TE Vfgh Beschluss 2001/3/14 V21/01

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Veröffentlicht am 14.03.2001
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
BausperreV der Marktgemeinde Wr Neudorf vom 06.06.00
Nö BauO 1996 §11
Nö ROG 1976 §22 Abs2
Nö ROG 1976 §23 Abs2

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf teilweise Aufhebung einer Bausperreverordnung mangels Legitimation infolge Zumutbarkeit des Verwaltungsrechtsweges im Verfahren zur Bauplatzerklärung

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit ihrem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt die antragstellende Gesellschaft:

"die Verordnung des Gemeinderats der Marktgemeinde Wiener Neudorf vom 6.6.2000, Zl 610-3/2000, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde Wiener Neudorf während einer Dauer von 2 Wochen ab 6.6.2000, in Kraft getreten am 21.6.2000, mit der für Teilbereiche des Gemeindegebietes, die in angeschlossenen Plänen umrandet dargestellt sind, eine Bausperre gemäß §23 Abs2 NÖ ROG erlassen wurde,

1. soweit sich die Bausperreverordnung auf die Grundparzellen 434/3, 435/3, 436/20, 477/1, 478/1, 896, 434/2, 435/2, 436/2, 437/2, 441/3, 443/2, 445/3, 442/3, 477/2, 477/3, 477/4 und 460/1, alle KG Wiener Neudorf, bezieht

bzw verbatim: soweit sich die Bausperreverordnung auf jene Grundflächen bezieht, die in einem dieser beigefügten Lageplan A3 als drei fett umrandete, zueinander nur durch Verkehrsflächen getrennte, große Flächen nächst der Gemeindegrenze zur Marktgemeinde Maria Enzersdorf dargestellt sind, mit Ausnahme

a) jener Teilflächen, die sich südlich des das gesamte Areal querenden Weges befinden,

b) jener Teilfläche, die mit der GSt-Nr. 432/316 bezeichnet ist und

c) jener an 432/316 nördlich angrenzenden Grundfläche, die im Westen von einer Streifenparzelle, im Norden von einem Weg und im Osten von der gedachten Verlängerung der Ostgrenze der Parzelle 432/316 begrenzt wird,

hilfsweise

2. soweit sich die Bausperreverordnung auf die Grundparzellen 896, 434/2, 435/2, 436/2, 437/2, 441/3, 443/2, 445/3, 442/3, 477/2, 477/3, 477/4 und 460/1, alle KG Wiener Neudorf, bezieht

bzw verbatim: soweit sich die Bausperreverordnung auf die in Pkt 1. verbatim beschriebenen Grundflächen bezieht, dies mit den weiteren Ausnahmen

a) der aus der 3., 4. und 5. Streifenparzelle östlich der in Nord-Süd Richtung verlaufenden Verkehrsfläche gebildeten Teilfläche, soweit diese im Süden von einem das gesamte Areal querenden Weg und im Norden von einer das gesamte Planblatt auf der Höhe des Wortes 'Marktgemeinde' querenden Linie begrenzt wird,

b) jener Teilflächen, die mit den GSt-Nr. 478/4 und 477/4 bezeichnet sind

und

c) jener an die U-förmige Verkehrsfläche am Südrand der Parzellen 478/4 und 477/4 südlich anschließenden Teilfläche, die im Süden durch eine gedachte, waagrechte Linie, die den Plan unterhalb des Buchstabens 'R' der Signatur 'MARIA' quert, begrenzt wird,

hilfsweise

3. soweit sich die Bausperre auf die Grundparzellen 434/3, 435/3, 436/20, 477/1, 478/1, 896, 434/2, 435/2, 436/2, 437/2, 441/3, 443/2, 445/3, 442/3, 477/2, 477/3, 477/4, 460/1, 432/1, 432/316, 433/11, 448/2, 448/18, 448/20, 448/21, 448/22, 448/23, 448/24, 448/26, 448/27 und 895, alle KG Wiener Neudorf, bezieht

bzw verbatim: soweit sich die Bausperreverordnung auf jene Grundflächen bezieht, die in einem dieser beigefügten Lageplan A3 als drei fett umrandete, zueinander nur durch Verkehrsflächen getrennte, große Flächen nächst der Gemeindegrenze zur Marktgemeinde Maria Enzersdorf dargestellt sind,

als gesetzwidrig auf(zu)heben und die Marktgemeinde Wiener Neudorf als Rechtsträgerin der verordnungserlassenden Behörde zum Ersatz der Kosten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens (zu) verpflichten."

