TE OGH 1948/10/06 Präs353/48

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Veröffentlicht am 06.10.1948
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Norm
ABGB §7
Arbeiterurlaubsgesetz 1919 vom 30. Juli 1919. StGBl. Nr. 395 §1
Arbeiterurlaubsgesetz 1919 vom 30. Juli 1919. StGBl. Nr. 395 §5
Arbeiterurlaubsgesetz 1946 vom 25. Juli 1946. BGBl. Nr. 173 §3
Arbeiterurlaubsgesetz 1946 vom 25. Juli 1946. BGBl. Nr. 173 §7
Arbeiterurlaubsgesetz 1946 vom 25. Juli 1946. BGBl. Nr. 173 §8
Arbeitsgerichtsgesetz §27
Bauarbeiterurlaubsgesetz vom 20. März 1946. BGBl. Nr. 81 §12
Bauarbeiterurlaubsgesetz vom 20. März 1946. BGBl. Nr. 81 §14
Judikatenbuch Nr. 52
Landarbeitsgesetz §65
Landarbeitsgesetz §68 Kopf

SZ 21/142

Spruch

Judikatenbuch Nr. 52.

 

Der Anspruch auf Abfindung nach § 7 Arbeiterurlaubsgesetz gebührt auch dann, wenn das Dienstverhältnis im ersten Dienstjahr vor Zurücklegung einer ununterbrochenen Dienstzeit von neun Monaten beendet worden ist.

 

Plenarbeschluß vom 6. Oktober 1948, Präs 353/48.

Text

Der Plenarsenat des Obersten Gerichtshofes hat in der Sitzung vom 6. Oktober 1948 das obige in das Judikatenbuch einzutragende Gutachten beschlossen:

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

 

Nach § 1, Abs. 1 des Arbeiterurlaubsgesetzes vom 30. Juli 1919, StGBl. Nr. 395, hatte jeder Arbeiter in jedem Jahr Anspruch auf Gewährung eines Urlaubes von einer Woche - nach 5 Jahren von 2 Wochen -, wenn das Dienstverhältnis ununterbrochen schon ein Jahr gedauert hat. Diese Bestimmung wurde durch § 5 ergänzt, der dem Arbeiter, dem 10 Monate nach Antritt des Dienstverhältnisses oder 10 Monate seit Beginn des zweiten oder folgenden Dienstjahres gekundigt wurde, Anspruch auf die für die Urlaubszeit zustehenden Bezüge zuerkannte, so als ob seit Beginn der Dienstzeit (des zweiten oder folgenden Dienstjahres) bereits ein Jahr verstrichen wäre. Nach 10 Dienstmonaten hatte der gekundigte Arbeiter also Anspruch auf die Urlaubsbezüge, obwohl er in diesem Zeitpunkt noch keinen Anspruch auf Urlaub hatte. In den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (323 der Beilagen zu den Protokollen der konstituierenden Nationalversammlung) wird die Zuerkennung einer Urlaubsentschädigung vor Entstehung des Urlaubsanspruches damit begrundet, daß diese Regelung einen Schutz gegen Versuche des Dienstgebers gewährleisten soll, sich seiner Verpflichtung zur Urlaubsgewährung durch Lösung des Dienstverhältnisses knapp vor Ablauf des Dienstjahres zu entziehen. "Wenn wenigstens 10 Monate seit Dienstantritt ... verstrichen sind, soll es dem Dienstgeber nicht mehr freistehen, sich die Gewährung des Urlaubes durch Kündigung zu ersparen. Für die Urlaubsbemessung wird, wenn er kundigt, das Jahr voll behandelt."

 

Das neue Arbeiterurlaubsgesetz vom 25. Juli 1946, BGBl. Nr. 173, das an Stelle des Gesetzes, StGBl. Nr. 395/1919 trat, hat die Karenzzeit für den Erwerb des Anspruches auf Urlaub im ersten Dienstjahr vorn 1 Jahr auf 9 Monate herabgesetzt (§ 3, Abs. 3 Arbeiterurlaubsgesetz).

