TE Vwgh Erkenntnis 2005/1/26 2004/12/0087

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Veröffentlicht am 26.01.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
63/08 Sonstiges allgemeines Dienstrecht und Besoldungsrecht;

Norm

BB-SozPG 1997 §22g Abs1 idF 2001/I/155;
BB-SozPG 1997 §22g Abs4a idF 2003/I/071;
BB-SozPG 1997 §24 Abs3;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2004/12/0017 E 26. Jänner 2005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des Dr. M in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. April 2004 (ohne Zl.), betreffend Abweisung einer Berufung gegen die Versetzung in den Ruhestand nach § 22g des Bundesbediensteten-Sozialplangesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Der im April 1948 geborene Beschwerdeführer stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand als Beamter der Allgemeinen Verwaltung (Verwendungsgruppe A, Dienstklasse VIII) in einem öffentlich-rechtlichen (Aktiv-) Dienstverhältnis zum Bund und war zuletzt mit der Leitung des Polizeikommissariates F betraut.

In seiner Eingabe vom 28. August 2003 beantragte er seine "vorzeitige Ruhestandsversetzung gemäß § 22g Bundesbediensteten-Sozialplangesetz mit Ablauf des 30.11.2003". Mit 17. Oktober 2003 fertigte die Bundespolizeidirektion Wien als Dienstbehörde erster Instanz einen Bescheid aus, laut dem der Beschwerdeführer in Stattgebung seines Antrages vom 28. August d.J. "gem. § 22g des BB-SozPG i.d. derzeit geltenden Fassung, mit Ablauf des 30.11.2003 in den Ruhestand versetzt" werde. Dieser Bescheid sollte dem Beschwerdeführer im Rahmen seiner Verabschiedung im November 2003 ausgefolgt werden. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer in weiterer Folge seinen Entschluss, in den Ruhestand versetzt zu werden, revidierte und den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zurückziehen wollte. Seitens der belangten Behörde wurde ihm mitgeteilt, dass eine Zurückziehung des Antrages nicht mehr möglich sei und der Bundesminister für Inneres einer Rückkehr des Beschwerdeführers nicht zustimme. Zu der letztlich für den 28. November 2003 vorgesehenen Verabschiedung und Ausfolgung des Bescheides vom 17. Oktober d.J. erschien der Beschwerdeführer - so seine Rechtfertigung - wegen Herzrhythmusstörungen nicht. Der Bescheid vom 17. Oktober 2003 wurde dem Beschwerdeführer am 2. Dezember d.J. bei der belangten Behörde übergeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er den Standpunkt vertrat, er habe im Oktober 2003 seinen Ruhestandsversetzungsantrag zurückgezogen, weshalb der Erstbescheid jedenfalls rechtswidrig sei. Selbst wenn man die Auffassung verträte, dass der Beschwerdeführer seinen Antrag nicht zurückgezogen hätte, sei der Bescheid deshalb rechtswidrig, weil sich die Bindung des Beschwerdeführers an seinen Antrag nicht auf einen Zeitraum erstrecken könne, in dem wegen des "Rückwirkungsverbotes" eine rechtmäßige Erledigung des Antrages überhaupt nicht mehr möglich sei. Schließlich habe die Dienstbehörde jegliches Ermittlungsverfahren in Bezug auf das "wichtige dienstliche Interesse" unterlassen.

Nachdem die belangte Behörde Ermittlungen über die Versuche einer Zustellung des Bescheides vom 17. Oktober 2003 veranlasst hatte, gab sie der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte diesen "vollinhaltlich". Nach Wiedergabe des unstrittigen Sachverhaltes sowie der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens traf die belangte Behörde folgende Sachverhaltsfeststellungen:

"Außer Zweifel steht, dass der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 28. August 2003 um seine Ruhestandsversetzung gemäß § 22g BB-SozPG bei seiner damaligen Dienstbehörde, der Bundespolizeidirektion Wien mit Wirkung vom 30. November 2003 ansuchte.

