TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 99/14/0285

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Veröffentlicht am 20.10.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §167 Abs2;
BAO §80;
BAO §83;
BAO §84;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Dr. H B, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten, Berufungssenat I, als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 15. Juni 1999, Zl. RV 124/1-4/98, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Spruchsenates bei der Finanzstrafbehörde erster Instanz wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe vorsätzlich im Bereich eines näher angeführten Finanzamtes als Wahrnehmender und Vertreter der T GmbH Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für Dezember 1993, März bis Mai 1994 und Juli 1994 bis April 1995 in Höhe von S 1,590.371,-- Lohnsteuer für November und Dezember 1994 sowie Jänner bis Mai 1995 in der Höhe von S 128.212,-- und Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen samt Zuschlägen zu diesen Dienstgeberbeiträgen für Jänner und Dezember 1994, Jänner, Februar, April und Mai 1995 in Höhe von S 66.846,-- nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. abgeführt. Der Beschwerdeführer habe damit eine Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen und werde hiefür nach § 49 Abs. 2 FinStrG mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 100.000,-- (im Fall der Uneinbringlichkeit 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft. Nach den Feststellungen im erstinstanzlichen Straferkenntnis habe die T GmbH der Aufrechterhaltung des Familienbetriebes des Josef S. senior gedient. Über dessen Unternehmen sei im April 1993 das Konkursverfahren eröffnet worden. Die T GmbH sei noch während des anhängigen Konkursverfahrens gegründet worden. Das Stammkapital der Gesellschaft hätten Hildegard S, die Ehefrau des Josef S senior, Ernst T und der Beschwerdeführer übernommen. Zum Geschäftsführer der GmbH sei der Mitgesellschafter Ernst T bestellt worden. Dieser habe diese Tätigkeit aber tatsächlich nicht ausgeübt, sondern lediglich gegen ein monatliches Entgelt von S 12.000,-- seine Gewerbeberechtigung zur Verfügung gestellt. Tatsächlich sei die Geschäftsführung von Josef S junior insofern besorgt worden, als er sich um Aufträge bemüht, diese entgegen genommen, Verhandlungen mit Baufirmen geführt, Kalkulationen und Anbote erstellt, die Arbeitseinteilung getroffen, die Abrechnung der Firmenleistungen und die Materialbestellungen besorgt und die Eingangsrechnungen überprüft habe. Da er jedoch wegen fahrlässiger Krida gerichtlich verurteilt worden sei, hätte die Funktion des Geschäftsführers formell durch Ernst T vorübergehend ausgeübt werden sollen, wobei geplant gewesen sei, dass Josef S junior im Sommer 1993 die Geschäftsführung wieder übernehmen sollte. Inzwischen habe der Beschwerdeführer die Gesellschaftsanteile des Josef S junior gehalten. Über die Anwaltskanzlei des Beschwerdeführers sei die Tilgung der Schulden des Josef S junior abgewickelt worden. Der Beschwerdeführer habe aber nicht nur die Geschäfte und Schuldenentwicklung des Josef S junior kontrolliert. Er sei vielmehr über alle finanziellen Angelegenheiten der T GmbH unterrichtet gewesen. Der Beschwerdeführer sei schon Rechtsvertreter des Unternehmens des Josef S senior gewesen. Im Juli 1993 sei dem Beschwerdeführer auch von der T GmbH eine Rechtsanwaltsvollmacht ohne Beschränkung eingeräumt worden. Die Vollmacht habe der geschäftsführende Gesellschafter Ernst T unterfertigt. Diese Vollmacht habe den Beschwerdeführer ermächtigt, unter anderem die T GmbH vor Gerichten, aber auch vor allen anderen Behörden, so auch gegenüber dem Finanzamt zu vertreten und Zustellungen aller Art auch zu eigenen Handen anzunehmen. Diese Vollmacht habe der Beschwerdeführer mit einem Begleitschreiben dem Finanzamt übermittelt. Darin habe der Beschwerdeführer ausdrücklich erklärt, dass er beauftragt und bevollmächtigt sei, sämtliche Agenden, welche die GmbH beträfen, zu tätigen, insbesondere auch Erklärungen gegenüber dem Finanzamt zu fertigen. