TE Vwgh Erkenntnis 2004/12/17 2000/02/0354

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Veröffentlicht am 17.12.2004
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des GS in W, vertreten durch Dr. Klaus Holter, Rechtsanwalt in 4710 Grieskirchen, Rossmarkt 21, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg vom 9. Juni 2000, Zl. LGSV/3/1216/2000, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. Juni 2000 hat die belangte Behörde gemäß § 33 Abs. 2 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und § 12 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 12 Abs. 6 lit. a sowie § 12 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 12 Abs. 6 lit. c sowie § 38 in Verbindung mit §§ 24 Abs. 2, 50 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 erster Satz des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977, die dem Beschwerdeführer zuerkannte Notstandshilfe widerrufen und ihn zur Rückzahlung der im Zeitraum vom 1. Jänner 1998 bis zum 31. März 1998, vom 17. April 1998 bis zum 30. November 1998, vom 1. Februar 1999 bis zum 18. April 1999 und vom 1. August bis 28. August 1999 unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Gesamtausmaß von S 123.258,-- verpflichtet.

Begründet wird dieser Bescheid im Wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid lediglich vorgebracht, dass er im oben genannten Zeitraum jedenfalls nicht über der Geringfügigkeitsgrenze beschäftigt gewesen sei und im Dezember 1998 beziehungsweise Jänner 1999 einen Auftrag zur Erbringung eines Werkes erhalten habe, wobei höchstens während eines Zeitraumes von ein bis zwei Tagen das Vorliegen einer Beschäftigung anzunehmen sei. Die übrige Zeit, die außerhalb der ein bis zwei Tage gelegen gewesen sei, sei als Zeit der Arbeitslosigkeit anzusehen.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer in den oben wiedergegebenen Zeiträumen im Bezug der Notstandshilfe von S 123.258,-- gestanden sei. Gleichzeitig habe er am 15. Jänner 1998 mit der Firma A. vereinbart, dass er die anfallenden Buchhaltungsarbeiten erledigen werde. Es sei ein Entgelt von S 4.000,-- netto exklusive der anfallenden Spesen vereinbart worden.

Eine Meldung der Beschäftigungsaufnahme bei der Firma A. ab 1. Jänner 1998 an das AMS sei nicht erfolgt.

Der Beschwerdeführer sei gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG bei der Firma A. vom 1. Jänner 1998 bis 30. September 1999 in einem Dienstverhältnis gestanden oder habe im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. b AlVG selbständig bei der Firma A. gearbeitet. Er sei daher aus dieser Beschäftigung jedenfalls im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG sowie bei Vorliegen einer selbständigen Arbeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 12 Abs. 6 lit. c AlVG, über der Geringfügigkeitsgrenze des jeweiligen Kalenderjahres nach § 5 Abs. 2 ASVG entlohnt worden.

Gleichzeitig habe er in dem im Spruch genannten Zeitraum Notstandshilfe bezogen. Gemäß § 38 AlVG seien auf die Notstandshilfe die Bestimmungen über das Arbeitslosengeld sinngemäß anzuwenden, soweit nichts anderes bestimmt sei. Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe, sei gemäß § 50 Abs. 1 AlVG verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus sei jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.

Da sich die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes mangels Vorliegens von Arbeitslosigkeit sohin als gesetzlich nicht begründet herausgestellt habe, sei die Zuerkennung gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen gewesen. Indem der Beschwerdeführer die Beschäftigungsaufnahme der belangten Behörde gemäß § 50 Abs. 1 AlVG nicht gemeldet habe, habe er maßgebende Tatsachen gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG verschwiegen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 7 Abs. 2 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996, lautet:

"(2) Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist."

§ 12 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, lautet:

"Arbeitslosigkeit

§ 12. (1) Arbeitslos ist, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

(...)

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbständig erwerbstätig ist;

(...)

(6) Als arbeitslos gilt jedoch,

a) wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, (...)

c) wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt oder im Zeitraum der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 vH des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt;

(...)"

§ 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, haben folgenden Wortlaut:

"§ 24 (2) Wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt, ist die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen.

§ 25 (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. (...)"

Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977 in der Fassung BGBl. I Nr. 179/1999, ist Notstandshilfe nur zu gewähren, wenn der (die) Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3) und sich in Notlage befindet.

Gemäß § 38 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, sind - soweit nichts anderes bestimmt ist - auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden.

§ 50 Abs. 1 AlVG, BGBl. Nr. 609/1977, lautet:

"§ 50. (1) Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. ...."