Auf Grund dieses Ansuchens wurde seitens der Bundespolizeidirektion Wien das Bundesministerium für Inneres mit Schreiben vom 8. September 2003, Zahl ... davon in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nach der zitierten gesetzlichen Bestimmung gestellt habe; diesem Antrag wurde seitens der Zentralstelle mit Erledigung vom 14. Oktober 2003, Zahl ... die Zustimmung erteilt.

Es ergibt sich zweifelsfrei, dass der bezughabende Ruhestandsversetzungsbescheid am 17. Oktober 2003 ausgestellt wurde.

In weiterer Folge schien es jedoch beim Beschwerdeführer zu einem 'Gesinnungswandel' gekommen zu sein, zumal dieser bereits im Oktober 2003 darum ersuchte, seinem Antrag aus wichtigen dienstlichen Interessen nicht zu entsprechen.

Der Beamte ersuchte am 6. November 2003 gegenüber dem Leiter der Sektion I des Bundesministers für Inneres, Herrn Sektionschef Dr. F. E., seinen Antrag auf Ruhestandsversetzung zurückziehen zu wollen.

Weiters hat sich der Beschwerdeführer via e-mail in einem am Montag dem 10. November 2003 an den Herrn Bundesminister mit 'meine letzte Chance' titulierten Mail gewendet, und darin um einen 'Gnadenakt' und zwar der Rückgängigmachung seines Antrages auf Ruhestandsversetzung gebeten. Diesem Ersuchen wurde seitens des Leiters des Bereiches I B 1, Herrn Ministerialrat Dr. A. nach Klärung des Sachverhaltes mit dem Kabinett des Herrn Bundesministers nicht Folge geleistet.

In weiterer Folge ersuchte der Beschwerdeführer den Leiter des Zentralen Personalbüros der Bundespolizeidirektion Wien am 17. November 2003, nicht den für ihn vorgesehenen Einzeltermin einer Verabschiedung durch den Herrn Polizeipräsidenten wahrzunehmen, sondern lieber am allgemeinen Termin am 28. November 2003, um 10.00 Uhr, zur Dekretausfolgung zu erscheinen.

Am 28. November 2003, um 08.30 Uhr, wurde dem Zentralen Personalbüro der Bundespolizeidirektion Wien durch die Ehegattin des Beschwerdeführers bekannt gegeben, dass dieser in Folge gesundheitlicher Probleme (Herzrhythmusstörungen) am vorgesehenen Termin nicht teilnehmen könne.

Diesbezüglich ist der Stellungnahme des Beschwerdeführers zu entnehmen, dass er auf Grund seiner gesundheitlichen Probleme ein Medikament einzunehmen habe, dieses jedoch an fraglichem Tag zum gegebenen Zeitpunkt zunächst nicht auffindbar war, er dieses Medikament jedoch in weiterer Folge in seiner Reiseapotheke vorfand; durch die Einnahme dieses Medikamentes verschwanden die ursprünglich bestehenden Symptome, wodurch eine weitergehende ärztliche Behandlung nicht erforderlich erschien. Seiner eigenen Einschätzung nach sind die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers zwar subjektiv als sehr unangenehm einzustufen, jedoch aus medizinischer Sicht grundsätzlich ungefährlich.

Der Beschwerdeführer befand sich zum Zeitpunkt des Auftretens dieser Symptome laut eigener Stellungnahme an seiner Wiener Wohnadresse, in Wien 22., ... Die nächstgelegenen Apotheken sind jeweils in Wien 22., Bernoullistrasse 1 (Wegstrecke vom Wohnsitz etwa 1.200 Meter), Donaucitystrasse 6 (Fußweg etwa 450 Meter) sowie Schüttaustrasse 54 (Wegstrecke etwa 1.000 Meter) lociert, sie waren am 28. November 2003 zu den üblichen Geschäftszeiten - damit auch zum Zeitpunkt des Anrufes der Gattin des Beschwerdeführers - geöffnet.

Es war daher für die Berufungsbehörde davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer das angesprochene Medikament zeitgerecht - etwa durch eine im Einzugsbereich seines Wohnsitzes gelegene Apotheke - hätte beschaffen können, wodurch ihm die Wahrnehmung des auf zehn Uhr angesetzten Termines wohl möglich gewesen wäre, zumal im Zeitraum von eineinhalb Stunden oder mehr die Beschaffung und die Einnahme des Medikamentes zumutbar gewesen wäre und damit eine Linderung der Beschwerden des Beschwerdeführers (wie von diesem selbst angegeben innerhalb von einer Stunde) eingetreten wäre. Damit wäre der Hinderungsgrund für das Nichterscheinen am Dekretausfolgungstermin weggefallen.

