TE Vwgh Erkenntnis 2005/2/24 2005/07/0002

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Veröffentlicht am 24.02.2005
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Index

81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

WRG 1959 §32 Abs2 litc;
WRG 1959 §54 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über die Beschwerde des F in H, vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Eßlinggasse 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 23. Dezember 2003, Zl. 514.360/05-I 5/03, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Dezember 2003 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zur Durchführung einer Nassbaggerung auf den Grundstücken Nr. 314/1, 419-421, 423, 425, 442-447, 450-451, 453/1 und 457, EZ 213, GB 20157 N, abgewiesen.

In der Begründung heißt es, die Liegenschaften, für die eine Nassbaggerungsbewilligung beantragt worden sei, befänden sich im nördlichen Tullnerfeld. Dieses Gebiet, namentlich die Katastralgemeinde N, werde von der auf § 54 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) fußenden Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Erlassung einer wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung zum Schutze des Grundwasservorkommens für Zwecke der Trinkwasserversorgung im Tullnerfeld, BGBl. II Nr. 265/2001, (Rahmenverfügung Tullnerfeld) erfasst.

Nach § 2 Z. 1 der Rahmenverfügung Tullnerfeld stellten Nassbaggerungen (oder Grundwasserfreilegungen) Materialentnahmen zur Sand- und Kiesgewinnung dar, deren Abbausohle unterhalb der Kote HHGW (höchster Grundwasserstand in Metern über Adria) plus 2,0 Meter liege.

Baggerungen im Grundwasserbereich bedürften einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959. Eingriffe in die grundwasserschützende Bodenschicht, welche (Teich-)Wasser zutage förderten und somit eine Nassbaggerung darstellten, bedürften einer wasserrechtlichen Bewilligung und seien einer solchen auch zugänglich.

Die verfahrensgegenständlichen Grundstücke seien jedoch in einem Gebiet gelegen, welches durch die Rahmenverfügung Tullnerfeld betroffen sei (es folgt die Wiedergabe des § 5 der Rahmenverfügung und des § 54 Abs. 3 WRG 1959). Bestehe eine wasserwirtschaftliche Rahmenverfügung, so sei auf Grund des neu gefassten § 54 Abs. 3 WRG 1959 die Zulässigkeitsprüfung "verschärft". Danach habe die Wasserrechtsbehörde zu prüfen, ob ein Vorhaben mit einer wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung im Widerspruch stehe. In diesem Fall sei die Bewilligung nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse an der Maßnahme jenes an der Erhaltung der Rahmenverfügung überwiege. Eine Interessenabwägung gemäß § 54 Abs. 3 WRG 1959 könne erst dann einsetzen, wenn feststehe, dass das Vorhaben überhaupt bewilligungsfähig sei.

Durch einen Grundwasserteich sei mit nachteiligen Einwirkungen auf den Grundwasserkörper zu rechnen, weil jede Reduktion der natürlich vorkommenden Dicke der Deckschicht die Gefahr von Schadstoffeinträgen in das Grundwasser erhöhe. Überdies liege die Nassbaggerung in einem durch die Rahmenverfügung Tullnerfeld betroffenen, also besonders empfindlichen Gebiet. Das Bestehen einer Rahmenverfügung stelle überdies zweifellos ein Indiz für das Bestehen besonderer öffentlicher Interessen am Schutz des betroffenen Grundwasservorkommens dar. Dabei erscheine es nicht notwendig, dass bereits eine Grundwasserverunreinigung eingetreten sei. Die Gefahr von Grundwasserverschmutzungen stelle überdies auch den Grund für Einschränkungen und Verbote von bestimmten Maßnahmen in Wasserschutz- und -schongebieten dar.

Der Abbau von Sand- und Kiesmaterialien aus dem Untergrund stelle grundsätzlich ein privates Interesse des Betreibers des Abbauunternehmens bzw. des Grundeigentümers dar. Das private Interesse am Betreiben der Nassbaggerung sei geringer zu werten als das öffentliche Interesse an der Beschaffenheit des Wassers. Eine Abwägung des diesem Vorhaben entgegenstehenden öffentlichen Interesses mit den mit dem Projekt verbundenen privaten Interessen sei nicht vorgesehen.