§ 5 des alten Arbeiterurlaubsgesetzes, wonach der in der ersten 10 Monaten gekundigte Dienstnehmer überhaupt keine Urlaubsentschädigung zu erhalten hatte, nach 10 Monaten aber das volle Urlaubsentgelt, wurde nicht übernommen. Strittig ist nun, ob in § 7 des neuen Arbeiteurlaubsgesetzes, der ein allmähliches Ansteigen der Urlaubsabfindung innerhalb der Dienstzeit vorsieht, der gleiche Rechtsgedanke verwirklicht ist.

 

§ 7 lautet:

 

"Dem Arbeiter gebührt eine Abfindung, wenn das Dienstverhältnis vor Verbrauch eines Urlaubes beendet wird. Die Abfindung beträgt für jede Woche seit Beginn des Dienstjahres, in dem ein Urlaub nicht verbraucht wurde, ein Zweiundfünfzigstel des Urlaubsentgeltes, das gebührt hätte, wenn in dem betreffenden Dienstjahr der Urlaub verbraucht worden wäre.

 

Es ist nun die Frage aufgetaucht, ob dem Dienstnehmer, dessen Dienstverhältnis im ersten Dienstjahr vor Zurücklegung einer ununterbrochenen Dienstzeit von 9 Monaten beendet worden ist (§ 3, Abs. 3 ArbUG.), die Abfindung gemäß § 7 ArbUG. nach Maßgabe seiner Dienstzeit gebührt.

 

Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, die sich mit diesem Problem befaßt haben, ist nicht einheitlich. Bisher haben nach Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz drei Arbeits-, bzw. Bezirksgerichte diese Frage entschieden. Die Berufungsinstanzen wurden bis jetzt mit diesem Problem nicht befaßt, da der Streitwert in diesen Streitigkeiten die Bagatellgrenze meist nicht überschreitet. Das Arbeitsgericht Wels hat den Anspruch in der Entscheidung vom 18. März 1948, Cr 9/48, bejaht, das Bezirksgericht Spittal a. d. Drau in der Entscheidung vom 23. März 1948, C 45/48, verneint. Die Judikatur des Arbeitsgerichtes Wien schwankt. Die Abteilung 6 hatte sich nur einmal mit dieser Frage zu beschäftigen. Sie hat den Abfindungsanspruch vor Ablauf von 9 Dienstmonaten verneint. (Entscheidung vom 22. Februar 1947, 6 Cr 5/47, Slg. Arb. 4901); die Abteilung 3 hat dagegen in mehreren Entscheidungen die Abfindung zuerkannt. (Entscheidungen vom 16. Mai 1947, 3 Cr 43/47; vom 23. Mai 1947, 3 Cr 59/47, vom 9. Juli 1947, 3 Cr 72/47; vom 23. Oktober 1947, 3 Cr 87/47, Slg. Arb. 4921; vom 23. Oktober 1947, 3 Cr 96/47, vom 23. Oktober 1947, 3 Cr 97/47; vom 25. Mai 1948, 3 Cr 48/48, und vom 24. Juni 1948, 3 Cr 89/48).

 

Bei diesem Stand der Rechtsprechung kann auch nicht die eine oder die andere Auffassung als herrschend bezeichnet werden; die Herausgeber der Slg. Arb. haben freilich in der Bemerkung zur Entscheidung Nr. 4901 behauptet, daß diese Entscheidung vereinzelt geblieben ist, und daß sonst allgemein die entgegengesetzte Ansicht vertreten wird; sie haben aber nicht beachtet, daß die bejahenden Entscheidungen bis auf die Welser Entscheidung alle von dem gleichen Senat des Arbeitsgerichtes Wien stammen und immer unter dem Vorsitz desselben Richters ergangen sind. Tatsächlich haben von den vier arbeitsrechtlichen Senaten, denen dieses Problem zur Entscheidung vorgelegt worden ist, zwei die Frage verneint und zwei bejaht.

 

Die verneinenden Entscheidungen berufen sich auf den Wortlaut des Gesetzes, die bejahenden auf den Motivenbericht.

 

Im Schrifttum ist die Frage im bejahenden Sinn erörtert worden von Gustav Hofmann "Das Arbeiterurlaubsgesetz" S. 39; Mahnig, ÖJZ. 1947, S. 163 ff.; V. Pigler "Aus dem geltenden Arbeitsrecht, 2. Auflage, S. 83", verneinend von Adolf Müller, ÖJZ. 1947, S. 162, und von Lesowsky, dem Vorsitzenden der Abtlg. 6 des Wiener Arbeitsgerichtes, in ÖJZ. 1947, S. 279, endlich in einem anonymen Aufsatz in den Graphischen Nachrichten (Juni-Nummer 1948, S. 1).