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer in der Folge mehrfach mit dem Finanzamt korrespondiert. Auf Grund der dem Beschwerdeführer erteilten Vollmacht, sei in der Folge auch der Schriftverkehr des Finanzamtes mit der T GmbH über die Anwaltskanzlei des Beschwerdeführers abgewickelt worden. Unter anderem habe der Beschwerdeführer bereits im Juli 1993 gegenüber dem Finanzamt für die T GmbH ein Umsatzsteuerguthaben in der Höhe von S 370.638,-- "wahrgenommen" und ersucht, von diesem Guthaben einen Teilbetrag auf ein Steuerkonto eines anderen Finanzamtes zu überweisen. Rosalinde L, eine Tochter des Josef S senior, gegen welche zunächst ebenfalls ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden sei, habe bereits im Unternehmen des Josef S senior als Angestellte gearbeitet. Sie habe in der T GmbH im Wesentlichen die gleichen Aufgaben übernommen. Es sei ihre Aufgabe gewesen, jeweils über Anweisung ihres Bruders Josef S junior Ausgangsrechnungen zu erstellen. Sie habe überdies die gesamte Buchhaltung geführt, insbesondere auch die Umsatzsteuervorauszahlungen, aber auch die Lohnabgaben berechnet. Sie und der Geschäftsführer des Unternehmens Ernst T seien am Firmenkonto zeichnungsberechtigt gewesen. Soweit am Konto Geld vorhanden gewesen sei bzw. der Kontorahmen nicht ausgeschöpft gewesen sei, habe Rosalinde L auch die Überweisungen der Lohnabgaben und der Umsatzsteuervorauszahlungen an das Finanzamt vorzunehmen gehabt. Erklärungen gegenüber dem Finanzamt hätte Rosalinde L hingegen nicht abgeben dürfen. Sie habe im Wesentlichen über Anordnung und Weisung ihres Bruders Josef S junior aber auch auf Weisung des Beschwerdeführers gehandelt. Die von Josef S junior geführten Geschäfte seien grundsätzlich vom Beschwerdeführer kontrolliert worden. Aus diesem Grund sei Rosalinde L verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer stets über die Finanzgebarung des Unternehmens zu unterrichten. Sie habe ihm unter anderem monatliche Außenstandsaufstellungen zu übergeben gehabt, vor allem regelmäßig auch eine Aufstellung über zu leistende Zahlungen. Es sei der Beschwerdeführer aber auch stets über den Firmenkontostand bei der Bank informiert worden. Auf diese Weise habe der Beschwerdeführer spätestens im März oder April 1994 auch Kenntnis davon erlangt, dass die Umsatzsteuer nicht mehr bezahlt, also Umsatzsteuervorauszahlungen nicht mehr geleistet worden seien. Die vom Finanzamt an den Beschwerdeführer auf Grund der vorgelegten Vollmacht übermittelten Postsendungen habe der Beschwerdeführer auf diese Weise stets zu Gesicht bekommen und sie an Rosalinde L weitergegeben. Zu wiederholten Hinweisen der Rosalinde L, dass die Umsatzsteuervorauszahlungen nicht bezahlt worden seien, habe der Beschwerdeführer erklärt, er werde mit dem Finanzamt eine Ratenvereinbarung treffen. Tatsächlich sei es zu einer derartigen Ratenvereinbarung aber nicht gekommen. Vielmehr sei im Juni 1995 auch über das Vermögen der T GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden. Im Zusammenhang mit rückständigen Lohnabgaben seien dem Beschwerdeführer nach dessen eigener Verantwortung, vom Finanzamt auch Erinnerungen bzw. Zahlungsaufforderungen zugekommen. Dass dem Beschwerdeführer auch Erinnerungen des Finanzamtes im Zusammenhang mit rückständigen Umsatzsteuervorauszahlungen zugekommen wären, lasse sich allerdings nicht feststellen. Mehrmals seien dem Beschwerdeführer von Rosalinde L Aufstellungen über Zahlungsverpflichtungen der T GmbH übergeben worden. Solche Aufstellungen hätten unter anderem auch eine Position über ausständige Umsatzsteuervorauszahlungen und Lohnabgaben enthalten. Während der Beschwerdeführer als Treuhänder des Josef S junior und Vertreter der T GmbH gegenüber Behörden allein die Vertretungsbefugnis gehabt habe, hätte Josef S junior als Angestellter im Unternehmen vor allem die technische Führung der GmbH