TE Vwgh Erkenntnis 2004/10/20 2001/08/0113

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Veröffentlicht am 20.10.2004
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

ASVG §111;
ASVG §114 Abs2;
ASVG §33;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §83;
IESG §13a Abs2;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Karl Zach, Rechtsanwalt in 1230 Wien, Haeckelstraße 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 22. Mai 2001, Zl. 3/05-V/13.471/8-2001, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse, 5024 Salzburg, Faberstraße 19-23), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer vertrat seit 7. Juli 1994 eine näher bezeichnete GmbH als handelsrechtlicher Geschäftsführer. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 13. August 1996 wurde der Antrag auf Konkurseröffnung über das Vermögen der GmbH mangels Vermögens abgewiesen. Seit diesem Zeitpunkt vertrat der Beschwerdeführer die GmbH als Liquidator.

Ing. Wolfgang S., ein Dienstnehmer dieser GmbH (in der Folge: Dienstnehmer) erklärte am 16. August 1996 seinen vorzeitigen Austritt. Auf Grund der Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens der GmbH beantragte der Dienstnehmer die Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld und zwar - soweit für den Beschwerdefall von Bedeutung - für Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 17. August bis 31. Dezember 1996 und für Urlaubsentschädigung für 49 Arbeitstage. Diesem Antrag wurde vom Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland bescheidmäßig stattgegeben.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse verpflichtete den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 7. Oktober 1999 gemäß § 67 Abs. 10 ASVG als Geschäftsführer der GmbH, die auf dem Konto dieser GmbH als Beitragsschuldnerin aushaftenden uneinbringlich gewordenen Beiträge in der Höhe von S 82.501,72 samt Nebengebühren binnen 14 Tagen zu bezahlen. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die im angeschlossenen Rückstandsausweis vom 5. Oktober 1999 enthaltenen Beiträge samt Nebengebühren hätten bei der Primärschuldnerin (GmbH) "trotz geführter Zwangsmaßnahmen nicht eingebracht werden" können. Der Beschwerdeführer sei im Haftungszeitraum Geschäftsführer der GmbH gewesen. Aus dem verwiesenen an die GmbH gerichteten Rückstandsausweis vom 5. Oktober 1999 ergäben sich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von S 81.991,72 für den Beitragszeitraum "99/05 NV-BP" sowie an Nebengebühren Verzugszinsen und Kosten.

Der Beschwerdeführer erhob einen (als Berufung bezeichneten) Einspruch. Darin machte er im Wesentlichen geltend, der Betrag sei nicht aufgeschlüsselt, er könne daher seine Zusammensetzung nicht entnehmen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse legte den Einspruch der belangten Behörde vor. Im Vorlagebericht vom 21. Dezember 1999 führte sie zum Vorbringen im Einspruch aus, auf Grund einer Beitragsprüfung sei der Primärschuldnerin der Betrag von S 81.991,72 vorgeschrieben worden. Die genaue Zusammensetzung dieses Rückstandes hätte dieser Vorschreibung entnommen werden können.

Die belangte Behörde brachte den Vorlagebericht dem Beschwerdeführer zur Kenntnis.

Der Beschwerdeführer gab mit Schreiben vom 13. März 2000 bekannt, dass ihm nicht erklärt worden sei, was er zu bezahlen habe. Bereits anlässlich der Prüfung habe er die Aufschlüsselung reklamiert und aus diesem Grunde die Unterschrift unter das Prüfergebnis verweigert.

Die belangte Behörde ersuchte mit Schreiben vom 21. März 2001 die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse um Bekanntgabe, ob und in welcher ziffernmäßigen Höhe Beiträge auf Grund von Verstößen gegen § 111 und § 114 Abs. 2 ASVG nicht eingebracht werden konnten.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse antwortete mit Schreiben vom 30. März 2001 dahingehend, dass die Beitragschuld zur Gänze aus einer Beitragsprüfung stamme. Ergänzend zum Vorlagebericht werde mitgeteilt, dass der Geschäftsführer Pflichtverletzungen im Sinne des § 111 ASVG gesetzt habe. Die Beitragsnachverrechnung sei für den Dienstnehmer Ing. Wolfgang S. erfolgt. Es seien Sonderzahlungsmeldungen und Lohnänderungsmeldungen nicht durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer als Geschäftsführer hätte diese Meldungen durchzuführen gehabt.

Der Beschwerdeführer, dem dazu Parteiengehör gewährt wurde, führte dazu aus, dass die Vorschreibung offenkundig auf Grund "der Nachzahlungen des Insolvenzentgeltsicherungsfonds" erfolgt sei. Dieser habe "die Nachzahlung" gemeldet. Er könne nur etwas melden, was von ihm verursacht und ihm bekannt gewesen sei. Es treffe ihn kein Verschulden und auch keine Haftung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge und präzisierte den Spruch dahingehend, dass der Beschwerdeführer für fällige und derzeit rückständige Sozialversicherungsbeiträge der GmbH in Liquidation aus Beitragsnachverrechnung auf Grund der am 23. Februar 1999 durchgeführten Beitragsprüfung betreffend den Dienstnehmer Ing. Wolfgang S. hafte und zwar

1. Nachverrechnung für den Zeitraum 17. August bis 31. Dezember 1996 S 42.897,84,

2. Nachverrechnung für den Zeitraum 1. Jänner bis 10. März 1997 S 25.040,83,

3.

