TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/15 2001/09/0084

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.09.2004
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §26 Abs2;
AuslBG §28 Abs1 Z2 litd;
AVG §45 Abs2;
MRK Art6;
VStG §51e idF 1998/I/158;
VStG §51i idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des W in L, vertreten durch Dr. Johann Kölly, Rechtsanwalt in 7350 Oberpullendorf, Rosengasse 55, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 3. April 2001, Zl. K 019/05/2000.004/005, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien:

Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom 10. Jänner 2000 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 10. August 1999 um 10:35 Uhr als Vertreter seiner Ehegattin EW auf einer näher bezeichneten Baustelle in G die Durchführung einer Amtshandlung "Überprüfung der Arbeitsstellen" durch Erhebungsorgane des Arbeitsinspektorates E verhindert, indem er den Beamten den Zutritt verweigert und sie zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert habe, obwohl er zur Auskunftserteilung und Mitwirkung verpflichtet gewesen wäre. Wegen der Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. d und e i.V.m. § 26 Abs. 2 und 3 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 letzter Halbsatz AuslBG eine Geldstrafe in der Höhe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im Wesentlichen ausführte, es sei unrichtig, dass er die beiden Beamten zum Verlassen der Baustelle aufgefordert habe, noch bevor die Kontrolle beendet gewesen wäre, vielmehr sei die Kontrolle bereits abgeschlossen gewesen. Auch habe für die Beamten kein Anlass bestanden, das Gebäude oder die Baustelle zu verlassen, weil er zwar von ihnen überrascht worden wäre und heftig reagiert habe, eine weitere Kontrolle aber nach erfolgter Belehrung nicht behindert hätte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde - ohne zuvor eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen - der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 51 Abs. 1 VStG keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch hinsichtlich Schuld und Strafe zu lauten habe:

"Sie haben am 10. August 1999 um 10:35 Uhr auf der Baustelle der E.W. in G., G-Straße, zwei Kontrollorganen des Arbeitsinspektorates für den 16. Aufsichtsbezirk entgegen § 26 Abs. 2 AuslBG den Zutritt zu dieser Baustelle nicht gewährt, weil sie diese Beamten zum Verlassen der Baustelle aufforderten. Dadurch haben sie § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. d leg. cit. verletzt. Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 2 letzter Halbsatz AuslBG wird deshalb eine Geldstrafe von S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe acht Tage) verhängt."

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Verwaltungsstrafverfahren die Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 16. Aufsichtsbezirk vom 16. August 1999 zu Grunde liege, woraus sich die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ergebe. Danach sei die Kontrolle der eingangs erwähnten Baustelle durch die Arbeitsinspektoren in Aussicht genommen und dort der Beschwerdeführer angetroffen worden, der den beiden Kontrollorganen auf Grund vorhergehender Amtshandlungen bekannt gewesen sei. Als sich diese mittels Dienstausweisen ausgewiesen und erklärt hätten, sie wollten eine Kontrolle nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durchführen, habe sie der Beschwerdeführer mit den Worten "Schleicht's Euch! Auße oba schnö! Des san jo Mafiamethoden! Warum kummt's es von hinten und kräult's beim Fensta eine?" angeherrscht. Die beiden Erhebungsorgane hätten daraufhin unverzüglich die Baustelle verlassen und im Hinausgehen den Beschwerdeführer noch von der beabsichtigten Anzeige informiert. Damit habe der Beschwerdeführer den Tatbestand der Zutrittsverweigerung nach § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. d AuslBG erfüllt und diesen im Lichte der Beweisergebnisse auch schuldhaft im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG zu verantworten gehabt. Vor dem Hintergrund, dass die Tatbestände der lit. d und lit. e des § 28 Abs. 1 Z. 2 AuslBG einerseits eine gänzliche Verweigerung, andererseits auch eine "bloße" Beeinträchtigung des für die Betriebskontrolle notwendigen Zutritts zu den gesetzlich umschriebenen Räumlichkeiten zu Verwaltungsübertretungen bestimmen, hätte die Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz im Spruch des Straferkenntnisses feststellen müssen, inwieweit das dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verhalten den Zutritt bzw. die Kontrolle der Betriebsräumlichkeiten beeinträchtige. Mit der erstinstanzlichen Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschwerdeführer und dem Spruch des Straferkenntnisses habe die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf die Tatbilder des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. d und lit. e AuslBG "vermischt" und habe dem Beschwerdeführer zugleich die Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 2 lit. d und e i.V.m. § 26 Abs. 2 und 3 leg. cit. vorgeworfen. Die vorgenommene Spruchberichtigung habe der diesbezüglich notwendigen Präzisierung des Tatvorwurfes und der verletzten Gesetzesstelle im Hinblick auf den als erwiesen festgestellten Sachverhalt gedient. Die belangte Behörde sei zu dieser Spruchkorrektur angesichts der diesbezüglichen rechtzeitigen dargestellten Verfolgungshandlung berechtigt und verpflichtet. Die der Bestrafung zu Grunde liegende Handlung habe in nicht unerheblichem Maße das an der jederzeit möglichen Kontrolle im Sinne des AuslBG bestehenden Interesse, dem die Strafdrohung dient, geschädigt. Das Verschulden des Beschwerdeführers habe nicht als geringfügig angesehen werden können und es sei bei der Strafbemessung kein Umstand erschwerend oder mildernd zu werten gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit dem Begehren ihn wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des AuslBG maßgeblich:

§ 26 AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 hat

auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Überwachung, Auskunfts- und Meldepflicht

§ 26. (1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, den Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und den regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice sowie den Trägern der Krankenversicherung und den Arbeitsinspektoraten auf deren Verlangen Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten Ausländer bekannt zu geben. ...

