TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/22 2004/06/0178

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Veröffentlicht am 22.02.2005
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;

Norm

BauO Tir 2001 §37 Abs4 lita;
BauO Tir 2001 §37 Abs4;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. der M L in H und 2. des J L in T, beide vertreten durch DDr. Christian C. Schwaighofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Sillgasse 21, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 22. Juni 2004, Zl. Ve1-8-1/133-1, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird, soweit er sich auf den Zweitbeschwerdeführer bezieht, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Erstbeschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Land Tirol hat dem Zweitbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Eigentümer von zwei Gebäuden, welche Teil einer Siedlung sind, die im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde in der frühen Nachkriegszeit im W-Graben im Bereich des Bachbettes des W-Baches (öffentliches Wassergut) errichtet wurde. In diesem Zusammenhang erging unter anderem an den Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer folgender Bescheid der Bezirkshauptmannschaft I vom 13. April 1950 (auszugsweise wiedergegeben; Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Bezirkshauptmannschaft I.

Zl. III- 1795/19 I, am 13. April 1950

Betr.: Benutzung der Gp. 1106 der Kat.Gde.

S, öffentliches Wassergut,

zur Errichtung von Gebäulichkeiten

usw.: wasserrechtliche und baupolizeiliche

Bewilligung.

Bescheid

Die Siedler am W-Bach zwischen der M-Brücke und der B-Brücke haben bei der Bezirkshauptmannschaft I nachträglich um die wasserrechtliche Genehmigung zur Benutzung der Gp. 1106 der Kat. Gemeinde S, öffentl. Wassergut im Hochwasserabflußbereiche des W-Baches zur Anlage von Behelfsheimen, Wegen, Gärten usw. und um die baupolizeiliche Bewilligung der dort errichteten Baulichkeiten angesucht.

Die hierüber am 28.3.1950 durchgeführte örtliche Verhandlung hat folgenden Befund ergeben:

Das Bachbett des W-Baches ist in der fraglichen Bachstrecke ca. 15 m tief in den M-Kegel des W-Baches eingeschnitten und weist durchschnittlich eine Sohlenbreite von 20 m und unbefestigte Uferböschungen auf. Der westliche Teil der 20 m breiten Bachsohle ist derzeit etwa 80 cm höher als die Niederwasserführung des Baches und weist noch Reste eines früher vorhandenen Föhrenbestandes auf, der zwecks Anlegung von Gärten zum größten Teil geschlägert wurde. Vorhandene Uferanbrüche und Reste früherer, höher gelegener Bachführungen lassen den Schluß zu, daß Aufträge und Abträge auf der ganzen Sohlenbreite des Baches bis zu Höhen von 2.00 -- 2.50 m Höhe jederzeit stattfinden können, wenn starke Niederschläge in dem zum Großteil kahlen und sehr steilen Einzugsgebiet des W-Baches erfolgen. Die ältesten Siedler können sich an die letzte große Hochwasserführung 1916 und an ein weniger starkes Hochwasser 1933 erinnern.

Die erstellten Bauwerke sind durchwegs schlecht fundiert, nicht unterkellert und nur behelfsmäßig ausgeführt, sodaß bei derartigen Sohlenänderungen und der starken Serpentinierung des Bachlaufes bei Hochwasser mit ihrer Untergrabung und ihrem Einsturz gerechnet werden kann. Die Gefährdung von Menschenleben ist bei dem vorherrschenden Charakter des Geschiebes (feinkörnig) nicht zu erwarten, da bei allen Gebäuden Fluchtwege für die Erreichung der höher gelegenen Ufer vorhanden sind. Nur jene wenigen Gebäude, die am konvexen rechten Ufer im Schutz der M-Brücke und am oberen Bruchrand des rechten Ufers in geschützter Lage errichtet wurden, sind hinreichend gesichert. Die Übrigen können auch nicht durch Errichtung örtlicher Uferschutzmaßnahmen im Hochwasserabflußraum gesichert werden, da dies zu Bachverwerfungen und erhöhten Eingriffen am linken Ufer Anlaß geben würde

Spruch:

Auf Grund der gemachten Feststellungen wird gemäß § 34 WRG. und § 53 TLBO bezüglich der beantragten wasserrechtlichen Genehmigung zur Inanspruchnahme von, Grundstücken des öffentlichen Wassergutes und über die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung von Gebäulichkeiten auf denselben wie folgt entschieden:

A.) Die Genehmigung wird für die nachstehend angeführten Siedler erteilt

1.)

