TE Vwgh Beschluss 2004/10/28 2004/09/0140

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Veröffentlicht am 28.10.2004
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §103 Abs1;
BDG 1979 §103 Abs2;
BDG 1979 §103 Abs3;
BDG 1979 §103 Abs4;
BDG 1979 §106;
BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §112 Abs2;
BDG 1979 §112 Abs3;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der Disziplinaranwältin für den Bereich der Österreichischen Post AG, Dr. H, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 25. Juni 2004, Zl. 46/8-DOK/04 betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Disziplinarangelegenheit (mitbeteiligte Partei: F), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid vom 1. April 2004 verfügte die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung des Mitbeteiligten, der als Postoberoffizial seinen Dienst auf der Zustellbasis R versah, weil dieser im Verdacht stehe, diverse Manipulationen an rekommandierten Postsendungen vorgenommen zu haben.

Mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 20. April 2004 wurde diese vorläufige Suspendierung aufgehoben und ausgesprochen, der Mitbeteiligte werde nicht vom Dienst suspendiert.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Juni 2004 wurde die dagegen von der Disziplinaranwältin erhobene Berufung als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerdelegitimation im Wesentlichen damit, zur Vertretung dienstlicher Interessen im Disziplinarverfahren sei gemäß § 103 Abs. 1 BDG der Disziplinaranwalt bestellt. Eine Einschränkung im Sinne der Dienstpragmatik, die lediglich die Vertretung der "durch eine Pflichtwidrigkeit verletzten Interessen" vorgesehen habe, sei durch die Einführung des BDG nicht mehr gegeben. Diese wohl bewusst gewählte Formulierung korrespondiere auch mit § 112 BDG, wonach u.a. die Gefährdung wesentlicher Interessen des Dienstes Grundlage für eine vorläufige Suspendierung sei. Das BDG definiere das "Disziplinarverfahren" nicht näher, es werde darunter das Verfahren ab dem Zeitpunkt der Erstattung der Disziplinaranzeige durch den Dienstvorgesetzten bei der Dienstbehörde verstanden.

§ 94 Z 1 BDG 1979 stelle hinsichtlich des Beginns des Fristenlaufs für die Verjährung auf den Zeitpunkt ab, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt sei, sodass davon auszugehen sei, dass diese Kenntnis einer Disziplinaranzeige gleichzusetzen sei. Das bedeute, dass der Begriff des Disziplinarverfahrens mehr umfasse als das Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission).

Weiters schränke § 103 BDG 1979 die Vertretungsbefugnisse des Disziplinaranwaltes nicht auf das Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) ein. Eine Einschränkung ergebe sich nur dadurch, dass die Parteistellung sowohl des Beschuldigten wie auch des Disziplinaranwaltes im Disziplinarverfahren mit der Zustellung der Disziplinaranzeige beginne (§ 106 BDG 1979) und diese dem Disziplinaranwalt erst anlässlich der Weiterleitung an die Disziplinarkommission zugestellt werde. Wolle man aus dieser Bestimmung jedoch - wie die belangte Behörde rechtswidrig annehme - ableiten, dass der Disziplinaranwalt im Suspendierungsverfahren keine Parteistellung habe, weil dieses nicht zwangsläufig auf einer Disziplinaranzeige des unmittelbaren oder mittelbaren Vorgesetzen beruhe, so müsse dies für den Beschuldigten gleichermaßen gelten; eine andere Deutung würde eine nicht gesetzeskonforme, sogar verfassungswidrige Ungleichgewichtung zu Ungunsten einer Partei bedeuten. Mit der Parteistellung des Disziplinaranwaltes im Suspendierungsverfahren verhalte es sich so wie mit der Parteistellung des Disziplinaranwaltes im abgekürzten Verfahren. Auch in diesem sei vom Gesetzgeber eine Parteistellung des Disziplinaranwaltes nicht ausdrücklich normiert, sondern begründe sich lediglich aus dem diesem in § 132 BDG 1979 eingeräumten Recht Einspruch zu erheben; im Suspendierungsverfahren ergebe sich die Parteistellung aus dem in § 112 Abs. 6 BDG 1979 eingeräumten Recht, Rechtsmittel zu erheben.

