TE OGH 1951/11/21 2Ob344/51

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Veröffentlicht am 21.11.1951
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Höller als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten Dr. Ullrich und die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Elsigan, Dr. Schuster und Dr. Lenk als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich L*****, vertreten durch Dr. Rudolf Cizek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Franz S*****, vertreten durch Dr. Heinrich Handl, Rechtsanwalt in Wien, unter Beitritt des Nebenintervenienten auf Seite des Beklagten, Ing. Rupert N*****, vertreten durch Dr. Martha Friedmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruches, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. März 1951, AZ 2 R 15/51, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. November 1950, GZ 15 Cg 647/49-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.011,65 S und dem Nebenintervenienten die mit 922,50 S bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Zwangsfolge zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien übertrugen mit dem schriftlichen Vertrag vom 8. 6. 1948 die Entscheidung ihrer Streitigkeiten wegen der vom Beklagten dem Kläger geleisteten Bauarbeiten einem Schiedsgerichte, bestehend aus dem Obmann Ing. Baumeister Nazler und den Ingenieuren Jäger und Jung als weiteren Schiedsrichtern. In dem Schiedsvertrag wurden Ing. Jäger und in seiner Vertretung Ing. Pöckh als sachverständige Fachvertreter des Beklagten, Ing. Jung als Vertreter des Klägers bezeichnet. Ing. Jung war vom Kläger unterrichtet, was er vorzubringen hatte. Dem Kläger wurde von Ing. Jung Zeit und Ort von mindestens vier Verhandlungen mitgeteilt. Bei den Verhandlungen war keine der Parteien anwesend. Das Schiedsgericht verhandelte mehr als vier Mal und fällte am 12. 9. 1949 einen Schiedsspruch. Der Kläger behauptet die Unwirksamkeit des Schiedsgerichtes, weil ihm im Verfahren das rechtliche Gehör verweigert worden sei.

Das Erstgericht hob das Schiedsurteil auf. Die Schiedsmänner Jung und Jäger hätten keine Vollmacht zur Vertretung der Parteien gehabt. Da der Kläger nicht durch einen Machthaber vertreten gewesen und zu keiner Verhandlung geladen worden sei, sei ihm das rechtliche Gehör entzogen worden.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Die Schiedsrichter hätten die Frage, in welcher Weise das rechtliche Gehör zu gewähren sei, nach freiem Ermessen zu bestimmen. Da der Kläger von Ing. Jung zu allen Verhandlungen geladen worden sei, habe er die Möglichkeit gehabt, seine Einwendungen vorzubringen. Es sei nicht nötig, dass die Parteien von dem Schiedsgericht in seiner vollen Besetzung gehört würden. Ing. Jung sei vom Kläger genau unterrichtet gewesen, was er vorzubringen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er macht Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Urteil des Gerichtes erster Instanz wieder hergestellt werde. Hilfsweise beantragt er die Aufhebung des angefochtenen Urteiles und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Rechtliche Beurteilung

Eine Aktenwidrigkeit wird darin erblickt, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen sei, dass der Kläger zumindestens zu vier Verhandlungen geladen worden sei. Das Erstgericht habe aber festgestellt, dass der Kläger überhaupt nicht geladen worden sei. Wenn Ing. Jung dem Kläger in einigen Fällen mitgeteilt habe, wann und wo Verhandlungen stattfänden, so bedeute dies keine Vorladung, da Ing. Jung gewusst habe, dass die Anwesenheit des Klägers vom Vorsitzenden abgelehnt werde. Es sei auch aktenwidrig, dass Ing. Jung von dem Kläger unterrichtet gewesen sei, was er vorzubringen habe. Ing. Jung habe lediglich ausgesagt, dass er als bauleitender Ingenieur in Kenntnis der Sachlage gewesen sei.

Ob die Mitteilung über Zeit und Ort der Verhandlungen als Ladung anzusehen ist, ist Sache der rechtlichen Beurteilung. Selbst wenn aber ein Widerspruch zu den erstrichterlichen Feststellungen vorläge, wäre er belanglos, weil es für die Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht notwendig war, dass der Kläger zum Erscheinen aufgefordert werde. Es war hinreichend, dass ihm die Möglichkeit geboten wurde, bei Verhandlungen zu erscheinen und dem Schiedsgericht seinen Standpunkt zur Kenntnis zu bringen. Dass der Vorsitzende den Kläger von der Verhandlung ausgeschlossen hätte, ist lediglich eine Behauptung des Klägers, die von den Untergerichten nicht als erwiesen angenommen wurde.

Die Feststellung, dass Ing. Jung unterrichtet war, was er für den Kläger vorzubringen habe, konnte das Berufungsgericht auf die Aussagen der Ing. Jung, Pöckh und Nazler und auf Schlussfolgerungen aus diesen Aussagen stützen. Eine Aktenwidrigkeit ist nicht schon dann gegeben, wenn sich der Inhalt der Feststellungen nicht vollständig mit den Zeugenaussagen deckt. Sie würde nur dann vorliegen, wenn die Feststellungen des Berufungsgerichtes nach den Akten nicht Prozessinhalt sein können. Dies ist aber nicht der Fall. Ob das Berufungsgericht bei seinen Feststellungen von denen des Erstgerichtes abgewichen ist, ist nicht zu prüfen, weil eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht geltend gemacht wurde. Das Berufungsgericht hat sich für seine Rechtsansicht zutreffend auf die Rechtslehre (Neumann, II zu § 587, Sperl, Festschrift zur 50 Jahrfeier der österreichischen Zivilprozessordnung S. 302) berufen. Die Zivilprozessordnung hat für die Form, in welcher das rechtliche Gehör gewährt werden müsse, keine Vorschrift aufgestellt. Durch die Verständigung von mehreren Verhandlungsterminen hatte der Kläger die Möglichkeit, dem Schiedsgericht seinen Standpunkt vorzutragen. Dass er von einem oder mehreren Verhandlungsterminen nicht verständigt wurde, würde nur dann eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs bedeuten, wenn der Beklagte bei diesen Verhandlungen anwesend und der Kläger nicht in der Lage gewesen wäre, auf ein Vorbringen des Beklagten zu erwidern. Es ist nicht notwendig, dass der Kläger gleichzeitig von allen Schiedsrichtern gehört werde. Es genügt, wenn ein Schiedsrichter von dem Standpunkt des Klägers Kenntnis hatte und ihn im schiedsgerichtlichen Verfahren zur Geltung brachte (vergleiche Entscheidung vom 19. 11. 29, 1 Ob 1045/29, Ger.Halle 1930, S. 41). Die Frage, ob der Schiedsspruch deshalb nichtig ist, weil Ing. Jung sowohl als Vertreter des Klägers als auch Schiedsrichter tätig war, bedarf keiner Erörterung, weil der Kläger eine Bevollmächtigung des Ing. Jung verneint und das Begehren auf Unwirksamerklärung des Schiedsspruches gar nicht auf diesen Grund stützt.

Das Klagebegehren wurde daher mit Recht abgewiesen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E77681 2Ob344.51

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1951:0020OB00344.51.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19511121_OGH0002_0020OB00344_5100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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