TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/22 2001/08/0141

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Veröffentlicht am 22.09.2004
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §67 Abs10;
ASVG §83;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 2. Juli 2001, Zl. 6-SO-N1528/14-2001, betreffend Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse in 7000 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Kostenbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 11. Mai 1998 wurde über das Vermögen der B OEG der Konkurs eröffnet und der Beschwerdeführer zum Masseverwalter bestellt. Er führte den Betrieb der OEG weiter. Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 12. Oktober 1999 wurde der Beschwerdeführer des Amtes als Masseverwalter enthoben.

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 25. August 1999 wurde der Beschwerdeführer als Masseverwalter der genannten OEG gemäß § 67 Abs. 10 im Zusammenhang mit § 83 ASVG verpflichtet, rückständige Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren (Verzugszinsen berechnet bis 24. August 1999) im Betrag von S 831.233,25 zuzüglich Verzugszinsen seit 25. August 1999 in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, berechnet von S 812.503,53 binnen 15 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei als Masseverwalter zur Vertretung der Beitragsschuldnerin berufen. Bei Fortführung eines im Konkurs befindlichen Betriebes sei die Haftung des Masseverwalters für während des Konkursverfahrens entstandenen Beitragsschuldigkeiten zu bejahen. Der Beschwerdeführer habe einer Einladung, Umstände, die gegen den Haftungstatbestand sprächen, vorzubringen, nicht entsprochen. Die im angeschlossenen Rückstandsausweis vom 25. September 1999 ausgewiesenen Beiträge samt Nebengebühren seien trotz Fälligkeit und Mahnung durch die Beitragsschuldnerin nicht entrichtet worden.

Im verwiesenen Rückstandsausweis sind Verzugszinsen für Beiträge von Oktober 1998 bis Juli 1999 und Beiträge von November 1998 bis Juli 1999 in einem Gesamtbetrag von S 831.233,25 zuzüglich der ab 25. August 1999 laufenden Verzugszinsen gerechnet aus S 812.503,53, enthalten.

Der vom Beschwerdeführer erhobene Einspruch wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 2000 abgewiesen.

Dieser Bescheid der belangten Behörde vom 30. Mai 2000 wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 2000, 2000/08/0117, im Gefolge des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, 98/08/0191, 0192, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren ersuchte die belangte Behörde die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse um Bekanntgabe, ob der Beitragsausfall auf eine Meldepflichtverletzung oder auf eine Verletzung der im § 114 Abs. 2 ASVG umschriebenen Pflicht zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zurückzuführen sei.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse antwortete mit Schreiben vom 8. Mai 2001 dahingehend, dass laut Auskunft des Bundessozialamtes der Beschwerdeführer als Masseverwalter die Löhne und Gehälter der damaligen Dienstnehmer der OEG bis zum Beitragsmonat Juli 1999 ausbezahlt habe. Der Beschwerdeführer hafte der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse daher für die einbehaltenen Dienstnehmerbeiträge für die einzelnen Beitragsmonate und zwar für die Beiträge November 1998 bis Juli 1999 im Gesamtbetrag von S 349.440,70. Hinzu kämen noch Verzugszinsen in der Höhe von S 7.964,89. Vom Insolvenzentgeltsicherungsfonds seien der mitbeteiligten Partei keine Dienstnehmerbeiträge überwiesen worden. Laut telefonischer Auskunft durch den nunmehrigen Masseverwalter sei mit keiner Konkursquote zu rechnen. Aus diesen Gründen ersuche die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse um Bestätigung eines Haftungsbetrages in der Höhe von S 357.405,59 zuzüglich der ab 25. August 1999 laufenden Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe aus S 349.440,70.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2001 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Schreiben der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zur Kenntnis und räumte eine Frist zur Stellungnahme ein. Der Beschwerdeführer erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse von 25. August 1999 teilweise Folge und verminderte den Haftungsbetrag auf S 357.405,59 zuzüglich der ab 25. August 1999 laufenden Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe gerechnet aus S 349.440,70. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe unbestrittenermaßen als Masseverwalter der genannten OEG fungiert. Mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 10. Oktober 1999 sei er seines Amtes enthoben worden. Aus dem Rückstandstausweise vom 25. August 1999 sei ersichtlich, dass die OEG als Dienstgeberin aufgetreten sei. Nach der Mitteilung der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 8. Mai 2001 seien die Dienstnehmerbeiträge für die Monate November 1998 bis Juli 1999 im Gesamtbetrag von S 349.440,70 unberichtigt geblieben. Hinzu kämen noch Verzugszinsen in Höhe von S 7.964,89.