zu besorgen gehabt. Josef S junior sei zwar von seiner Schwester über die finanzielle Lage des Unternehmens stets unterrichtet worden. Er habe sich aber nicht um die steuerlichen Angelegenheiten des Unternehmens gekümmert. Soweit die Bank der T GmbH Überweisungen an das Finanzamt mangels Deckung nicht durchgeführt hätte, seien die entsprechenden, von Rosalinde L gefertigten Zahlungsanweisungen der T GmbH wieder zurückgestellt worden. Davon habe Rosalinde L den Beschwerdeführer regelmäßig zumindest im Zusammenhang mit den monatlichen Berichten unterrichtet. Dem Beschwerdeführer sei der Umstand, dass die Umsatzsteuerbeträge und Lohnabgaben nicht bzw. nicht termingerecht bezahlt worden seien und auch nicht bezahlt hätten werden können, bekannt gewesen. Er habe die nicht bzw. die nicht rechtzeitig erfolgte Abfuhr der Umsatzsteuer und Lohnabgaben in Kauf genommen und sich damit abgefunden. Der Spruchsenat habe diese Feststellungen auf Grund der in einem vor dem Landesgericht geführten Verfahren (betreffend Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG) getroffen, im Besonderen aber auch auf Grund der Verantwortung der Rosalinde L und des Josef S junior. Gehe man von den getroffenen Feststellungen aus, so sei der Beschwerdeführer jedenfalls als Vertreter der juristischen Person im Sinne der §§ 80, 83 und 84 BAO anzusehen. Ihm sei es nämlich auf Grund der ihm erteilten Vollmacht, aber auch auf Grund der ihm tatsächlich eingeräumten Befugnisse oblegen, auch die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH zu besorgen. Obwohl er allein schon aus dem Vollmachtsverhältnis dazu in der Lage, ja verpflichtet gewesen sei, habe er trotz Kenntnis des Umstandes, dass Umsatzsteuervorauszahlungen bzw. auch Lohnabgaben nicht bezahlt worden seien, zumindest in Kauf genommen, dass diese selbst zu berechnenden Abgaben (Lohnabgaben und die Vorauszahlungen an Umsatzsteuer) nicht termingerecht, nicht jedenfalls spätestens am fünften Tag nach ihrer Fälligkeit entrichtet und abgeführt würden. Der Beschwerdeführer habe dies offensichtlich wegen der finanziellen Engpässe der T GmbH in Kauf genommen. Damit habe er aber vorsätzlich im Sinne des § 8 Abs. 1 FinStrG gehandelt und den Tatbestand des § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG selbst verwirklicht.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, es sei unrichtig, dass er Wahrnehmender und Vertreter der T GmbH gewesen wäre. Die Vollmacht habe er im Rahmen der Ausübung seiner rechtsanwaltlichen Tätigkeit und im Auftrag der Gesellschaft dem Finanzamt vorgelegt. Auf Grund der Bevollmächtigung sei er zwar beauftragt und berechtigt, nicht aber verpflichtet gewesen, Erklärungen abzugeben. Es sei nicht seine Aufgabe gewesen, dafür zu sorgen, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen rechtzeitig erstattet bzw. die daraus resultierenden Geldbeträge auch von der T GmbH bezahlt würden. Er sei nicht Organ der Gesellschaft sondern nur deren Anwalt gewesen. Es sei unerheblich, ob ihm als Zustellungsbevollmächtigten der Gesellschaft die Finanzamtspost zugestellt worden sei und ob ihm zu einem gewissen Zeitpunkt bekannt gewesen sei, dass Umsatz- bzw. Lohnsteuerzahlungen nicht fristgerecht erfolgt seien. Eine Verpflichtung seiner Person für die Zahlung von entsprechenden Abgabenbeträgen zu sorgen, könne niemals festgestellt werden und sei mit der erteilten Vollmacht auch nicht zu verbinden. Er selbst habe keine Bankvollmacht gehabt und somit keine Verfügungsberechtigung über die Geschäftskonten der Gesellschaft. Die Verfügung über ein Umsatzsteuerguthaben im Sommer 1993 sei lediglich im Umfang der ihm erteilten Bevollmächtigung erfolgt. Auch der Vorsatz werde bestritten, da er damit gerechnet habe, dass Josef S junior im Frühjahr 1995 einen namhaften Provisionsbetrag in Millionenhöhe beziehen werde, den er der Gesellschaft als Darlehen zur Verfügung stellen würde, um unter anderem die Steuerschulden zu bezahlen. Weiters habe er darauf vertrauen können, dass Rosalinde