2. Zur Begründung der Antragslegitimation bringt die beschwerdeführende Gesellschaft vor:

"(...) Eingriff in eine rechtlich geschützte Position

Aus §23 Abs4 NÖ ROG und §23 Abs1 1. Satz iVm §20 Abs1 Z3 NÖ Bauordnung 1996 ergibt sich, daß durch eine Bausperre die Bebaubarkeit eines Grundstücks erheblich eingeschränkt bzw. völlig unterbunden wird (Verbot der Erteilung einer Baubewilligung). Dies stellt einen unmittelbaren Eingriff in eine rechtlich geschützte Position, nämlich in das Eigentumsrecht dar.

(...) Bestimmtheit des Eingriffs nach Art und Umfang

Da Zweck der Bausperre die Untersuchung des Areals und die Umsetzung der daraus abzuleitenden Maßnahmen ist, widerspricht jede Bauführung der Bausperre. Jede Erschwerung - noch gar nicht feststehender - Sicherungs- oder Sanierungsmaßnahmen, ja selbst bloßer Untersuchungen widerstreitet dem Zweck der Bausperre. Somit ist keine Bauführung denkbar, die nicht mit der Bausperre konfligiert. Weder ein Freizeitpark, noch die Errichtung von Handelsbetrieben, im Bereich der Verdachtsfläche oder der Altlast nicht einmal die Unterkellerung eines Gebäudes, sind mit einem solchen Verordnungszweck vereinbar.

(...) Aktualität des Eingriffs

Die Aktualität des Rechtseingriffs besteht darin, daß der Antragstellerin die Verwertung ihrer Grundstücke - insbesondere auch der nicht kontaminierten, außerhalb von Altlast und Verdachtsfläche liegenden - nicht mehr möglich ist.

Die Antragstellerin beabsichtigte ursprünglich einen schrittweisen Abverkauf. Diese Verhandlungen brach sie jedoch ab, als eine internationale Investorengruppe das gesamte Gelände zur Errichtung der 'Erlebniswelt' ankaufen wollte. Die Einbringung der Grundstücke in die bereits gegründete Projektträgergesellschaft - diese hatte, wie erwähnt, bereits Anfang 1999 alle Genehmigungsanträge eingebracht, wofür bereits erhebliche Kosten (v.a. Erstellung einer sog. Raumverträglichkeitserklärung nach dem NÖ ROG) angefallen waren - sollte nach Vorliegen aller Genehmigungen erfolgen. Durch die Erlassung der Bausperre kann das Projekt 'Erlebniswelt' nicht weiter verfolgt werden. Gleiches gilt für den schrittweisen Abverkauf der nicht kontaminierten Flächen (es handelt sich um mehr als 170.000 m2 besten Baulandes), da die Bausperre in Verbindung mit der Rückwidmungsgefahr die Grundstücke derzeit unverkäuflich macht.

Die Bausperre hat die Antragstellerin also mitten in der Verfolgung eines Projekts getroffen.

(...) Unzumutbarkeit eines Umwegs

Der Antragstellerin ist die Judikatur bekannt, wonach zB die Möglichkeit eines Bauplatzerklärungsverfahrens (in concreto: §11 Abs2 Z4 NÖ BauO 1996) auch für die Anfechtung einer Bausperre einen zumutbaren Umweg darstellt und zwar selbst dann, wenn die Bausperre in gesetzwidriger Weise nicht erkennen läßt, welchen Zielen sie dient.

Allerdings hat der VfGH die Unzumutbarkeit eines solchen Weges dann bejaht, wenn damit ein Verzögerungseffekt verbunden ist, der den Rechtsschutz gefährdet (VfSlg 9823/1983, ebenso: VfSlg 15.098/1998). Führte in den genannten Fällen die Gefahr der durch den fortgeschrittenen Straßenbau geschaffenen Fakten zur Unzumutbarkeit der Bekämpfung (des aus) der Trassenfestlegungsverordnung (resultierenden Eigentumseingriffs) über den Umweg eines Enteignungsverfahrens, so besteht hier die Unzumutbarkeit darin, daß die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Verordnung zu spät käme, da sich die Antragstellerin dann bereits mit der vollständigen oder zumindest teilweisen Rückwidmung ihres Baulandes konfrontiert sähe, und zwar aus folgenden Gründen:

Die Bausperre gemäß §23 Abs2 litb NÖ ROG und das in §22 Abs2 NÖ ROG enthaltene Gebot, das örtliche Raumordnungsprogramm zwingend abzuändern, beruhen auf denselben Voraussetzungen: Es muß sich herausstellen, daß eine als Bauland gewidmete und noch nicht bebaute Fläche von Gefährdungen gemäß §15 Abs1 Z6 bedroht ist (Bausperre) bzw 'tatsächlich betroffen ist und die Beseitigung dieser Gefährdungen nicht innerhalb einer Frist von fünf Jahren sichergestellt werden kann' (zwingende Abänderung des örtlichen Raumordnungsprogramms).