K. H. (...)

2.)

H. L. (...) (Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer)

3.)

...

4.)

...

5.)

...

6.)

...

Die Siedler haben binnen längstens 2 Monaten nach Rechtskraft des Bescheides bei der Bezirkshauptmannschaft I als Wasserrechts- und Baupolizeibehörde um die nachträgliche Genehmigung ihrer unbefugt errichteten Bauten unter Anschluß folgender Unterlagen in dreifacher Ausfertigung anzusuchen:

              a)              Lageplan 1:2880 mit eingetragenen Gebäuden und beanspruchten Pachtflächen;

b)

Lageplan 1:500 mit denselben Eintragungen;

c)

Bestandpläne 1/100 (Grundrisse, Ansichten und je ein Schnitt aller bestehenden Gebäude).

Die baupolizeiliche Genehmigung braucht von K... H... nicht mehr erwirkt werden.

Diese Unterlagen werden auf Verlangen gegen Ersatz der Kosten vom Baubezirksamt I, H-Gasse 1/II, erstellt.

Die oben angeführten Siedler haben unter Einreichung der Unterlagen beim Baubezirksamt I, Abtlg. Wasserbau, innerhalb derselben Frist um die pachtweise Überlassung der von ihnen in Anspruch genommenen Teilflächen aus Gp. 1106, der Kat. Gemeinde S, öffentliches Wassergut, anzusuchen. Das gleiche gilt auch für jene Siedler, denen die weitere Belassung ihrer Bauwerke wie unten ausgeführt, versagt werden muß, die aber bisher von ihnen innegehabten Grundstücke weiterhin nutzen wollen sowie für M... B..., A... N... und J... H... hinsichtlich der von Ihnen bebauten Teilflächen.

B.) Die Genehmigung wird folgenden Siedlern verweigert:

(...) (Es folgen 11 Namen und Anschriften)

Hinsichtlich dieser Bauwerke wird gemäß § 59 der TLBO angeordnet, daß dieselben von den Siedlern auf eigene Kosten zu entfernen, das Material wegzuschaffen und der Grund wieder in den früheren Zustand zurückzuversetzen ist. Die Abtragung ist sofort vorzunehmen, sobald von der Stadtgemeinde S den Siedlern Ersatzunterkünfte zur Verfügung gestellt werden können.

Ein Ausspruch über die Kosten entfällt, da die Verhandlung von amtswegen durchgeführt wurde.

Begründung:

Im W-Graben hat sich seit Kriegsende sowohl auf der H, als auch auf der M-Seite - über letztere wird gesondert verhandelt werden - unter stillschweigender Duldung der Stadtgemeinde eine ungeregelte Bautätigkeit entwickelt, gegen die auch von der Gemeinde trotz bestehender Weisungen nicht eingeschritten wurde.

