TE OGH 1950/8/31 2Ob555/50

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Veröffentlicht am 31.08.1950
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Höller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ullrich, Dr. Kuch, Dr. Mironovici und Dr. Bistritschan als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Josef P*****, vertreten durch Dr. Fritz Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Vera P*****, vertreten durch Dr. Friedrich Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausfolgung von Fahrnissen infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Juni 1950, GZ 2 R 439/50-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21.Oktober 1949, GZ 20 Cg 355/49-4, bestätigt wurde in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 617,32 S bestimmten Revisionskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

                    Entscheidungsgründe:

Dem auf Herausgabe von 10 Stores, 1 dreiteiligen braunen

Kleiderkasten, 1  schwarzen kleinen Chemisettekasten, 1  hellen

Bücherschrank, einer roten Couch mit 2  Rollen und 3  Matrazen, 3

schwarzen, grün gepolsterten Sesseln, 2  Perserbrücken, 1  seidenen

Wandteppich, 1  Bild (Venedig), 1  Bild (Landschaft), 1  Bild

(Frauenkopf), 1  Reiseschreibmaschine Olympia, 1

Napoleon-Kobaldservice, mit Monogramm "N", 6  grünen Weinkelchen, 6

grünen Likörgläsern, 200  belletristischen Büchern mit Autogramm

(Galsworthy, Werfel, Schnitzler, Arnet, Dreiser, Halle, usw), 3

Garnituren Bettwäsche, 1  Daunensteppdecke, 4  Paar  Halbschuhe, 3

Paar  Stiefeln, 1  Paar  Bergschuhen, 1  Dutzend komplette

Herrenwäsche, 4  Anzügen, 3  Mänteln, 1  lodenen Jagdstiefelhose, 4

Hüten und 50  St.Werkzeugen des klg.Fabrikatsbetriebes oder Ersatz

ihres Wertes von 20.000 S gerichteten Klagebegehren, gab das

Erstgericht mit Versäumnisurteil vom 21.10.1949 statt.

Gegen dieses Urteil ergriff die Beklagte Berufung, in der sie es

unter Anrufung der Nichtigkeitsgründe nach §  477  Z  4 und 6  ZPO

sowie des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung

des letzteren jedoch nur hinsichtlich der nach Ansicht der

Berufungswerberin nicht bestimmt bezeichneten Gegenstände (200

Bücher s.Autogramm, 3  Garnituren Bettwäsche, 1  Dauenensteppdecke, 1

Dtzd komplette Herrenwäsche, 3  Mäntel und 50  Stück Werkzeug) mit

dem Antrag anfocht, entweder das Urteil samt dem ihm vorangegangenen

Verfahren als nichtig aufzuheben und die Sache an das zuständige

Bezirksgericht zur Verhandlung und Entscheidung im außerstreitigen

Verfahren zu verweisen bzw dem Erstgericht den darauf gerichteten

Auftrag zu erteilen, oder es aufzuheben und die Sache zur Fortsetzung

des Verfahrens durch ordnungsgemäße Zustellung der Ladung

zurückzuverweisen, in eventu es dahin abzuändern, daß die Klage

hinsichtlich der nicht bestimmt bezeichneten Gegenstände ab-  bzw

zurückgewiesen werde. Das Berufungsgericht verwarf diese Berufung,

soweit sie Nichtigkeit geltend machte, und gab ihr im übrigen nicht

Folge.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision der Beklagten unter Anrufung der Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und der Aktenwidrigkeit. Die Revisionsanträge decken sich mit den seinerzeitigen Berufungsanträgen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unbegründet.

Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung

macht die Revision neuerlich die Nichtigkeitsgründe nach §  477  Z  4

und 6  ZPO geltend. Sie verstößt damit zweifach gegen die ZPO.

Zunächst deswegen, weil zufolge §  519  ZPO gegen die im

Berufungsverfahren ergehenden Beschlüsse des Berufungsgerichtes

Rekurs nur in den dort namentlich aufgezählten Fällen zulässig ist,

somit der Beschluß des Berufungsgerichtes, womit der Berufung, soweit

sie Nichtigkeitsgründe anführt, keine Folge gegeben wird,

unanfechtbar ist, auch wenn er ins Berufungsurteil aufgenommen wurde

(§  480  (2)  ZPO GLUNF  7208) (OERZ  1933, S  148, ZBl  1927 Nr

261, ZBl  1921 Nr.  176, ZBl  1931 Nr  255).

Es verstößt aber auch der Versuch der Revision, die ihr offenbar

bekannte Unzulässigkeit einer neuerlichen Anrufung der vom

Berufungsgericht verworfenen Nichtigkeitsgründe auf dem Umwege über

den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu

umgehen, gegen die ZPO, weil eine solche als Revisionsgrund nur in

Betracht kommt, wenn sie sich auf den Streitgegenstand selbst

bezieht, als eine unrichtige Gesetzesanwendung in

materiell-rechtlicher Beziehung stattgefunden hat. Zur Bekämpfung

einer unrichtigen Anwendung der Prozeßgesetze dienen nur die

Revisionsgründe des §  503  Z  1 und 2  ZPO (Neumann S  1361 GLUNF

526,  610,  7337, Rsp  1931 Nr  292, GH  1932 S  60, OERZ  1932 S

220 uam).