Die Fünfjahresfrist, nach deren Verstreichen gemäß §24 Abs1 litc NÖ ROG eine entschädigungslose Umwidmung möglich ist, ist spätestens mit der Eintragung der Altlast am 13.3.2000 ins Laufen gekommen. Diese Änderung kann denkmöglich nur in einer Beseitigung der Baulandwidmung bestehen; sie wird daher vorhersehbar in der (Rück-)Widmung in Grünland bestehen.

Die Unzumutbarkeit des Umwegs über ein Bauplatzerklärungsverfahren (oder ein sonstiges, durch die Gemeindeinstanzen führendes Verfahren) ergibt sich aus der genannten Frist, von der wegen des Verfahrens zur Erlassung der Bausperre, insbesondere auch der sechsmonatigen Einspruchsfrist der Landesregierung, die fruchtlos verstrichen ist, schon ein Jahr vergangen ist.

Es verbleiben somit nur mehr vier Jahre, von denen mindestens zwei Jahre für das Bauplatzerklärungsverfahren zu veranschlagen wären, an deren Ende aber erst ein vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbarer Bescheid stünde. Selbst wenn die Gemeindebehörden, die ersichtlich die Rückwidmung und nicht die Sanierung der Grundstücke mit nachfolgender baulicher Nutzung anstreben, die Entscheidungsfrist nicht ausschöpfen, und es auch unterlassen das Verfahren zu verzögern, indem sie zB zunächst Entscheidungen treffen, hinsichtlich derer die Bausperreverordnung nicht präjudiziell ist, so wird unter Berücksichtigung der Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ein Erkenntnis innerhalb der verbleibenden Frist nicht (mehr) so rechtzeitig ergehen können, daß die Rückwidmung des Areals noch verhindert werden könnte. Während dieser gesamten Zeit ist nämlich die Beschwerdeführerin durch die - ihrer Auffassung nach geradezu offenkundig gesetzlose Bausperre auf den eingangs unter c) genannten, von der Altlast nicht betroffenen Grundparzellen - an deren Verwertung zum Zweck der Finanzierung der Sanierung der tatsächlich kontaminierten Nachbarliegenschaften (soweit diese in ihrem Eigentum stehen) zur Erhaltung von deren Bauplatzeigenschaft gehindert.

Nicht anders als in den zuvor erwähnten Fällen der Trassenwidmung nach dem Bundesstraßengesetz würden durch den mit der inzidenter-Bekämpfung der Bausperre verbundenen Verzögerungseffekt irreversible Fakten geschaffen. Die Aufhebung der Bausperreverordnung könnte zwar letztlich erreicht werden; zu diesem Zeitpunkt wäre aber die Fünfjahresfrist zur Sanierung der belasteten Grundstücke nicht mehr zu halten und es könnte der enteignungsgleiche Eingriff (Rückwidmung) nicht verhindert werden.

Der Umweg über ein Verwaltungsverfahren, insbesondere ein Bauplatzerklärungsverfahren, ist der Antragstellerin daher aufgrund dieser besonderen Fallkonstellation nicht zumutbar."

3. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Wiener Neudorf hat am 6. Juni 2000 folgende Verordnung erlassen:

"§1

Gemäß §23 Abs2 des NÖ-Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-13 wird für die umrandeten Teilbereiche (laut den beiliegenden Plänen: ein A4 Blatt und zwei A3 Blätter) der Marktgemeinde Wiener Neudorf eine Bausperre erlassen.

§2

Ziel der Bausperre

Das Örtliche Raumordnungsprogramm ist gemäß §22 Abs2 des NÖ-Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-13 abzuändern.

Die im derzeit rechtskräftigen Örtlichen Raumordnungsprogramm festgelegten Widmungsarten widersprechen jedoch teilweise den gesetzlichen Bestimmungen des NÖ-Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000-13, §15 Abs3 Ziffer 6.

