TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/14 2001/11/0158

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Veröffentlicht am 14.09.2004
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Index

L92706 Jugendwohlfahrt Kinderheim Steiermark;

Norm

JWG Stmk 1991 §29 Abs1;
JWG Stmk 1991 §29 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der M. OEG in M, vertreten durch Dr. Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Glacisstraße 69, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. April 2001, Zl. 9-48.1- 40/2001-109, betreffend Widerruf einer Bewilligung zum Betrieb einer Trainingswohngruppe nach dem Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 4. Juli 2000 erteilte die Steiermärkische Landesregierung der Beschwerdeführerin auf Grundlage des von dieser vorgelegten Konzeptes gemäß § 29 Abs. 1 und 2 des Steiermärkischen Jugendwohlfahrtsgesetzes 1991, LGBl. Nr. 93/1990 (Stmk JWG 1991), die Genehmigung zum Betrieb (ab 10. Juli 2000) einer therapeutisch und erlebnispädagogisch orientierten sozialpädagogischen Trainingswohngruppe in M. mit einer Höchstbelagszahl von 8 Klienten im Alter von 11 bis 15 Jahren "und einem Personalstand von 500 % Dienstposten für Erzieher inklusive 25 % Dienstposten für einen pädagogischen Leiter". Folgende Auflagen wurden für den pädagogischen Bereich vorgeschrieben:

"I. Die Arbeit hat konzeptgemäß zu erfolgen. Jede Änderung des Konzeptes ist der Rechtsabteilung 9 rechtzeitig unter Vorlage entsprechender Unterlagen zu melden und um Genehmigung anzusuchen (Dauerauflage).

II. Jede Änderung in den Leitungsfunktionen ist der Rechtsabteilung 9 unverzüglich bekannt zu geben und ist um Genehmigung anzusuchen (Dauerauflage).

III. Die im Konzept vorgeschriebenen Ausbildungsvoraussetzungen sind zu erbringen. Die Auswahl muss von einer hiezu fachlich geeigneten Person durchgeführt werden (Dauerauflage).

IV. Die Inanspruchnahme von Supervision im Rahmen der im jeweils genehmigten Tagsatz vorgesehenen Geldmittel wird als verpflichtend vorgeschrieben (Dauerauflage)."

Weiters wurden brandschutztechnische und baupolizeiliche Auflagen vorgeschrieben. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das von der Beschwerdeführerin vorgelegte pädagogische Betriebskonzept entspreche laut Gutachten der Fachabteilung für das Sozialwesen in formaler Hinsicht den Anforderungen des Maßnahmenkatalogs zur Sicherung der strukturellen Qualität im Sozialbereich. Im Rahmen dieses Betriebskonzeptes könne laut Gutachten von einer fach- und sachgemäßen Betreuung der Jugendlichen ausgegangen werden. Zielgruppe der Einrichtung seien bis zu maximal 8 männliche Jugendliche mit den Aufnahmekriterien Schulschwierigkeiten und Unbeschulbarkeit (im Rahmen des allgemeinen Unterrichts) sowie erhöhte Gewaltbereitschaft. Die sozialpädagogische Betreuung mit erlebnispädagogischen Grundelementen stütze sich vor allem auf den Ansatz "learning by doing" bzw. Wahrung des Ernstcharakters sowie auf eine ressourcenorientierte Arbeitsweise. Dabei bediene sich das Betreuungsteam verschiedener unterstützender Angebote wie z.B. der Selbstwahrnehmung zur Erlangung eines adäquaten Selbstbildes oder der strategischen Erlebnispädagogik. Zur Erreichung der gesetzten Ziele setze das Betreuungsteam sowohl auf Einzelbetreuung als auch auf Familienarbeit. Auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sei festzustellen, dass die in § 29 Abs. 2 Stmk JWG 1991 genannten Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung erfüllt seien.