In weiterer Folge wurde seitens der Bundespolizeidirektion Wien wiederholt versucht, dem Beamten am 28., 29. und 30. November den Bescheid an dessen Wohnadresse auszufolgen. Laut eigenen Angaben hielt sich der Beschwerdeführer sowohl am 28. wie auch am 29. November 'grundsätzlich' an seiner Wohnadresse auf.

Erst am 30. November 2003 begab er sich in die Steiermark; an diesem Tag wurde die Tochter des Beschwerdeführers an dessen Wohnadresse durch Bedienstete der Bundespolizeidirektion Wien angetroffen, wobei diese mitteilte, ihr Vater befinde sich in der Steiermark.

Versuche, den Beschwerdeführer fernmündlich an seiner Privatadresse bzw. mittels seines ihm dienstlich zugewiesenen Mobiltelefons zu erreichen, schlugen im gleichen Zeitraum fehl."

In rechtlicher Hinsicht schloss die belangte Behörde - nach Wiedergabe des § 22g Abs. 1, 3 und 4a BB-SozPG sowie der §§ 8 und 20 des Zustellgesetzes - daraus, es sei dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass dem Bescheid über die Ruhestandsversetzung eine Rückwirkung nicht zukommen könne, zumal bei Rechtsgestaltungsbescheiden eine Rückwirkung nur mit ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage bewirkt werden könne. Sei der Bescheid daher tatsächlich erst mit 2. Dezember 2003 rechtsgültig erlassen (zugestellt) worden, wäre dieser mit Rechtswidrigkeit behaftet, zumal sich der Beschwerdeführer infolge des Rückwirkungsverbotes mit Ablauf des 30. November 2003 im Dienststand befunden habe und sein Antrag auf Ruhestandsversetzung auf den 30. November 2003 gerichtet gewesen sei. Eine Versetzung in den Ruhestand zum 31. Dezember 2003, die gemäß § 22g BB-SozPG de iure möglich gewesen wäre, habe der Beschwerdeführer nicht beantragt, somit dürfe der Berufungsbescheid keinesfalls auf den späteren Zeitpunkt abgeändert werden, zumal bei antragsgebundenen Bescheiden das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt würde und der Berufungsbescheid daher verfassungswidrig wäre. Somit verbleibe als rechtliche Konsequenz zur Prüfung der rechtsgültigen Erlassung des Bescheides erster Instanz vor dem 30. November 2003 nur der Aspekt, dass bereits anderweitig eine Zustellung erfolgt sei. Unter Zugrundelegung der Normen des Zustellrechtes ergebe sich, dass eine Zustellung am 28. November 2003 rechtsgültig auf sogar zwei Wegen erfolgt sei:

"1. Rechtswirksame Zustellung nach § 8 ZustellG - Nichtmeldung der Verlegung einer Abgabestelle"

Der 28. November 2003 sei der letztmögliche (Arbeits-)Tag gewesen, an dem an der "Betriebsstätte (damit gemeint wohl auch Dienststelle im Sinn des BDG)" habe zugestellt werden können, zumal der Beschwerdeführer am 29. und 30. November 2003 (Wochenende) dienstfrei gehabt habe und ab 1. Dezember 2003 bereits als im Ruhestand befindlich zu betrachten gewesen sei. Die Eigenschaft der Dienststelle als Abgabestelle habe mit 28. November 2003 geendet. Der Beschwerdeführer hätte also an diesem Tag die unverzügliche Verpflichtung gehabt, seine neue Abgabestelle der Behörde mitzuteilen. Die rechtliche Konsequenz der Nichtmeldung der Änderung der Abgabestelle bestehe - wie § 8 Abs. 2 ZustellG festlege - in der Hinterlegung ohne vorhergehenden Zustellversuch. Für Beamte (des Dienststandes) gelte gemäß § 5 DVG, dass eine Hinterlegung beim Leiter der Dienststelle erfolgen könne. Im vorliegenden Fall sei zweifellos beim Leiter der Dienststelle "BPD Wien" hinterlegt worden, die Lokalität für die Aufbewahrung des Bescheides innerhalb des Amtsgebäudes spiele wohl nur eine sekundäre Rolle. Dass die Dienstbehörde versucht habe, den Bescheid zwischen dem 28. und 30. November 2003 auch an anderen Abgabestellen zuzustellen, entspreche nur den Vorgaben des § 8 Abs. 2 ZustellG und könne ihr "deswegen nicht zum Nachteil gereichen".

