TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/17 2004/02/0271

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Veröffentlicht am 17.12.2004
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
89/06 Lebensmittel;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

ATP 1970;
StVO 1960 §42 Abs3;
StVO 1960 §42;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 5. April 2004, Zl. uvs-2004/16/057-1, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheit Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 (mitbeteiligte Partei: ML in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 1. März 2004 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe am 14. Dezember 2003 um 19.30 Uhr in K als Lenker eines den Kennzeichen nach näher bestimmten Sattelkraftfahrzeuges mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t an diesem Sonntag innerhalb von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr Straßen mit öffentlichem Verkehr verbotenerweise befahren. Das verwendete Fahrzeug bzw. die durchgeführte Beförderung sei nicht unter eine gesetzliche Ausnahme gefallen.

Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 42 Abs. 2 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung behob die belangte Behörde dieses Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.

Sie folgte den Argumenten des Mitbeteiligten in seiner Berufung und führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter Hinweis auf Messiner10, Straßenverkehrsordnung in der Fassung der 20. StVO-Novelle, § 42, Anm. 7, Dittrich/Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, I. Teil, Straßenverkehrsordnung3, § 42 Abs. 3, Rz 13, und das Übereinkommen über internationale Beförderung leicht verderblicher Lebensmittel (in der Folge: "Übereinkommen"), BGBl. Nr. 144/1978 (Durchführungsgesetz: BGBl. Nr. 82/1991), aus, die gegenständliche Fahrt falle unter die Ausnahme des § 42 Abs. 3 StVO, weil die bei der gegenständlichen Fahrt transportierten "tiefgefrorenen Lebensmittel" leicht verderbliche Lebensmittel im Sinne dieser Gesetzesstelle seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützte Amtsbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die hier maßgeblichen Stellen des § 42 StVO lauten:

"(1) An Samstagen von 15 Uhr bis 24 Uhr und an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen von 00 Uhr bis 22 Uhr ist das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen mit Anhänger verboten, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht des Lastkraftwagens oder des Anhängers mehr als 3,5 t beträgt; ausgenommen sind die Beförderung von Milch sowie unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftwagen des Bundesheeres mit Anhänger.

(2) In der im Abs. 1 angeführten Zeit ist ferner das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen, Sattelkraftfahrzeugen und selbstfahrenden Arbeitsmaschinen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten.

...

     (3) Von dem im Abs. 2 angeführten Verbot sind Fahrten

ausgenommen, die ausschließlich der Beförderung von ... leicht

verderblichen Lebensmitteln ... dienen, ..."

Im gegenständlichen Fall ist unbestritten, dass zur angeführten Tatzeit mit dem genannten Sattelkraftfahrzeug "Tiefkühl-Lebensmittel" transportiert wurden.

Rechtlich strittig ist ausschließlich, ob "Tiefkühl-Lebensmittel" unter den Begriff der "leicht verderblichen Lebensmittel" des § 42 Abs. 3 StVO fallen.

Der Beschwerdeführer weist zu Recht zunächst darauf hin, dass das "Wochenendfahrverbot" des § 42 StVO und die unter anderem davon ausgenommene Beförderung von leicht verderblichen Lebensmitteln einerseits und das "Übereinkommen" andererseits einen völlig unterschiedlichen Regelungszweck verfolgen. Das "Wochenendfahrverbot" (einschließlich der erwähnten Ausnahme) wurde mit BGBl. Nr. 159/1960 (StVO in der Stammfassung) neu eingeführt, weil "angesichts der besonderen Verkehrsdichte an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen ... der Verkehr von Lastkraftfahrzeugen an diesen Tagen wesentlich zur Kolonnenbildung" beitrage (Erläuterungen AB 240 Blg. NR, 9. GP, S 9). Hingegen bezweckt das "Übereinkommen" nach seiner Präambel, die "Bedingungen für die Erhaltung des Gütezustandes leicht verderblicher Lebensmittel bei ihrer Beförderung besonders im internationalen Warenverkehr zu verbessern". Aus einer Definition dieses "Übereinkommens" lässt sich sohin kein Rückschluss auf die Bedeutung der Wortfolge "leicht verderbliche Lebensmittel" des § 42 Abs. 3 StVO ziehen.

Die Behörde erster Instanz führte in der Begründung des Straferkenntnisses vom 1. März 2004 richtig aus, dass unter den Begriff "leicht verderbliche Lebensmittel" des § 42 Abs. 3 StVO nur jene Güter fallen, deren Genießbarkeit durch Verfaulen, Frieren, Austrocknen usw. negativ beeinträchtigt werden kann. Wie das Wort "leicht" bereits ausdrückt, fallen darunter naturgemäß nur solche Lebensmittel, deren Genießbarkeit bloß kurzfristig erhalten bleibt.

"Tiefkühlen" (Synonym zu "tiefgefrieren") bedeutet, bei tiefen Temperaturen ... einfrieren, um Lebensmittel haltbar zu machen; Tiefkühlkost ist eine "durch Tiefkühlen haltbar gemachte Kost" (siehe Brockhaus/Wahrig, deutsches Wörterbuch, 1984, 6. Band, S. 231). Die Genießbarkeit derartig haltbar gemachter Lebensmittel bleibt - bei Einhaltung der Kühlkette - sohin länger als bloß "kurzfristig" erhalten. Tiefkühl-Lebensmittel sind daher keine "leicht verderblichen Lebensmittel" gemäß § 42 Abs. 3 StVO.

Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift darauf hin, dass der Mitbeteiligte eine "wohlbegründete Rechtsansicht" vertreten habe. Es könne ihm kein Verschulden zur Last gelegt werden, weshalb die Beschwerde "zumindest im Ergebnis" abzuweisen sei. Die Beurteilung des Verschuldens war aber nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides; dieser war daher diesbezüglich durch den Verwaltungsgerichtshof auch nicht auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 17. Dezember 2004

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2004020271.X00

Im RIS seit

02.02.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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