Die Ursache dafür ist vor allem in der katastrophalen Wohnungsnot gelegen, die bekanntlich auch anderwärts zu ähnlichen Selbsthilfsaktionen geführt hat. Trotzdem war es aber jedenfalls kein richtiger Ausweg, die Siedler gerade auf den im Eigentum des öffentlichen Wassergutes stehenden W-Graben abzulenken. Die dort bestehenden Verhältnisse, wie sie im Befund dargestellt sind, erlauben jedenfalls nur an einigen Stellen die Anlage von Gebäuden, während sie im größten Teil des Bachbettes wegen der bestehenden Hochwassergefahr nicht geduldet werden können. Deshalb konnte auch nur für den kleineren Teil der Siedler die nachträgliche wasserrechtliche Genehmigung zur Anlage ihrer Gebäulichkeiten auf dem Grund des öffentl. Wassergutes erteilt und für die baupolizeiliche Bewilligung das Genehmigungsverfahren eingeleitet werden. Hinsichtlich der übrigen war aber aus den angeführten Gründe nichts anderes möglich, als die beantragte Genehmigung abzulehnen und die Entfernung der unbefugt errichteten Gebäude zu verfügen. Der Zeitpunkt hiefür wurde, um die Bewohner vor plötzlicher Obdachlosigkeit zu schützen, so festgesetzt, daß zunächst ihre anderweitige Unterbringung erfolgen muß. Der Stadtgemeinde S wird es nun obliegen den betreffenden Siedlern, welche zufolge der Demolierungsverfügung ihrer errichteten Wohnungen als von Obdachlosigkeit bedrohte Personen gemäß § 15 (1)

              d.              WAG. in die erste Dringlichkeitsstufe der Wohnungssuchenden aufzunehmen sind, sobald als möglich andere Unterkünfte zuzuweisen.

Die Anordnung über den Abschluß von Pachtverträgen entspricht den für die Benützung von Grundstücken des öffentlichen Wassergutes geltenden Bestimmungen.

Die von einzelnen Siedlern gegen die verfügte Abtragung ihrer Gebäude vorgebrachte Einwendung, daß sie dafür einen Anerkennungszins an die Stadtgemeinde S bezahlen, ist dadurch zu widerlegen, daß die Gemeinde nicht Verwalterin des öffentl. Wassergutes ist, und daher darüber nicht verfügen konnte. Das Erklären A... N...'s, daß die Grenze zwischen dem in seinem Eigentum stehenden Grundstück und dem von ihm als Wiese genutzten Teil der GP. 1106 zu seinen Ungunsten entgegen dem richtigen Bestand festgelegt worden sei, wird durch die vom Vermessungsamt durchgeführte genaue Aufnahme des Grenzverlaufes widerlegt.

Die verlangte Regelung hinsichtlich des von ihm angelegten über den Pachtgrund führenden Zufahrtsweges zur Siedlung wird im Rahmen des abzuschließenden Pachtvertrages zu treffen sein."

(Es folgt die Rechtsmittelbelehrung, die Fertigung, der Verteiler und die Beglaubigungsklausel.)

Mit Erledigung vom 31. Jänner 2002 teilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Erstbeschwerdeführerin mit, wie bekannt sei, befinde sich ihr "Objekt" (gemeint wohl: das Wohngebäude) auf öffentlichem Wassergut und überdies gemäß dem Gefahrenzonenplan in der "roten Zone". Weiters sei festzustellen, dass für das Objekt keine Baugenehmigung vorliege. Es fehle somit jegliche rechtliche Grundlage für die Existenz des Objektes. Da nunmehr durch die Wildbachverbauung Sicherungsmaßnahmen im Bereich des W-Baches geplant seien, würde die zusätzliche Sicherung des Gebäudes einen hohen finanziellen Aufwand bedeuten. Eine baurechtliche Genehmigung für das Gebäude könne nur erreicht werden, wenn durch Baumaßnahmen im Bachbereich eine entsprechende Verschiebung der "roten Zone" bewirkt werde. Es werde ersucht, Kontakt mit dem Stadtbaumeister aufzunehmen.

Aus dem weiteren Verfahren ist festzuhalten, dass mit Erledigung des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Mai 2002 der Erstbeschwerdeführerin mitgeteilt wurde, es liege nun der Gemeinde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft I vom 13. April 1950 vor. Sie werde daher ersucht, die beiden im Bescheid genannten Nachweise, nämlich

              1.              die baurechtliche Bewilligung durch die Bezirkshauptmannschaft I und

              2.              die vertragliche Vereinbarung mit dem Grundeigentümer (Republik Österreich) bis spätestens 7. Juni 2002 dem Stadtamt vorzulegen, widrigenfalls von einem konsenslosen Bauvorhaben ausgegangen werden müsste.

