TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/23 2004/08/0236

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Veröffentlicht am 23.02.2005
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Index

19/05 Menschenrechte;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §8 Abs2 erster Satz;
AlVG 1977 §8 Abs2 letzter Satz;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Köller und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der C in I, vertreten durch Dr. Andreas Ermacora, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 13/II, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 20. Juli 2004, Zl. LGSTi/V/1216/4505 11 10 62-702/2004, betreffend Einstellung des Bezuges von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Bezug der Notstandshilfe der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Abs. 2 und § 8 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 2 und § 38 AlVG ab 28. November 2001 eingestellt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am 26. September 2001 einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe gestellt und dabei erklärt habe, wiederum arbeitsfähig zu sein (nachdem bereits im Jahr 2000 eine Bezugseinstellung auf Grund einer Weigerung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, erfolgt sei). Sie habe den Wunsch bekannt gegeben, an einer Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen und sei auf eine entsprechende "Job-Care"-Maßnahme für den Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis zum 14. Dezember 2001 "zugebucht" worden. Gleichzeitig sei die Beschwerdeführerin jedoch darauf hingewiesen worden, dass ein neuerlicher Termin beim Amtsarzt in Bezug auf ihre Arbeitsfähigkeit notwendig wäre, sobald ihre Arbeitsfähigkeit angezweifelt werden müsste. Die Beschwerdeführerin sei jedoch laut einer Eintragung des Arbeitsmarktservice Innsbruck beim Kurs unentschuldigt nicht mehr erschienen und es sei eine Bezugseinstellung veranlasst worden. Laut Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Tiroler Gebietskrankenkasse sei der Beschwerdeführerin Arbeitsunfähigkeit vom 23. Oktober bis 5. November 2001 bestätigt worden.

Am 8. November 2001 habe die Beschwerdeführerin gegenüber dem Arbeitsmarktservice Innsbruck erklärt, wieder in die "Job-Care"- Maßnahme einsteigen zu wollen, doch sei ihre Arbeitsfähigkeit "aufgrund dieses Sachverhaltes" seitens des Arbeitsmarktservice Innsbruck in Zweifel gezogen worden. Es sei mit der Beschwerdeführerin ein "amtsärztlicher Termin" bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie für den 28. November 2001 vereinbart worden.

Die Beschwerdeführerin habe sich geweigert, sich dieser amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, sodass der Bezug der Notstandshilfe mit 28. November 2001 eingestellt worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin legte zusammen mit einer Beschwerdeergänzung ein ärztliches Attest, die Bestätigung der Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 23. Oktober 2001 bis 5. November 2001 sowie eine Bestätigung des Bezirksgerichtes Innsbruck, wonach Unterbringungen der Beschwerdeführerin am 25. Oktober 2001 und am 2. November 2001 für unzulässig erklärt wurden, vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der vorliegende Fall gleicht hinsichtlich der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage jenem Beschwerdefall, den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. Oktober 2004, Zl. 2003/08/0271, entschieden hat. Auch im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin auf Grund von Zweifeln an ihrer Arbeitsfähigkeit verpflichtet, sich ärztlich untersuchen zu lassen, und sie wurde dazu einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie zugewiesen. Wie in dem eben zitierten Erkenntnis, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, ist die Anordnung einer medizinischen Untersuchung durch Bedienstete des AMS im Sinne des § 8 Abs. 2 erster Satz AlVG (mit der Sanktion des zweiten Satzes) gegen den Willen der Partei nur insoweit rechtmäßig, als (erstens) auf Grund von bestimmten Tatsachen der begründete Verdacht besteht, dass Arbeitsfähigkeit nicht (mehr) vorliegt, oder dies die Partei selbst behauptet oder als möglich darstellt. Zweitens hat jedoch eine Zuweisung zur Untersuchung - sofern sie gegen den Willen der Partei vorgenommen wird - (vorerst) nur an einen Arzt für Allgemeinmedizin zu erfolgen.

Durch die auf Grund der Weigerung der Beschwerdeführerin, sich - ohne vorausgegangenes Gutachten eines Allgemeinmediziners - der Untersuchung durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie zu unterziehen, erfolgte Bezugseinstellung hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. Februar 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004080236.X00

Im RIS seit

18.03.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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