TE OGH 1950/4/22 2Ob247/50 (2Ob248/50)

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Veröffentlicht am 22.04.1950
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Norm

ABGB §550
ABGB §812
ABGB §871
ABGB §918
ABGB §1385

Kopf

SZ 23/105

Spruch

Die Absonderung der Verlassenschaft ist aufzuheben, wenn der Nachlaßgläubiger, Legatar oder Noterbe freiwillig (z. B. durch Vergleich) den Erben als Selbstschuldner angenommen hat.

Entscheidung vom 22. April 1950, 2 Ob 247, 248/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Das Abhandlungsgericht hat erstens den aus Anlaß eines Streites zwischen dem Testamentserben und einer Noterbin, die gleichzeitig Nachlaßgläubiger war, bestellten Separationskurator enthoben und zweitens dem Testamentserben die Besorgung, Benützung und Verwaltung des Nachlasses überlassen, nachdem der Testamentserbe und die Noterbin einen Vergleich geschlossen und eine Abschrift des Vergleiches vorgelegt hatten.

Das Rekursgericht hat auf Grund der Rekurse der Noterbin den Beschluß in Punkt 1 aufgehoben und in Punkt 2 dahin ergänzt, daß der Antrag des Testamentserben, ihm die Besorgung, Benützung und Verwaltung des Nachlasses zu überlassen, abgewiesen wurde.

Der Oberste Gerichtshof hat die erstgerichtlichen Beschlüsse wiederhergestellt und gleichzeitig auch die vom Erstgericht verfügte Absonderung der Verlassenschaft vom Vermögen des Erben aufgehoben.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zweck der Nachlaßabsonderung ist die Verhinderung der Vereinigung des Nachlasses mit dem Erbenvermögen, wenn ersterer zur Befriedigung der Nachlaßgläubiger, Legatare oder Pflichtteilsberechtiger, kurz der hinsichtlich ihrer Befriedigung vor der Einantwortung (§ 550 ABGB., Ehrenzweig II/2, S. 426) auf den Nachlaß gewiesenen Personen, zureicht, während der Erbe überschuldet ist oder zu besorgen steht, daß er Verlassenschaftsobjekte beiseite bringen und dem Zugriff der Gläubiger usw. entziehen werde. Es soll dadurch die Befriedigung der Separationsberechtigten sichergestellt und der Nachlaß, der vor der Einantwortung ihren einzigen Befriedigungsfonds darstellt, ihrem Zugriff gewahrt werden.

Durch den Vergleich vom 27. August 1948, den der Separationskurator in Abschrift vorgelegt hat, der die Unterschriften der Rekurswerberin, ihres Gatten, ihres Anwaltes, des Testamentserben und dessen Machthabers trägt und dessen Originalgleichheit bisher von niemand bestritten wurde, hat aber eine vollständige Auseinandersetzung der Beteiligten in Ansehung des Nachlasses stattgefunden, und aus der unter Punkt 15 enthaltenen Generalklausel geht hervor, daß durch den Vergleich alle wie immer gearteten gegenseitigen Ansprüche, insbesondere die beiderseitigen Ansprüche auf die Verlassenschaft nach Elisabeth K., ein für allemal ausgeglichen und erledigt sind. Dies bezieht sich sowohl auf die Ansprüche der Rekurswerberin als Noterbin wie auch auf jene, die sie als Nachlaßgläubigerin erhoben und derentwegen sie gemäß § 812 ABGB. die Absonderung der Verlassenschaft begehrt und erreicht hat. Damit hat sie an Stelle des Nachlasses den Testamentserben, der ja vor der Einantwortung nicht Personalschuldner war und infolge der Separation gemäß § 812 ABGB. selbst nach der Einantwortung keinesfalls mehr persönlich zu haften hätte, als Selbstschuldner angenommen und ist damit, wie der Revisionsrekurs zutreffend dartut, aus einer Nachlaßgläubigerin zu einer Erbengläubigerin geworden. Als solche ist sie aber nicht berechtigt, Separation zu begehren (Ehrenzweig, II/2, S. 454, Anmerkung 3) und diese ist nach Wegfall ihrer Voraussetzungen jedenfalls aufzuheben.