Nach einer Reihe weiterer Verfahrensschritte erging der erstinstanzliche Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 20. August 2003, mit welchem den Beschwerdeführern die weitere Benützung der fraglichen baulichen Anlagen (mit einer näher bezeichneten Anschrift) untersagt wurde. Begründend heißt es, ein am 20. Juni 2003 durchgeführter Lokalaugenschein des hochbautechnischen Sachverständigen der mitbeteiligten Gemeinde habe ergeben, dass sich am rechten Ufer des S-Baches (W-Bach) auf einem näher bezeichneten Grundstück, öffentliches Gut "Gewässer" (Eigentümer Republik Österreich) innerhalb der roten Gefahrenzone gemäß dem Gefahrenzonenplan der Wildbach- und Lawinenverbauung zwei Gebäude befänden. Bei dem einen Gebäude handle es sich um ein Wohngebäude (wurde näher beschrieben). Nördlich dieses Objektes sei ein ebenerdiges Gebäude errichtet worden, welches offensichtlich für Lagerzwecke verwendet werde. Beide Objekte würden durch einen steilen Fußweg von der M-Straße aus erschlossen. Die häuslichen Abwässer, Fäkalien und Oberflächenwässer würden ungeklärt in das anstehende Gelände bzw. in den S-Bach geleitet. Aus der Aktenlage sei ersichtlich, dass für die beiden bewilligungspflichtigen Objekte keine baubehördliche Bewilligung vorliege. Die Beschwerdeführer hätten auch den Nachweis einer solchen Bewilligung nicht erbringen können. Es handle sich somit um einen konsenslosen Baubestand.

Gemäß § 37 Abs. 4 lit. a der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) habe die Behörde dem Eigentümer einer baulichen Anlage deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen, wenn er sie benütze, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handle, für das eine Baubewilligung nicht vorliege. Diese Voraussetzungen seien gegeben.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in welcher sie zusammengefasst vorbrachten, das Wohnhaus samt dem Nebengebäude sei mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft I vom 13. April 1950 bewilligt worden. Die Wendung in diesem Bescheid, dass für eine nachträgliche Genehmigung verschiedene Unterlagen beizubringen wären, vermöge daran nichts zu ändern. Im Übrigen könnte für die Gebäude auf Grund ihres Alters eine entsprechende Bewilligung vermutet werden. Es habe jahrzehntelang keinerlei Beanstandungen gegeben. Auch das unterstreiche, dass für die Gebäude ein Konsens bestehe.

Mit dem weiteren erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 2. Oktober 2003 wurde den Beschwerdeführern aufgetragen, die beiden Gebäude binnen einer Frist von einem Monat ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen, das Material ordnungsgemäß wegzuschaffen und den rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen, was im Wesentlichen damit begründet wurde, dass für die beiden bewilligungspflichtigen Objekte kein Konsens bestehe.

Auch dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, in welcher sie bekräftigten, es sei durch Jahrzehnte der Bestand eines Baukonsens nie in Zweifel gezogen worden.

Mit Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 19. April 2004 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 20. August 2003 (Untersagung der Benützung) als unbegründet abgewiesen. Zusammengefasst wurde dies damit begründet, nach Rechtskraft des Bescheides der BH I vom 13. April 1950 hätten die betroffenen Siedler mit Ausnahme des Rechtsvorgängers der Beschwerdeführer um die nachträgliche Bewilligung ihrer konsenslos errichteten Bauten angesucht. Der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer habe hingegen die gesetzte Frist verstreichen lassen und auch in der Folge nicht um die nachträgliche Bewilligung angesucht. Für einen "vermuteten Konsens" gebe es keine Hinweise. Sei nämlich für ähnliche Bauten im örtlichen Umkreis "aus der bebauten Entstehungszeit" eine Baubewilligung auffindbar, könne ein vermuteter Konsens nicht angenommen werden.