L die Umsatzsteuervoranmeldungen ordnungsgemäß abgegeben habe. Er sei niemals vom Finanzamt hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen gemahnt oder erinnert worden. Weiters sei er nicht in Kenntnis davon gewesen, welche Umsätze die Gesellschaft bis Mai 1995 erzielt habe. Er sei davon ausgegangen, dass die Abgabenschuldigkeiten gegenüber dem Finanzamt zu diesem Zeitpunkt auch getilgt worden seien. Zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen der T GmbH sei er damit beauftragt worden, Forderungen im Ausmaß von rund S 3 Mio zu betreiben, wobei mit Josef S junior abgesprochen worden sei, dass eingehende Geldmittel zur Tilgung der Schuld gegenüber dem Finanzamt hätten verwendet werden sollen. Es sei jedoch nur ein Bruchteil der Forderungen einbringlich gemacht worden, da von Josef S junior Scheinfakturen vorgelegt worden seien. Als anwaltlicher Vertreter der Gesellschaft sei er nicht verpflichtet gewesen, die Höhe der Abgabenschuld dem Finanzamt bekannt zu geben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung nach Beweiswiederholung bzw. -ergänzung durch weitere Befragung des Beschwerdeführers, sowie Einvernahme des Josef S junior, der Rosalinde L sowie des Ernst T abgewiesen. Die Feststellungen des Spruchsenates wurden voll und ganz übernommen. Auf Grund der Beweiswiederholung bzw. -ergänzung wurden folgende weiteren Feststellungen getroffen: Josef S junior habe gegenüber dem Finanzamt keine Zeichnungsberechtigung gehabt. Dem Beschwerdeführer sei bewusst gewesen, dass Lohnabgaben nicht entrichtet worden seien. Bei Gründung der Gesellschaft habe der Beschwerdeführer gegenüber Ernst T gesagt, dass er keine Angst wegen der Haftung haben müsse, da die Geschäftsführerfunktion von Josef S junior weitergeführt werde. Der Beschwerdeführer habe drei Umsatzsteuervoranmeldungen, auf welchen ein Guthaben aufgeschienen sei unterfertigt, insbesondere eine Umsatzsteuervoranmeldung im März 1994. Ansonsten habe er keine Umsatzsteuervoranmeldungen unterfertigt. Im März 1994 habe Rosalinde L ihren Bruder Josef S junior davon informiert, dass keine Umsatzsteuer mehr bezahlt werde. Sie sei davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer von ihrem Bruder erfahre, dass ein Rückstand vorhanden sei. Gegenüber Rosalinde L habe der Beschwerdeführer erklärt, dass er mit dem Finanzamt Ratenzahlungen vereinbaren werde. Rosalinde L habe den Beschwerdeführer mehrfach an die Rückstände erinnert. Sie selbst habe bei einer Zahllast nie eine Umsatzsteuervoranmeldung vorbereitet. Buchungsmitteilungen des Finanzamtes seien an den Beschwerdeführer zugestellt worden. Diese seien daraufhin auch Rosalinde L zur Kenntnis gelangt, die aus den Buchungsmitteilungen habe ersehen können, dass die von ihr errechneten Umsatzsteuerzahlungen nicht berücksichtigt worden seien. Der Beschwerdeführer habe in finanziellen Dingen die Entscheidungsbefugnis sowohl gegenüber Rosalinde L als auch gegenüber Josef S junior gehabt. Die Aufgabenverteilung in der T GmbH sei die gewesen, dass der Beschwerdeführer die finanzielle Gebarung sowohl gegenüber Rosalinde L als auch gegenüber Josef S junior kontrolliert habe. In der Firmenhierarchie sei der Beschwerdeführer "über Josef S junior" gelegen. Die Entscheidungsgewalt ("das Sagen") habe der Beschwerdeführer in der Gesellschaft gehabt. Ernst T habe nicht gewusst, was in der Gesellschaft gemacht werde bzw. wer die Entscheidungen treffe. Über Umsatzsteuern habe Ernst T mit dem Beschwerdeführer nicht gesprochen. Wer tatsächlich in der Firma für die Steuern zuständig gewesen sei, sei Ernst T nicht bekannt gewesen. Von Josef S junior sei dem Ernst T mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer jeden Tag die Lieferscheine sehe. Bei Außenständen sei der Beschwerdeführer aufgetreten, ebenso habe er bei Investitionen, wie z.B. beim Kauf eines Baggers, seine Zustimmung gegeben. Josef S junior habe seiner Schwester Rosalinde L keinerlei Anweisungen hinsichtlich der Bürotätigkeit, aber auch nicht