 

Mit Rücksicht auf die widersprechenden Entscheidungen hat das Bundesministerium für Justiz gemäß § 27 ArbGerG. den Antrag beim Obersten Gerichtshofe gestellt, ein in das Judikatenbuch aufzunehmendes Gutachten über diese Frage zu beschließen.

 

Die formalen Voraussetzungen, an die ein Antrag nach § 27 Arb.-GerG. gebunden ist, liegen zweifellos vor; die Fassung eines Gutachtens durch den Obersten Gerichtshof empfiehlt sich übrigens auch aus der Erwägung, daß es sich meist um Bagatellstreitigkeiten handelt und daher nicht damit gerechnet werden kann, daß der Oberste Gerichtshof in absehbarer Zeit Gelegenheit finden wird, sich im ordentlichen Rechtszuge mit diesem Problem zu befassen.

 

Der Buchstabe des Gesetzes scheint für die Verneinung zu sprechen. § 3, Abs. 3 ArbUG. bestimmt ausdrücklich, daß ein Urlaubsanspruch im ersten Dienstjahr nicht vor Zurücklegung einer ununterbrochenen neunmonatigen Dienstzeit entsteht.DDa die Entstehung des Urlaubsanspruches an eine ununterbrochene Dienstzeit von mindestens 9 Monaten gebunden ist, so scheint die Folgerung unabweislich, daß eine "Abfindung" für einen "nicht verbrauchten" Urlaub vor Ablauf von 9 Monaten nicht in Frage kommen kann.

 

Die Entstehungsgeschichte des § 7 läßt dagegen erkennen, daß die Gesetzesverfasser den Abfindungsanspruch auch vor Ablauf der neunmonatigen Karenzfrist zuerkennen wollten.

 

Der erste vom Bundesministerium für soziale Verwaltung aufgearbeitete interne Entwurf enthält nachstehende Bestimmung über die "Abfindung".

 

"§ 8 (1): Wird das Dienstverhältnis nach Erwerbung des Anspruches, jedoch vor Verbrauch des Urlaubes beendet, so gebührt dem Arbeiter unbeschadet der Bestimmungen des Abs. (2) eine Abfindung in der Höhe des Urlaubsentgeltes (§ 7).

 

(2): Eine Abfindung gebührt auch dann, wenn das Dienstverhältnis vor Erwerbung des Urlaubsanspruches beendet wird. Die Abfindung beträgt für jede Woche seit Beginn des Dienstjahres, für das noch kein Urlaubsanspruch erworben wurde, ein Zweiundfünfzigstel des Urlaubentgeltes, das gebührt hätte, wenn das Dienstjahr vollendet worden wäre".

 

Nach dem ursprünglichen Entwurfe sollte also jeder Arbeiter Anspruch auf Urlaubsabfindung haben, ohne Rücksicht darauf, ob ihm bereits ein Urlaubsanspruch zusteht oder nicht; das ist eine Erweiterung des dem § 5 des alten Arbeiterurlaubsgesetzes zugrundeliegenden Gedankens, der im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses den Anspruch auf Urlaubsentgelt in gewissen Fällen (zehnmonatige Dienstzeit) zuerkannte, obwohl ein Anspruch auf Urlaub noch nicht bestand. Der wesentliche Unterschied gegenüber dem alten Rechte bestand aber nach diesem Entwurfe darin, daß zwischen den beiden Kategorien der Arbeiter, die schon einen Urlaubsanspruch haben, und denen, die noch keinen haben, hinsichtlich der Höhe der Abfindung ein Unterschied gemacht wurde; die einen sollten das volle Urlaubsentgelt erhalten, die anderen nur nach Maßgabe der zurückgelegten Dienstzeit.