"2. Rechtswirksame Zustellung infolge Annahmeverweigerung - § 20 ZustellG"

Unter nochmaliger Darstellung der Geschehnisse im November 2003 führt die belangte Behörde hiezu aus, "aus der Zusammenschau dieser Indizien" ergebe sich zweifelsfrei, dass dem Beschwerdeführer nicht an der Übernahme des Bescheides gelegen gewesen sei, zumal er von sich aus einen Übergabetermin abgelehnt, ein "Gnadengesuch" betreffend die Aussetzung der Ruhestandsversetzung bei der belangten Behörde eingebracht und einen weiteren Termin - den letztmöglichen an diesem Zustellort - infolge Angabe einer Erkrankung als Verhinderungsgrund nicht habe wahrnehmen können. Dies lege für die belangte Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung die Vermutung nahe, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt gewesen sei, den für ihn vorgesehenen Bescheid zu übernehmen, sondern vielmehr durch ein nicht von der Hand zu weisendes "Taktieren" versucht habe, den Bescheid nicht übernehmen zu müssen. Zweifellos wäre es ihm gemäß dem vorliegenden Sachverhalt - unter Berücksichtigung seines eingeschränkten Gesundheitszustandes - zumutbar gewesen, den Bescheid zu übernehmen. § 20 des Zustellgesetzes regle den Hauptanwendungsfall der Zustellung an einer Abgabestelle, an welche sich das Zustellorgan begeben habe. Von der gesetzlichen Regelung seien allerdings jene Fälle nicht umfasst, in denen der Empfänger einer Zustellung gleichsam "geladen" gewesen sei. Durch die am 17. November 2003 gegenüber dem Beschwerdeführer erteilte "Anordnung", sich am 28. d.M. zur Bescheidausfolgung an einer zweifelsfrei im Sinn des § 4 des Zustellgesetzes definierten Abgabestelle einzufinden, wandle sich die rechtliche Qualität des Zustellvorganges von einer "Bringschuld" in eine "Holschuld". Nach Auffassung der belangten Behörde könne daher der Unterschied von keiner besonderen rechtlichen Tragweite sein, ob von einer Partei eine Annahmeverweigerung im Falle einer versuchten Zustellung an einer Wohnadresse (Bringschuld) oder einer Dienststelle (Holschuld) gesetzt werde. Dass der Gesetzgeber nur den erstgenannten Fall in die Regelungssystematik des § 20 des Zustellgesetzes aufgenommen habe, könne somit nicht zwingend zur Folge haben, dass seine Annahmeverweigerung in einer anderen Form - wie hier: durch Nichterscheinen - sanktionslos bleibe. Es müsse daher diese Form der Annahmeverweigerung durch Nichtabholung ein rechtlich so bedeutsames Maß erreichen, dass sie der Annahmeverweigerung durch Nicht-Entgegennahme des Schriftstückes gleichkomme. Gerade auf Grund des vorangeführten Sachverhaltes (Ersuchen, den Antrag zurückzuziehen, diesem nicht stattgegeben, Eingabe an den Bundesminister, Ersuchen um Verlegung der Bescheidausfolgung, Anführung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung am Tag der Bescheidausfolgung infolge Fehlens eines Medikamentes) sei die belangte Behörde "im Sinne einer am Telos des Gesetzes orientierten Interpretation" gehalten gewesen, diese Handlungsweise des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des § 20 des Zustellgesetzes zu qualifizieren. Dieser Vergleich ergebe für die belangte Behörde zweifelsfrei, dass das Verhalten des Beschwerdeführers am 28. November 2003 ("Ausgehen eines Medikamentes", "Unterlassen einer zeitgerechten Ersatzgestellung eines Medikamentes", "Nicht zeitgerechte Nachschau in der Reiseapotheke", "Nichtbekanntgabe der Möglichkeit der Zustellung an seiner Wohnadresse") den Tatbeständen des § 20 ZustellG gleichkomme. Für die Entscheidung der belangten Behörde ergebe sich daher, dass eine rechtsgültige Zustellung des Bescheides am 28. November 2003 vorgelegen sei, die diesbezüglich vom Beschwerdeführer erhobenen Einwände erwiesen sich als nicht zutreffend.

