TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/10 2004/02/0193

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Veröffentlicht am 10.09.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §4 Abs1;
VStG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des HG in M, vertreten durch Dr. Walter Poschinger, Mag. Anita Taucher und Mag. Andreas Berchtold, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Burggasse 12/IV, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 12. März 2004, Zl. UVS 30.18-76/2003-17, betreffend Übertretungen der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer zweier näher umschriebener Übertretungen "des § 7 VStG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 lit. c StVO" schuldig erkannt; es wurden über ihn jeweils Geldstrafen im Ausmaß von 363 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Nach der spruchgemäßen Tatanlastung soll der Beschwerdeführer - zum Wesentlichen zusammengefasst - seinen Sohn, C. sowie H.Gy. zwischen 3.24 Uhr und 3.40 Uhr am 18. Juli 2003 aufgefordert haben, noch vor dem Eintreffen der bereits nach einem Unfall verständigten Gendarmeriebeamten in das vom Beschwerdeführer gelenkte Kraftfahrzeug zu steigen und die Unfallstelle mit dem Beschwerdeführer zu verlassen. Der Sohn des Beschwerdeführers, C. habe als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges dieses dem H.Gy. zum Lenken überlassen, obwohl er gewusst habe, dass H.Gy. nicht im Besitz der erforderlichen Lenkberechtigung war. C. sei daher in ursächlichem Zusammenhang mit einem näher umschriebenen Verkehrsunfall mit Sachschaden, welcher von H.Gy. als Lenker des Kraftfahrzeuges verschuldet worden sei, gestanden. H.Gy. seinerseits habe bei dem von ihm verschuldeten Verkehrsunfall näher angeführte Gartenzäune und eine Verteilersäule beschädigt.

Sowohl C. wie auch H.Gy. hätten (infolge des Verhaltens des Beschwerdeführers) unterlassen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, obwohl ihr Verhalten am Unfallsort mit dem angeführten Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die belangte Behörde legte ihrem Bescheid im Wesentlichen folgende Sachverhaltsfeststellungen zu Grunde:

Am 18.7.2003 besuchten C. und H.Gy. eine Diskothek. Da sich C. alkoholisiert fühlte und nicht mehr fahren wollte, überließ er den auf seinen Namen zugelassenen, dem behördlichen Kennzeichen nach umschriebenen PKW dem H.Gy. zum Lenken. Beim Wegfahren stieg auch O.R. in das Fahrzeug ein, da er, wie C. und H.Gy., nach M. wollte. C. saß am Beifahrersitz, O.R. am Rücksitz. Die Fahrweise von H.Gy. stellte sich als sehr unsicher dar; er kam einige Male "in Unfallgefahr". Da O.R. sich gefährdet fühlte, fragte er während der Fahrt H.Gy., ob dieser eine Lenkberechtigung habe. Dies wurde von H.Gy. verneint. In weiterer Folge verursachte H.Gy. als Lenker des Fahrzeuges um ca. 3.00 Uhr im Ortsgebiet von M. an einem näher umschriebenen Ort einen Verkehrsunfall mit Sachschaden, bei dem zwei Zäune und eine Verteilersäule gerammt und dadurch beschädigt wurden. Bei diesem Unfall entstand kein Personenschaden. Unmittelbar nach dem Unfall kamen Anrainer aus den Häusern und fragten, was passiert sei. Gegenüber den Anrainern erklärte H.Gy. mehrmals, dass er der Lenker gewesen sei, jedoch keinen Führerschein habe. H.Gy. bat eine Anrainerin aus diesen Gründen, nicht die Gendarmerie zu verständigen. Um ca. 3.24 Uhr riefen jedoch eine andere Anrainerin sowie ein Anrainer die Gendarmerie an und zeigten den gegenständlichen Verkehrsunfall an. Um etwa 3.25 Uhr verließ O.R. die Unfallstelle zu Fuß. Eine Anrainerin, die C. kannte, verständigte den Beschwerdeführer. Im Zuge dieses Telefongespräches teilte sie diesem mit, dass nicht C. der Lenker gewesen sei, da dies "ein anderer Jugendlicher zugegeben" habe. Sie beschrieb diesen Jugendlichen aber nicht näher. Etwa um 3.35 Uhr traf der Beschwerdeführer am Unfallort ein. Er besichtigte das Auto, wobei es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn, C. kam. Der Beschwerdeführer befragte C. und H.Gy., was passiert sei und wer das Fahrzeug gelenkt habe. Beide erklärten gegenüber dem Beschwerdeführer, sie hätten das Fahrzeug nicht gelenkt; das Fahrzeug sei von einem Unbekannten gelenkt worden. Die anwesenden Anrainer "haben sich in die Diskussion nicht eingemischt." Der Beschwerdeführer befragte auch die anwesenden Anrainer "in keiner Weise", ob sie wüssten, wer das Fahrzeug gelenkt habe. Nachdem C. und H.Gy. gesagt hatten, dass sich der von ihnen angegebene Lenker zu Fuß entfernt habe, forderte der Beschwerdeführer sie auf, in sein Fahrzeug einzusteigen, um diesen Lenker zu suchen. Vor der Abfahrt sagte ein Anrainer zum Beschwerdeführer, dass die Gendarmerie verständigt worden sei und jeden Moment eintreffen müsse. Der Beschwerdeführer erklärte, dass er für den Schaden aufkommen und den vermeintlichen Lenker suchen werde. Der Beschwerdeführer, C. und H.Gy. fuhren dann in Richtung S.. Im Auto fand eine Diskussion zwischen dem Beschwerdeführer und C. statt; knapp vor dem Ortsgebiet S. teilten C. und H.Gy. dem Beschwerdeführer mit, dass die Richtung falsch sei und dass der von ihnen angegebene Lenker in H. wohne. Der Beschwerdeführer drehte dann um und fuhr über die Autobahn nach H.. Der Beschwerdeführer sagte während der Fahrt mehrmals, dass er C. und H.Gy. "überhaupt nichts mehr glaubt". Nachdem diese auch keine weiteren konkreten Angaben zum Wohnort des vermeintlichen Lenkers machten, fuhr der Beschwerdeführer wieder von der Autobahn ab und zum Gendarmerieposten. Unmittelbar nachdem der Beschwerdeführer die Unfallstelle verlassen hatte, traf etwa um 3.40 Uhr die Gendarmerie an der Unfallstelle ein. In der Folge, etwa um