Zu prüfen sei § 7 der Rahmenverfügung Tullnerfeld, wonach eine Übergangsbestimmung für bestimmte Gebiete, die durch die Verordnung über ein regionales Raumordnungsprogramm Wien-Umland, LGBl. Nr. 8000/77-1, als Eignungszonen für die Gewinnung von Sand und Kies ausgewiesen worden seien, normiert werde. Für Flächen, die als "Materialgewinnungsstätte" gewidmet worden seien, gelte § 5 Abs. 1 der Rahmenverfügung verändert. Dabei handle es sich um eine sogenannte statische Verweisung.

Bei Einsicht in die Liste der "Eignungszonen für die Gewinnung von Sand und Kies" (Anlage zu LGBl. Nr. 8000/77-1) zeige sich, dass die verfahrensgegenständlichen Liegenschaften nicht umfasst seien. Die Übergangsbestimmung des § 7 der Rahmenverfügung erscheine daher unanwendbar.

Die Versagung einer angestrebten wasserrechtlichen Bewilligung komme im Zusammenhang mit einer Beeinträchtigung zu schützender öffentlicher Interessen nur dann in Betracht, wenn die konkrete Besorgnis einer solchen Beeinträchtigung bestehe.

Laut Gutachten des Amtssachverständigen vom 18. Dezember 2002 sei die konkrete Besorgnis einer Beeinträchtigung der Beschaffenheit des Wassers zweifellos gegeben. Der Amtssachverständige habe ausgeführt, dass die im § 5 Abs. 1 der Rahmenverfügung Tullnerfeld normierten Forderungen, z.B. der Erhalt der natürlichen Grundwasserüberdeckung in ihrer natürlichen Mächtigkeit und Zusammensetzung, bei einer Realisierung der gegenständlichen Nassbaggerung nicht erfüllt werden könnten.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Stellungnahme vom 17. November 2003 nicht mit hinreichender Schlüssigkeit darzulegen vermocht, dass das öffentliche Interesse an der Maßnahme "Nassbaggerung Abbaufeld N I" jenes an der Erhaltung der Rahmenverfügung überwiege. Vor allem entziehe sich die inhaltliche Prüfung einer Verordnung der Kompetenz der belangten Behörde. Zwar seien die gegenständlichen Gebiete von einer bergrechtlichen Bewilligung der Berghauptmannschaft Wien vom 9. März 1993 erfasst und es wiesen Gebiete, die durch eine bergrechtliche Bewilligung als geeignet ausgewiesen seien, möglicherweise tatsächlich eine höhere Sicherheit der Eignung für den Abbau auf als bloße Eignungszonen, doch sei aus den bereits gezeigten Gründen zudem jedenfalls eine wasserrechtliche Bewilligung vonnöten. Es habe daher dem Ansuchen der beschwerdeführenden Partei um die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung zur Durchführung einer Nassbaggerung nicht stattgegeben werden können.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der er auch die Gesetzwidrigkeit der Rahmenverfügung Tullnerfeld geltend machte.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 29. November 2004, B 177/04-6, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bringt der Beschwerdeführer vor, der angefochtene Bescheid beruhe auf falscher Anwendung und Auslegung der §§ 5 und 7 der Rahmenverfügung. Die belangte Behörde übersehe, dass die gegenständliche Fläche als "Bergbaugebiet Kies" im gültigen Flächenwidmungsplan gewidmet sei. Da das konkrete Abbaugebiet im Sinne des § 7 Abs. 1 der Rahmenverfügung als Kiesabbaugebiet ausgewiesen sei, sohin rechtlich mit den Eignungszonen des regionalen Raumordnungsplanes gleich zu setzen sei und das anhängige Verfahren bereits zum 1. März 2001 anhängig gewesen sei, wäre die Übergangsbestimmung des § 7 der Rahmenverfügung zum Tragen gekommen. Die belangte Behörde hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung festzustellen gehabt, dass eine Eignung für die Gewinnung von Kies schon als gegeben befunden worden sei, da der bergrechtliche Bescheid vorliege. Die belangte Behörde habe daher die Frage der Anwendung der Übergangsbestimmung rechtlich unrichtig beurteilt.

Weiters habe die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung die Verordnung über ein sektorales Raumordnungsprogramm für die Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe (ROP) vom 29. Dezember 1998 außer Acht gelassen. Im § 2 ROP sei der Abbau von grundeigenen mineralischen Rohstoffen geregelt und in Abs. 1 Z. 1 festgelegt, dass der Abbau nur in Eignungszonen zulässig sei. In Abs. 2 werde ausdrücklich darauf verwiesen, dass Bergbauberechtigungen im Sinne des Berggesetzes 1975 durch die Verbote des Abs. 1 nicht berührt würden. Daraus folge, dass bestehende Bergbauberechtigungen nicht dem Erfordernis "Lage in einer Eignungszone" des Raumordnungsprogrammes Wien-Umland entsprechen müssten. Daraus folge weiters, dass es rechtlich vollkommen irrelevant sei, ob das Abbaugebiet in einer Eignungszone liege, weil auf Grund des ROP der "Sonderstatus" der Bergbauzonen rechtlich gesichert und verankert sei.

Die belangte Behörde habe es auch verabsäumt, festzustellen, ob das gegenständliche Gebiet überhaupt für weitere Trinkwasseraufschließungen geeignet sei bzw. dass mangels solcher Aufschließungsmöglichkeiten keine weiteren Gefährdungspotentiale zu befürchten seien. Wäre die belangte Behörde dieser Verpflichtung nachgekommen, hätte sie festgestellt, das eine Nassbaggerungserweiterung, die genau hinter einer anderen Nassbaggerungserweiterung liege, die in den letzten Jahren genehmigt worden sei, keine negativen Auswirkungen haben könne, wenn in einem Parallelverfahren (Abbaugebiet N II und III) hinsichtlich der näherliegenden Nassbaggerungserweiterung festgestellt worden sei, dass keine negativen Auswirkungen auf das Grundwasser zu befürchten seien.

Die belangte Behörde hätte auch feststellen müssen, dass weitere Brunnenprojekte auf Grund der drohenden negativen Grundwasserbilanz ausgeschlossen seien, somit weitgehende Einflüsse des geplanten Projekts nicht zu befürchten seien und konkrete negative Auswirkungen der Nassbaggerung nicht festgestellt werden könnten. Da Gefährdungspotentiale in der Nassbaggerungserweiterung nicht festgestellt werden könnten, sei kein dem öffentlichen Interesse widerstreitendes Gefährdungspotential gegeben.

Das Argument der belangten Behörde, das Bestehen der Rahmenverfügung stelle ein Indiz für das Bestehen besonderer öffentlicher Interessen des betroffenen Grundwasservorkommens dar, sei nicht nachvollziehbar.

Die belangte Behörde habe sich mit dem konkreten Projekt nicht auseinander gesetzt, sie habe nicht beachtet, dass das gegenständliche Gebiet grundwasserstromaufwärts gelegen sei und dass im gültigen Raumordnungsprogramm nördliches Wien-Umland die gegenständliche Fläche als nichterhaltenswerter Landschaftsteil ausgewiesen sei.

Die belangte Behörde sei auch nicht auf die Einwände des Beschwerdeführers eingegangen, dass der angenommene Sachverhalt unrichtig sei. Sie habe den Antrag auf Beischaffung des Aktes des Brunnenprojektes der Stadt Tulln übergangen. In diesem Parallelverfahren habe die Behörde festgestellt, dass hinsichtlich der näherliegenden Nassbaggerungserweiterungen keine negativen Auswirkungen auf das Grundwasser zu befürchten seien.

Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit den Argumenten des Beschwerdeführers auseinandergesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Baggerungen im Grundwasserbereich ("Nassbaggerungen") bedürfen einer wasserrechtlichen Bewilligung nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1995, 94/07/0175).

Das Nassbaggerungsvorhaben des Beschwerdeführers liegt im Geltungsbereich der Rahmenverfügung Tullnerfeld. Für die Frage der Bewilligungsfähigkeit dieses Vorhabens sind daher (auch) die Bestimmungen dieser Rahmenverfügung und des § 54 WRG 1959 von Bedeutung.