Mit Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom selben Tag wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 2. Oktober 2003 (Abbruchauftrag) als unbegründet abgewiesen, was im Wesentlichen wie der Berufungsbescheid im Untersagungsverfahren begründet wurde.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen beide Berufungsbescheide Vorstellungen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde

I. der Vorstellung betreffend den Abbruchbescheid Folge gegeben, den bekämpften Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde verwiesen, hingegen

II. die Vorstellung gegen den Untersagungsbescheid als unbegründet abgewiesen.

Dies wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage zusammengefasst damit begründet, nach der "damals" in Geltung gestandenen Tiroler Landesbauordnung sei die Errichtung der beiden fraglichen Gebäude jedenfalls bewilligungspflichtig gewesen. Die Gemeindebehörden seien davon ausgegangen, dass beide Objekte ohne Baubewilligung errichtet worden seien. Mit dem Bescheid der BH I vom 13. April 1950 sei unter anderem dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer die wasserrechtliche Genehmigung zur Inanspruchnahme von Grundstücken des öffentlichen Wassergutes erteilt worden. Grundvoraussetzung sei jedoch damals gewesen, dass er binnen längstens zwei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides bei der BH I als Wasserrechts- und Baupolizeibehörde um die nachträgliche Genehmigung seiner unbefugt errichteten Bauten unter Anschluss von Einreichunterlagen ansuche. Dies habe er aber unterlassen. Eine baubehördliche Bewilligung für die fraglichen Bauten sei somit nie erteilt worden, womit es sich um konsenslose Gebäude handle.

Den Verwaltungsakten sei jedoch zu entnehmen, dass den Beschwerdeführern nicht entsprechend der Bestimmung des § 37 Abs. 1 TBO 2001 eine Frist eingeräumt wurde, innerhalb der nachträglich um die Bewilligung der Baubewilligung anzusuchen sei (wurde näher ausgeführt). Deshalb sei der bekämpfte Berufungsbescheid im Abbruchverfahren rechtswidrig und aufzuheben.

Hingegen setze ein Auftrag, die Benützung der Objekte zu untersagen, keine solche Fristsetzung voraus. Der betreffende Berufungsbescheid sei daher rechtmäßig.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 6. Oktober 2004, B 968/04-6, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird in der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde inhaltlich nur der Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides bekämpft; geltend gemacht wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 37 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), lautet:

"(4) Die Behörde hat dem Eigentümer einer baulichen Anlage deren weitere Benützung ganz oder teilweise zu untersagen,

a) wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelt, für das eine Baubewilligung nicht vorliegt,

b) wenn er sie benützt, obwohl es sich um ein anzeigepflichtiges Bauvorhaben handelt, das ohne eine entsprechende Bauanzeige, erheblich abweichend von der Bauanzeige oder ungeachtet einer Untersagung nach § 22 Abs. 3 dritter Satz ausgeführt wurde,

c) wenn er sie vor der Erstattung der Anzeige über die Bauvollendung oder ohne Vorliegen der Voraussetzungen nach § 35 Abs. 2 benützt,

d) wenn er sie zu einem anderen als dem bewilligten bzw. dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck benützt,

e) wenn er ein Gebäude im Sinne des § 36 Abs. 1 ohne Vorliegen einer Benützungsbewilligung benützt,

f) wenn er einen Wohnsitz entgegen dem § 12 Abs. 2 oder 5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 als Freizeitwohnsitz oder ungeachtet des Erlöschens seiner Eigenschaft als Freizeitwohnsitz (§ 15 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001) weiter als Freizeitwohnsitz verwendet oder

g) wenn er im Rahmen einer Hofstelle entgegen dem § 44 Abs. 5 erster Satz oder 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2001 eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, und zwar hinsichtlich der weiteren Ausübung dieser Tätigkeit.

Wird die bauliche Anlage von einem Dritten benützt, so ist diesem die weitere Benützung zu untersagen. Bei Gefahr im Verzug kann die Behörde die bauliche Anlage durch Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt räumen."

Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft I vom 13. April 1950 galt die Tiroler Landesbauordnung vom 15. Oktober 1900, LGBl. Nr. 1/1901 (wiederverlautbart mit LGBl. Nr. 12/1928), in der Fassung LGBl. Nr. 7/1946. Der Spruch dieses Bescheides nennt unter anderem § 53 TLBO. Nach dem Abs. 1 dieses Paragraphen (nur dieser kommt im Beschwerdefall in Betracht) war dann, wenn es sich um Bauten handelte, die neben der baupolizeilichen Bewilligung auch nach dem Wasserrechtsgesetz oder nach der Gewerbeordnung der Genehmigung durch die Bezirkshauptmannschaft bedurften, die Bezirkshauptmannschaft auch zur Erteilung der Baubewilligung zuständig, wobei der Bürgermeister zur Bauverhandlung zu laden war.

Die Beschwerdeführer ziehen nicht in Zweifel, dass ihre beiden Gebäude zum Zeitpunkt ihrer Errichtung (in der frühen Nachkriegszeit) bewilligungspflichtig waren und auch seither konsensbedürftig sind, bekämpfen aber die Auffassung der Behörden des Verwaltungsverfahrens, dass es am erforderlichen Konsens mangle: Dieser sei vielmehr mit dem Bescheid vom 13. April 1950 erteilt worden.

Dieser Auffassung ist nicht beizutreten. Zwar ist richtig, dass einzelne Teile des Spruches dieses Bescheides in dem von den Beschwerdeführern gewünschten Sinn gedeutet werden könnten, insbesondere der Einleitungssatz des Abschnittes A des Spruches ("die Genehmigung wird für die nachstehend angeführten Siedler erteilt ..."). Diese Deutung verbietet sich aber durch den gleich anschließenden nächsten Satz des Spruches, wonach die betreffenden Siedler (darunter auch der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin) binnen längstens zwei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides bei der BH I als Wasserrechts- und Baupolizeibehörde um die nachträgliche Genehmigung ihrer unbefugt errichteten Bauten unter Anschluss näher bezeichneter Unterlagen anzusuchen hätten (wobei die baupolizeiliche Genehmigung von K. H. nicht mehr erwirkt werden müsse). Schon auf Grund dieser Formulierung des Spruches kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer mit diesem Bescheid die erforderliche baubehördliche Genehmigung erteilt wurde (weil es ja sonst nicht erforderlich gewesen wäre, noch eigens darum einzukommen). Dies wird auch durch die Ausführungen in der Begründung des Bescheides unterstrichen, weshalb "nur für den kleineren Teil der Siedler die nachträgliche wasserrechtliche Genehmigung zur Anlage ihrer Gebäudlichkeiten auf dem Grund des öffentl. Wassergutes erteilt und für die baupolizeiliche Bewilligung das Genehmigungsverfahren eingeleitet werden" konnte. Eine Deutung des Bescheides vom 13. April 1950 dahin, dass damit eine baubehördliche Bewilligung für die beiden Gebäude des Beschwerdeführers erteilt werde und nur gleichsam der Ordnung halber bestimmte Unterlagen nachzubringen wären, wie anscheinend von den Beschwerdeführern gewünscht, verbietet sich deshalb, weil den "Siedlern" nicht bloß die Nachreichung von Unterlagen, sondern vielmehr aufgetragen wurde, um die nachträgliche Genehmigung ihrer unbefugt errichteten Bauten unter Anschluss entsprechender Unterlagen einzukommen.