Die für das Disziplinarverfahren normierten Verfahrensvorschriften des BDG 1979 seien auch im Suspendierungsverfahren anzuwenden, sodass auch die Regelung über die Parteien des Verfahrens, § 106 BDG 1979, sinngemäße Anwendung zu finden habe und damit dem Disziplinaranwalt im selben Umfang Parteistellung zukomme wie im Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission).

Weiters unterliege die belangte Behörde einem Rechtsirrtum, wenn sie davon ausgehe, dass durch die Regelung in § 123 Abs. 3 BDG 1979 ein Hinweis zu erkennen sei, dass das Suspendierungsverfahren nicht als Teil des Disziplinarverfahrens i. w.S. zu betrachten sei. Der Gesetzgeber habe die Bestimmungen über die Suspendierung bewusst im Unterabschnitt 'Disziplinarverfahren' angesiedelt und diese somit systematisch und auch logisch dem Disziplinarverfahren zugeordnet. Dies gehe auch aus dem Wortlaut des § 112 Abs. 5 BDG 1979 hervor. Nicht ersichtlich sei es, inwiefern aus § 112 Abs. 6 BDG 1979 das Berufungsrecht ausdrücklich nur dem von der Suspendierung Betroffenen zustehen solle. Ihrem Wesen nach sei die Suspendierung eine sichernde Maßnahme; da die Erlangung und Erhaltung von Sicherheit sogar zu den wichtigsten dienstlichen Interessen zähle, sei es vom Gesetzgeber sicherlich nicht so gemeint, dass der Disziplinaranwalt gerade dieses zentrale dienstliche Interesse nicht vertreten könne.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des BDG 1979 lauten:

"Disziplinaranwalt

§ 103. (1) Zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren sind von den Leitern der Zentralstellen Disziplinaranwälte und die erforderliche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen.

(2) Auf den Disziplinaranwalt ist § 100 sinngemäß anzuwenden.

(3) Der Disziplinaranwalt bei der Disziplinaroberkommission hat rechtskundig zu sein.

(4) Dem Disziplinaranwalt wird gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG das Recht eingeräumt, gegen Entscheidungen der Disziplinaroberkommission Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Parteien

§ 106. Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Die Stellung als Partei kommt ihnen mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige zu.

Suspendierung

§ 112. (1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.

(2) Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig.

(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bereits anhängig, so hat diese bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

(4) Jede durch Beschluss der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) verfügte Suspendierung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Beamten - unter Ausschluss der Kinderzulage -

auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Die Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) kann auf Antrag des Beamten oder von Amts wegen die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, unbedingt erforderlich ist.

(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission), bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.

(6) Die Berufung gegen eine Suspendierung oder gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung. Über die Berufung hat die Disziplinaroberkommission ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen zwei Monaten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

(7) Wird die Bezugskürzung auf Antrag des Beamten vermindert oder aufgehoben, so wird diese Verfügung mit dem Tage der Antragstellung wirksam."

Dieser Beschwerdefall gleicht jenem, welcher mit dem hg. Beschluss vom 10. März 1999, Zl. 99/09/0006, entschieden worden war, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf diesen Beschluss gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird. In diesem Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Disziplinaranwalt in Verfahren betreffend Suspendierung kein Beschwerderecht nach § 103 Abs. 4 BDG 1979 hat. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich auch durch die vorliegenden Beschwerdeausführungen nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Da der Beschwerdeführerin die Beschwerdelegitimation fehlt, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 28. Oktober 2004

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Dienstrecht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004090140.X00

Im RIS seit

02.02.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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