Mit Bescheid vom 3. April 2001 widerrief die Steiermärkische Landesregierung gemäß § 29 Abs. 4 Stmk JWG 1991 die Bewilligung zum Betrieb der therapeutisch und erlebnispädagogisch orientierten sozialpädagogischen Trainingswohngruppe in M. In der Begründung wurde nach umfassender Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, der Sachverständige Dr. D., Facharzt für Kinderheilkunde und Neuropsychiatrie des Kindes- und Jugendalters, Psychotherapeut sowie Leiter der Heilpädagogischen Station des Landes Steiermark, sei - unter Berücksichtigung der Ergebnisse der am 13. März 2001 an Ort und Stelle durchgeführten Verhandlung - in seinem Gutachten vom 20. März 2001 zu folgender zusammenfassender Schlussfolgerung gelangt:

Die Beschwerdeführerin nehme ihre Aufsichts- und Erziehungspflicht gegenüber den ihr anvertrauten Jugendlichen nicht in ausreichendem Maße wahr und gefährde dadurch sowohl die Jugendlichen als auch die Nachbarschaft. Die Beschwerdeführerin nehme eine sehr schädliche, problemübertreibende und sehr kontraproduktive Haltung ein. Die Möglichkeiten der Beschulung würden zum Nachteil der Jugendlichen nicht ausreichend genutzt, die bisher geschaffenen pädagogischen Ressourcen seien absolut ungenügend. Die Dokumentation, die bei einer psychosozialen Dienstleistung einzig verlässlicher Parameter für Qualität sei, sei nicht nur sträflich vernachlässigt worden, sondern auch vom Konzept her viel zu kurz angelegt. Die Herstellbarkeit einer ausreichenden Qualität der Dienstleistungen sei in der gebotenen Kürze nicht vorstellbar, eine weitere Verzögerung sei jedoch den Jugendlichen auf keinen Fall zuzumuten.

Die sachverständige Mitarbeiterin F. der Fachabteilung für das Sozialwesen sei - unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verhandlung - in ihrem Gutachten vom 23. März 2001 zu folgenden Schlussfolgerungen gelangt:

Die Einhaltung der vorgegebenen Tagesstruktur werde nicht nachhaltig umgesetzt. Die Jugendlichen teilten sich ihre Tagesstrukturen selbst ein; sie seien gezwungen, eine Rangordnung zu bilden, die sich über Gewalt definiere und auch gefestigt werde. Außerdem würden wesentliche Punkte des Konzeptes im Bereich der Dokumentation nicht umgesetzt. Es gebe zwar Ansätze, das Konzept in Teilbereichen umzusetzen, es sei jedoch z.B. bei keinem Jugendlichen ein Betreuungskonzept, eine Falldokumentation oder eine Zielverlaufsplanung vorhanden. Dementsprechend gebe es auch kein Controlling, keine Gruppensupervision und kein Gruppentraining mit den Eltern. Schließlich sei auf Grund der mangelhaften Dokumentation auch eine Beurteilung der Arbeit mit den Jugendlichen nicht möglich. Die vorgefundenen Mängel bezögen sich sowohl auf die Betreuung als auch auf die Dokumentation. Die Jugendlichen bekämen zwar Struktur angeboten, es scheitere aber an der Umsetzung. Dies lasse darauf schließen, dass entweder das Personal nicht richtig qualifiziert sei oder die Beschwerdeführerin das Leitbild dem Personal nicht entsprechend vermitteln könne bzw. die Einschulung nicht professionell durchgeführt werde. Es entstehe der Eindruck, dass die Jugendlichen viele Delikte auf Grund der Langeweile bzw. der chaotischen, unstrukturierten Betreuung begingen. Eine Zukunftsperspektive für die Jugendlichen in dieser Einrichtung werde aus fachlicher Sicht auf Grund der bereits vorgefallenen und nicht entsprechend aufgearbeiteten Vorkommnisse kaum mehr gesehen.

Die Steiermärkische Landesregierung stellte in der Begründung weiters folgende Missstände fest:

Zwar entsprächen die "derzeit" aufgenommenen Jugendlichen der Zielgruppe, jedoch erfolge die Betreuung der Jugendlichen nicht konzeptgemäß. Im Wesentlichen mangle es an einem geregelten Tagesablauf, dem erforderlichen Lerntraining mit entsprechender interner Beschulung, einer gezielten Freizeitgestaltung, einem ausreichenden Angebot an sozialen und erlebnispädagogischen Maßnahmen sowie verschiedenen therapeutischen Hilfen bei der Bewältigung von Problemen und Krisen. Es gebe keine Gruppensupervision für Jugendliche. Hinsichtlich der Bereiche erlebnispädagogische Projekte, strategische Kurzaktionen bzw. längerfristige Projekte zur Bewältigung von Krisensituationen gebe es mit Ausnahme eines dreitägigen Projektes mit einem Jugendlichen und einem einmaligen zweitägigen Gruppenprojekt keine Ansätze in diese Richtung.

