TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/17 2002/08/0138

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Veröffentlicht am 17.11.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
68/02 Sonstiges Sozialrecht;

Norm

ASVG §114 Abs2;
ASVG §67 Abs10;
ASVG §83;
IESG §1 Abs1;
IESG §13a Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Strohmayer, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerden des E in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 2. April 2002, Zl. 128.889/6-6/02, betreffend Haftung für Beitragsschuldigkeiten gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (mitbeteiligte Partei: Burgenländische Gebietskrankenkasse in 7001 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 11. November 1999 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer als Geschäftsführer einer näher bezeichneten GesmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Gesamtbetrag von S 104.640,36 (EUR 7.604,51) zuzüglich Verzugszinsen zu bezahlen.

1.2. Mit einem weiteren Bescheid vom 8. Februar 2000 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, die auf dem Beitragskonto derselben Beitragsschuldnerin rückständigen Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrage von

S 26.160,09 (EUR 1.901,13) samt Verzugszinsen binnen 15 Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen. Nach der Begründung dieses Bescheides sei nach Annahme des von der insolventen GesmbH angebotenen Zwangsausgleichs mit einer Quote von 20 % am 11. November 1999 zunächst der (oben unter 1.1. erwähnte) Haftungsbescheid über 80 % der offenen Forderungen ergangen. Da dem Zwangsausgleich mit Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt vom 3. Dezember 1999 die Bestätigung versagt worden und daher "das Scheitern des Zwangsausgleichs erwiesen" sei, ergehe der nunmehrige Bescheid über die restlichen 20 % der Forderungen.

2. Am 4. März 2000 (zur Post gegeben am 6. März 2000) erhob der Beschwerdeführer (so wörtlich)

"Einspruch zu dem Bescheid zur Beitragskontonummer ... über die Aushaftung für eine Beitragsschuld in Höhe von ATS 130.800,46"

mit der Behauptung, er habe alle seine Pflichten als Geschäftsführer erfüllt, und unter Bekanntgabe eines Zeugen, der seine Angaben bestätigen könne.

Der Landeshauptmann übermittelte diesen Einspruch an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse, welche ihm die Verwaltungsakten mit Schriftsatz vom 21. April 2000 vorlegte.

Der Landeshauptmann erkannte dem Einspruch des Beschwerdeführers zunächst die aufschiebende Wirkung zu und forderte ihn dann zu einer Stellungnahme zum Vorlagebericht der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf. Nach Bewilligung eines Fristerstreckungsantrages erstattete der Beschwerdeführer am 20. Juli 2000 eine Stellungnahme, in der er - soweit er sich auf die gegenständliche Rechtssache bezog - ausführte, es sei in der gemeinschuldnerischen GesmbH auf Wunsch der Hauptgesellschafterin ein näher bezeichneter Prokurist für den Bereich der Finanzen und des Personalwesens, einschließlich der Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge, zuständig gewesen. Der Beschwerdeführer sei daher nicht im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG verantwortlich. Er sei aus näher dargelegten Gründen ohne sein Verschulden gehindert gewesen, seine Obliegenheiten zu erfüllen.

Mit Schreiben vom 30. Jänner 2001 ersuchte der Landeshauptmann zunächst die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse um eine Äußerung zur Frage des Umfangs der Haftung des Beschwerdeführers gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, worauf diese - nach einer Urgenz durch die Einspruchsbehörde - mit Schreiben vom 3. Juli 2001 antwortete. Ein weiteres Verwaltungsgeschehen ist dem Akt des Landeshauptmannes nicht zu entnehmen.

3. Am 13. August 2001 langte bei der belangten Behörde im Telekopiewege u.a. ein Antrag des Beschwerdeführers "auf Übergang der Entscheidungszuständigkeit" ein: Darin bezieht sich der Beschwerdeführer auf den Haftungsbescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse vom 8. Februar 2000, gegen den er fristgerecht Einspruch erhoben habe. Der Landeshauptmann habe diesem Einspruch mit Bescheid vom 22. Mai 2000 aufschiebende Wirkung zuerkannt. Am 20. Juli 2000 sei eine Stellungnahme zum Schreiben der mitbeteiligten Partei eingebracht worden. Seit über einem Jahr sei "in dieser Sache nichts geschehen", weshalb der Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den angerufenen Bundesminister gestellt werde.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Devolutionsantrag und dem Einspruch des Beschwerdeführers insoweit Folge, als sie die Haftungssumme auf EUR 1.014,51, darin enthalten EUR 200,97 an Verzugszinsen berechnet bis 31. März 2002, herabsetzte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat zu der zur Zl. 2002/08/0117 registrierten Beschwerde die Verwaltungsakten vorgelegt und in jenem Verfahren auch erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

5. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften (u.a.) die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 12. Dezember 2000, Zlen. 98/08/0191, 0192, Slg. Nr. 15528/A, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass unter den "den Vertretern auferlegten Pflichten" im Sinne des § 67 Abs. 10 ASVG in Ermangelung weiterer, in den gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich normierter Pflichten des Geschäftsführers im Wesentlichen die Melde- und Auskunftspflichten, soweit diese in § 111 ASVG i.V.m. § 9 VStG auch gesetzlichen Vertretern gegenüber sanktioniert sind, sowie die in § 114 Abs. 2 ASVG umschriebene Verpflichtung zur Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zu verstehen sind. Ein Verstoß gegen diese Pflichten durch einen gesetzlichen Vertreter kann daher, sofern dieser Verstoß verschuldet und für die gänzliche oder teilweise Uneinbringlichkeit einer Beitragsforderung kausal ist, zu einer Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG führen. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Die belangte Behörde geht davon aus, dass die dem Beschwerdeführer gegenüber geltend gemachten Beitragsforderungen bei der GmbH als Primärschuldnerin uneinbringlich geworden sind, weil dem von der gemeinschuldnerischen GesmbH angebotenen Zwangsausgleich die gerichtliche Bestätigung versagt worden sei. Dem tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Er macht nur geltend, dass es die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in der Hand habe, durch Antragstellung beim Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds Beiträge einbringlich zu machen. Dem ist nicht beizupflichten:

Der Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds schuldet dem zur Beitragseinhebung zuständigen Sozialversicherungsträger zwar die Dienstnehmerbeitragsanteile zur gesetzlichen Sozialversicherung, die für gesicherte Ansprüche fällig werden, und Dienstnehmerbeitragsanteile, soweit diese bis längstens zwei Jahre vor der Konkurseröffnung bzw. vor jenen Zeitpunkten, welche dieser gemäß § 1 Abs. 1 IESG gleichgestellt sind, rückständig sind (§ 13a Abs. 2 IESG). Die Zahlungen des Fonds befreien sohin den Beitragsschuldner (hier die in Konkurs geratene GesmbH) insoweit gegenüber dem Sozialversicherungsträger. Werden die Dienstnehmerbeitragsanteile zur Gänze bezahlt, besteht kein Raum für eine Inanspruchnahme des gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nur für den Ausfall haftenden Geschäftsführers (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 4. August 2004, Zl. 2001/08/0162). Solange und insoweit die Gebietskrankenkasse aber solche Zahlungen aus dem Fonds nicht erhalten hat, bleibt die Haftung des Geschäftsführers unberührt.

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Annahme der belangten Behörde, dass die (reduzierte) Haftungssumme aus nicht abgeführten Dienstnehmerbeiträgen und aus Meldeverstößen herrührt.

Soweit der Beschwerdeführer seine Haftung wie schon im Verwaltungsverfahren mit der Begründung abzuwehren sucht, es sei ein Prokurist der GesmbH u.a. auch für die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge zuständig gewesen, ist ihm zu entgegnen, dass er - wie das Gesetz es vorsieht - als gesetzlicher Vertreter in Anspruch genommen wurde und die Haftung gesetzlicher Vertreter aus Meldepflichtverletzungen und aus der Unterlassung der Abfuhr einbehaltener Dienstnehmerbeiträge von der Bestellung von Prokuristen gänzlich unberührt bleibt, gleichgültig welche Agenden diesen Prokuristen übertragen und ob diese überwacht werden. Auch übersieht der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde - entsprechend dem erwähnten Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes - seine Haftung gar nicht darauf gestützt hat, dass er über verfügbare Mittel nicht im Sinne einer Gleichbehandlung aller Gläubiger disponiert habe, sodass auf seine weitwendigen Ausführungen zu diesem Thema nicht eingegangen zu werden braucht.

Die Beschwerde ist allerdings insoweit begründet, als die belangte Behörde auch von der Gemeinschuldnerin geschuldete Verzugszinsen in die Haftungssumme einbezogen hat. Die Haftung für die von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse geltend gemachten Verzugszinsen im Sinne des § 83 ASVG trifft den Beschwerdeführer nur im Rahmen des § 67 Abs. 10 ASVG. Für die Entrichtung dieser Nebengebühren fehlt es aber an einer spezifisch sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtung des Geschäftsführers im Sinne des mehrfach erwähnten Erkenntnisses eines verstärkten Senates (vgl. hiezu u.a. das Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2002/08/0072 mwH).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers auf Ersatz der Beschwerdegebühr war im Hinblick auf die auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende sachliche Gebührenbefreiung gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 17. November 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2002080138.X00

Im RIS seit

17.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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