i Abs1 Bezügegesetz eine Person nach §49h Abs1 Z1 Bezügegesetz und sei wegen Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung aus ihrer Funktion ausgeschieden. Jedoch habe sie am 31. Juli 1997 die für ihre Funktion maßgebenden zeitlichen Voraussetzungen des §24 Abs2 Bezügegesetz, nämlich eine ruhebezugsfähige Gesamtzeit von mindestens fünf Jahren, nicht erfüllt. Deshalb gelange der Abschnitt II und - soweit er sich auf Abschnitt II bezieht - der Abschnitt III des Bezügegesetzes auch auf Grund des §49i Bezügegesetz nicht zur Anwendung.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) und die Verletzung in Rechten durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die Beschwerdeführerin behauptet, sie falle als Mitglied des Nationalrates unter den Begriff des "obersten Organs des Bundes" im '49i Abs2 Bezügegesetz und habe daher, weil sie vor dem 1. August 1997 die Funktion eines Mitglieds des Nationalrates ausgeübt habe, einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension. Die gegenteilige Interpretation der belangten Behörde sei gleichheitswidrig, weil keine sachliche Rechtfertigung dafür zu finden sei, Personen mit schwer wiegenden Gesundheitsstörungen die Sicherung des Fortbestehens ihrer Ansprüche nach bisherigem Recht Mitgliedern des Nationalrates nicht zuzugestehen, wohl aber Regierungsmitgliedern.

Sie verweist zunächst auf §1 des Bezügegesetzes, gemäß dessen Abs1 dem Bundespräsidenten, den Mitgliedern des Nationalrates, des Bundesrates und der Bundesregierung, den Staatssekretären, den Mitgliedern der Volksanwaltschaft, den Landeshauptmännern sowie dem Präsidenten des Rechnungshofes Bezüge gebühren. §1 Abs2 lautet:

"Außer den Bezügen gebühren den in Abs1 genannten obersten Organen des Bundes Sonderzahlungen".

Im §1 Bezügegesetz würden die Mitglieder des Nationalrates zu den obersten Organen des Bundes gezählt. Hinsichtlich §49i des Bezügegesetzes vertrete die belangte Behörde allerdings den Standpunkt, dass die Beschwerdeführerin als Mitglied des Nationalrates nicht zu den obersten Organen zu zählen sei. Dagegen spreche zunächst, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass ein und dasselbe Gesetz ein und denselben Begriff mit derart unterschiedlicher Bedeutung verwende. Dazu komme, dass unter Berücksichtigung der Bezugnahme auf Abs1 Z2 leg. cit. im Abs2 eine in sich widersprüchliche Regelung entstehe, soweit man die Nationalratsmitglieder nicht zu den obersten Organen des Bundes zähle. Etwas vereinfacht ergebe sich richtigerweise folgender Inhalt des §49i Abs2 leg. cit.:

"Für Personen, die nicht für das alte System optiert haben und die wegen Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung zu ihrer Funktion als oberstes Organ des Bundes ausscheiden, gelten die für die Mitglieder des Nationalrates statuierten zeitlichen Erfordernisse auch dann als erfüllt, wenn sie vor dem 1. August 1997 die Funktion eines obersten Organes des Bundes bekleidet haben."

Die Aussage, dass für die eine Kategorie von Gesetzesadressaten (oberste Bundesorgane) Voraussetzungen als erfüllt zu gelten haben, die überhaupt nur für eine andere Kategorie von Gesetzesadressaten (Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates und des EU-Parlamentes) statuiert sind, sei unerfindlich. Abs2 wäre entbehrlich, wenn mit den "obersten Organen des Bundes" hier die Mitglieder der gesetzgebenden Organe nicht gemeint wären. Denn gemäß §36 Abs1 Bezügegesetz sei ein oberstes Organ im Sinne des §35 Abs1 (Mitglied der Bundesregierung, Staatssekretäre, Mitglieder der Volksanwaltschaft, Präsident des Rechnungshofes und Landeshauptmänner), wenn es während der Ausübung seiner Funktion durch Krankheit oder Unfall zur weiteren Funktionsausübung unfähig wird und wenn die Funktionsdauer noch nicht vier Jahre beträgt, so zu behandeln, als ob es eine Funktionsdauer von vier Jahren aufzuweisen hätte. Außerdem werde im §36 Abs1 tatsächlich ein Adressatenkreis angesprochen, der Mitglieder des Nationalrates nicht umfasse, dies aber nicht mit der Formulierung "oberste Organe des Bundes" sondern mit der Formulierung "oberstes Organ im Sinne des §35 Abs1".

4. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Argumenten der Beschwerde wie folgt entgegentritt:

§49i des Bezügegesetzes sei gemeinsam mit dem Bundesbezügegesetz geschaffen worden. Es sei daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff des "obersten Organes des Bundes" in §49i des Bezügegesetzes den des §1 Abs2 des Bundesbezügegesetzes und nicht jenen des §1 des Bezügegesetzes verstanden hat. §49i Abs2 Bezügegesetz sollte also die Fälle betreffend die "obersten Organe des Bundes" im Sinne des Bundesbezügegesetzes, also vor allem betreffend Mitglieder der Bundesregierung, Staatssekretäre usw., nicht aber betreffend Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates regeln. Abs2 des §49i Bezügegesetz würde keinen Sinn ergeben, wenn für Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates zunächst in Abs1 eine Mindestfunktionsdauer von fünf Jahren bis zum 31. Juli 1997 erforderlich ist, dann aber durch Abs2 eine Mindestfunktionsdauer entfällt.

§49i des Bezügegesetzes entspreche den bis 31. Juli 1997 geltenden Bestimmungen über Funktionsunfähigkeitspensionen. Ein Vergleich von §§24 Abs2 und 44a Abs2 Bezügegesetz mit §36 Abs1 Bezügegesetz zeige, dass im §49i Abs2 Bezügegesetz der Begriff "oberste Organe des Bundes" die Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates und des Europäischen Parlaments nicht umfasse. Für Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates und des Europäischen Parlaments sei unter Hinweis auf §8 Pensionsgesetz immer eine Mindestfunktionsdauer von 5 Jahren gefordert gewesen, um in den Genuss einer Funktionsunfähigkeitspension zu gelangen, während für "oberste Organe im Sinne des §35 Abs1" eine solche Mindestfunktionsdauer nie vorgesehen gewesen sei. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei den von §35 umfassten obersten Organen der Anspruch auf - "regulären" - Ruhebezug bereits bei Vorliegen einer 4-jährigen Funktionsdauer gegeben sei (§35 Abs1), würde das Erfordernis einer Funktionszeit von mindestens fünf Jahren für eine Funktionsunfähigkeitspension auch keinen Sinn ergeben. Hingegen gebühre den Mitgliedern des Nationalrates, Bundesrates und Europäischen Parlaments der - "reguläre" - Ruhebezug erst nach mindestens 10-jähriger Funktionsdauer (§§24 und 44a Bezügegesetz), weshalb eine Funktionsunfähigkeitspension erst dann gebühre, wenn unter sinngemäßer Anwendung der für Bundesbeamte geltenden pensionsrechtlichen Bestimmungen eine zumindest 5-jährige Funktionszeit gegeben ist.

Das Bezügebegrenzungsgesetz, das mit 1. August 1997 in Kraft getreten sei und in Zukunft Ruhebezüge auf Grund der politischen Funktion nicht mehr vorsehe, habe Übergangsbestimmungen in der Weise getroffen, dass die bis zum 31. Juli 1997 erworbenen Ansprüche gewahrt blieben. In diesem Sinne müsse für Mitglieder des Nationalrates das Erfordernis einer mindestens 5-jährigen Funktionszeit zum Erwerb einer Funktionsunfähigkeitspension zum Stichtag 31. Juli 1997 gegeben sein.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist strittig, ob die Regelung des §49i Abs2 des Bezügegesetzes auch auf Mitglieder des Nationalrates anzuwenden ist und ob eine ausschließliche Anwendbarkeit dieser Regelung auf oberste Organe im Sinne des §35 Bezügegesetz gleichheitswidrig ist.

1. Das am 1. August 1997 in Kraft getretene Bundesbezügegesetz sieht im Gegensatz zum Bezügegesetz Ansprüche auf monatliche Ruhebezüge für die obersten Organe des Bundes, der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates und der von Österreich entsandten Mitglieder des Europäischen Parlaments nicht mehr vor. Das bisherige System der Ruhebezüge wurde durch eine Pensionsversicherung bzw. eine freiwillige Pensionsvorsorge ersetzt.

Gleichzeitig mit der Abschaffung des bisherigen Pensionssystems durch das Bundesbezügegesetz wurden durch Art7 des Bezügebegrenzungsgesetzes im ArtVIII des Bezügegesetzes besondere Übergangsbestimmungen für die Zeit nach dem Ablauf des 31. Juli 1997 geschaffen:

Politische Funktionäre, die ihre volle Anwartschaft für Pensionen und Abfertigungen bereits erfüllt haben, also Rechtsansprüche erworben haben, sollten diesbezüglich im alten jeweiligen bezügerechtlichen System bleiben (vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses, 687 der Beil Sten Prot NR XX. GP S 2).