 

Warum von dieser ursprünglichen Formulierung Umgang genommen worden ist, läßt sich aktenmäßig nicht feststellen. Es ist aber zu vermuten, daß diese Formulierung deshalb fallen gelassen wurde, weil nach ihr jeder Arbeiter, der 9 Monate Dienstzeit hat, immer die vollen Bezüge als Abfertigung hätte erhalten müssen, weil nach § 3, Abs. 1, Satz 1 der Urlaubsanspruch bereits mit Beginn jedes weiteren Dienstjahres erworben wird.

 

Man hat daher die zunächst nur auf die Arbeiter, die noch keine Dienstzeit von 9 Monaten haben, beschränkte Regelung verallgemeinert, ohne freilich dabei zu bedenken, daß durch die Zusammenziehung der beiden Absätze des ursprünglich vorgeschlagenen § 8 der Anschein entstehen müsse, daß eine Abfindung nur dann gebührt, wenn bereits ein Anspruch auf Urlaub erworben ist. Diese Formulierung des § 8 des Regierungsentwurfes ist dann unverändert als § 7 Gesetz geworden.

 

Wie die Verfasser diese endgültig vorgeschlagene Bestimmung verstanden wissen wollten, ergibt sich aus den erläuternden Bemerkungen zu dem Entwurf eines Gesetzes über den Urlaub von Arbeitern (Arbeiterurlaubsgesetz) und eines Gesetzes über Abänderungen und Ergänzungen von Urlaubsvorschriften (Zl. III 16245/9/46 des Bundesministeriums für soziale Verwaltung), wo es unter "Allgemeines" heißt:

 

"Ein weiterer Grundgedanke der Neuregelung ist der, daß der Dienstnehmer, der nicht in den Genuß eines Urlaubes gelangt, die zurückgelegte Dienstzeit mit einem entsprechenden Teilbetrag des Urlaubsentgeltes abgefunden erhält. Maßgebend hiefür ist die Erwägung, daß für jede geleistete Arbeitswoche (Monat) der auf sie entfallende Teilbetrag des Urlaubsgeldes vom Dienstnehmer erworben wird und daher bei Auflösung des Dienstverhältnisses grundsätzlich in Form der Abfindung zu leisten ist.

 

Diese Regelung, die bereits im Bauarbeiterurlaubsgesetz verankert ist, verdient allgemein in das gesamte Urlaubsrecht aufgenommen zu werden. Sie bedeutet einerseits einen Schutz des Dienstnehmers, weil künftig nicht mehr der Anreiz besteht, das Dienstverhältnis unmittelbar vor Erwerbung des Urlaubsanspruches (sollte richtig heißen: des "Anspruches auf das Urlaubsentgelt") zu lösen; damit wird eine mitunter in Erscheinung getretene Kehrseite der bisherigen Urlaubsvorschriften beseitigt. Anderseits wird dadurch das Mißverhältnis in der Belastung der Unternehmerschaft behoben, das sich nach dem gegenwärtigen Urlaubsrecht dadurch ergeben könnte, daß der eine Dienstgeber die vollen Urlaubslasten zu tragen hat, während der andere sich durch vorzeitige Kündigung des Dienstverhältnisses von diesen Lasten befreien und sich auf diese Weise eine ungerechtfertigte Besserstellung verschaffen könnte."

 

Unter der Überschrift "Abfindung" wird ergänzend hinzgefügt:

 

"Das Bauarbeiterurlaubsgesetz sieht erstmalig die Einrichtung einer "Abfindung" vor, ausgehend von der Erwägung, daß dem Bearbeiter, der nicht in den Genuß eines Urlaubes gekommen ist, die Beträge nicht verlorengehen sollen, für die er auf Grund seiner Arbeitsleistung eine Anwartschaft erworben hat. Der gleiche Grundsatz muß auch für alle anderen Dienstnehmer gelten". - "Bei Regelung der Abfindung wurde von dem Grundsatze ausgegangen, daß dem Arbeiter, der nicht in den Genuß eines Urlaubes gelangt, die zurückgelegten Dienstzeiten mit einem entsprechenden Teilbetrag des Urlaubsentgeltes abzufinden sind."