Um sicherzustellen, daß keine Bebauung bzw. Grundteilung erfolgt, welche den Intentionen des Örtlichen Raumordnungsprogrammes, für das noch keine endgültige Willensbildung vorhanden ist, zuwiderläuft, wird die gegenständliche Verordnung erlassen.

§3

Zweck der Bausperre

Die von der Bausperre betroffenen Bereiche - Altlasten und Verdachtsflächen - sind in Bezug auf ihre Gefährdung und ihren möglichen Streuungsbereich, der im unbebauten Bereich mit 100 m ab den betroffenen Grundstücksgrenzen festgelegt wird, hin zu untersuchen und die daraus abzuleitenden Maßnahmen sind entsprechend umzusetzen.

(...)"

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

2. In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, es könne zwar vom Antragsteller nicht erwartet werden, dass er allein zum Zweck der Anfechtung des Flächenwidmungsplanes oder einer Bausperre die für ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung erforderlichen Planunterlagen anfertigen lässt. Der Verfassungsgerichtshof erachtet jedoch in ständiger Rechtsprechung dann, wenn das maßgebliche Gesetz etwa das Institut der Bauplatzerklärung vorsieht, die Einbringung eines auf die Erklärung des Grundstücks zum Bauplatz gerichteten, keiner aufwändigen Planunterlagen bedürftigen Ansuchens als einen zumutbaren Weg, der die Unzulässigkeit der unmittelbaren Anfechtung eines Flächenwidmungsplanes bzw. einer Bausperre beim Verfassungsgerichtshof bewirkt (so hinsichtlich der Rechtslage zu Flächenwidmungsplänen in Oberösterreich etwa die Erkenntnisse VfSlg. 9773/1983, 10.004/1984; hinsichtlich der Rechtslage im Land Salzburg etwa die Erkenntnisse VfSlg. 11.317/1987, 12.395/1990; zur Rechtslage in Niederösterreich die Erkenntnisse VfSlg. 15.004/1997 und vom 26. September 2000, V78/00; zur Bausperre, zu §11 Bgld BauO, vgl. VfSlg. 13.872/1994).

Seit Inkrafttreten der 6. Novelle zur NÖ Bauordnung 1976 besteht auch in Niederösterreich das Institut der Bauplatzerklärung, welches - hinsichtlich der Voraussetzungen leicht modifiziert - in die NÖ Bauordnung 1996 (§11) übernommen wurde.

Dem Antragsteller steht also im Verfahren zur Bauplatzerklärung gemäß §11 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200-6, ein zumutbarer Weg zur Verfügung, die Frage der Gesetzmäßigkeit der Bausperre der Marktgemeinde Wiener Neudorf an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. zB VfSlg. 15.004/1997, 13.872/1994).

3. Zur Frage der Zumutbarkeit eines Weges, um die vermeintliche Gesetzwidrigkeit der Bausperre in einem Verfahren gemäß Art144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen und zur fünfjährigen Frist gemäß §22 Abs2 NÖ Raumordnungsgesetz 1976, LGBl. Nr. 8000-13, idF NÖ ROG 1976:

Gemäß §22 Abs2 NÖ ROG 1976 ist ein örtliches Raumordnungsprogramm abzuändern, wenn sich herausstellt, dass eine als Bauland gewidmete und noch nicht bebaute Fläche von Gefährdungen gemäß §15 Abs3 Z1 bis 3 und 6 NÖ ROG 1976 tatsächlich betroffen ist und die Beseitigung dieser Gefährdungen nicht innerhalb einer Frist von 5 Jahren sichergestellt werden kann. Gemäß §15 Abs3 Z6 NÖ ROG 1976 dürfen Flächen, die vom Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie (Umweltbundesamt) als Altlasten oder Verdachtsflächen im Sinne des Altlastensanierungsgesetzes, BGBl. Nr. 299/1989, erfasst wurden, oder Flächen, die von den Auswirkungen von Altlasten in gravierender Weise betroffen sind, nicht als Bauland gewidmet werden. Dies gilt nicht für Flächen, die zum Zwecke der Sanierung oder Sicherung als Bauland-Aufschließungszone gewidmet werden. Gemäß §23 Abs2 litb NÖ ROG 1976 ist eine Bausperre zu erlassen, wenn sich herausstellt, dass eine als Bauland gewidmete und unbebaute Fläche von Gefährdungen gemäß §15 Abs3 Z1 bis 3 und 6 bedroht ist. Die Entschädigungspflicht der Gemeinde gegenüber dem Grundeigentümer im Falle der Änderung einer Baulandwidmung in eine andere Widmungsart knüpft gemäß §24 Abs1 litc NÖ ROG 1976 ua. daran an, dass die natürliche Baulandeignung nicht durch Hindernisse im Sinne von §15 Abs3 Z1 bis 3 und 6 bedroht gewesen sein darf.