Ob mit diesem Bescheid vom 13. April 1950 eine entsprechende wasserrechtliche Bewilligung erteilt wurde, ist in diesem Beschwerdeverfahren nicht zu untersuchen, weil es hier nur um die baubehördliche Bewilligung geht. Schon vor diesem Hintergrund ist aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 9. Dezember 1969 für den Standpunkt der Beschwerdeführer, die Baubewilligung sei dennoch mit dem Bescheid vom 14. Dezember 1950 erteilt worden (was sich daraus ergebe, dass in einem Berufungsbescheid vom 9. Dezember 1969 angenommen worden sei, die erforderlichen nachträglichen Bewilligungen für die konsenslos errichteten Gebäude seien mit dem Bescheid vom 13. April 1950 erteilt worden) schon deshalb nichts zu gewinnen, weil dieser Berufungsbescheid vom 9. Dezember 1969 in einem wasserrechtlichen Verfahren ergangen ist (sodass auch die Frage dahingestellt bleiben kann, inwieweit einer allenfalls unrichtige Auffassung einer Berufungsbehörde in einem späteren, anderen Verwaltungsverfahren, eine bestimmte Bewilligung sei in einem früheren Verfahren erteilt worden, allenfalls konstitutiver Charakter zukommen und damit eine entsprechende Bewilligung zu ersetzen vermöchte).

Die Beschwerdeführer bringen auch vor, ihr rechtliches Gehör sei im Ermittlungsverfahren verletzt worden, weiters sei der Unterlassungsauftrag verfrüht ergangen, ohne dass der Zweitbeschwerdeführer genügend Zeit dazu gehabt hätte, ausreichend Stellung zu nehmen. Weiters werfen sie den Gemeindenbehörden vor, dass diese "ihre amtswegige Ermittlungspflicht nicht bzw. nur höchst unzureichend wahrgenommen" hätten. So fehlten etwa Ermittlungen "zum Zustandekommen des Bescheides aus 1950". Dem ist zu entgegnen, dass die Beschwerdeführer mit ihrem (unsubstanziierten) Vorbringen die Relevanz dieser behaupteten Verfahrensmängel nicht aufzeigen.

Zusammenfassend kann daher die Annahme der Behörden des Verwaltungsverfahrens, den beiden Gebäuden der Beschwerdeführer mangle es am erforderlichen Baukonsens, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Der Zweitbeschwerdeführer bringt weiters vor, der Unterlassungsauftrag sei ihm gegenüber zu Unrecht ergangen, weil er seinen Wohnsitz anderswo, nämlich in T habe. Jedenfalls hätten die Behörden nicht festgestellt, in welcher Weise die Beschwerdeführer, insbesondere der Zweitbeschwerdeführer die Objekte überhaupt benützten.

Diesem Vorbringen kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Dass die Erstbeschwerdeführerin die Gebäude benützt, kann aber nach der Aktenlage nicht zweifelhaft sein und wird im Übrigen auch an anderer Stelle der Beschwerde eingeräumt (im Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, heißt es nämlich, dass sie dort seit mehr als einem halben Jahrhundert wohne und dies ihr "einziger Wohnsitz" sei). Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers gibt es aber in den Verwaltungsakten keine konkreten Hinweise, dass auch er die beiden Gebäude "benützte". Die Erteilung eines Benützungsverbotes gemäß (hier) § 37 Abs. 4 lit. a TBO 2001 hat aber zur Voraussetzung, dass die betreffende bauliche Anlage vom Adressaten eines solchen Verbotes benützt wird. Der Umstand, dass der Zweitbeschwerdeführer Miteigentümer der Gebäude ist, reicht für sich allein (entgegen der Annahmen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift) für die Erteilung eines solchen Benützungsverbotes nicht aus (was sich schon daraus ergibt, dass dann, wenn die bauliche Anlage nicht vom Eigentümer, sondern von einem Dritten benützt wird, gemäß dem vorletzten Satz des § 37 Abs. 4 TBO 2001 diesem Dritten die Benützung zu untersagen ist). Somit liegt ein wesentlicher Feststellungsmangel vor; dadurch, dass die belangte Behörde dies nicht erkannte, belastete sie insoweit den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Zusammenfassend war daher der bekämpfte Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides, soweit er den Zweitbeschwerdeführer betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen, also betreffend die Erstbeschwerdeführerin, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. Februar 2005

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004060178.X00

Im RIS seit

18.03.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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