(2) Die im Abs. 1 genannten Behörden und die Träger der Krankenversicherung sind zur Durchführung ihrer Aufgaben berechtigt, die Betriebsstätten, Betriebsräume und auswärtigen Arbeitsstellen, die Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer sowie bei begründetem Verdacht nicht ortsüblicher Unterbringung auch die vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern beigestellten Wohnräume und Unterkünfte zu betreten.

(3) Die im Abs. 1 genannten Behörden und die Träger der Krankenversicherung haben bei Betreten des Betriebes den Arbeitgeber, in jenen Fällen, in denen der Arbeitgeber Arbeitsleistungen bei einem Auftraggeber erbringen lässt, auch diesen, oder deren Bevollmächtigte und den Betriebsrat von ihrer Anwesenheit zu verständigen; hiedurch darf der Beginn der Betriebskontrolle nicht unnötig verzögert werden. Vor Beginn der Betriebskontrolle ist in Betrieben, die der Aufsicht der Bergbehörden unterliegen, jedenfalls der Bergbauberechtigte oder ein von ihm namhaft gemachter Vertreter zu verständigen. Auf Verlangen haben sich die einschreitenden Organe durch einen Dienstausweis auszuweisen. Dem Arbeitgeber, dessen Auftraggeber oder deren Bevollmächtigten sowie dem Betriebsrat steht es frei, die einschreitenden Organe bei der Amtshandlung im Betrieb zu begleiten; auf Verlangen der einschreitenden Organe sind der Arbeitgeber, dessen Auftraggeber oder deren Bevollmächtigte hiezu verpflichtet. Die Betriebskontrolle hat tunlichst ohne Störung des Betriebsablaufes zu erfolgen.

..."

§ 28 AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 78/1997

hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

"Strafbestimmungen

§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,

...

2. wer

...

d) entgegen dem § 26 Abs. 2 den im § 26 Abs. 1 genannten Behörden und Rechtsträgern den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen, auswärtigen Arbeitsstellen, Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer, den vom Arbeitgeber den Arbeitnehmern beigestellten Wohnräumen oder Unterkünften nicht gewährt,

e) entgegen dem § 26 Abs. 3 die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt, oder

...

mit Geldstrafe von 2 000 S bis 30 000 S, im Fall der lit. c

bis f von 30 000 S bis 50 000;

...".

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige zu laden. Wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine 3.000 Schilling nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, oder sich die Berufung nur gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet, dann kann nach dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, dass eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt.

Gemäß § 51i leg. cit. ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet, oder als es sich um Beweiserhebungen handelt, deren Erörterung infolge des Verzichts auf eine fortgesetzte Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 dritter Satz entfallen ist.

Die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung enthielt keine Beschränkung auf die Beurteilung der Rechtsfrage. Der Beschwerdeführer behauptete darin wie auch bereits im erstinstanzlichen Verfahren, die Kontrolle sei bereits abgeschlossen gewesen bzw. hätte weitergeführt werden können. Bei dieser Sachlage durfte die belangte Behörde - unabhängig von ihrer offenkundigen Einschätzung der mangelnden Erfolgsaussichten dieses Vorbringens - nicht davon ausgehen, es lägen keine ungelösten Tatfragen vor, die der Klärung in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bedurft hätten. Dabei hätte sie die in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem AuslBG dem Beschuldigten durch Art. 6 EMRK gewährleisteten Verfahrensgarantien zu wahren gehabt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/09/0057, und vom 19. Dezember 1996, Zl. 95/09/0231).

Im Fall gesetzmäßigen Vorgehens hätte die belangte Behörde überdies gemäß § 51i VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Daher ist der von der belangten Behörde ihrer Entscheidung ausschließlich auf Grund der Ermittlungen der Erstbehörde zu Grunde gelegte Sachverhalt nicht in einem gesetzmäßigen (mängelfreien) Verfahren zu Stande gekommen. Die belangte Behörde hätte auf alle sachverhaltsbezogenen Einwendungen Bedacht zu nehmen gehabt, die sich im Zuge einer Verhandlung durch die persönliche Einvernahme der Betroffenen ergeben hätten können. Sie durfte sich nicht darauf beschränken, - in antizipativer Beweiswürdigung - vor der Erstbehörde erstattete Aussagen als ausreichend anzusehen und rechtlich zu beurteilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 6. März 1997, Zl. 95/09/0207, und vom 18. Juni 1996, Zl. 95/04/0193). Diese Verletzung von Verfahrensvorschriften erscheint auch wesentlich, weil sich nicht abschließend beurteilen lässt, ob die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmungen der §§ 51e und 51i VStG und unter Wahrung der dem Beschwerdeführer in der Verhandlung zukommenden Mitwirkungsbefugnisse nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 28. September 2000, Zl. 99/09/0096, m.w.N.).

Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde auch mit der in der Beschwerde aufgeworfenen Frage auseinander zu setzen haben, ob der Beschwerdeführer ausreichende Verfügungsmacht besaß, um als Täter einer Übertretung gemäß § 26 Abs. 2 i.V.m.

§ 28 Abs. 1 Z. 2 lit. d AuslBG in Betracht zu kommen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1993, Zl. 92/09/0183, vom 20. November 2001, Zl. 94/09/0113, und vom 30. Juni 2004, Zl. 2001/09/0160, m.w.N.).

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 15. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001090084.X00

Im RIS seit

20.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten