TE Vwgh Erkenntnis 2004/9/28 2004/18/0261

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Veröffentlicht am 28.09.2004
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
MRK Art3;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des J, geboren 1976, vertreten durch Rechtsanwaltsgemeinschaft Mory & Schellhorn OEG in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. Juli 2004, Zl. St 140/04, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. Juli 2004 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, gemäß §§ 31, 33 und 37 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der aus dem Kosovo stammende Beschwerdeführer sei nach eigenen Angaben am 20. November 2001 aus Italien kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle mit Hilfe eines Schleppers gegen Bezahlung eines Schlepperlohnes von EUR 4.000,-- illegal nach Österreich eingereist. Der in der Folge von ihm eingebrachte Asylantrag sei mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. November 2003 rechtskräftig abgewiesen worden. In diesem Bescheid sei gemäß § 8 Asylgesetz 1997 festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Kosovo zulässig sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde abgelehnt.

Der Beschwerdeführer habe im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, dass er durch die Ausweisung dem Elend und der Chancenlosigkeit im Kosovo ausgeliefert wäre. In seinem Heimatort nahe der Grenze zu Albanien gäbe es für ihn keine Existenzmöglichkeit. Seine Eltern bekämen keine Pension und der Bruder mit seiner Familie hätte mangels Arbeitsstelle selbst zu wenig zu essen. Der Beschwerdeführer würde mit einem Teil seines Einkommens zum Lebensunterhalt seiner Eltern beitragen.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer zunächst bestätigt, über keine Aufenthaltsberechtigung zu verfügen, er habe jedoch darauf hingewiesen, am 26. März 2004 einen Antrag auf Erteilung einer "humanitären Niederlassungsbewilligung" gestellt zu haben. Weiters habe er vorgebracht, seit Oktober 2002 in den österreichischen Arbeitsmarkt integriert zu sein, über sehr gute Deutschkenntnisse zu verfügen, seit Dezember 2002 in einer Gemeindewohnung zu leben und den Lebensmittelpunkt sowie das soziale Umfeld in Österreich zu haben.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 11. Dezember 2003 illegal in Österreich auf. Angesichts des Vorbringens in der Berufung sei ihm ein gewisses Maß an Integration zuzugestehen. Der mehrmonatige unberechtigte Aufenthalt seit 11. Dezember 2003 gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Die Ausweisung sei demnach gemäß § 37 Abs. 1 FrG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde sich unerlaubt nach Österreich begäben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dies gelte auch für Fremde, die nach Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verließen. In solchen Fällen sei die Ausweisung erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Überdies würde es geradezu einer Förderung des Schlepperunwesens gleichkommen, den Aufenthalt des mit Hilfe eines Schleppers eingereisten Beschwerdeführers zu dulden.

Angesichts dieser Umstände habe die Erstbehörde ihr Ermessen im Sinn des Gesetzes geübt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die soziale Komponente der Integration des Beschwerdeführers durch den Verstoß gegen fremdenrechtliche Bestimmungen relativiert werde.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er hätte einen Antrag auf Erteilung einer "humanitären Niederlassungsbewilligung" gestellt, sei auszuführen, dass keine Verpflichtung bestehe, mit der Ausweisung bis zur Entscheidung über diesen Antrag zuzuwarten. Im Übrigen habe der Bundesminister für Inneres mit Schreiben vom 2. Juni 2004 der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nicht zugestimmt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach den - insoweit unbestrittenen - Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 6. November 2003 rechtskräftig abgewiesen und die Behandlung der dagegen gerichteten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde abgelehnt; seit 11. Dezember 2003 verfügt der Beschwerdeführer über keine Aufenthaltsberechtigung. Von daher begegnet die Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG sei erfüllt, keinen Bedenken.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, aus einem der ärmsten Gebiete des Kosovo zu stammen. Er habe dort mit den mangels Pensionsbezugs einkommenslosen Eltern und dem Bruder, der nur fallweise gering bezahlte Gelegenheitsarbeiten ausgeübt habe, und dessen Familie zusammen gelebt. Die durch Gelegenheitsarbeiten verdienten Geldmittel hätten nicht einmal zur Deckung der Ernähungsbedürfnisse der drei Kinder des Bruders gereicht. Eine Tätigkeit in einer anderen Region des Kosovo sei nicht in Frage gekommen, weil der Beschwerdeführer nicht genügend Geld für die Unterkunft gehabt hätte. Es habe eine so ausgeprägte, die wirtschaftliche Lebensgrundlage und die menschlichen Grundversorgungsbedürfnisse betreffende Armutssituation bestanden, dass ein menschenwürdiges Leben nicht mehr möglich gewesen sei.