Die entsprechenden Voraussetzungen (vgl. §49e Bezügegesetz) erfüllt die Beschwerdeführerin deshalb nicht, weil sie mit Ablauf des 31. Juli 1997 nicht einmal drei Jahre an ruhebezugsfähiger Gesamtzeit hatte.

Für politische Funktionäre, die mit Ablauf des 31. Juli 1997 noch keine Pensionsanwartschaften erworben hatten, sah §49f Bezügegesetz ein Optionsrecht zugunsten der Anwendung von Bestimmungen des Bezügegesetzes vor. Diese Regelung ist auf die Beschwerdeführerin nicht anwendbar, weil sie von ihrem Optionsrecht nicht Gebrauch gemacht hat. Selbst wenn sie optiert hätte, stünde einem Anspruch auf Ruhebezug wohl die weniger als fünfjährige Dauer der Funktionsausübung (7. November 1994 bis 22. Oktober 1999) entgegen: Die Beschwerdeführerin übersieht offenbar wegen der langen Verweisungskette, dass die Aufrundungsregel des §15 Bezügegesetz im Fall der Optionsausübung - abgesehen von der Ausnahme im zweiten Satz des §15 Bezügegesetz - schon gemäß §49g Abs1 iVm §49e Abs4 Z2 lita Bezügegesetz von vornherein nicht anzuwenden ist.

§49i Bezügegesetz sieht jedoch auch für den Fall, dass vom Optionsrecht nicht Gebrauch gemacht wurde, die Weiteranwendung der Bestimmungen des Bezügegesetzes über Ruhe- und Versorgungsbezüge bei Unfähigkeit zur weiteren Funktionsausübung in bestimmtem Umfang vor.

§49i Abs1 Bezügegesetz verlangt grundsätzlich als Voraussetzung eine bestimmte Funktionsdauer; Abs2 leg. cit. hebt dieses Erfordernis für Personen, die vor dem 1. August 1997 die "Funktion eines obersten Organes des Bundes bekleidet haben", auf.

Die Beschwerdeführerin meint nun, §49i Abs2 Bezügegesetz sei auch auf Mitglieder des Nationalrates anzuwenden, da §1 Abs2 Bezügegesetz durch den Verweis auf Abs1 ("... gebührt den im Abs1 genannten obersten Organen des Bundes ...") die Mitglieder des Nationalrates zu den obersten Organen des Bundes zählt. Dem steht die Auffassung der belangten Behörde gegenüber, dass §49i Abs2 Bezügegesetz die Fälle betreffend die "obersten Organe des Bundes" im Sinne des §1 Abs2 Bundesbezügegesetz (der Bundespräsident, die Mitglieder der Bundesregierung, die Staatssekretäre, der Präsident des Rechnungshofes und die Mitglieder der Volksanwaltschaft), nicht aber die Fälle betreffend Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates regeln sollte.

Die unklare Rechtslage ist darauf zurückzuführen, dass anscheinend der Gesetzgeber bei der Novellierung des Bezügegesetzes auf die Terminologie dieses Gesetzes nicht ausreichend Bedacht genommen hat. Der belangten Behörde ist kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler anzulasten, wenn sie den Begriff der "obersten Organe des Bundes" in der zitierten Weise ausgelegt hat: Es kann dem Gesetzgeber eine Regelung nicht zugesonnen werden, gemäß der er im Abs1 die Erfüllung der für Mitglieder des Nationalrates im §24 Abs2 Bezügegesetz vorgesehenen zeitlichen Voraussetzungen für einen Ruhebezug verlangt und im nächsten Absatz für denselben Personenkreis auf dieses Erfordernis wieder verzichtet.

Weiters ist die von der belangten Behörde aufgrund des §49i Bezügegesetz getroffene Unterscheidung deshalb nicht als verfassungsrechtlich bedenklich zu beurteilen, weil die genannte Norm an unterschiedliche Bezugsregelungen anknüpft und die völlig unterschiedliche Rechtsposition der Organe (Mitglied einer gesetzgebenden Körperschaft - Organ der Vollziehung) berücksichtigt, welche nicht zuletzt in der Verfassungsbestimmung des §2 Unvereinbarkeitsgesetz ihren Niederschlag findet, der den dort aufgezählten Organen im Allgemeinen die Ausübung eines Berufs mit Erwerbsabsicht verbietet (und bloß - als Ausnahme - eine solche Berufsausübung mit Zustimmung des Unvereinbarkeitsausschusses gestattet).

Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin der Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG).

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Bezüge für Mandatare, Oberste Organe der Vollziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:B219.2000

Dokumentnummer

JFT_09998786_00B00219_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten