TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/9 2004/01/0280

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Veröffentlicht am 09.11.2004
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §21 Abs3;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57;
FrG 1997 §75 Abs5;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2004/01/0281

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerden der 1. K, geboren 2003, und 2. Ka, geboren 1982, beide wohnhaft in Wien, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 3a/15, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 7. April 2004, Zlen. 247.493/0- III/07/04 (ad. 1.) und 223.212/2-III/07/04 (ad. 2.), betreffend §§ 10, 11 Asylgesetz 1997(ad. 1) und Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (ad. 2.) (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde zum einen die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Februar 2004, mit dem ihr (zweiter im Bundesgebiet gestellter) Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war, ab; zum anderen wies sie im Instanzenzug den bezughabenden Asylerstreckungsantrag der Erstbeschwerdeführerin gemäß §§ 10, 11 AsylG ab. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, die Zweitbeschwerdeführerin habe mit ihrem neuerlichen Asylantrag lediglich die Auseinandersetzung mit den bereits im ersten - rechtskräftig beendeten - Asylverfahren vorhandenen Ausreisegründen begehrt. Es sei nicht ersichtlich, dass ein neuer Sachverhalt bzw. eine neue Rechtslage vorliege, weshalb das Bundesasylamt den neuerlichen Asylantrag zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen habe. Bezugnehmend auf die Berufungsausführungen, wonach die Erstbeschwerdeführerin schwer krank sei und im Laufe ihres bisherigen Lebens bereits mehrfach neurochirurgisch operiert habe werden müssen, weshalb davon auszugehen sei, dass sie bei Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Überlebenschance habe, stellte die belangte Behörde fest, dass der menschlich verständliche Wunsch nach medizinischer Versorgung der Erstbeschwerdeführerin in Österreich nicht geeignet sei, eine asylrechtlich relevante Bedrohungssituation hinsichtlich der Person der Zweitbeschwerdeführerin "darzustellen". In ihrem die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Berufungsbescheid verwies die belangte Behörde darauf, dass auf Grund der Zurückweisung des Asylantrages der Zweitbeschwerdeführerin die Voraussetzung für eine Asylerstreckung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG auf die Erstbeschwerdeführerin nicht vorliege. Der Wunsch nach medizinischer Versorgung der Erstbeschwerdeführerin in Österreich könne in einem Verfahren über einen Erstreckungsantrag mangels gesetzlicher Grundlage keine Beachtung finden.

Über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

1. Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Die Zweitbeschwerdeführerin hat - mit der Behauptung, aus Sierra Leone zu stammen und dort von Rebellen vergewaltigt worden zu sein - schon im Oktober 2000 Asyl beantragt. Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Mai 2001, mit dem dieser Antrag gemäß § 6 Z. 2 AsylG (in der damals geltenden Fassung) als offensichtlich unbegründet abgewiesen und die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Zeitbeschwerdeführerin nach Sierra Leone festgestellt wurde, erwuchs in Rechtskraft.

Zum verfahrensgegenständlichen Zweitantrag vom Mai 2003 hat die Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt am 16. Jänner 2004 angegeben, an ihren Fluchtgründen habe sich nichts geändert. Gründe dafür, warum die Zurückweisung des neuerlichen Asylantrages wegen entschiedener Sache unter diesen Umständen nicht dem Gesetz entsprechen sollte, lassen sich der Beschwerde - die sich im Wesentlichen auf Voraussetzungen der nicht verfahrensgegenständlichen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG bezieht - nicht entnehmen.

Bei einer während des Berufungsverfahrens im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen erfolgten Einvernahme vor der Polizei am 2. März 2004 erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, sie stamme nicht aus Sierra Leone, sondern aus Nigeria und habe im Asylverfahren die Unwahrheit gesagt. Die Niederschrift über diese Einvernahme wurde der belangten Behörde noch vor Erlassung ihres die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Bescheides bekannt und letzterem auch insoweit zu Grunde gelegt, als darin - ohne vorherige Einräumung des Parteiengehörs - von der nigerianischen Staatsangehörigkeit der Zweitbeschwerdeführerin und der Wahrheitswidrigkeit ihrer früheren, auf Sierra Leone bezogenen Behauptungen über die Fluchtgründe ausgegangen wurde. Die Beschwerde rügt - ohne Auseinandersetzung mit der im Bescheid erwähnten Niederschrift vom 2. März 2004 - als Verletzung von Verfahrensvorschriften, "die Behörde" - welche Behörde damit gemeint ist, geht aus der Beschwerde nicht hervor - habe "offensichtlich ... unrichtig protokolliert, dass die Zweitbeschwerdeführerin aus Nigeria stammt und nicht aus Sierra Leone". Ausgehend vom damit in der Beschwerde offenbar aufrecht erhaltenen Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin zu ihrem Zweitantrag, wonach sie Staatsangehörige von Sierra Leone sei und sich an ihren Fluchtgründen nichts geändert habe, deutet - wie schon erwähnt - nichts auf die Rechtswidrigkeit der Zurückweisung ihres neuerlichen Asylantrages hin. Dies gilt aber auch ausgehend von der Annahme der belangten Behörde, die Zweitbeschwerdeführerin stamme nicht, wie im Erstverfahren angenommen, aus Sierra Leone. Der Gegenstand eines Asylverfahrens und damit - im Ausspruch über die Asylgewährung - auch die Rechtskraftwirkung seiner Erledigung wird nicht durch den Herkunftsstaat begrenzt, auf den sich - im Gegensatz zur Entscheidung über die Asylgewährung - der damit im Falle einer Abweisung verbundene Ausspruch gemäß § 8 AsylG beschränkt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. März 2001, Zl. 2000/01/0402; zur Bedachtnahme auf Änderungen während des Berufungsverfahrens in Bezug auf den Gegenstand des Ausspruchs gemäß § 8 AsylG die Nachweise in dem Erkenntnis vom 12. Dezember 2002, Zl. 2000/20/0149). Auf die Frage, was es anderenfalls für Konsequenzen hätte, dass sich der Hinweis auf eine nigerianische Staatsangehörigkeit der Zweitbeschwerdeführerin erst im Berufungsverfahren nach der erstinstanzlichen Zurückweisung ihres Zweitantrages ergab, braucht unter diesen Umständen nicht eingegangen zu werden.

Soweit sich ungeachtet der Unzulässigkeit ihres zweiten Asylantrages aus der Krankheit ihrer im Juli 2003 in Wien geborenen Tochter, der Erstbeschwerdeführerin, für die Zweitbeschwerdeführerin ein nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über ihren ersten Asylantrag entstandenes Abschiebungshindernis ergeben sollte, fiele dessen Beurteilung in die Zuständigkeit der Fremden- und nicht der Asylbehörde. In den beiden hg. Erkenntnissen vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/01/0256 (Ausführungen in Punkt 3. der Entscheidungsgründe) und daran anknüpfend Zl. 2001/01/0555 (Klammerausdruck in Punkt 5. der Entscheidungsgründe), auf deren nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass in Fällen, in denen die Asylbehörde im Sinne des § 21 Abs. 3 AsylG (in der auch im vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat für zulässig erklärt hat, spätere Sachverhaltsänderungen, die sich nur darauf und nicht auf die Voraussetzungen der Asylgewährung beziehen, nicht bei der Asylbehörde geltend zu machen sind. Dies gilt, wie für den vorliegenden Fall hinzuzufügen ist, auch dann, wenn sich die Entscheidung der Asylbehörde - im Besonderen: wegen wahrheitswidriger Angaben der Partei - auf einen anderen als den tatsächlichen Herkunftsstaat bezieht. Aus § 21 Abs. 3 AsylG (in der genannten Fassung) ist nicht abzuleiten, dass die Abschiebung in den tatsächlichen Herkunftsstaat in einem solchen Fall - sei es mit oder ohne Änderung nicht nur des Ermittlungsstandes, sondern auch der Sachlage - eine weitere Entscheidung der Asylbehörde voraussetzt.

2. Zur Beschwerde der minderjährigen Erstbeschwerdeführerin:

Für die Erstbeschwerdeführerin hat die Zweitbeschwerdeführerin als ihre gesetzliche Vertreterin am 16. Jänner 2004 einen Asylerstreckungsantrag gestellt und im Sinne des § 11 Abs. 2 zweiter Satz AsylG (in der Fassung vor der AsylG-Novelle 2003) - unter anderem für den Fall der Zurückweisung des Zweitantrages der Zweitbeschwerdeführerin - auf die Umdeutung in einen eigenen Asylantrag der Erstbeschwerdeführerin verzichtet. Den Erstreckungsantrag hat die belangte Behörde in Bestätigung der gleichlautenden erstinstanzlichen Entscheidung auf Grund des Umstandes, dass der Zweitbeschwerdeführerin, auf die sich der Erstreckungsantrag bezog, nicht Asyl gewährt wurde, zu Recht abgewiesen.

Nach der hier maßgeblichen Rechtslage vor der AsylG-Novelle 2003 ist im Falle der Abweisung des Erstreckungsantrages die Prüfung der Zulässigkeit einer Abschiebung des Erstreckungswerbers - hier unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten schweren Erkrankung - nicht Gegenstand des Verfahrens vor der Asylbehörde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0219).

Die Beschwerde war daher hinsichtlich beider Beschwerdeführerinnen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.

Ein Ausspruch über den Aufwandersatz konnte entfallen, weil die belangte Behörde als obsiegende Partei im Sinne der §§ 47 ff VwGG keine Kosten verzeichnet hat.

Wien, am 9. November 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004010280.X00

Im RIS seit

17.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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