 

Auch das Bundesministerium für Justiz hat in seiner zustimmenden Äußerung zum Regierungsentwurf des Arbeiterurlaubsgesetzes nicht daran gezweifelt, daß der Anspruch auf Abfindung auch vor Ablauf der Neun-Monatsfrist gebühre. In der Äußerung vom 9. Mai 1946, Z. 10836 aus 1946, heißt es zu § 8: "Die Abfindung ist nun schon aus § 5 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes bekannt. Das bisher geltende Arbeiterurlaubsgesetz, StGBl. Nr. 395/1919 gab in seinem § 5 nach zehnmonatiger Dienstzeit einen ähnlichen Abfindungsanspruch. Der vorliegende Entwurf gibt diesen Anspruch schon vor Ablauf von 10 Monaten jederzeit, nach § 8, Satz 2 schon nach Ablauf einer Woche in der Höhe eines Zweiundfünfzigstels des Urlaubsentgeltes, das gebührt hätte, wenn das Dienstjahr vollendet worden wäre."

 

Der Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (204 der Beilagen des Nationalrates) wiederholt diese Anführungen, ohne ihnen etwas Neues hinzuzufügen.

 

Es kann daher nach der Entstehungsgeschichte des § 7 (Regierungsentwurf § 8) kein Zweifel obwalten, daß die Absicht des Gesetzgebers dahin gegangen ist, jedem Arbeiter auch vor Ablauf der neunmonatigen Karenzzeit den Abfindungsanspruch zuzuerkennen.

 

Zum gleichen Ergebnis führt aber auch die Berücksichtigung der Zwecke, denen das Arbeiterurlaubsgesetz zu dienen bestimmt ist.

 

Schon das alte Arbeiterurlaubsgesetz hat dem Arbeiter, wie bemerkt, einen Anspruch auf Urlaubsentgelt, den Vorläufer der heutigen "Abfindung" nach § 7, unter gewissen Voraussetzungen schon in einem Zeitpunkt gewährt, in dem der Anspruch auf Urlaub noch nicht entstanden ist, um zu verhindern, daß allzu geschäftstüchtige Dienstgeber den Arbeiter unmittelbar, bevor der Urlaubsanspruch existent wird, entlassen. Es kann nun nicht angenommen werden, daß das neue Arbeiterurlaubsgesetz, das die Rechtsposition des Arbeiters gegenüber dem bisherigen Rechte verbessern soll, diesen Schutzgedanken einfach fallen lassen wollte. Das würde nicht nur mit der oben wiedergegebenen Absicht des Gesetzesverfassers, sondern auch mit einer vernünftigen Auslegung des Gesetzes in offenbarem Widerspruch stehen.

 

Der Grundgedanke des neuen Rechtes ist eine völlige Loslösung der Urlaubsabfindung vom Urlaubsanspruch, u. zw. dem Gründe und der Höhe nach. Der Arbeiter, der sich den Urlaubsanspruch bereits verdient hat, erhält nicht mehr wie nach dem alten Arbeiterurlaubgesetz, wenn das Dienstverhältnis vor Antretung des Urlaubes endet, das ganze ihm im Urlaubsfall gebührende Urlaubsentgelt, sondern nur einen mit der Dienstzeit verhältnismäßig anwachsenden Teilbetrag (je ein Zweiundfünfzigstel pro Jahresdienstwoche). Diesen Nachteil erkauft er aber mit dem Vorteil, daß ihm die "Abfindung" ohne Rücksicht auf die Dauer der Dienstzeit gebührt. Es wäre wenig sinnvoll, wollte man dem Arbeiter, der seinen Urlaubsanspruch bereits erworben hat, das volle Urlaubsentgelt als Abfindungsbetrag verweigern, anderseits aber den Erwerb der allmählich ansteigenden Abfindung an eine bestimmte Minimaldienstzeit knüpfen.

 

Bei der Auslegung des Gesetzes darf endlich die Rechtsanalogie nicht außer Acht gelassen werden; nach § 7 ABGB. muß auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle und auf die Gründe anderer damit verwandter Gesetze Bedacht genommen werden. Gesetze, die gleichartige Verhältnisse ordnen, sind so auszulegen, daß gleichgelagerte Tatbestände auch der gleichen rechtlichen Regelung unterliegen.