Der Ruhestandsversetzung des Beschwerdeführers sei kein wichtiger dienstlicher Grund im Sinn des § 22g Abs. 1 BB-SozPG entgegen gestanden, zumal im Rahmen der Umsetzung der Reform der Bundespolizeidirektion einige Beamte von ihren Arbeitsplätzen hätten abberufen werden müssen und ihnen mangels Verfügbarkeit einer geeigneten Zahl von höherwertigen Verwendungen innerhalb der Verwendungsgruppe A1 auch kein gleichwertiger Arbeitsplatz habe zugewiesen werden können. So habe sich z.B. die Konstellation ergeben, dass ein Beamter von einem Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe A1, Funktionsgruppe 6, abberufen worden sei und ihm ein Arbeitsplatz der Verwendungsgruppe A1, Funktionsgruppe 4, zugewiesen worden sei. Der ehemalige Arbeitsplatz des Beschwerdeführers sei innerhalb der Verwendungsgruppe A1 der Funktionsgruppe 5 zugeordnet gewesen. Es stünden daher ausreichende Ressourcen an qualifiziertem Personal zur Verfügung und sei daher einer Versetzung in den Ruhestand kein wichtiger dienstlicher Grund entgegen gestanden. Für den Fall der Einbringung einer Berufung gegen einen Bescheid, mit dem der Antrag der Partei stattgegeben worden sei, sei auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen: Demnach sei der Antrag der Partei zurückzuweisen, falls dem Antrag stattgegeben worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen "sich aus §§ 14ff BDG 1979 und den Bestimmungen des BB-SozPG (insbesondere § 22g in der bis 31.12.2003 geltenden Fassung) sich ergebenden Recht auf Unterbleiben einer rückwirkenden Ruhestandsversetzung" verletzt. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sieht er darin, dass die für eine Zustellung nach § 8 Abs. 2, § 20 in Verbindung mit § 23 des Zustellgesetzes notwendige Hinterlegung offensichtlich weder tatsächlich vorgenommen noch dokumentiert worden sei. Schließlich hätte die vorliegende Ruhestandsversetzung nach § 14 Abs. 5 BDG 1979 jedenfalls nicht mehr bis zum Ablauf des 30. November 2003 in Rechtskraft erwachsen können, sodass der Bescheid auch deshalb rechtswidrig sei.

2. Einer unrichtigen Beantwortung der Frage der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides kommt nur dann Relevanz zu, wenn - wie die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unterstellen - eine Ruhestandsversetzung - beschwerdefallbezogen nach § 22g des Bundesbediensteten-Sozialplangesetzes - jedenfalls bei der hier vorliegenden Konstellation nicht rückwirkend erfolgen kann.

2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine rückwirkende Ruhestandsversetzung mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 1949, Zl. 1475/48, = Slg. 698/A, betreffend § 8 Abs. 2 des Beamten-Überleitungsgesetzes sowie die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 1966, Zl. 2167/64, und vom 24. Jänner 1996, Zl. 93/12/0199, betreffend die Dienstpragmatik; weiters etwa den hg. Beschluss vom 30. September 1996, Zl. 90/12/0100, betreffend § 14 Abs. 1 BDG 1979, sowie die hg. Erkenntnisse vom 17. August 2000, Zl. 2000/12/0103, und vom 24. April 2002, Zl. 2001/12/0165, zu § 12 Abs. 6 LDG 1984).

