TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/15 2001/09/0189

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Veröffentlicht am 15.09.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
50/01 Gewerbeordnung;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AufG SommerfremdenverkehrsV 2001 §1;
AufG SommerfremdenverkehrsV 2001 §2;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs3 Z4;
AuslBG §4 Abs6;
AuslBG §4b;
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
FrG 1997 §9 Abs1;
GewO 1994 §2 Abs13;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der P & Co Gesellschaft m.b.H. in A, vertreten durch die Beck & Dörnhöfer Rechtsanwälte OEG in 7000 Eisenstadt, Franz Liszt-Gasse 1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Burgenland vom 21. August 2001, Zl. LGS-Bgld./IV/13113/2001/2065221, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 13. April 2001 beim Arbeitsmarktservice Neusiedl am See die Erteilung einer Saisonbewilligung (auf Grund des § 9 Abs. 1 Fremdengesetz) für den ungarischen Staatsangehörigen LS für die berufliche Tätigkeit "Hilfskraft in allen Bereichen" (Beschäftigungsort Feriendorf V in A) mit monatlicher Bruttoentlohnung in Höhe von "S 13.205,-- (lt. KV)". Als spezielle Kenntnisse dieser Saisonbeschäftigung führte die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag "schwere, körperliche Tätigkeit (Grabarbeiten, Kettensäge, Baumschnitt, etc.)" an. Sie brachte vor, sie führe einen Beherbergungsbetrieb und gehöre der Kammer der gewerblichen Wirtschaft, Sektion Tourismus bzw. Fremdenverkehr, an.

Diesen Antrag lehnte das Arbeitsmarktservice Neusiedl am See mit Bescheid vom 10. Mai 2001 gemäß § 4 Abs. 6 Z 2 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ab.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 21. August 2001 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 3 Z 4 und Abs. 6 AuslBG in Verbindung mit der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV) keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Zur Begründung der herangezogenen Ablehnungsgründe führte die belangte Behörde nach Darlegung der maßgebenden Rechtslage und des Verfahrensverlaufes im Wesentlichen aus, auf Grund der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit (BGBl. II Nr. 161/2001) dürften im Wirtschaftszweig Sommerfremdenverkehr im Burgenland 330 Beschäftigungsbewilligungen (davon 10 für Schaustellerbetriebe) ausgestellt werden; dieses Kontingent für Saisonarbeitskräfte sei in weiterer Folge auf insgesamt 430 Beschäftigungsbewilligungen erhöht worden. Die Beschwerdeführerin habe (am 13. April 2001) beim Arbeitsmarktservice einen Vermittlungsauftrag für einen (männlichen oder weiblichen) Hilfsarbeiter erteilt; das Anforderungsprofil habe sie mit "schwindelfrei, Führerschein der Gruppe B, Kenntnisse im Umgang mit Kettensägen, Verrichtung allgemeiner Gartenarbeiten, Verlegung von Waschbetonplatten, Instandsetzung von Bungalows" festgesetzt. Den Bauhelfer W.M. habe die Beschwerdeführerin nicht angestellt, weil er nicht schwindelfrei sei und eine Kettensäge nicht bedienen könne. Nach Ansicht der belangten Behörde sei dieser Arbeitnehmer jedoch im Sinne des verlangten Anforderungsprofiles qualifiziert, weil er mehrere Jahre als Bauhilfsarbeiter gearbeitet habe und die Qualifikation für Instandsetzungsarbeiten an Bungalows besitze. Auch der Bauhelfer J.L. habe mehrere Jahre in diesem Bereich gearbeitet und er besitze nach Ansicht der belangten Behörde die Kenntnisse und Erfahrungen, um das verlangte Anforderungsprofil zu erfüllen. Da die Beschwerdeführerin "die Aussage der Bediensteten" gegenüber dem J.L. nicht widerlegen habe können, müsse davon ausgegangen werden, dass sie "überhaupt nicht an der Einstellung einer Ersatzkraft interessiert" sei.

Der im Antrag angegebene Bruttolohn (S 13.205,--) entspreche der kollektivvertraglichen Entlohnung nach der Lohntabelle für die Gastronomie und Hotellerie im Burgenland für eine Hilfskraft in allen Bereichen; ab dem 1. Mai 2001 betrage dieser Bruttolohn S 13.470,--. Die Einhaltung dieser Entlohnung werde nach den Angaben der Beschwerdeführerin gewährleistet.