Beim Personal sei die auffallend hohe Fluktuation ein unbestrittenes Faktum und es würden darüber hinaus die Ausbildungsvoraussetzungen im derzeit bestehenden Team nicht erfüllt. Dieses setze sich nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin derzeit aus einem Sonderkindergärtner, einer Behindertenpädagogin als Lernbetreuerin und Schulverhaltenstrainerin, einer Psychologin mit einer Vorausbildung zur Erlebnispädagogin, einem Psychologen, einem Betreuer mit abgeschlossener Tischlerausbildung, NLP-Ausbildung und berufsbegleitender Erzieherausbildung sowie einer Betreuerin, die bereits Vorerfahrungen in einem Kinderdorf gesammelt habe und in berufsbegleitender Ausbildung stehe, zusammen. Dies entspreche nicht den Ausbildungsvoraussetzungen laut Konzept von zumindest drei Erziehern und einem Schulverhaltenstrainer. Ebenso sei die konzeptgemäße Mitarbeiterschulung im Bereich der Einschulung überaus mangelhaft. Der Bereich der Fortbildung im Sinne eines Bildungsfahrplanes sei nicht vorhanden.

Zum Thema Dokumentation werde festgestellt, dass wesentliche Elemente wie ein personenzentriertes Betreuungskonzept für jeden Jugendlichen, schriftliche Zielplanungen für jeden Jugendlichen und schriftliche Dokumentationen zum Zielcontrolling der Probezeit auch nach Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich der Verhandlung nicht vorlägen, da diese erst in Ausarbeitung begriffen seien. Es sei erst vor zwei Monaten begonnen worden, die Betreuer in diese Form von Betreuungsplanung einzuweisen.

Zur Betreuung der Minderjährigen sei festzustellen, dass eine Umsetzung des pädagogischen Konzeptes nicht in geeigneter Form erfolge. Es mangle an den wesentlichen Elementen eines klar strukturierten Tagesablaufes mit nachhaltiger Kontrolle vereinbarter Erziehungsziele. Es mangle durch den häufigen Mitarbeiterwechsel an einer ausreichenden Vertrauensbildung zwischen Erzieher und Jugendlichen, wodurch nur eine oberflächliche Betreuung und somit erziehungsmäßige Vernachlässigung einhergingen. Eine konzeptgemäße interne Beschulung durch einen entsprechenden Lehrer sowie eine raschest mögliche Integration in das öffentliche Schulwesen liege nicht vor. Insbesondere stehe erst seit zwei Wochen ein Hauptschullehrer partiell (20 Stunden wöchentlich) zur Verfügung. Lediglich zwei von acht Jugendlichen besuchten die öffentliche Schule.

Es werde weiters festgestellt, dass es der Beschwerdeführerin seit der Inbetriebnahme der Einrichtung nicht gelungen sei, entsprechende erzieherische und therapeutische Maßnahmen zu setzen, um die Jugendlichen von der Begehung gerichtlicher Straftaten abzuhalten. Im Hinblick auf die letzten Gendarmerieberichte sei vielmehr davon auszugehen, dass die Situation eskaliere.

In rechtlicher Hinsicht wurde nach Wiedergabe des § 29 Stmk JWG 1991 ausgeführt, auf Grund der ständigen Kontakte (z.B. runde Tische, Maßnahmenkatalog, Absprachen Beschwerdeführerin und Behörde) sowie daraus resultierender Empfehlungen habe es insbesondere im Hinblick auf die anfangs glaubhaften Beteuerungen der Beschwerdeführerin, Verbesserungen vorzunehmen, keines gesonderten Mängelbehebungsauftrages bedurft. Die nach wie vor bestehende permanente Problematik und Krisensituation sowie auch das Ermittlungsergebnis hätten zum Schluss geführt, dass die Beschwerdeführerin bisher keine substanziellen Veränderungen hinsichtlich der Betreuungs- und Personalsituation herbeiführen habe können, woraus weiters abgeleitet werden müsse, dass die festgestellten gravierenden Mängel unbehebbar seien. Die Behörde stütze sich bei dieser Feststellung auch auf das Resümee der beiden zusammenfassenden Sachverständigengutachten, die der Einrichtung keine positive Prognose für die Zukunft stellten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. § 29 Stmk JWG 1991 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 68/2000 lautet (auszugsweise):

"§ 29

Bewilligung und Aufsicht

(1) Heime und sonstige Einrichtungen, die zur Übernahme von Minderjährigen in Pflege und Erziehung bestimmt sind (§ 37), dürfen nur mit Bewilligung der Landesregierung errichtet und betrieben werden. Einrichtungen, die vom Land Steiermark betrieben werden, sind von der Bewilligungspflicht ausgenommen.

(2) Die Bewilligung ist nur zu erteilen, wenn der Bewilligungswerber

1. ein nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen erstelltes sozialpädagogisches Konzept hat,

2. über Fachkräfte für die Leitung der Einrichtung sowie für die Pflege und Erziehung der Minderjährigen in ausreichender Anzahl verfügt,

3. über Räumlichkeiten, die für die Erfüllung des Zweckes nach Lage, baulicher Ausstattung und Einrichtung geeignet sind, verfügt und

4. über die wirtschaftlichen Voraussetzungen verfügt, um eine entsprechende Betreuung der Minderjährigen im Sinne dieses Gesetzes zu gewährleisten.

...

(3a) Die Bewilligung gemäß Abs. 2 und 3 ist erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Auflagen oder Bedingungen zu erteilen.

(4) Die Aufsicht über die im Abs. 1 genannten Einrichtungen obliegt der Landesregierung. Diese hat in geeigneten Zeitabständen zu überprüfen, ob die Heime und sonstigen Einrichtungen den vorgeschriebenen Erfordernissen weiterhin entsprechen. Werden Missstände wahrgenommen, so ist, sofern eine Behebung möglich ist, diese mit Bescheid innerhalb angemessener Frist aufzutragen. Werden nichtbehebbare Missstände festgestellt oder wird dem Auftrag zur Behebung nicht fristgerecht entsprochen, so ist die Bewilligung zu widerrufen. Die Bewilligung ist weiters zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr vorliegen. Wird die Bewilligung widerrufen, so ist gleichzeitig eine anderwärtige Unterbringung der Minderjährigen anzuordnen und bei Gefahr im Verzug sofort zu vollziehen."

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1. § 29 Abs. 4 dritter Satz Stmk JWG 1991 sieht ausdrücklich vor, dass den in § 29 Abs. 1 leg. cit. genannten Einrichtungen die Behebung der im Rahmen der Aufsicht wahrgenommenen Missstände innerhalb angemessener Frist mit Bescheid aufzutragen ist, sofern die Behebung der Missstände möglich ist. Werden hingegen nichtbehebbare Missstände festgestellt, so ist die Bewilligung gemäß § 29 Abs. 4 vierter Satz Stmk JWG 1991 zu widerrufen, ohne dass es eines Mängelbeseitigungsauftrags bedürfte.

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall unstrittig keinen Mängelbehebungsbescheid gemäß § 29 Abs. 4 dritter Satz Stmk JWG 1991 erlassen. Sie ist bei ihrer Entscheidung vielmehr davon ausgegangen, dass es sich bei den von ihr festgestellten Mängeln um solche handle, die nicht behebbar seien. Sie hat dies damit begründet, dass es auf Grund der ständigen Kontakte mit der Beschwerdeführerin und daraus resultierender Empfehlungen sowie im Hinblick auf die zunächst glaubhaften Beteuerungen der Beschwerdeführerin, Verbesserungen vorzunehmen, keines gesonderten Mängelbehebungsauftrages bedurft habe. Da die Beschwerdeführerin bisher keine substanziellen Veränderungen hinsichtlich der Betreuungs- und Personalsituation herbeiführen habe können, seien die festgestellten Mängel unbehebbar. Die belangte Behörde stützte sich bei dieser Feststellung auch auf das Resümee der beiden zusammenfassenden Sachverständigengutachten, die der Einrichtung keine positive Prognose für die Zukunft stellten.

