TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/18 2004/18/0308

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Veröffentlicht am 18.01.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2 erster Satz idF 2002/I/126;
FrG 1997 §14 Abs2 letzter Satz idF 2002/I/126;
FrG 1997 §90 Abs1;
MRK Art8;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des S, geboren 1971, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. September 2004, Zl. 139.813/2- III/4/04, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 2. September 2004 wurde der am 11. September 2003 gestellte Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 13. Mai 1996 illegal nach Österreich eingereist und habe am 23. Mai 1996 einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei am 22. Februar 2000 rechtskräftig negativ abgeschlossen worden. Der Beschwerdeführer sei von 5. März 1999 bis 12. Dezember 2002 im Besitz einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz gewesen. Bisher sei dem Beschwerdeführer noch nie ein Aufenthaltstitel erteilt worden.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein im Inland gestellter Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung abzuweisen, wenn nach Ansicht der Niederlassungsbehörde kein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" aus humanitären Gründen vorliege.

Der Beschwerdeführer habe zwar auf diese Judikatur hingewiesen, in der Berufung jedoch keinen konkreten humanitären Grund geltend gemacht. Eine Überprüfung im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG sei durchgeführt worden. Der Aktenlage sei kein ausreichender besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt zu entnehmen.

Der im Inland gestellte Antrag sei daher abzuweisen gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG kann der - nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle grundsätzlich vom Ausland aus zu stellende - Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG vorliegen.

§ 14 Abs. 2 letzter Satz FrG eröffnet der Niederlassungsbehörde die Möglichkeit, von Amts wegen in ganz bestimmten Ausnahmefällen (nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen) von der Abweisung eines im Inland gestellten Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung Abstand zu nehmen und eine solche Bewilligung zu erteilen - wobei die Erteilung der Zustimmung des Bundesministers für Inneres bedarf. Kommt die Niederlassungsbehörde bei der ihr nach dieser Bestimmung aufgegebenen Prüfung, ob die materiellen Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG vorliegen, zum Ergebnis, dass ein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinn des § 10 Abs. 4 leg. cit. vorliegt, so schließt dies die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz leg. cit. aus. Ist hingegen nach Ansicht der Behörde das Vorliegen eines "besonders berücksichtigungswürdigen Falles" aus humanitären Gründen zu verneinen, dann hat sie den im Inland gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung nach dem "Grundsatz der Auslandsantragstellung" (§ 14 Abs. 2 erster Satz FrG) abzuweisen. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 2003, Zl. 2003/18/0037.)

§ 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2003/18/0320). Weiters liegen "besonders berücksichtigungswürdige Fälle" auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zlen. 2004/21/0195 bis 0197).

2. Der Beschwerdeführer hat im verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 11. September 2003 u.a. geltend gemacht, in Österreich sehr gut integriert zu sein, in China keine Verwandten oder sonstigen Anknüpfungspunkte zu haben und über keinen Reisepass zu verfügen. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats seitens der chinesischen Behörden sei nicht zu erwarten. Er sei im Jahr 1996 von seiner Heimat illegal ausgereist. Obwohl er dort kein weiteres Fehlverhalten gesetzt habe, erwarte ihn bei seiner Rückkehr eine lange Haftstrafe.

Im Hinblick auf die oben 1. dargestellte hg. Judikatur ist das Vorbringen betreffend das Fehlen von "Anknüpfungspunkten" in China, die Integration in Österreich, das Fehlen eines Reisepasses und die Schwierigkeiten bei der Erlangung eines Heimreisezertifikats von vornherein nicht geeignet, einen Grund für das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles im Sinn von § 10 Abs. 4 FrG aufzuzeigen. Hingegen könnte es sich bei dem geltend gemachten Umstand, dass der Beschwerdeführer auf Grund seiner illegalen Ausreise aus China eine lange Haftstrafe zu befürchten habe, um einen solchen handeln, der für das Vorliegen eines derartigen Falles von Bedeutung ist.

3. Die belangte Behörde hat zwar ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in der Berufung keine Gründe für das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles aufgezeigt habe, und ein solcher Fall auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich sei, sie ist jedoch auf das dargestellte, bereits im verfahrenseinleitenden Antrag enthaltene Vorbringen in keiner Weise eingegangen.

4. Da - wie oben 2. ausgeführt - nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei einer Auseinandersetzung mit dem dargestellten Antragsvorbringen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 18. Jänner 2005

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004180308.X00

Im RIS seit

10.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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