Der Beschwerdeführer habe nach Erlassung des angefochtenen Bescheides einen Antrag auf Erteilung einer humanitären Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG eingebracht und erfülle alle Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle. Insbesondere liege ein Sachverhalt vor, welcher aus humanitären Gründen als besonders berücksichtigungswürdig im Sinn des § 10 Abs. 4 erster Satz FrG einzustufen sei. Weiters verfüge er über eine Arbeitserlaubnis auf Grund der er auch als Küchenhelfer beschäftigt sei. Er sei gegen alle Risken kranken- und unfallversichert. Überdies bewohne er eine Gemeindewohnung in Lenzing. Er habe daher einen Rechtsanspruch auf Erteilung der humanitären Erstniederlassungsbewilligung, welche gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG vom Inland aus beantragt werden könne. Die Behörde hätte daher von dem ihr gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen gehabt.

Der Beschwerdeführer habe bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf das Elend und die Chancenlosigkeit im Kosovo hingewiesen und ausgeführt, dass es für ihn dort keine Existenzmöglichkeit gebe, seine Eltern keine Pension bezögen und sein Bruder mit Familie selbst zu wenig zu essen habe. Dazu hätte die belangte Behörde Erhebungen pflegen müssen. Es wäre zu überprüfen gewesen, welche Einkünfte der Beschwerdeführer und seine Verwandten im Kosovo zur Verfügung gehabt hätten und wie hoch die dortigen Lebenshaltungskosten seien. Eine nicht ausreichende Ernährung stelle nämlich eine besondere Gefahrensituation dar, die unter § 57 Abs. 1 FrG bzw. Art. 3 EMRK zu subsumieren sei.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 37 Abs. 1 FrG habe die belangte Behörde ein zu großes Gewicht auf den illegalen Grenzübertritt gelegt. Es sei zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer in einer Notsituation befunden habe und es um sein materielles und physisches Überleben gegangen sei.

Aus den dargelegten wirtschaftlichen Gründen könne der Beschwerdeführer derzeit ein Privatleben nur in Österreich führen, wo er in den Arbeitsmarkt und in das soziale Leben integriert sei.

2.2. Diesem Vorbringen ist zunächst Folgendes zu entgegnen:

Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde rechtskräftig abgewiesen, wobei auch festgestellt wurde, dass - mangels Vorliegens von Gründen im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG - die Abschiebung in den Kosovo zulässig sei. Der Bundesminister für Inneres hat der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 FrG nicht zugestimmt. Dem Beschwerdeführer ist es, trotz der vorgebrachten Situation im Kosovo, jedenfalls gelungen, den Betrag von EUR 4.000,--, den er unstrittig für seine Schleppung bezahlt hat, aufzubringen.

Vor diesem Hintergrund bestand für die belangte Behörde auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, für ihn gebe es im Kosovo keine Existenzmöglichkeit, seine einkommenslosen Eltern und sein Bruder samt Familie hätten zu wenig zu essen, keine Veranlassung, humanitäre Gründe im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG anzunehmen bzw. Erhebungen zu pflegen, ob solche vorliegen.

3. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer in der Berufung vorgebrachten Umstände - also neben der Aufenthaltsdauer die Berufstätigkeit seit Oktober 2002, sehr gute Deutschkenntnisse, Integration in das soziale Umfeld in Lenzing, wo der Beschwerdeführer eine Gemeindewohnung bewohne - berücksichtigt. Die daraus resultierenden privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet werden dadurch entscheidend gemindert, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nur bis 11. Dezember 2003 und zudem bloß auf Grund eines unbegründeten Asylantrages berechtigt war.

Dem steht gegenüber, dass der Beschwerdeführer illegal unter Zuhilfenahme eines Schleppers nach Österreich eingereist ist und sich seit 11. Dezember 2003 unberechtigt im Bundesgebiet aufhält. Dieses Verhalten stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Hintanhaltung des Schlepperunwesens dar. Im Hinblick darauf, dass dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, kann die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Soweit der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang auf die schlechte wirtschaftliche Situation im Kosovo verweist, ist ihm zu erwidern, dass dieser Umstand vom Schutzbereich des § 37 FrG nicht umfasst wird und überdies mit einer Ausweisung nicht angeordnet wird, dass der Fremde in einen bestimmten Staat auszureisen hat oder das er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. September 2001, Zl. 2001/18/0158).

4. Da - unter Zugrundelegung der obigen (2.2.) Ausführungen - weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus der Beschwerde Umstände ersichtlich sind, die für eine derartige Ermessensübung sprächen, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung, von ihrem Ermessen im Grund des § 33 Abs. 1 FrG zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen.

5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. September 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004180261.X00

Im RIS seit

12.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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