4.10 Uhr, trafen die Gendarmeriebeamten den Beschwerdeführer mit C. sowie H.Gy. an der Kreuzung vor dem Gendarmerieposten im Auto fahrend an. C. und H.Gy. stiegen bei der Dienststelle der Gendarmerie aus, der Beschwerdeführer teilte den Beamten mit, dass er nach dem unbekannten Dritten weitersuchen werde, da dieser das Fahrzeug (seiner Meinung nach) gelenkt habe. (Am Gendarmerieposten blieben C. und H.Gy. bei der Version, dass eine unbekannte dritte Person das Fahrzeug gelenkt habe.) Im Zuge der Ermittlungen stellte sich in der Folge heraus, dass O.R. das Fahrzeug nicht gelenkt habe, sondern nur Beifahrer gewesen sei, während H.Gy. Lenker des Fahrzeuges gewesen sei.

Gemäß § 4 Abs. 1 lit. c StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Gemäß § 7 VStG unterliegt der, der vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Juli 1984, Zl. 82/02/0063) beschränkt sich der in § 4 Abs. 1 StVO genannte Personenkreis nicht nur auf jene Personen, die sich rechtswidrig und schuldhaft verhalten haben; vielmehr umfasst dieser Kreis alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht. Nach der in diesem Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sind darunter alle Personen zu verstehen, deren Verhalten örtlich und zeitlich unmittelbare Bedingung für das Entstehen des Verkehrsunfalles ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob dieses Verhalten, das ein Tun oder Unterlassen sein kann, rechtswidrig und schuldhaft ist.

Davon ausgehend bedeutet dies für den Beschwerdefall, dass der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht der belangten Behörde, C. sei verpflichtet gewesen, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, nicht teilen kann: Es trifft zwar zu, dass er als Zulassungsbesitzer den PKW dem H.Gy. (von dem er zumindest im Laufe der Fahrt wusste, dass dieser über keine Lenkberechtigung verfügte) zum Lenken überlassen hat, doch ist dieses Verhalten kein Verhalten am Unfallsort, das örtlich und zeitlich unmittelbare Bedingung für das Entstehen des Verkehrsunfalles ist. Dieser Spruchteil des angefochtenen Bescheides ist daher schon deshalb mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil C. als "unmittelbarer Täter" den objektiven Tatbestand gar nicht erfüllt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1976, Slg.Nr. 9159/A).

Unstreitig hat hingegen H.Gy. gegen die ihm obliegende Verpflichtung nach § 4 Abs. 1 lit. c StVO verstoßen. Was die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Beitragstäterschaft zu dieser Übertretung betrifft, so genügt nach der Rechtsprechung für den Tatbestand der Beihilfe Vorsatz in der Form des dolus eventualis (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. April 1989, Zlen. 88/02/0166, 0205); dies gilt ebenso für die von § 7 VStG gleichfalls umfasste Anstiftung. Ausgehend von den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen liegt jedoch nicht einmal diese Form des Vorsatzes vor: Die belangte Behörde hat ausdrücklich festgestellt, dass C. und H.Gy. dem Beschwerdeführer gegenüber angegeben haben, ein Dritter sei gefahren (was sie in der Folge auch gegenüber der Gendarmerie behaupteten). Diese Information konnte dem Beschwerdeführer auf Grund seines Vorwissens aus dem Telefongespräch mit der Anrainerin, wonach sein Sohn nicht gefahren sei, durchaus plausibel erscheinen. Hat aber demnach der Beschwerdeführer - mit gutem Grund - angenommen, C.G. und H.Gy. seien nur Beifahrer und damit nicht Personen gewesen, an die sich das Gesetzesgebot des § 4 Abs. 1 lit. c StVO richtet, ist ihm auch nicht bedingter Vorsatz - auch nicht in Hinsicht auf H.Gy. - im Sinn des § 7 VStG vorzuwerfen; (auch) dieser muss sich nämlich schon dem Wortlaut des § 7 VStG nach auf die Tätereigenschaft des unmittelbar Handelnden beziehen. Eine Erkundigungspflicht darüber hinaus etwa bei den Anrainern - wie die belangte Behörde rechtsirrtümlich hier annimmt - bestand für den Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang (und zwar unabhängig von seiner beruflichen Stellung als Rechtskundiger) nicht.

Die belangte Behörde hat somit die Rechtslage verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid - ohne dass in das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 10. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004020193.X00

Im RIS seit

23.09.2004

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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