Zunächst ist der belangten Behörde entgegenzuhalten, dass der in § 29 Abs. 4 dritter Satz Stmk JWG 1991 (bei Wahrnehmung behebbarer Missstände) zwingend vorgesehene Mängelbehebungsbescheid nicht durch informelle Kontakte und Empfehlungen ersetzt werden kann. Weiters ist ihr zu entgegnen, dass es sich bei nichtbehebbaren Missständen im Sinne des § 29 Abs. 4 Stmk JWG 1991 um solche handelt, die schon ihrer Art nach unbehebbar sind. Aus dem Umstand, dass der Träger der Einrichtung - trotz bereits stattgefundener informeller Kontakte und abgegebener Empfehlungen - bisher keine Änderungen im Hinblick auf die wahrgenommenen Missstände vorgenommen hat, kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass die Missstände ihrer Art nach unbehebbar wären. Ob der Träger der Einrichtung willens und in der Lage ist, die festgestellten Missstände zu beheben, soll sich nach der Systematik des § 29 Abs. 4 Stmk JWG 1991 vielmehr erst im Rahmen des Mängelbehebungsverfahrens zeigen.

Dass die im angefochtenen Bescheid festgestellten Missstände aber ihrer Art nach unbehebbar seien, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar. Diesbezügliche Feststellungen fehlen im angefochtenen Bescheid zur Gänze. Die Unbehebbarkeit ergibt sich auch nicht aus den von der belangten Behörde in ihrer Bescheidbegründung herangezogenen Zusammenfassungen der beiden Sachverständigengutachten.

Auch dem übrigen Inhalt der beiden verwerteten Sachverständigengutachten kann nicht entnommen werden, dass die festgestellten Missstände ihrer Art nach unbehebbar seien. Unter dem Punkt "Sanierbarkeit" führte Dr. D. in seinem Gutachten vom 20. März 2001 aus, die notwendige Anpassung sei auch in Zukunft nicht zu erwarten, weil die verschiedensten Anregungen auf Verbesserung - vor allem der erzieherischen Dienstleistung - von der Beschwerdeführerin bisher nicht aufgegriffen worden seien. Ähnlich führte die Diplomsozialarbeiterin F. in ihrer Stellungnahme vom 20. März 2001 aus, dass auf eine Umsetzung des Konzeptes nicht gehofft werden könne, weil die Einrichtung bereits seit 17. Juli 2000 betrieben werde, die Beschwerdeführerin aber beanstandete Dokumentationsmängel nicht beseitigt und der Empfehlung, mehr Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, nicht nachgekommen sei. Wie bereits oben dargelegt, kann aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin bisher keine Veränderungen vorgenommen hat, nicht geschlossen werden, dass es sich bei den festgestellten Mängeln um solche handle, die ihrer Art nach unbehebbar sind.

Der Widerruf der Bewilligung der Beschwerdeführerin kann daher nicht auf § 29 Abs. 4 vierter Satz Stmk JWG 1991 gestützt werden.

2.2. Gemäß § 29 Abs. 4 vorletzter Satz Stmk JWG 1991 ist die Bewilligung allerdings auch dann zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr vorliegen. Für diesen Fall ist die Erlassung eines Mängelbehebungsbescheides nicht vorgesehen.

Voraussetzung für die Erteilung der Bewilligung ist unter anderem, dass der Bewilligungswerber über Fachkräfte für die Pflege und Erziehung der Minderjährigen in ausreichender Anzahl verfügt (vgl. § 29 Abs. 2 Z. 2 Stmk JWG 1991).

Die belangte Behörde hat zwar festgestellt, dass das "derzeit" bestehende Betreuungsteam der Beschwerdeführerin die Ausbildungsvoraussetzungen nicht erfülle. Im angefochtenen Bescheid finden sich aber keine Feststellungen, dass zumindest eine der Voraussetzungen, die zum Zeitpunkt der Bewilligung erfüllt waren, seit Erteilung der Bewilligung weggefallen ist. In Ermangelung dahin gehender Feststellungen fehlt es aber an einer ausreichenden sachverhaltsmäßigen Grundlage dafür, die Bewilligung gemäß § 29 Abs. 4 vorletzter Satz Stmk JWG 1991 - ohne vorherigen bescheidmäßigen Auftrag zur Behebung dieses Missstandes - zu widerrufen.

2.3. Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkennen.

Wien, am 14. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001110158.X00

Im RIS seit

25.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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