TE OGH 1949/11/3 2Ob162/49

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Veröffentlicht am 03.11.1949
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Bartsch als Vorsitzenden sowie die Räte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmeisser, Dr. Ullrich, Dr. Kuch und Dr. Singer als Richter in der Abhandlungssache nach Sidonie (Serena) L*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Richard H*****, infolge Revisionsrekurses des Verlassenschaftskurators gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. März 1949, AZ 42 R 336/49, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 18. Juni 1948, GZ 22 A 271/43-49, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

In der Abhandlungssache nach Sidonie (Serena) L*****, die ungarische Staatsbürgerin war und am 27. 3. 1943 in Budapest verstorben ist, wurde mit Beschluss vom 10. 5. 1943 gemäß § 78 A.P. für den inländischen Nachlass Dr. Richard H***** zum Verlassenschaftskurator bestellt. Nachdem mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 14. 8. 1946, 49 S 13/46, über das Vermögen dieser Verlassenschaft der Konkurs eröffnet worden war, hat das Abhandlungsgericht mit Beschluss vom 18. 6. 1948, 22 A 221/43-49, die Verlassenschaftsabhandlung eingestellt.

Das Erstgericht stellte sich hiebei auf den Standpunkt, dass durch die Konkurseröffnung die Befugnisse des Abhandlungsgerichts erloschen sind und daher die eingeleitete Abhandlung einzustellen ist.

Das Erstgericht gab der gegen diesen Beschluss erhobenen Vorstellung des Verlassenschaftskurators keine Folge und führte in der diesbezüglichen Begründung aus, dass durch die Einstellung des Abhandlungsverfahrens die Befugnisse des bestellten Verlassenschaftskurators nicht erloschen sind und an der Vertretung der Verlassenschaft hiedurch nicht gerührt wird, da ja nur die Verlassenschaftsabhandlung eingestellt wurde, und der Nachlass hinsichtlich der Verwaltung und Vertretung im Konkurs eines Organs bedarf.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss, indem es der Rechtsansicht der ersten Instanz beitrat und ausführte, dass der Verlassenschaftskurator nicht zum Zwecke der Durchführung der Abhandlung, sondern für den ruhenden Nachlass bestellt wurde, und in Ermangelung erbserklärter Erben zur Vertretung des Nachlasses im Konkursverfahren berufen ist.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Verlassenschaftskurators, der geltend macht, dass die Einstellung der Verlassenschaftsabhandlung gesetzwidrig sei, da der Verlassenschaftskurator nicht mehr in der Lage sei, im Konkursverfahren verbindliche Erklärungen für die Verlassenschaft abzugeben, wenn auch nach der in den Begründungen zum Ausdruck gebrachten Ansicht der Untergerichte die Funktion des Verlassenschaftskurators durch die Einstellung der Verlassenschaftsabhandlung nicht berührt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Die entscheidende Rechtsfrage geht dahin, welches Schicksal ein Verlassenschaftsverfahren hat, wenn über das Vermögen dieser Verlassenschaft der Konkurs eröffnet wird.

Das Wesen des Konkurses ist darin gelegen, dass das gesamte der Exekution unterliegende Vermögen der zahlungsunfähigen bzw überschuldeten Verlassenschaft der freien Verfügung entzogen wird und die Gesamtheit derjenigen Gläubiger, deren Ansprüche zur Zeit der Konkurseröffnung bestanden haben, das Recht erlangt, dieses Vermögen in Verwahrung und Verwaltung zu nehmen und zu ihrer Befriedigung zu verwenden.

Mit Rücksicht auf diesen Zweck des Konkursverfahrens wäre es ein Widerspruch, über einen dem Konkursverfahren unterzogenen Nachlass auch eine Verlassenschaftsabhandlung im Sinne des A.P. durchzuführen, da die Aufgabe der Verlassenschaftsabhandlung den Nachlass durch Einantwortung in den rechtlichen Besitz des Erben zu übergeben (§ 797 ABGB) von vornhinein gegenstandslos und unerfüllbar ist.

Da die Verwaltung der Verlassenschaftsmasse durch die Konkurseröffnung vom Abhandlungsgericht auf das Konkursgericht übergegangen ist, hat mit Recht das Verlassenschaftsgericht seine Tätigkeit für beendet angesehen. In Analogie an § 72 A.P. hätte daher das Erstgericht auszusprechen gehabt, dass eine weitere Verlassenschaftsabhandlung nicht stattzufinden hat.

Wenn das Erstgericht nun die Einstellung der Verlassenschaft verfügte und sich somit in der Wahl der Worte nur vergriffen hat, verstößt diese Verfügung gegen kein Gesetz, da jedenfalls mit dem angefochtenen Beschluss zum Ausdruck gebracht wurde, dass das Abhandlungsverfahren beendet ist und diese Beendigung, wie oben erwähnt, auch begründet war.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt daher nicht vor.

Es ist nun richtig, dass die Untergerichte in der Begründung ihrer Beschlüsse zum Ausdruck brachten, dass durch die Beendigung der Abhandlung die Funktion des im Abhandlungsverfahren bestellten Verlassenschaftskurators nicht betroffen wird und dieser zur Vertretung des Nachlasses im Konkurs weiter legitimiert ist.

Wenn es nun auch in Lehre und Rechtsprechung unzulässig ist (Gerichtshalle 8/35, JBl 1946, S 421), die Begründung einer gerichtlichen Entscheidung anzufechten, sieht sich der Oberste Gerichtshof im gegenständlichen Falle veranlasst, zu dieser Begründung der Untergerichte Stellung zu nehmen.

In der Verlassenschaft nach Sidonie L***** wurde die gemäß § 78 A.P. ein Verlassenschaftskurator bestellt. Zu den Aufgaben dieses Kurators (§§ 128, 129 A.P.) gehörte es, die Verwaltung und Vertretung des Nachlasses durchzuführen, insbesondere die Aktivforderungen einzutreiben und Erbschaftsgläubiger und Vermächtnisnehmer zu befriedigen.

Da durch die Konkurseröffnung diese Aufgaben auf das Konkursgericht bzw auf den Masseverwalter übergegangen sind, haben somit auch die Funktionen des Verlassenschaftskurators ihr Ende gefunden, zumal ein nicht in die Konkursmasse gehöriges Vermögen nicht vorhanden ist. Richtigerweise hätte daher das Erstgericht auch den Verlassenschaftskurator seiner Funktion zu entbinden gehabt.

Wenn in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen wurde, welche Person nunmehr im Konkurs den Gemeinschuldner, also den Nachlass nach (Serena) Sidonie L***** vertritt, wird das Konkursgericht bei Beurteilung dieser Frage genauso vorzugehen haben, wie in jenem Falle, wenn der Gemeinschuldner während des Konkursverfahrens stirbt; denn auch dann wird es zur Einleitung einer Abhandlung nicht kommen, wenn auch tatsächlich Erben vorhanden wären.

Aus diesen Erwägungen war daher dem Revisionsrekurs der Erfolg zu versagen.

Textnummer

E101661

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1949:0020OB00162.49.1103.000

Im RIS seit

06.09.2012

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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