Allerdings wären Nichtigkeiten desungeachtet bei Prüfung der Akten

auch von Amts wegen wahrzunehmen (§  471  Z  7,  §  513  ZPO), jedoch

nur wenn diese Frage nicht bereits rechtskräftig abgesondert

entschieden ist. Hinsichtlich des Nichtigkeitsgrundes des §  477  Z

6  ZPO gilt hier vor allem §  42  (al  3)  JN, der einen

diesbezüglichen Ausspruch ausschließt, wenn ihm hinsichltich des Nichtigkeitsgrundes eine von demselben oder einem anderen Gericht gefällte, noch bindende Entscheidung entgegensteht. Es wäre dem Obersten Gerichtshof darum unter allem Umständen verwehrt auf die behaupteten Nichtigkeitsgründe einzugehen.

Nebenbei sei bemerkt, daß dieselben gar nicht vorliegen und die zur Widerlegung der diesbezüglichen Behauptungen dienenden Ausführungen des angefochtenen Urteils vollständig richtig sind. Das Gesagte gilt auch von dem Versuch der Revision, die Unzulässigkeit einer neuerlichen Aufrollung der angeblichen Nichtigkeitsgründe auf dem Umwege über den Revisionsgrund des § 503 Z 3 ZPO zu umgehen. Die verwerfende Entscheidung des Berufungsgerichtes über die Nichtigkeitsberufung (im Urteil irrig als "Nichtigkeitsbeschwerde" bezeichnet) ist endgiltig und unanfechtbar. Im übrigen trifft der Vorwurf der Aktenwidrigkeit nicht das angefochtene Urteil, sondern die Revision, welche den Inhalt der diesbezüglichen Begründung der angefochtenen Entscheidung unrichtig und aktenwidrig widergibt. - Verfahrensmängel wurden nicht behauptet und liegen auch nicht vor.

Zu prüfen bleibt nur, ob die erhobene Rechtsrüge begründet ist, insofern sie behauptet, daß dem Klagebegehren wegen mangelnder Individualisierung der in der Berufung taxativ aufgezählten, und nunmehr generell als "nicht bestimmt bezeichnete Gegenstände" angeführten Sachen nicht hätte Folge gegeben werden dürfen.

Die Revision ist jedoch auch in diesem Punkte verfehlt. Wohl trifft

es zu, daß der Eigentumskläger gemäß §  370  ABGB die eingeklagte

Sache so genau als möglich zu beschreiben hat, um die Feststellung

ihrer Identität zu ermöglichen, (Ehrenzweig  I/2 S  319, Klang  I/2

S  85) und daß eine mangelhafte Erfüllung dieser Vorschrift  --

unbeschadet der Prozeßleitungspflicht des Richters  --  zur Abweisung

des Klagebegehrens gemäß §  226  (1)  ZPO führen müßte. Es ist jedoch

dem angefochtenen Urteil darin zuzustimmen, daß einerseits bei einzelnen der eingeklagten Gattungssachen durch Zusätze (Bücher mit Autogramm namentlich angeführter Autoren, Werkzeuge aus dem klg.Fabriksbetriebe) bereits eine hinreichende Individualisierung erfolgt ist, andererseits gar nicht gefordert werden kann, daß der Eigentumskläger in jedem Fall die von ihm angesprochenen Sachen genau nach qualitativ beschreibenden Merkmalen individualisieren müsse. Denn das wäre bei vielen Gattungssachen gar nicht möglich. Dem Erfordernis des § 370 ABGB und damit auch der Norm des § 226 ZPO ist vielmehr schon entsprochen, wenn die eingeklagten Gegenstände dergestalt beschrieben sind, daß dadurch die Feststellung ihrer Identität ermöglicht wird. Es genügt darum auch eine lokale Individualisierung, also die Nachweisung von Umständen, aus welchen sich ergibt, daß die im Besitz der Beklagten befindlichen Sachen mit den dem Kläger gehörenden identisch sein müssen (Pfersche, Grundriß § 6/IV). Im vorliegenden Fall ist nach dem als wahr anzusehenden Klagsvorbringen als erwiesen anzusehen, daß die Beklagte die vindizierten Fahrnisse an sich genommen und deren Besitz zugegeben hat, mit dem Ausdruck der Bereitwilligkeit, dieselben zurückzugeben.

Bei dieser Sachlage sind aber die herauszugebenden Gegenstände mit

hinreichender Deutlichkeit bezeichnet, wie dies für einen nach §  369

ABGB zu erbringenden Beweis, aber auch zur Vollstreckung des Urteils

gemäß §  346  EO erforderlich ist (2 Ob 447/49, 2  Ob 32/50,

Ehrenzweig  I/2 S  233,  319).

Der völlig haltlosen Revision war darum der Erfolg zu verweigern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§  41,  50  ZPO.

Anmerkung

E73409 2Ob555.50

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1950:0020OB00555.5.0831.000

Dokumentnummer

JJT_19500831_OGH0002_0020OB00555_5000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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