 

Das wenige Monate ältere Bauarbeiterurlaubsgesetz vom 20. März 1946, BGBl. Nr. 81, hat erstmalig - in Anknüpfung an die seit langem übliche Regelung in den Kollektivverträgen der Saisonarbeiter - dem Arbeiter eine Urlaubsabfindung zuerkannt, die im genauen Verhältnis zur Dienstzeit steht (§ 12). Es kann nicht angenommen werden, daß das Arbeiterurlaubsgesetz, das diesen Gedanken der Proportionalität der Urlaubsabfertigung aufnimmt, Arbeitnehmern, die im ersten Dienstjahre nicht 9 Dienstmonate vollstreckt haben, jede Abfertigung verweigern wollte. Dagegen spricht die Gleichheit des Zweckes der beiden Gesetze. Die bestehenden Unterschiede in der Behandlung des Abfertigungsanspruches sind dadurch bedingt, daß der Abfertigungsanspruch nach dem Arbeiterurlaubsgesetz sich an den Dienstgeber, nach dem Bauarbeiterurlaubsgesetz aber gegen eine besondere Urlaubskasse richtet (§ 14).

 

Auch das jüngst erlassene Landarbeitsgesetz, BGBl. Nr. 140/1948, hat den Gedanken der proportionalen Urlaubsabfindung rezipiert. § 68 dieses Gesetzes bestimmt nun ausdrücklich, daß die Abfindung auch dann gebühre, wenn noch kein Urlaubsanspruch im Sinne des § 65 erworben wurde, sondern nur eine Anwartschaft. Diese Formulierung wurde, wie aus dem Motivenbericht des Ausschusses für soziale Verwaltung (Nr. 613 der Beilagen der stenographischen Protokolle des Nationalrates) ausdrücklich hervorgeht, deshalb gewählt, weil man die Auslegungsschwierigkeiten vermeiden wollte, die § 7 ArbUG. mit sich gebracht hat.

 

Es darf daher aus der Verschiedenheit der Diktion nicht geschlossen werden, daß der Gesetzgeber den Abfindungsanspruch nach dem Lohnarbeitergesetz abweichend vom Abfindungsanspruch nach dem Arbeiteurlaubsgesetz geregelt hat; es muß vielmehr angenommen werden, daß in beiden Gesetzen derselbe Rechtsgedanke in zwei verschiedenen Formulierungen zum Ausdrucke gelangt ist und daß daher beide Gesetzestexte einheitlich auszulegen sind.

 

Gegen die Auffassung, daß auch bei einer kürzeren als neunmonatigen Dienstzeit eine Abfindung im Sinne des § 7 ArbUG. gebühre, kann auch nicht eingewendet werden, daß sich eine Abfindung bei Akkordlöhnen nicht berechnen lasse, wenn das Dienstverhältnis kürzer als 13 Wochen gedauert hat (siehe Entscheidung des Arbeitsgerichtes Wien vom 22. Februar 1947, 6 Cr 5/47; Slg. Arb. 4901). Dieses Argument ist nicht geeignet, die vom Obersten Gerichtshof vertretene Rechtsauffassung zu widerlegen. § 2 der Verordnung über die Lohnzahlungen an Feiertagen, StGBl. Nr. 212/1945, enthält die ähnliche Normierung, daß bei Akkordlöhnen die Feiertagsentlohnung sich nach dem Durchschnitt der letzten 12 Wochen bemißt. Hat die Dienstzeit noch keine 12 Wochen gedauert, muß eben der Durchschnitt der kürzeren Dienstzeit maßgebend sein. Und das muß analog auch bei der Berechnung der Abfindung von Akkordarbeitern gelten, die noch nicht 13 Wochen Dienst geleistet haben (so richtig Mahnig, ÖJZ. 1947, S. 164).

 

Die Entstehungsgeschichte, der Zweck des Gesetzes und die Analogie anderer gleichartiger Gesetze führen daher zu dem Schlusse, daß die Abfindung nach § 7 ArbUG. auch bei Beendigung des Dienstverhältnisses vor Ablauf von neun Monaten gebührt.

 

Der Oberste Gerichtshof hat daher das oben ausgeführte Gutachten beschlossen.

Schlagworte
Abfindung nach § 7 ArbVG, Arbeiterurlaubsgesetz, Abfindung, Gutachten nach § 27 ArbGerG., Judikatenbuch, Karenzfrist des § 3, Abs. 3 ArbUG., Urlaub nach dem ArbUG., Urlaubsentschädigung nach § 7 ArbUG. Anmerkung
Z21142
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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