hinsichtlich Umsatzsteuervoranmeldungen gegeben. Josef S junior sei der Meinung gewesen, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der rückständigen Umsatzsteuer mit dem Finanzamt eine Ratenzahlung vereinbart habe. Der Beschwerdeführer sei in der T GmbH insofern faktischer Geschäftsführer gewesen, als ihm die letzte Entscheidung über die finanzielle Gebarungen oblegen sei. Er sei diesbezüglich weisungsberechtigt gegenüber Rosalinde L und Josef S junior gewesen, bzw. seien finanzielle Entscheidungen von seiner Zustimmung abhängig gewesen. Der Beschwerdeführer habe die Gesellschaft nicht nur nach außen vertreten, er sei auch Gesellschafter und in finanzieller Hinsicht der Entscheidungsbefugte gewesen. Insbesondere sei der Beschwerdeführer gegenüber dem Finanzamt sowohl auf Grund seiner innerbetrieblichen Stellung als auch auf Grund der mit einem Begleitschreiben versehenen ausdrücklichen Bevollmächtigung gegenüber dem Finanzamt alleine für die Gesellschaft vertretungsbefugt gewesen. Vor diesem Hintergrund gelangte die belangte Behörde zur Ansicht, dass die Tätigkeiten des Beschwerdeführers über die einem Rechtsanwalt obliegenden Tätigkeiten weit hinaus gegangen seien. Er habe die Gesellschaft nicht nur nach außen hin zu vertreten gehabt, er habe auch in der Gesellschaft selbst in finanziellen Dingen die letzte Entscheidungsgewalt gehabt. In dieser Richtung sei demnach seine Stellung als die eines faktischen Geschäftsführers anzusehen. Insbesondere gegenüber dem Finanzamt seien weder Josef S junior, noch Rosalinde L noch Ernst T vertretungsbefugt gewesen. Die belangte Behörde gelangte auch zur Ansicht, dass der Beschwerdeführer zu einem aktiven Tun verpflichtet gewesen sei. Es sei ihm bekannt gewesen, dass es sich bei der Umsatzsteuer und den Dienstgeberbeiträgen um selbst zu berechnende Abgaben handle. Ebenso sei ihm klar gewesen, dass durch die Nichtabgabe von Erklärungen das Finanzamt keine Kenntnis von stattgefundenen Umsätzen gehabt habe und es daher erforderlich sei, entweder die Umsatzsteuerbeträge abzuführen oder aber dem Finanzamt die Höhe der geschuldeten Beträge bekannt zu geben. Die belangte Behörde gelangte auch zur Ansicht, dass bedingter Vorsatz angenommen werden müsse. Aus den Äußerungen gegenüber Rosalinde L, er werde mit dem Finanzamt eine Ratenzahlung vereinbaren und aus seiner Verantwortung, er habe gehofft, mit Provisionsforderungen des Josef S junior die rückständigen Steuerschulden bezahlen zu können, lasse sich ableiten, dass der Beschwerdeführer eine Fristversäumung ernstlich in Kauf genommen und sich damit abgefunden habe. Eine allenfalls ausstehende nachträgliche Herabsetzung der Umsatzsteuerschuld sei unbeachtlich, weil dem Beschuldigten allein die Verzögerung der Zahlungspflicht anzulasten sei. Diese Verzögerung wäre auch dann eingetreten, wenn auf Grund von Voranmeldungen wegen späterer Uneinbringlichkeit die Umsatzsteuerschuld berichtigt werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt insbesondere, dass alleine aus dem Umstand, dass ihm die Post des Finanzamtes zugestellt worden sei und aus dem Umstand, dass er drei Umbuchungen von Umsatzsteuer unterfertigt habe, nicht angenommen werden könne, dass er gemäß den §§ 80 ff BAO vertretungsbefugtes Organ der Gesellschaft, sohin de facto Geschäftsführer gewesen sei. Eine solche rechtliche Beurteilung ginge über jeglichen Inhalt der vorgelegten Vollmacht hinaus, auch aus der Firmenkonstruktion lasse sich für die belangte Behörde nichts gewinnen. Wie diese festgestellt habe, sei der Beschwerdeführer lediglich treuhändiger Halter der Geschäftsanteile für Josef S junior gewesen. Er habe schlüssig nachweisen können, dass die neu gegründete Firma die ehemalige Einzelfirma des Josef S senior hätte weiterführen sollen, durch die Neugründung einer Gesellschaft sollte es den Kindern des Josef S senior ermöglicht werden, weiteres Geld zu verdienen. Die Agenden hätten sich für den Zeitraum vor 1993 und danach nicht geändert und sei auch vor