TE OGH 1950/8/25 3Ob474/50

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Veröffentlicht am 25.08.1950
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Etz als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Pers-Susans, Dr. Duhan, Dr. Wagner und Dr. Fellner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rosa N*****, Invalidenrentnerin in Wien*****, vertreten durch Dr. Josef Zdrazil, Rechtsanwalt, Wien 1., Grünangergasse 1, wider die beklagte Partei Dr. Karl S*****, praktischen Arzt in Wien*****, vertreten durch Dr. Franz Karl Vondrak, Rechtsanwalt in Wien 9., Währingerstraße 14, wegen 50.000 S, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Juni 1950, GZ 2 R 177/50-16, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Jänner 1950, GZ 15 Cg 370/49-8, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Rekurses wird das Verfahren, soweit sich der Klagsanspruch auf behauptete Pflichtverletzungen des Beklagten als Gefangenhausarztes des Landesgerichtes für Strafsachen Wien einschließlich der der Klägerin im Gefangenhaus zuteil gewordenen ärztlichen Behandlung gründet, von der Zustellung der Klage an als nichtig aufgehoben und die Klage in diesem Umfang wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

Insoweit der Klagsanspruch aber mit der gerichtsärztlichen Tätigkeit des Beklagten durch Begutachtung der Haftfähigkeit der Klägerin begründet wird, wird dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin aufgetragen, wobei es auch auf die Kosten des nichtig erklärten Verfahrens und die Rekurskosten Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Das auf Bezahlung eines Schadenersatzes von 50.000 S gerichtete Klagebegehren wird von der Klägerin teils auf die in die Jahre 1946 und 1947 fallende Tätigkeit des Beklagten als gerichtsärztlichen Sachverständigen bei Begutachtung ihrer Haftfähigkeit, teils auf dessen in eben diesen Zeitraum fallende Tätigkeit als Arztes des Gefangenhauses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien bei Vornahme ihrer Untersuchung anlässlich ihrer Einlieferung, Verweigerung ihrer Unterbringung im Inquisitenspital, ferner auf Unterlassung der Verschreibung von Zubußen und von Beruhigungsmitteln gestützt. Das Erstgericht wies die Klage, soweit sie auf die Tätigkeit des Beklagten als Gerichtsarzt gegründet ist, sachlich, im Übrigen aber mit Rücksicht auf die Bestimmung des Hofdekretes vom 14. März 1806, JGSlg Nr 758, als unzulässig ab.

Infolge der Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das angefochtene Urteil auf und wies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es billigte zwar die Gründe, welche das Erstgericht zur Abweisung der Klage rücksichtlich der auf die gerichtsärztliche Tätigkeit des Beklagten bei der Begutachtung der Haftfähigkeit der Klägerin gestützten Schadenersatzanspruches geführt haben; ebenso billigte es die Abweisung der Klage als unzulässig, soweit der Anspruch auf die Tätigkeit des Beklagten als Gefangenhausarztes im engeren Sinne, also bei der Untersuchung der Klägerin aus Anlass ihrer Einlieferung und bei der Entscheidung über ihre Aufnahme und Belassung im Inquisitenspital gestützt ist, hält aber dafür, dass der Klagsanspruch, soweit er auf die Unterlassung der Verschreibung von Zubußen und Beruhigungsmitteln gegründet wird, mangels nötiger Feststellungen noch nicht spruchreif sei; denn diese Tätigkeit sei nicht die eines Beamten, sondern eines behandelnden Arztes. Dieser sei daher für ein allenfalls dabei unterlaufenes Versehen nach § 1299 ABGB zivilrechtlich haftbar.

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht wendet sich hiegegen der Rekurs des Beklagten. Auszugehen ist davon, dass nach den unbekämpften Feststellungen der Untergerichte, der Beklagte beamteter Gefangenhausarzt war, und dass seine Tätigkeit gegenüber der Beklagten schon nach dem (nach § 41(2)) maßgebenden Vorbringen der Klägerin, soweit nicht seine begutachtende Tätigkeit als Gerichtsarzt in Betracht kommt, von ihm in dieser Eigenschaft ausgeübt wurde. Denn nur so kann die in der Streitverhandlung vom 11. Jänner 1950 (Seite 29) vorgenommene Außerstreitstellung verstanden werden. Die ärztliche Behandlung von Untersuchungsgefangenen ist eine öffentliche Aufgabe der Justizverwaltung, welche sich hiebei ihrer beamteten Ärzte und deren Hilfspersonales bedient. Diese ärztliche Betreuung beruht daher nicht auf einem privatrechtlichen Vertrag des Gefangenen mit dem Gefangenhausarzt, sondern gehört zu dessen öffentlichen Aufgaben. Die bei einem Arzte eines öffentlichen Krankenhauses gebotene Teilung zwischen diesen beiden Funktionen (Spruchrepertorium Nr 243, veröffentlicht in Glaser-Unger Neue Folge unter Nr 6969, fernerhin die Entscheidungen Glaser-Unger N.F. Nr 6948 und SZ XI/97) ist somit bei einem Gefangenhausarzt nicht möglich (Entsch des OGH vom 11. 3. 1932, 2 Ob 188/32 JBl 1932 Seite 384 und sinngemäß die im Spruchrepertorium unter Nr 248 eingetragene in GlUNF Nr 7159 und in der amtlichen Sammlung unter Nr 1609 veröffentlichte Entscheidung). Der Klägerin ist daher nach dem zur Zeit der von ihr behaupteten Pflichtverletzungen des Beklagten als Gefangenhausarztes noch in Kraft gestandenen Hofdekrete vom 14. 3. 1806, JGSammlung Nr 758 (siehe § 15 des Amtshaftungsgesetzes vom 18. 12. 1948, BGBl Nr 20) der Rechtsweg verwehrt.

Somit war aus Anlass des Rekurses das Verfahren einschließlich der angefochtenen Entscheidung, soweit es sich mit der Begründung des eingeklagten Anspruches durch die Tätigkeit des Beklagten als Gefangenhausarztes befasst, nach § 42 (1) JN als nichtig aufzuheben und die Klage in diesem Belange wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen.

Soweit sich aber der eingeklagte Anspruch auf die Tätigkeit des Beklagten als Gerichtsarzt bei der Begutachtung der Haftfähigkeit der Klägerin stützt, war dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E73498 3Ob474.50

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0030OB00474.5.0825.000

Dokumentnummer

JJT_19500825_OGH0002_0030OB00474_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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