TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/14 2002/11/0258

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Veröffentlicht am 14.09.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §73 Abs2;
FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §29 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs3 Z3;
KFG 1967 §66 Abs2 litf;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des W in F, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 8. November 2002, Zl. 422025/1-II/ST4/02, betreffend Zurückweisung der Berufung iA Aussetzung des Verfahrens betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 22. Februar 2002 wurde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung auf die Dauer von 14 Monaten (bis 9. Mai 2003) entzogen. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 7. März 2002 "Vorstellung".

Am 10. Juni 2002 stellte der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag, da gemäß § 29 Abs. 1 FSG die Behörden im Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung verpflichtet seien, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber drei Monate nach deren Einlangen einen Bescheid zu erlassen, das Verfahren jedoch noch nicht zum Abschluss gebracht worden sei.

Am 8. Juli 2002 erging folgende Mitteilung an den Vertreter

des Beschwerdeführers:

"Amt der Steiermärkischen Landesregierung

Fachabteilung 13B

...

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt!

Zu Ihrem Devolutionsantrag vom 10. Juni 2002 darf mitgeteilt

werden, dass dieser als berechtigt angesehen wird.

Gleichzeitig wird jedoch mitgeteilt, dass das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verwaltungsstrafverfahrens betreffend des Alkoholdelikts vom 20. Februar 2002, 02:00 Uhr, ausgesetzt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Der Leiter der Fachabteilung ....eh."

Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 22. Juli 2002 "Berufung" an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, mit dem Antrag den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass das Verfahren des Landeshauptmannes der Steiermark nicht ausgesetzt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. November 2002 wies die belangte Behörde die gegen das Schreiben vom 8. Juli 2002 eingebrachte "Berufung" als unzulässig zurück. In der Begründung führte die Behörde aus, dass es sich bei dem Schreiben vom 8. Juli 2002 nicht um einen Bescheid handle, der in Rechtskraft erwachsen könne, sondern um die bloße Mitteilung über eine mit einfacher Verfahrensanordnung erfolgte Verfahrensaussetzung, weshalb auch eine Berufung nicht zulässig sei. Darüber hinaus komme nach der durch das FSG gegebenen Rechtslage dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie keine Zuständigkeit zur Erlassung von Berufungsbescheiden in Angelegenheiten betreffend Entziehung der Lenkberechtigung mehr zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Schreiben vom 8. Juli 2002 ist weder als "Bescheid" ausdrücklich bezeichnet noch ist es als solcher gegliedert. Es enthält keine Begründung und auch keine Rechtsmittelbelehrung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auf die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinn auch aus der Form der Erledigung ergeben.

Mangelt es - wie im vorliegenden Fall - an der für einen Bescheid vorgesehenen Form, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Bringt die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so liegt kein Bescheid vor (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 19. Juli 2002, Zl. 2002/11/0115, mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt es keinen Zweifel, dass das Schreiben vom 8. Juli 2002 keinen Bescheid darstellt. Das - vom Leiter der Fachabteilung gefertigte - Schreiben verwendet ausdrücklich den Begriff "mitteilen" und enthält keine Bezugnahme auf Rechtsvorschriften oder einen Hinweis, die Behörde habe mit ihm einen normativ bindenden Akt gesetzt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Entziehungsverfahren bis zur Entscheidung einer Vorfrage durch die zur ihrer Beurteilung als Hauptfrage zuständige Behörde ausgesetzt werden kann. Dazu bedarf es, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, keines formellen Aussetzungsbescheides nach § 38 AVG. Die Kraftfahrbehörde kann vielmehr - sofern die Voraussetzungen für einen Aussetzungsbescheid vorliegen - auch ohne Erlassung eines solchen den Ausgang des über die Vorfrage anhängigen Verfahrens abwarten (siehe das hg. Erkenntnis vom 26. November 2002, Zl. 2002/11/0083). Die Aussetzung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil in § 29 Abs. 1 FSG in Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung eine Entscheidungspflicht innerhalb von drei Monaten normiert ist. Ist die Behörde berechtigt, die Entscheidung einer Vorfrage abzuwarten, ist ein allfälliger Devolutionsantrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG abzuweisen (siehe das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 2001/11/0121).

Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. September 2004

Schlagworte

Allgemein Besondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002110258.X00

Im RIS seit

12.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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