TE Vwgh Erkenntnis 2004/11/19 2004/02/0219

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Veröffentlicht am 19.11.2004
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

BauKG 1999 §10 Abs1 Z4;
BauKG 1999 §5 Abs3 Z3;
KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §32 Abs3;
VStG §9;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/02/0218 E 19. November 2004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 15. April 2004, Zl. UVS- 07/S/4/7451/2003/13, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheit Bestrafung nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz (mitbeteiligte Partei: FK in Wien, vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Biberstraße 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Behörde erster Instanz wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der K & S GmbH mit Sitz in W zu verantworten, dass diese Gesellschaft auf der Baustelle in 1060 W, am 29. Oktober 2002 die Anpassung des Sicherheits- und Gesundheitsplanes und der Unterlagen unter Berücksichtigung des Fortschritts der Arbeiten nicht vorgenommen habe (§ 5 Abs. 3 Z. 3 des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG), BGBl. I. Nr. 37/1999), denn in dem auf der Baustelle aufliegenden Sicherheits- und Gesundheitsplan sei vermerkt gewesen, dass für den Zeitraum April bis September 2002 ein Fassadengerüst mit Personenschutztunnel zu errichten sei, dennoch seien im Oktober 2002 Arbeiten im Bereich der Fassade trotz Fehlens dieses Gerüstes durchgeführt worden.

Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 10 Abs. 1 Z. 4 iVm § 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG ein.

In der Begründung führte die belangte Behörde - zusammengefasst - aus, dem Spruch des Straferkenntnisses sei "nicht zu entnehmen, ob der Mitbeteiligte in seiner Funktion als Baustellenkoordinator zur Verantwortung gezogen" werde. Dabei handle es sich um ein wesentliches Tatbestandselement nach § 44a (Z. 1) VStG. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass im Verwaltungsstrafverfahren innerhalb der Frist des § 31 Abs. 1 VStG als Verfolgungshandlung nur die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Februar 2003 gesetzt worden sei, die jedoch eine in derselben Weise fehlerhafte Tatumschreibung enthalte wie das später ergangene Straferkenntnis. Es sei daher nicht geeignet gewesen, die Verfolgungsverjährungsfrist zu unterbrechen. Die diesbezügliche vollständige Anzeige des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten sei dem Mitbeteiligten aber erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist zur Kenntnis gebracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes (ArbIG) gestützte Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. September 1998, Zl. 97/02/0450, vom 8. Oktober 1992, Zl. 90/19/0527, und vom 30. Jänner 1996, Zl. 95/11/0087) sei der Umstand, ob ein Beschuldigter die Tat in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber, als zur Vertretung nach außen Berufener, als gewerberechtlicher Geschäftsführer, als verantwortlicher Beauftragter oder als Bevollmächtigter eines Arbeitgebers zu verantworten habe, nicht als Sachverhaltselement der angelasteten Tat zu werten, sondern stelle ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigter angesprochenen Person betreffendes Merkmal dar, das auf die Tauglichkeit und Vollständigkeit einer Verfolgungshandlung ohne Einfluss sei. Gleiches müsse gelten, wenn - wie im gegenständlichen Fall - Normadressat der übertretenen Norm nicht der Arbeitgeber, sondern der Baustellenkoordinator sei.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Denn es geht hier nicht um die Frage, in welcher Form der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG die mitbeteiligte Partei die Tat begangen hat, sondern darum, in welcher Eigenschaft sie überhaupt strafbar ist. Die belangte Behörde hat zur Lösung dieser Frage zu Recht die das KFG betreffende hg. Rechtsprechung als Vergleich herangezogen. Insoweit wurde im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, VwSlg. Nr. 12.375/A, ausgesprochen, dass für die Tauglichkeit einer Verfolgungshandlung noch nicht zu fordern ist, dass dem individuell bestimmten Beschuldigten allenfalls auch vorgeworfen werden muss, er habe die Tat als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 VStG zu verantworten; gleichzeitig wurde aber in diesem Erkenntnis klar gestellt, dies bedeute nicht, dass etwa eine Verfolgungshandlung im Zusammenhang mit einer Übertretung des § 103 Abs. 2 KFG nicht den Vorwurf an den Beschuldigten umfassen müsste, diese Übertretung in seiner Eigenschaft als Zulassungsbesitzer des Kfz verantworten zu müssen, weil es sich dabei nicht um ein Merkmal der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 VStG, sondern um ein Tatbestandsmerkmal der verletzten Verwaltungsvorschrift handle. Auch nach dem BauKG ist es in diesem Sinne jeweils (wesentliches) Tatbestandselement - und damit notwendiger Inhalt einer Verfolgungshandlung -, ob der Täter bestimmte Pflichten als Bauherr, Projektleiter, Planungskoordinator oder Baustellenkoordinator verletzt hat (vgl. § 10 BauKG).

Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Denn die im gegenständlichen Fall in der verbalen Tatumschreibung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. Februar 2003 - als rechtzeitige Verfolgungshandlung - beschriebene Pflicht ist ausschließlich dem Baustellenkoordinator gemäß § 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG auferlegt, eine Verletzung dieser Pflicht kann gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 BauKG nur der Baustellenkoordinator begehen. Die Behörde erster Instanz zitierte diese gesetzlichen Bestimmungen (§ 10 Abs. 1 Z. 4 und § 5 Abs. 3 Z. 3 BauKG). Damit kann die Tatumschreibung sinnvoll nur so verstanden werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0083), dass dem Mitbeteiligten (als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen der K & S GmbH) die Verletzung einer dieser GmbH als Baustellenkoordinator obliegenden Verpflichtung angelastet wurde. Das Fehlen der Worte "als Baustellenkoordinator" ändert daher nichts an der rechtlichen Qualifikation der Aufforderung zur Rechtfertigung als taugliche Verfolgungshandlung. Die belangte Behörde hat somit insoweit die Rechtslage verkannt.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 19. November 2004

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004020219.X00

Im RIS seit

08.12.2004
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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