Sonderzahlung 12/96 S 9.236,50 und

4.

Sonderzahlung 03/97 S 4.816,53,

Summe Beitragsnachverrechnung S 81.991,72.

Der Beschwerdeführer habe diesen Betrag zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen gerechnet ab dem 6. Oktober 1999 innerhalb von 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

In der Begründung wurde dazu ausgeführt, aus dem Verwaltungsakt sei ersichtlich, dass sich die Beitragsschuld auf Grund einer Beitragsnachverrechnung für den Zeitraum 17. August 1996 bis 10. März 1997 ergebe. Von der GmbH seien für den genannten Dienstnehmer die "Sonderzahlungsmeldungen und Sozialversicherungsmeldungen" nicht durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer sei im gegenständlichen Zeitraum Geschäftsführer der GmbH gewesen; er wäre verpflichtet gewesen, diese Meldungen durchzuführen. Er hafte daher für die Beiträge zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (u.a.) die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldner für die von diesem zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, 98/08/0191, 0192 (Slg. Nr. 15528/A), vertritt der Verwaltungsgerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG in Ermangelung weiterer, in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierter Pflichten des Geschäftsführers, im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese in § 111 ASVG i.V.m. § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen sind. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit der Beitragsforderungen kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Sinne der Judikatur seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000 eine Haftung für Zinsen und Nebengebühren nicht in Betracht kommt (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 27. Juli 2001, 2001/08/0061, und vom 26. Mai 2004, 2001/08/0209). Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Im vorliegenden Beschwerdefall besteht kein Streit darüber, dass die Haftungssumme aus einer Beitragsnachverrechnung betreffend den genannten Dienstnehmer stammt. Strittig ist, ob dem Beschwerdeführer eine Meldepflichtverletzung im Sinne der Entscheidung des verstärkten Senates zur Last liegt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer vergeblich die Aufgliederung der Haftungssumme begehrt.

Die belangte Behörde (aber auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse) sprechen lediglich von einer "Beitragsnachverrechnung" oder einer "Beitragsschuld", ohne zwischen Dienstgeber- und Dienstnehmerbeiträgen zu differenzieren. Dies ist im vorliegenden Fall deswegen von Bedeutung, weil unstrittig die Beiträge für einen Zeitraum gefordert werden, für welchen der Dienstnehmer vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Zahlungen erhalten hat. Der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds schuldet (§ 13a Abs. 2 IESG) die Dienstnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung, die für gesicherte Ansprüche fällig werden, dem zur Beitragseinhebung zuständigen Sozialversicherungsträger, hier also der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Ob diese die Verrechnung mit dem Fonds im Sinne des § 13a IESG vorgenommen hat, blieb zu Unrecht unerörtert.

Aus der im Verwaltungsakt erliegenden Abmeldung des genannten Dienstnehmers durch die GmbH ergibt sich das Ende des Beschäftigungsverhältnisses mit 16. August 1996 und das Ende des Entgeltanspruches mit 31. Dezember 1996. Die - offenbar von Amts wegen vorgenommene - Berichtigung der Abmeldung weist dem gegenüber das Ende des Entgeltanspruches mit 10. März 1997 aus und unterscheidet zwischen Kündigungsentschädigung vom 17. August bis 31. Dezember 1996 und Urlaubsentschädigung/-abfindung vom 1. Jänner bis 10. März 1997.

Die belangte Behörde hat die Haftung des Beschwerdeführers wegen eines Meldeverstoßes damit begründet, dass er für den Dienstnehmer die "Sonderzahlungsmeldungen und Sozialversicherungsmeldungen" nicht durchgeführt habe.

Für die Geltendmachung einer solchen Haftung wäre von der Behörde festzustellen gewesen, welche Umstände zu welchem Zeitpunkt im Sinne der §§ 33 ff ASVG hätten gemeldet werden müssen, dass diese Meldungen unterblieben sind und dass diese Unterlassung für die Uneinbringlichkeit kausal war. Dies ist bei einem Unternehmen, hinsichtlich dessen schon vor der Fälligkeit der Beiträge ein Konkursantrag mangels Vermögens abgewiesen wurde, im Zweifel nicht anzunehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf Ersatz der Beschwerdegebühr gerichtete Begehren war im Hinblick auf die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen. Der Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand laut der genannten Verordnung beinhaltet bereits die Umsatzsteuer, sodass das darauf gerichtete Begehren ebenfalls abzuweisen war.

Wien, am 20. Oktober 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2001080113.X00

Im RIS seit

10.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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