2.2. § 22g des Bundesbediensteten-Sozialplangesetzes - BB-SozPG, wurde durch Art. 1 Z. 24 der 2. Dienstrechts-Novelle 2001, BGBl. I Nr. 155, innerhalb des neu geschaffenen 6. Abschnittes dieses Gesetzes eingefügt; durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71, wurde dieser Bestimmung der Abs. 4a eingefügt. Die Bestimmung lautete auszugsweise:

"Vorzeitiger Ruhestand

§ 22g. (1) Der Beamte ist auf seinen schriftlichen Antrag, aus dem Dienststand ausscheiden zu wollen, frühestens mit Ablauf des Monats, in dem er sein 55. Lebensjahr vollendet, in den Ruhestand zu versetzen, wenn kein wichtiger dienstlicher Grund entgegensteht. Der Antrag ist spätestens einen Monat vor dem beabsichtigten Wirksamkeitstermin abzugeben und hat bei sonstiger Unwirksamkeit den beabsichtigten Wirksamkeitstermin der Versetzung in den Ruhestand zu enthalten.

...

(3) Der Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nach Abs. 1 kann vom Beamten nicht zurückgezogen werden.

...

(4a) Hat ein Beamter seine Versetzung in den Ruhestand nach Abs. 1, nach § 207n BDG 1979, nach § 13a des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 oder nach § 13a des Land- und forstwirtschaftlichen Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1985 zu einem nach dem 30. November 2003 liegenden Termin beantragt, so hat er wahlweise Anspruch auf

1. Vorverlegung der Versetzung in den Ruhestand auf 30. November 2003 oder

2. Aufhebung des Ruhestandsversetzungsbescheides.

Ist am 1. Juli 2003 noch kein rechtskräftiger Bescheid über die Versetzung in den Ruhestand nach Abs. 1 ergangen, so kann der Beamte den Ruhestandsversetzungsantrag abweichend von Abs. 3 bzw. den entsprechenden Bestimmungen der oben angeführten Bundesgesetze auch zurückziehen. Sowohl die Anträge nach Z 1 oder 2 als auch die Zurückziehung des Ruhestandsversetzungsantrags sind bei sonstiger Unwirksamkeit bis spätestens 31. Oktober 2003 einzubringen. Mit Aufhebung des Ruhestandsversetzungsbescheides erlischt auch der Anspruch auf Sonderurlaub nach § 115f des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984.

..."

Gemäß § 24 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. trat Abschnitt 6 - mit Ausnahme des § 22e - mit Ablauf des 31. Dezember 2003 außer Kraft.

2.3. Das Bundesbediensteten-Sozialplangesetz trifft keine ausdrückliche Regelung dahingehend, dass nach diesem Gesetz eine Ruhestandsversetzung rückwirkend erfolgen könnte. Die Bestimmungen des § 22g Abs. 1 zweiter Satz sowie Abs. 4a dritter Satz BB-SozPG, die eine Mindestfrist für die Antragstellung vor dem (beabsichtigten) Wirksamkeitstermin der Ruhestandsversetzung normieren, zielen offensichtlich darauf ab, der Dienstbehörde die Möglichkeit einer Ruhestandsversetzung ex nunc oder pro futuro zu wahren.

2.4. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16. Oktober 2004, B 611/04, mit dem ein im Instanzenzug ergangener, die Versetzung in den Ruhestand nach § 22g BB-SozPG versagender Bescheid aufgehoben wurde, für das weitere Verfahren ausgesprochen, nichts hindere daran, der Vorschrift (des § 22g Abs. 1 BB-SozPG) den Inhalt beizulegen, dass über Anträge, die im Sinne dieser Bestimmung rechtzeitig abgegeben und die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2003 nicht erledigt worden seien, auch nach diesem Zeitpunkt noch - meritorisch - zu entscheiden sei.

2.5. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aus dem Gesagten - auch im Hinblick auf das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Oktober 2004 - nicht abzuleiten, dass die Verfassung eine rückwirkende Versetzung des Beamten in den Ruhestand gegen dessen Willen erheischt. Einer Zustellung des Erstbescheides nach dem Ablauf des 30. November 2003 kann daher Relevanz nicht abgesprochen werden, weil sich der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren unmissverständlich gegen seine rückwirkende Ruhestandsversetzung ausgesprochen hatte.

