TE Vwgh Beschluss 2004/9/28 AW 2004/07/0048

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Veröffentlicht am 28.09.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VwGG §30 Abs2;
WRG 1959;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. des J und

2. der M, beide vertreten durch Mag. H, Rechtsanwalt, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 22. März 2001, Zl. 15.622/02-

I 5/01, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien (MA 31), vertreten durch den Bürgermeister), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. März 2001 wurde der mitbeteiligten Partei nachträglich die wasserrechtliche Bewilligung für den Bestand und Betrieb einer bereits bestehenden Rutschhangsicherung (Drainagierung) auf näher genannten Grundstücken der beschwerdeführenden Parteien "gemäß den klausulierten und einen integrierenden Bestandteil dieses Bescheides bildenden Projektunterlagen" erteilt.

Ferner wurde der mitbeteiligten Partei aufgetragen, den "dort befindlichen Douglasienbestand" bis spätestens Ende 2003 zu entfernen und darauf zu achten, dass alle Wurzelstöcke entfernt werden.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird u.a. ein Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen wiedergegeben, in welchem dieser insbesondere ausführte, dass Änderungen der Einwirkungen auf den Hangkörper, wie erhöhter Wassergehalt durch das Entfernen der Drainageleitungen, die bodenmechanischen Eigenschaften beeinflussen bzw. die Standsicherheit der Böschung verschlechtern würden. Durch das erhöhte Standsicherheitsrisiko würde es höchstwahrscheinlich zu einem Erdrutsch kommen, der als Folge die II. Wiener Hochquellenleitung zerstören würde. Deshalb würden der Bestand, der Betrieb und die Wartung dieses Hangdrainagesystems für die Standsicherheit des in Rede stehenden Hanges als dringend notwendig erachtet.

In einem ergänzend im Jahre 1999 eingeholten pflanzensoziologischen Gutachten, das gleichfalls im angefochtenen Bescheid wiedergegeben wird, wurde u.a. ausgeführt, dass sich das Durchwurzelungsprofil einer alten Wiesenvegetation durch eine von der obersten Bodenschicht bis zum Wurzelende sehr starke Abnahme der Wurzelmasse auszeichne. Den weniger tiefreichenden, dünnen Wurzeln sei es möglich, in die 1 bis 1,2 m tief liegenden Drainagerohre einzudringen. Durch die Kurzlebigkeit der Wurzelstränge sei aber eine geringe Rohrdurchwurzelung gegeben. Untersuchungen an jüngeren, 10 bis 15 Jahre alten Douglasienbeständen auf dichtem, grundfeuchtem, tonigem Boden hätten ergeben, dass sich in tieferen feuchten Schichten eine Pollwurzel mit feinverzweigten Wurzelsträngen befinde. Die Douglasienbestände hätten in der Drainrohrtiefe von 1 bis 1,2 m eine deutlich größere Wurzelansammlung als Wiesenbestände. In ca. 10 Jahren, wenn die Wurzeln der Douglasienbestände die Tiefe erreicht haben würden, würden die Drainagierungsleitungen infolge Rohrdurchwachsungen beschädigt und in ihrer Funktion stark beeinträchtigt sein. Das Standsicherheitsrisiko des Hanges werde sich zu diesem Zeitpunkt erhöhen. Außerdem werde es durch die Aufforstung sehr schlecht möglich sein, Revisionsarbeiten an den Drainageleitungen vornehmen zu können.

Im Zuge der im Dezember 2000 durchgeführten mündlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverhandlung forderten die Amtssachverständigen neuerlich eine unbedingte Entfernung der Douglasien im Bereich der Drainagierung.

Im Erwägungsteil der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde u.a. aus, die "unzweifelhafte Notwendigkeit" des Bestehens der gegenständlichen Hangsicherung (Drainagierung) samt der uneingeschränkten Möglichkeit von deren Wartung durch die mitbeteiligte Partei und damit verbunden die zwingende Notwendigkeit der Entfernung der Douglasienbestände "in spätestens 5 Jahren" sei, weil diese (Bäume) bei Verbleib die Hangsicherung gefährdeten, durch die "praktisch unwidersprochen gebliebenen" Äußerungen der Amtssachverständigen klar und zweifelsfrei hervorgekommen. Die belangte Behörde könne keinerlei Grund erkennen, den zwingenden, überzeugenden und fachlich fundierten Äußerungen der Amtssachverständigen nicht zu folgen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung der Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene - Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begehren. Die Beschwerdeführer begründen ihren Antrag dahingehend, dass ohne die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für sie die Gefahr eines schweren vermögensrechtlichen Schadens durch die Entfernung von Bäumen in einem Flächenausmaß von über 5 ha. entstünde. Demgegenüber habe selbst die (pflanzenbautechnische) Amtssachverständige festgestellt, dass der Baumbestand erst in rund 5 Jahren zu einer Gefahr für die Drainagen werden könnte. Es ergebe sich somit derzeit keine dringende Notwendigkeit zu einer derartigen Zwangsmaßnahme.