Die Uneinbringlichkeit auf Seiten der Primärschuldnerin sei als erwiesen anzusehen, weil laut telefonischer Auskunft des Masseverwalters an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse mit keiner Konkursquote zu rechnen sei.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung setze voraus, dass die Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung einbehalten und dem berechtigten Versicherungsträger vorenthalten worden seien. Einbehalten würden nicht nur jene Dienstnehmeranteile an Sozialversicherungsbeiträgen, die bei der Lohn- oder Gehaltszahlung an den Dienstnehmer beim Dienstgeber bar verblieben, es genüge auch die rechnungsmäßige Kürzung der Löhne und Gehälter um den vom Dienstnehmer zu tragenden Versicherungsbeitrag bei der Auszahlung (Auszahlung der Nettolöhne). Dem Beschwerdeführer sei der Sachverhalt zur Kenntnis gebracht worden, er habe innerhalb der eingeräumten Frist keine Stellungnahme abgegeben. Die belangte Behörde sei daher unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 2000, 2000/08/0117, zur Ansicht gelangt, dass eine "sozialversicherungsrechtliche Pflichtverletzung" zur Abfuhr offener Dienstnehmerbeitragsanteile für die festgestellten Beitragsmonate gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsakt (nicht jedoch den der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse) vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zentraler Kritikpunkt der Beschwerde ist die Annahme der belangten Behörde, die unberichtigten Beiträge seien bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass "mit keiner Konkursquote zu rechnen" sei, obwohl die im Haftungsbescheid erwähnten Verbindlichkeiten Masseforderungen betreffen.

Wesentliche und primäre sachliche Voraussetzung der subsidiären Haftung eines Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG ist die objektive gänzliche oder zumindest teilweise Uneinbringlichkeit der betreffenden Beiträge beim Primärschuldner. Erst wenn sie feststeht, ist auf die Prüfung der für eine Haftung nach dieser Bestimmung maßgeblichen weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen. Andernfalls, d.h. wenn noch nicht einmal eine teilweise ziffernmäßig bestimmbare Uneinbringlichkeit feststeht, kommt eine Haftung noch nicht in Betracht. Es bedarf konkreter, im Einzelnen nachprüfbarer Feststellungen der Behörde über die Befriedigungsaussichten. Im vorliegenden Fall sind solche Feststellungen über das zur Befriedigung der Beitragsforderungen verfügbare Massevermögen erforderlich. Die Kosten des Fortbetriebes der im Konkurs verfangenen OEG, wozu auch die Beiträge gehören (§ 46 Abs. 1 Z. 2 KO), stellen Masseforderungen dar. Der Hinweis der belangten Behörde, dass mit keiner "Konkursquote" zu rechnen sei, sagt daher über die mögliche Befriedigung der Masseforderungen nichts aus. Ausgehend davon, dass die belangte Behörde die Beiträge als Konkursforderung und nicht als Masseforderung beurteilt hat, hat sie die Rechtslage verkannt.

Darüber hinaus ist die Feststellung einer Haftung des Beschwerdeführers für Verzugszinsen, welche die Gesellschaft schuldet, verfehlt. Die Haftung für die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geltend gemachten Verzugszinsen im Sinne des § 83 ASVG trifft den Beschwerdeführer nur im Rahmen des § 67 Abs. 10 ASVG. Für die Entrichtung dieser Nebengebühren fehlt es aber an einer spezifisch sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung des Geschäftsführers im Sinne des Erkenntnisses eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, 98/08/0191, 0192 (vgl. hiezu auch die hg. Erkenntnisse vom 27. Juli 2001, 2001/08/0061, und vom 13. August 2003, 2002/08/0088).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf Ersatz der Beschwerdegebühr und von Stempelgebühren gerichtete Begehren war im Hinblick auf die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen. Der Beschwerdeführer ist im Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten, sodass er keinen Anspruch auf Kostenersatz hat.

Wien, am 22. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001080141.X00

Im RIS seit

27.10.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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