Die antragstellende Gesellschaft bringt vor, dass ihre Grundstücke zur Gänze im derzeit geltenden Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Wiener Neudorf als "Bauland-Betriebsgebiet" gewidmet seien. Die von der Bausperre erfassten Grundstücke seien teilweise mit Eintragung vom 13. März 2000 in den Altlastenatlas, teilweise mit Eintragung vom 15. April 1999 in den Verdachtsflächenkataster aufgenommen worden. Einige von der Bausperre erfasste Grundstücke wiesen jedoch keine Kontaminationen auf und seien weder als Altlast noch als Verdachtsfläche eingetragen worden. In Folge des Zwecks der Bausperre sei jegliche Bauführung unzulässig. Die Verwertung auch der nicht kontaminierten Grundstücke sei in Folge der Bausperre unmöglich. Der schrittweise Abverkauf sei jedoch Ziel der antragstellenden Gesellschaft gewesen.

Dem ist zu entgegnen, dass der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur zur Zulässigkeit von Individualanträgen bei der Beurteilung der Frage, ob ein zumutbarer Weg zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 15.433/1999), die zeitlich begrenzte Verhinderung bzw. Erschwerung der wirtschaftlichen Verwertung von Grundstücken stets unberücksichtigt gelassen hat.

Die antragstellende Gesellschaft beruft sich auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zur Zulässigkeit von Individualanträgen gegen Trassenverordnungen.

Im Falle von Trassenverordnungen (vgl. VfSlg. 9823/1983, 15.098/1998 mwH) geht der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 15.098/1998 von folgender Prämisse aus: "Die Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges im Enteignungsverfahren und die Durchführung des anschließenden Beschwerdeverfahrens nach Art144 B-VG kann zeitliche Verzögerungen derart bewirken, daß bis zur Entscheidung über die Gesetzmäßigkeit der Trassenverordnung schon Baukosten in solcher Höhe aufgewendet werden, daß aus Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eine andere, von der angefochtenen Trassenverordnung abweichende Trassenvariante nicht mehr in Frage kommt." Im Falle der Bausperre vom 6. Juni 2000 befürchtet die antragstellende Gesellschaft eine Rückwidmung ihres Baulandes. Durch eine Änderung der Widmung werden jedoch keine mit einer Trassenverordnung vergleichbaren faktischen Vorwirkungen - wie etwa durch die Errichtung einer Straße - geschaffen. Mit der Erlassung der Bausperre bzw. mit einer späteren Änderung des Flächenwidmungsplanes sind zwar eigentumsbeschränkende Wirkungen verbunden; diese sind im Fall der Gesetzwidrigkeit der Flächenwidmung jedoch insofern zeitlich begrenzt, als sie einer uneingeschränkten Überprüfung durch den Verfassungsgerichthof im Verordnungsprüfungsverfahren gemäß Art139 B-VG zugänglich sind und jederzeit wieder behoben werden können.

Die Unsachlichkeit der Regelung des §24 Abs1 litc NÖ ROG 1976 bezüglich unter §15 Abs3 Z6 NÖ ROG 1976 zu subsumierender Flächen behauptet die antragstellende Gesellschaft nicht. Sollten hingegen tatsächlich zu Unrecht Grundstücke der antragstellenden Gesellschaft, die nicht den in §15 Abs3 Z6 NÖ ROG 1976 umschriebenen Flächen entsprechen, in weiterer Folge rückgewidmet werden, kann der Verfassungsgerichtshof die Rückwidmung dieser Flächen in einem künftigen Verfahren betreffend die Prüfung einer Flächenwidmungsplanänderung - unabhängig von der fünfjährigen Frist des §22 Abs2 NÖ ROG 1976 - jederzeit aufheben. In einem solchen Fall wäre auch die Entschädigungsverpflichtung der Gemeinde nicht ausgeschlossen.

4. Dieser Beschluss konnte ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden (§19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953).

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bausperre, Bauplatzgenehmigung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V21.2001

Dokumentnummer

JFT_09989686_01V00021_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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