der Gründung der GmbH der Beschwerdeführer nicht verpflichtet gewesen, finanzrechtlich tätig zu werden. Es sei die belangte Behörde jede Erklärung schuldig geblieben, warum bei einer kontinuierlichen Weiterführung des Betriebes im Rahmen einer GmbH bei Vorhandensein derjenigen Personen als leitende Angestellte bzw. Verantwortliche im Bereich der Buchhaltung und Lohnverrechnung der Beschwerdeführer nunmehr gegenüber Dritten, so auch gegenüber dem Finanzamt, als vertretungsbefugtes Organ auftreten sollte. Es sei nicht nur unsinnig, sondern würde dies auch nicht den Möglichkeiten des Beschwerdeführers entsprechen und diese überschreiten.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung nicht auf. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde keineswegs allein daraus, dass dem Beschwerdeführer (entsprechend einer Zustellungsbevollmächtigung) die die T GmbH betreffende Post des Finanzamtes zugestellt wurde und er drei Umbuchungsanträge hinsichtlich Umsatzsteuer gestellt hatte, abgeleitet hat, der Beschwerdeführer sei de facto Geschäftsführer der T GmbH. Die belangte Behörde konnte diese Sachverhaltsannahme vielmehr auf das Gesamtbild stützen, welches von den im Verfahren vernommenen Zeugen Josef S junior, Rosalinde L und Ernst T gezeichnet worden war, wonach es der Beschwerdeführer gewesen sei, welchem die letzte Entscheidungsbefugnis zugekommen sei und der in der Gesellschaft "das Sagen" hatte. Der Beschwerdeführer behauptet konkret nicht, dass einer dieser Zeugen die Unwahrheit gesagt hätte oder dass die genannten Zeugen anders als von der belangten Behörde dargestellt ausgesagt hätten. Vor diesem Hintergrund ist eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Fehlerhaftigkeit der behördlichen Beweiswürdigung nicht zu erkennen. Aber auch der vom Beschwerdeführer betonte Umstand, er habe schlüssig nachweisen können, dass die T GmbH zu dem Zweck der Weiterführung der ehemaligen Einzelfirma des Josef S senior errichtet worden sei, um dessen Kindern eine Einnahmenerzielungsmöglichkeit zu bieten, zeigt eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit der behördlichen Beweiswürdigung, der Beschwerdeführer sei faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen, nicht auf, weil dieses Beweiswürdigungsergebnis durch den Zweck der Gesellschaftsgründung keineswegs ausgeschlossen wird. Von einer in der Beschwerde behaupteten "kontinuierlichen Weiterführung" des Einzelunternehmens des Josef S senior im Rahmen der T GmbH kann keine Rede sein, wenn - dem Ergebnis der wie ausgeführt nicht als unschlüssig zu beanstandenden behördlichen Beweiswürdigung entsprechend - davon ausgegangen wird, dass im Rahmen der GmbH dem Beschwerdeführer die entsprechenden Entscheidungsbefugnisse zukamen.

Auf Beschwerdeausführungen, welche von der Behauptung des Beschwerdeführers ausgehen, dass Josef S junior und nicht er de facto Geschäftsführer der T GmbH gewesen sei, ist im Hinblick darauf, dass sich diese Ausführungen von dem von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt entfernen, nicht weiter einzugehen (§ 41 VwGG). Dazu gehört auch der Beschwerdevorwurf, der Spruch des angefochtenen Bescheides stütze sich auf "offensichtlich unrichtige" Bescheide, weil dem Beschwerdeführer als lediglich bevollmächtigtem Rechtsvertreter entscheidende Informationen nicht zur Verfügung gestanden seien. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass allfällige, vom Beschwerdeführer als geboten angesehene Berichtigungen der Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen nicht auf die Zeiträume zurückwirken, für welche dem Beschwerdeführer die Unterlassung der Abfuhr bzw. Bekanntgabe der entsprechenden Selbstbemessungsabgaben zum Vorwurf gemacht wurde.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 20. Oktober 2004

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:1999140285.X00

Im RIS seit

18.11.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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