TE OGH 1951/7/18 1Ob496/51 (1Ob495/51)

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Veröffentlicht am 18.07.1951
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Norm

EO §37
ZPO §1
ZPO §6
ZPO §529

Kopf

SZ 24/191

Spruch

Gegen einen nicht existierenden betreibenden Gläubiger, in dessen Namen Exekution geführt wird, kann eine Exszindierungsklage erhoben werden.

Entscheidung vom 18. Juli 1951, 1 Ob 495, 496/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt - Wien; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Am 25. November 1949 kundigte der erstbeklagte Hauseigentümer Richard G., Kaufmann in Berlin, vertreten durch den Gebäudeverwalter Franz Sch. der Zweitbeklagten ein Lokal zum 31. Dezember 1949 auf. Die Zweitbeklagte ließ die Kündigung in Rechtskraft erwachsen. Am 20. Jänner 1950 wurde die zwangsweise Räumung bewilligt. Die Klägerin hat nunmehr eine Exszindierungsklage eingebracht.

Die erste Instanz hat die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat das Verfahren gegen den Erstbeklagten für nichtig erklärt, weil im Zuge des Prozesses hervorgekommen ist, daß der Erstbeklagte, der in Berlin wohnhaft war, bereits 1944 gestorben ist. Dagegen wurde die Klagsabweisung rücksichtlich der Zweitbeklagten bestätigt. Das Berufungsgericht meint, daß im Exszindierungsprozeß die Frage, ob die Kündigung mangels Partei- und Prozeßfähigkeit der kundigenden Partei an sich nichtig war, nicht geprüft werden könne. Eine absolute Nichtigkeit eines zivilgerichtlichen Verfahrens oder Urteils sei der österreichischen Rechtsordnung fremd. Auch Entscheidungen, die von einer hiezu berechtigten Partei mit Erfolg als nichtig angefochten werden könnten, erwüchsen durch Unterlassung eines Rechtsmittels in Rechtskraft. Von einer am nichtigen Verfahren unbeteiligten Partei könne aber ein Rechtsmittel gegen die in diesem Verfahren entgangenen Entscheidung - wie übrigens auch eine Nichtigkeitsklage nach § 529 ZPO. - nicht erhoben werden. Noch weniger könne von ihr die Nichtigerklärung bzw. Aufhebung dieser Entscheidung in einem anderen Verfahren begehrt werden. Daher gingen alle Ausführungen der Berufung, soweit sie auf die Nichtigerklärung der Kündigung und des hierauf gegrundeten Delogierungsverfahrens abzielen, in die Irre.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Rekurs der Klägerin gegen diesen Beschluß Folge gegeben, den angefochtenen Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Rekurs kann Berechtigung nicht versagt werden. Es ist dem Berufungsgericht zuzugeben, daß mit Rücksicht auf den Umstand, daß Richard G. am 9. Dezember 1944 gestorben ist, dieser grundsätzlich nicht mehr geklagt werden konnte. Es kann auch nicht die gegen ihn eingebrachte Klage als Klage gegen seine Verlassenschaft aufrecht erhalten werden, weil G. ein in Berlin wohnhafter Deutscher war, über dessen Nachlaß ein Verlassenschaftsverfahren nicht einzuleiten war. Daran ändert der Umstand nichts, daß Richard G. Eigentümer eines Wiener Hauses gewesen ist, weil nach §§ 1 und 8 der Vdg. über den Anwendungsbereich erbrechtlicher Vorschriften vom 12. Dezember 1941, DRGBl. I, S. 765, nach den im Zeitpunkte seines Todes maßgeblichen interlokalrechtlichen Vorschriften das im sogenannten Altreich geltende Erbrecht maßgebend ist, das von dem Grundsatz der ipso-jure-Sukzession beherrscht wird. Seine Erben sind daher mit dem Erbanfall in seinen Nachlaß, auch soweit er in Österreich gelegen ist, kraft Rechtens sukzediert, das Grundbuch ist demnach unrichtig geworden und einfach richtig zu stellen, ohne daß ein Abhandlungsverfahren im österreichisch-rechtlichen Sinne stattzufinden hätte. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Richtigstellung des Grundbuches bis zur Befreiung nicht stattgefunden hat, weil der ipso-jure-Erwerb der Erben schon vorher erfolgt ist. Da also Richard G. im Zeitpunkt der Klage nicht mehr gelebt hat und auch keine Verlassenschaft nach ihm bestand, so war grundsätzlich eine Klagsführung gegen ihn ausgeschlossen.

Davon ist aber für den vorliegenden Fall eine Ausnahme zu machen. Wenn ein nicht existierender betreibender Gläubiger Exekution auf eine Sache führt, an der ein Dritter ein Recht behauptet, so muß diesem auch die Möglichkeit zugestanden werden, gegen den betreibenden Gläubiger eine Exszindierungsklage zu erheben, weil andernfalls der Verpflichtete es in der Hand hätte, sich von einem nicht existierenden Gläubiger klagen und exequieren zu lassen, ohne daß dem Dritten die Möglichkeit zustunde, sich gegen diese Exekutionsführung zu wehren. Den Dritten interessiert nur, daß eine Exekution geführt wird, die angeblich in seine Rechte eingreift. Ob diese Exekution von einer existierenden oder nicht existierenden Person geführt wird, ist ihm gleichgültig; in jedem Fall muß er sich dagegen wehren können. Wer sich das Recht der Exekutionsführung, sei es auch unter dem Namen einer nicht existierenden Person anmaßt, muß es sich gefallen lassen, daß gegen diese Exekutionsführung Widerspruch nach § 37 EO. erhoben wird. Es liegt hier eine ähnliche Rechtslage vor wie in 1 Ob 7/50, wo der Oberste Gerichtshof einem Gebilde, dem in der unteren Instanz die Parteifähigkeit aberkannt wurde, ein Anfechtungsrecht zugesprochen hat, soweit es sich um die Frage der Parteifähigkeit handelt. Diesmal liegt der umgekehrte Fall vor. Wenn ein Gebilde Exekution führt, so kann gegen dasselbe die Exszindierungsklage erhoben werden, ohne daß dem Gebilde das Recht zugebilligt werden könnte, seine Existenz und seine Parteifähigkeit in Frage zu stellen. Wer sich die Parteifähigkeit anmaßt, muß Dritten, in deren Rechte eingegriffen wird, für diesen Eingriff Rede und Antwort stehen, ohne sich hinter den Mangel der Parteifähigkeit verschanzen zu können, weil der Dritte anderenfalls rechtlos gestellt wäre.

Es muß daher der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche sachliche Entscheidung aufgetragen werden. Daß das Rekursbegehren gar nicht in diesem Sinne lautete, ist bedeutungslos, weil im Rekursverfahren die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen ohne Bindung an die Parteianträge zu untersuchen ist.

Anmerkung

Z24191

Schlagworte

Exekution Exszindierungsklage gegen nicht existierende betreibende, Partei, Exekutionsführung eines nicht existierenden betreibenden Gläubigers„ Exszindierung, Exszindierungsklage gegen nicht existierende betreibende Partei, Gläubiger nicht existierender betreibender -, Klage gegen nicht existierenden Betreibenden, Partei Exszindierungsklage gegen nicht existierende -, Partei nicht existierende -

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0010OB00496.51.0718.000

Dokumentnummer

JJT_19510718_OGH0002_0010OB00496_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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