Nach der Lohnordnung für das Bauhilfsgewerbe im Burgenland betrage die kollektivvertragliche Entlohnung für einen Facharbeiter ohne Lehrabschlussprüfung S 111,65 brutto pro Stunde. Insoweit die Beschwerdeführerin vorgebracht habe, sie wolle sich keinem branchenfremden Kollektivvertrag unterwerfen, sei zu erwidern, dass der beantragte Ausländer keine Tätigkeiten zu verrichten habe, die dem Wirtschaftsbereich Gastronomie und Hotellerie zuzuordnen seien; vielmehr habe er Arbeiten zu verrichten, die auf Grund des Tätigkeitsfeldes Instandsetzung von Bungalows dem Bereich des Bauhilfsgewerbes zuzuordnen seien. Die Lohntabelle für die Gastronomie und Hotellerie (im Burgenland) gelte "für alle Arbeiter und Arbeiterinnen, die im Betrieb beschäftigt sind, die der Fachgruppe Hotellerie des Bundeslandes Burgenland angehören". Davon ausgenommen seien jedoch "Professionisten, geprüfte Kesselheizer und Chauffeure"; diese würden nach den Lohnsätzen des Kollektivvertrages ihrer Branche entlohnt. Da der Tätigkeitsbereich des beantragten Ausländers "demjenigen eines Professionisten entspricht" und er in einem Tätigkeitsbereich eingesetzt werde, "welcher mit ihrer Gewerbeberechtigung nichts zu tun hat", werde mit einer monatlichen Bruttoentlohnung von S 13.470,-- die Einhaltung der lohnrechtlichen Vorschriften nicht gewährleistet.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat eine Beschäftigungsbewilligung (Saisonbewilligung) für eine Saisonarbeitskraft im Sommerfremdenverkehr beantragt. Sie führt einen Beherbergungsbetrieb in A im Burgenland in einem abgeschlossenen Gelände mit Privatbadesee und Parkanlage; der Betrieb ist ein Feriendorf, "das praktisch ausschließlich während des Sommerhalbjahres" geöffnet ist, und - neben der Beherbergung - die "Gestaltung und Erhaltung einer ansprechenden und angenehmen Umgebung" erfordert (vgl. das im Berufungsverfahren in ihrer Stellungnahme vom 4. Juni 2001 erstattete Vorbringen der Beschwerdeführerin).

Davon ausgehend durfte der Beschwerdeführerin - auch wenn sie weder ein Hotel noch ein Restaurant betreibt und Arbeitskräfte aus traditionellen Berufen der Gastronomie und Hotellerie nicht benötigt - grundsätzlich eine Saisonbewilligung nach der (auf Grund von § 9 Abs. 1 Fremdengesetz erlassenen) Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, BGBl. II Nr. 161/2001, erteilt werden. Die belangten Behörde stellt das nicht (mehr) in Frage. Dem angefochtenen Bescheid ist zwar nicht (ausdrücklich) zu entnehmen, ob bzw. in welchem Umfang das festgelegte Kontingent im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ausgeschöpft war, die Bescheidbegründung (insbesondere im Hinblick auf die auf Seite 5 enthaltene Formulierung " ... auch bei Vorliegen eines freien Kontingentplatzes ...") ist aber wohl dahingehend zu verstehen, dass damals ein freier Kontingentplatz (für die Beschwerdeführerin) vorgelegen ist.

Wurde eine Beschäftigungsbewilligung für eine Saisonarbeitskraft im Sommerfremdenverkehr begehrt, dann ist diese Bewilligung einem Arbeitgeber zu erteilen, der diesem Wirtschaftszweig angehört. Die Entlohnung der Saisonarbeitskraft hat grundsätzlich   soweit nicht Ausnahmen betreffend die Entlohnung bestehen - entsprechend dem Kollektivvertrag dieser Branche zu erfolgen. Die belangte Behörde begründet die Versagung der Bewilligung damit, dass im Beschwerdefall eine Ausnahme betreffend die Entlohnung anzuwenden sei.

Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung gewährleistet die im Antrag angegebene Entlohnung (die Beschwerdeführerin bezieht sich ausdrücklich auf den Kollektivvertrag) die kollektivvertragliche Entlohnung einer Hilfskraft für die Gastronomie und Hotellerie im Burgenland. Die im Zusammenhang mit dem Versagungsgrund nach § 4 Abs. 3 Z 4 AuslBG im angefochtenen Bescheid dargelegte Begründung weicht jedoch vom Antrag ab, weil die Beschwerdeführerin eine Saisonbewilligung im Sommerfremdenverkehr für eine Hilfskraft (in allen Bereichen) begehrte. Eine Beschäftigungsbewilligung für einen Facharbeiter, insbesondere auch nicht für einen Professionisten, geprüften Kesselheizer und auch nicht für einen Chauffeur hat die Beschwerdeführerin nicht beantragt. Die im Kollektivvertrag des Hotel- und Gastgewerbes im Burgenland vorgesehenen Ausnahmen betreffend die Entlohnung (für Professionisten, geprüfte Kesselprüfer und Chauffeure, die nach den Lohnsätzen des Kollektivvertrages ihrer Branche zu entlohnen sind) liegen (sachverhaltsmäßig) im Beschwerdefall daher nicht vor. Die belangte Behörde hat auch das Vorliegen einer solchen Ausnahme weder begründet, noch hat sie festgestellt, dass der beantragte Ausländer abweichend von den Antragsangaben verwendet werden soll.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargelegt hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 3. September 1998, Zl. 96/09/0110, und vom 15. Dezember 1999, Zl. 98/09/0184, und die jeweils darin angegebene Judikatur) ist es das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die bei der Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrunde zu legen sind. Dass die Beschwerdeführerin, wenn sie eine Hilfskraft im Rahmen ihrer (eigenen) Kollektivvertragszugehörigkeit beantragte, damit gegen zwingende Rechtsvorschriften verstoße, oder dass die vorgesehene Tätigkeiten von der beantragten Hilfskraft nicht erbracht werden dürften, stellt die belangte Behörde nicht fest.

Nach ihrem Vorbringen wird die Beschwerdeführerin jedenfalls nicht das Bauhilfsgewerbe ausüben, sondern sie beabsichtigt, die Saisonarbeitskraft im Rahmen ihres Beherbergungsbetriebes dafür zu verwenden, die eigene Parkanlage zu pflegen und (im Lauf der Saison ihres Betriebes allenfalls) anfallende Instandhaltungsarbeiten (kleinere Reparaturen) an eigenen Bungalows vorzunehmen. Der Hinweis der belangten Behörde auf § 2 Abs. 13 GewO 1994 ist daher (sachverhaltsmäßig) unberechtigt, weil die Beschwerdeführerin dadurch den Umfang ihrer Gewerbeberechtigung nicht überschreitet und keine weitere (mehrfache) Kollektivvertragsangehörigkeit vorliegt (vgl. Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO, 2. Auflage 2003, S 115 f, Rz 116).

Die Durchführung eines Ersatzkraftstellungsverfahrens mit dem Ziel, einen Arbeitsplatz für einen Bauhilfsarbeiter (in einem Bauhilfsgewerbebetrieb) zu finden, lässt keinen sachlichen Zusammenhang mit dem Bedarf der Beschwerdeführerin erkennen. Dass der "Bauhelfer W.M." nicht schwindelfrei ist und Kettensägen nicht bedienen kann, ist unstrittig bzw. auch der Begründung des angefochtenen Bescheides zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin kann daher nicht vorgeworfen werden, sie habe diese Ersatzkraft - die dem von ihr festgelegten Anforderungsprofil nicht entspricht - ungerechtfertigt abgelehnt.

Hinsichtlich des "Bauhelfers J.L." steht nicht fest, ob die Beschwerdeführerin die Einstellung dieser Ersatzarbeitskraft endgültig abgelehnt hat, ist diese Arbeitskraft doch zu der für das Wochenende vorgesehenen Vorstellung bei der Beschwerdeführerin nicht (mehr) erschienen. Die Aussage einer nicht konkret und individualisiert umschriebenen "Bediensteten" ist der Beschwerdeführerin (einer Gesellschaft m.b.H.) nicht als endgültige und ungerechtfertigte Ablehnung der Ersatzkraftstellung zuzurechnen.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid steht daher nicht fest, ob es taugliche Ersatzkräfte (als Saisonarbeitskraft im Sommerfremdenverkehr) gibt, bzw. ob deren Einstellung aus von der Beschwerdeführerin zu vertretenden Gründen unterblieben ist.

Der angefochtene Bescheid war aus den dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 15. September 2004

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001090189.X00

Im RIS seit

12.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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