Im Rahmen der erstatteten Gegenschrift äußerte sich die belangte Behörde zur beantragten aufschiebenden Wirkung dahingehend, dass es sich im vorliegenden Fall zweifellos um zwingende öffentliche Interessen handle, zumal das öffentliche Interesse an Hangsicherungsmaßnahmen höher zu bewerten sei als der Bestand von Douglasien. Ferner seien für die Beschwerdeführer keine unverhältnismäßigen Nachteile verbunden, weil die "bloße Inanspruchnahme von Grundflächen" und die damit verbundene Entziehung der Nutzung keinen unverhältnismäßigen Nachteil darstelle. Alle Eingriffe in die Rechte der Beschwerdeführer könnten rückgängig gemacht werden.

Auch die mitbeteiligte Partei gab zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine Stellungnahme ab, in der sie u.a. ausführt, dass die Douglasien von den Beschwerdeführern im Jahre 1999 auf den gegenständlichen Liegenschaften ausgepflanzt worden seien. Seit Anpflanzung der Douglasien werde die Funktionsfähigkeit der Drainageanlagen laufend kontrolliert. Die in der Jahren 2001, 2002 und 2004 durchgeführten Kamerainspektionen des Drainagesystems und die laufenden Schüttungsmessungen ließen aktuell "noch keinen negativen Einfluss" durch die Douglasienbestände erkennen. Mit Rücksicht auf den im Gutachten der Amtssachverständigen genannten Zeitraum von 10 Jahren, bei dem bereits Schäden und Negativeinflüsse auf die Drainageanlagen zu erwarten seien, werde ein Sicherheitszeitraum zu berücksichtigen sein, bis zu dem negative Einflüsse auf die Drainageanlage weitest möglich ausgeschlossen werden sollten. Die kontinuierliche Wasserversorgung der Bundeshauptstadt Wien erfolge gut zur Hälfte durch die II. Wiener Hochquellenleitung, zu deren Sicherung die gegenständlichen bewilligten Drainageanlagen dienten. Von der mitbeteiligten Partei werde darin ein zwingendes öffentliches Interesse erkannt, die mit behördlichem Auftrag verfügte Entfernung des Douglasienbestandes noch vor Eintritt von Schäden und Negativeinflüssen auf die Drainageanlagen durchzuführen. Eine allfällige Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung sei nach Ansicht der mitbeteiligten Partei "nur bis längstens Ende 2006" vertretbar, weil nur durch die einwandfreie Funktion der Drainageanlagen die Sicherheit der Anlagen der II Wiener Hochquellenleitung gegeben sei.

Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei zeigten in ihren Stellungnahmen zwingende öffentliche Interessen auf, die einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen, zumal im Falle einer nicht einwandfreien Funktion der Drainageanlagen im Bereich der Grundstücke der beschwerdeführenden Parteien die Standsicherheit der II. Wiener Hochquellenleitung und somit auch ein wesentlicher Teil der Wasserversorgung der Stadt Wien gefährdet wäre. Angesichts einer von der auf sachverständiger Ebene bereits ab einem "ca. 10"- jährigen Bestand von Douglasien im gegenständlichen Bereich zu erwartenden Beeinträchtigung der einwandfreien Funktionsfähigkeit der in Rede stehenden Drainageanlage war daher - unbeschadet der von der mitbeteiligten Partei mitgeteilten, noch nicht festgestellten Beeinträchtigung dieser Anlagen - zwecks Vermeidung derartiger Beeinträchtigungen, welche auch schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden konnten (siehe auch Fristsetzung für den gegenständlichen Beseitigungsauftrag im angefochtenen Bescheid bis Ende des Jahres 2003), dem gegenständlichen Antrag nicht stattzugeben.

Wien, am 28. September 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Wasserrecht Interessenabwägung Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:AW2004070048.A00

Im RIS seit

03.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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