Es ist aber auch richtig, daß auch die sonstigen Voraussetzungen der Separation, nämlich die, sei es auch nur subjektive "Besorgnis" (vgl. Ehrenzweig, l. c., S. 454, Rintelen, S. 74, GlUNF. 1123, 1249, 4315, 5753 u. a.) einer Gefahr für die volle Befriedigung des Separatisten, gegeben sein müssen und daß nach ihrem Wegfall die Separation folgerichtig aufzuheben ist. Zur Zeit der Bewilligung der Absonderung war nach unangefochtener Ansicht des Abhandlungsgerichtes diese subjektive Besorgnis gegeben. Nunmehr aber hat die Rekurswerberin selbst zu erkennen gegeben, indem sie den Vergleich vom 27. August 1948 mit dem Testamentserben schloß, in dem nicht bloß, wie das Rekursgericht meint, eine Abgrenzung und Klarstellung des Umfanges der beiderseitigen Ansprüche erfolgte, sondern eine Erbteilung und völlige Auseinandersetzung unter Anführung von Stichtagen und Festsetzung von Erfüllungszeiten stattfand, daß sie mit der Personalschuldnerschaft des Erben einverstanden ist. Wenn der Sinn der Separation darin liegt, daß die Nachlaßgläubiger usw. "ein Recht, unmittelbar aus der Verlassenschaft des Verstorbenen bezahlt zu werden, haben und ihnen darum gegen ihren Willen kein anderer Schuldner aufgedrängt werden soll, dessen persönlicher und reeller Kredit weit schwächer sein kann" (Zeiller, II, S. 852 f., bei Ehrenzweig, II/2, S. 455), so kann dies nicht mehr gelten, wenn der Nachlaßgläubiger usw. durch den Vergleich freiwillig den Testamentserben als Selbstschuldner annimmt, obwohl dieser durch die Separation selbst nach der Einantwortung haftfrei geworden wäre. Es sind also jene berechtigten Interessen, zu deren Schutz seinerzeit auf Verlangen der Rekurswerberin die Absonderung bewilligt worden war, weggefallen und damit auch die Voraussetzungen, unter denen sie bewilligt wurde. Sie war darum aufzuheben (SZ. VI/97).

Es ließe sich aber der Fortbestand der Separation auch nicht mehr mit dem ausschließlichen Recht des Separationskurators zur Besorgung der Verwaltung vereinbaren, da nach dem Inhalt des Vergleiches die Vertragspartner mit dem 1. September 1948 die Verwaltung der im Erbteilungswege ihnen zugefallenen Nachlaßbestandteile selbst übernehmen. Für den Kurator bliebe also gar kein Wirkungskreis.

Wenn nun die Rekurswerberin mit Bewilligung des Rekursgerichtes den Standpunkt vertritt, die Aufhebung der Separation könne noch nicht erfolgen, weil ihre Ansprüche aus dem Vergleich noch nicht befriedigt seien, bzw. dies aus dem Vergleiche nicht hervorgehe, so kann dieser Meinung nicht zugestimmt werden.

Die Rekurswerberin behauptet einerseits, beim Vergleichsabschluß irregeführt worden zu sein, anderseits ihren Rücktritt vom Vergleich wegen Nichterfüllung durch den Vertragsgegner erklärt zu haben.

Beide Behauptungen können, selbst wenn sie den Tatsachen entsprechen sollten, die Aufrechterhaltung der Absonderung nicht rechtfertigen. Denn Irrtum macht den Vergleich, wie jeden Vertrag, unter den Voraussetzungen des § 1385, bzw. der §§ 871 ff. ABGB. nur anfechtbar. Er bleibt darum so lange gültig, bis er durch rechtskräftiges Urteil aufgehoben wurde. Nun behauptet zwar die Rekurswerberin, daß diesbezüglich ein Rechtsstreit anhängig sei, nicht aber, daß er bereits zu ihren Gunsten rechtskräftig entschieden wurde.

Die Rekurswerberin gerät aber mit diesem Rechtsstandpunkt in Widerspruch, wenn sie einerseits Anfechtbarkeit des Vergleiches wegen Irreführung, anderseits aber Rücktritt vom Vertrag wegen Nichterfüllung nach § 918 ABGB. behauptet. Denn zurücktreten kann man nur von einem Vertrag, dessen Rechtsverbindlichkeit und Unanfechtbarkeit wegen eines bei seinem Abschluß unterlaufenen Willensmangels man anerkennt. Denn aus einem anfechtbaren und angefochtenen Vertrag, dessen Aufhebung begehrt wird, kann eine Verpflichtung zur Vertragserfüllung nicht abgeleitet werden.

Ist es also richtig, daß die Rekurswerberin vom Testamentserben Vertragserfüllung begehrt und somit am Vertrage festgehalten hat, dieser aber mit der Erfüllung säumig war und sie deswegen gemäß § 918 ABGB. vom Vertrage zurückgetreten ist, so kann auch über die Rechtmäßigkeit dieses Rücktrittes, die der Testamentserbe bestreitet, nur im ordentlichen Rechtsweg entschieden werden. Eben dieses gilt auch, wenn die Rekurswerberin vom Testamentserben Zuhaltung des Vergleiches verlangt.

Anmerkung

Z23105

Schlagworte

Absonderung der Verlassenschaft Aufhebung bei Annahme des Erben als, Selbstschuldner, Nachlaßabsonderung Aufhebung bei Annahme des Erben als Selbstschuldner, Separatio Aufhebung bei Annahme des Erben als Selbstschuldner, Verlassenschaft Absonderung Aufhebung bei Annahme des Erben als, Selbstschuldner

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00247.5.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19500422_OGH0002_0020OB00247_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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