Die Beschwerde führt unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus, dass § 12 AlVG im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kommen dürfe, weil der Beschwerdeführer weder in einem Dienstverhältnis zur Firma A gestanden, noch selbständig erwerbstätig gewesen sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme von Arbeitslosigkeit Voraussetzung, dass das (im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu verstehende) Beschäftigungsverhältnis, an welches die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpft, gelöst ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. November 1984, Slg. Nr. 11.600/A) und eine neue Beschäftigung nicht gefunden wurde.

Da der Aufzählung der Tatbestände des § 12 Abs. 3 AlVG nur veranschaulichende Bedeutung für die Definition der Arbeitslosigkeit durch § 12 Abs. 1 leg. cit. zukommt (arg. "insbesondere"), fallen unter den Begriff "Beschäftigung" im Sinne der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 12 Abs. 1 AlVG nicht nur, wie der Beschwerdeführer in der Beschwerde meint, die in § 12 Abs. 3 lit. a und b leg. cit. angeführten Tätigkeiten. Das bedeutet freilich nicht, dass jede mit einem Einkommen verbundene Tätigkeit darunter zu subsumieren ist. Die in § 12 Abs. 3 lit. a, b und d leg. cit. aufgezählten Tätigkeiten geben vielmehr die Richtung an, in der der Beschäftigungsbegriff des Abs. 1 zu interpretieren ist. Unter einer "Beschäftigung" im Sinne der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 12 Abs. 1 AlVG ist demgemäss jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene Tätigkeit zu verstehen, der zwar ein Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG (d.i. ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG) zu Grunde liegen kann, aber nicht muss. Mit einer Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG ist somit eine Erwerbstätigkeit gemeint. Gemeinsames Merkmal sowohl der selbständigen als auch der unselbständigen Erwerbstätigen, zu denen, wie ausgeführt, nicht nur Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zählen, ist aber, dass sie eine nachhaltige Tätigkeit entfalten, die (ihrem Typus nach) die Schaffung von Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt. Dabei setzt die Nachhaltigkeit der Tätigkeit voraus, dass bei den Erwerbstätigen die Absicht besteht, die Tätigkeit bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen und aus der ständigen Wiederholung eine Erwerbsquelle zu machen (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0100).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze hat die belangte Behörde die festgestellte Tätigkeit des Beschwerdeführers mit Recht als Beschäftigung im oben genannten Sinn gewertet, weil diese Tätigkeit eine nachhaltige, die Schaffung von Einkünften bezweckende Tätigkeit darstellte. Dies genügt jedoch unter Bedachtnahme auf die zitierten Bestimmungen des § 12 Abs. 6 AlVG noch nicht für die Verneinung der Arbeitslosigkeit; es müssen vielmehr die aus einer solchen Beschäftigung erzielten Einkünfte die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigen. Dies hat die belangte Behörde, ausgehend von den Ergebnissen der gegen den Beschwerdeführer u.a. wegen des Verdachtes des Vergehens des schweren Betruges durchgeführten Ermittlungen bejaht (vgl. insbesondere die Aussage des Beschwerdeführers in seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 28. September 1999, wo er angibt, seit 1 1/2 bis 2 Jahren bei der Firma A. (als "K..." bezeichnet) als Buchhalter zu einem Monatslohn von S 5.000,-- "angestellt " zu sein). Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber in der Beschwerde behauptet, er habe das mit der Firma A. vereinbarte Entgelt nie erhalten, ist ihm auch entgegenzuhalten, dass das vorliegende Verfahren betreffend die Rückforderung von Notstandshilfe deshalb eingeleitet wurde, weil das Landesgendarmeriekommando für Vorarlberg bei einer Hausdurchsuchung diesbezügliche Einzahlungsbelege und Kontoüberweisungen vorgefunden hat. Die belangte Behörde hat sodann im Zusammenhalt mit den weiteren Beweisergebnissen festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit der Firma A. beginnend mit Jänner 1998 "Schwarzarbeit" vereinbarte und auch das vereinbarte Entgelt bezogen hat. Die Beschwerde vermag weder eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung noch ihr zu Grunde liegende Mängel aufzuzeigen, sodass die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführer im relevanten Zeitraum aus seiner Beschäftigung ein die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigendes Einkommen erzielt hat.

Das weitere Beschwerdevorbringen enthält zwar konkrete Ausführungen darüber, welche Verfahrensmängel der belangten Behörde vorgeworfen werden und zu welchem Ergebnis die belangte Behörde bei Unterbleiben dieser Verfahrensmängel hätte gelangen können, dem Beschwerdeführer gelingt es jedoch nicht, die Wesentlichkeit der behaupteten Verfahrensverstöße aufzuzeigen.

Der Widerruf der vom Beschwerdeführer empfangenen Notstandshilfe und der Ausspruch der Verpflichtung zum Rückersatz derselben erfolgten daher zu Recht, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Dezember 2004

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2004:2000020354.X00

Im RIS seit

27.01.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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