3. Nach § 5 DVG ist im Dienstrechtsverfahren das Zustellgesetz mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Hinterlegung von Schriftstücken, die Bediensteten des Dienststandes zuzustellen sind, auch beim Leiter der Dienststelle des Bediensteten oder beim Stellvertreter des Leiters zulässig ist.

Gemäß § 11 Abs. 1 DVG sind Bescheide in Dienstrechtsangelegenheiten, abgesehen von den Fällen des § 9, schriftlich oder telegrafisch zu erlassen und, wenn sie an Beamte des Dienststandes gerichtet sind, jedenfalls zu eigenen Handen zuzustellen.

Gemäß § 4 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982 (in der Folge kurz: ZustG; vgl. nunmehr diesen Kurztitel idF der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004), ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Gemäß § 7 ZustG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 gilt, wenn bei der Zustellung Mängel unterlaufen, sie als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Gemäß § 8 Abs. 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist nach Abs. 2 leg. cit., soweit die Verfahrensvorschriften nicht anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Verweigert der Empfänger oder ein im gemeinsamen Haushalt mit dem Empfänger lebender Ersatzempfänger die Annahme ohne Vorliegen des in § 13 Abs. 5 genannten oder eines anderen gesetzlichen Grundes, so ist nach § 20 Abs. 1 die Sendung an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, nach § 17 ohne die dort vorgesehene schriftliche Verständigung zu hinterlegen. Zurückgelassene Sendungen gelten nach Abs. 2 leg. cit. damit als zugestellt. Wird dem Zusteller der Zugang zur Abgabestelle verwehrt, verleugnet der Empfänger seine Anwesenheit, oder lässt er sich verleugnen, so gilt dies nach Abs. 3 leg. cit. als Verweigerung der Annahme.

Hat die Behörde auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet, dass eine Sendung ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, so ist diese nach § 23 Abs. 1 ZustG beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereit zu halten.

4. 1. Soweit die belangte Behörde die Voraussetzungen für eine Zustellung nach § 8 Abs. 2 ZustG erfüllt sieht, übersieht sie vorerst, dass eine wirksame Zustellung nach dieser Bestimmung unter Bedachtnahme auf § 23 Abs. 1 ZustG einer dahingehenden Anordnung durch die Behörde bedurft hätte, von der die belangte Behörde jedoch selbst nicht ausging. Im Übrigen entbehren - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - auch die weiteren Schlussfolgerungen der belangten Behörde über einen Zustellvorgang nach § 8 Abs. 2 ZustG iVm § 5 DVG jeglicher Tatsachengrundlagen.

4.2. Ebenso wenig vermögen die eingangs wiedergegebenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid eine "Zustellung infolge Annahmeverweigerung" nach § 20 ZustG zu rechtfertigen. Abgesehen davon, dass die belangte Behörde nicht davon ausging, der Beschwerdeführer habe den Zugang zur Abgabestelle "Wohnung" verwehrt, seine Anwesenheit verleugnet oder sich verleugnen lassen, traf sie auch keine Feststellungen betreffend die weitere gebotene Vorgangsweise nach § 20 Abs. 1 ZustG, nämlich die Zurücklassung der Sendung an der Abgabestelle. Die von der belangten Behörde vertretene Wandlung der "rechtlichen Qualität" des Zustellvorganges von einer "Bringschuld" in eine "Holschuld" entfernt sich von jeglichen gesetzlichen Grundlagen über den Zustellvorgang.

4.3. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde vermag eine "am Telos des Gesetzes orientierte Interpretation" die Annahme der Wirksamkeit einer Zustellung ohne Einhaltung der für die Zustellung gesetzlich vorgesehenen Vorschriften nicht zu tragen.

5. Da die belangte Behörde somit zu Unrecht von einer Zustellung des Erstbescheides über die Versetzung des Beschwerdeführers in den Ruhestand bis zum Ablauf des November 2003 ausging und eine rückwirkende Ruhestandsversetzung bei der im Beschwerdefall gegebenen Konstellation jedenfalls nicht in Betracht kam, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 26. Jänner 2005

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004120087.X00

Im RIS seit

15.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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