§ 54 WRG 1959 lautet:

"Wasserwirtschaftliche Rahmenverfügungen.

§ 54. (1) Wenn es die wasserwirtschaftliche Entwicklung eines Gebietes oder die Durchführung eines anerkannten Rahmenplanes (§ 53 Abs. 4) erfordert, kann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft nach Abwägung der in Betracht kommenden Interessen und nach Anhörung der beteiligten Bundesländer für bestimmte Gewässer, Gewässerstrecken, Einzugs-, Quell- oder Grundwassergebiete - unbeschadet bestehender Rechte - durch Verordnung wasserwirtschaftliche Rahmenverfügungen treffen.

(2) Die wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügungen können zum Gegenstand haben:

a)

die Widmung für bestimmte wasserwirtschaftliche Zwecke;

b)

Einschränkungen bei Verleihung von Wasserrechten;

c)

Gesichtspunkte für die Handhabung der §§ 8, 9, 10, 15, 21, 21a, 28 bis 38 und 112;

d)

die Beibehaltung eines bestimmten Zustandes;

e)

die Anerkennung wasserwirtschaftlicher Interessen bestimmter Beteiligter als rechtliche Interessen.

(3) Die Wasserrechtsbehörde hat zu prüfen, ob ein Vorhaben mit einer wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung im Widerspruch steht. Die Bewilligung eines mit einer wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung im Widerspruch stehenden Vorhabens ist nur zulässig, wenn das öffentliche Interesse an der Maßnahme jenes an der Einhaltung der Rahmenverfügung überwiegt. Solche Bescheide sind binnen zwei Wochen nach deren Rechtskraft unter Anschluß der Entscheidungsunterlagen dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft vorzulegen. Dieser kann gegen solche Bescheide Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Die Beschwerdefrist beginnt mit dem Einlangen des Bescheides und der Unterlagen beim Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft."

Die auf Grund dieser Bestimmung erlassene Rahmenverfügung Tullnerfeld lautet auszugsweise:

"Ziel der Verordnung

§ 1. Das Grundwasservorkommen des in § 3 umschriebenen Gebietes wird - unbeschadet bestehender Rechte - vorzugsweise der Trinkwassergewinnung gewidmet.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieser Verordnung bedeuten:

1. Nassbaggerungen (Grundwasserfreilegungen):

Materialentnahmen zur Sand- und Kiesgewinnung, deren Abbausohle unterhalb der Kote HHGW plus 2,0 Meter liegt.

2. Trockenbaggerungen: Materialentnahmen zur Sand- und Kiesgewinnung, deren Abbausohle oberhalb bzw. auf der Kote HHGW plus 2,0 Meter liegt.

3. Grundwasserüberdeckung: die oberhalb der Grundwasseroberfläche befindlichen Boden- und Gesteinsschichten (ungesättigte Zone).

4. Grundwassergebiet: ein hydrologisch abgegrenztes Gebiet mit einem Grundwasservorkommen.

5. Wasserwirtschaftliche Vorranggebiete für die Trinkwasserversorgung: Grundwassergebiete, die auf Grund ihrer besonderen hydrologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten vorrangig für die Trinkwasserversorgung geeignet sind.

6. Sonstige von der Rahmenverfügung erfasste Gebiete:

Gebiete, die auf Grund ihrer hydrologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten von geringerer Bedeutung im Verhältnis zu den wasserwirtschaftlichen Vorranggebieten für die Trinkwasserversorgung sind.

7. HHGW: der überhaupt bekannte höchste Grundwasserstand in Metern über Adria. Bei dessen Ermittlung ist auf die Grundwasserverhältnisse des Jahres 1965 im Rahmenverfügungsgebiet jedenfalls Bedacht zu nehmen.

8. NNGW: der überhaupt bekannte niederste Grundwasserstand in Metern über Adria.

Gebietsabgrenzungen

§ 3. (1) Das Rahmenverfügungsgebiet besteht aus wasserwirtschaftlichen Vorranggebieten für die Trinkwasserversorgung (Abs. 2) und sonstigen von der Verordnung erfassten Gebieten (Abs. 3).

(2) Die Grenzen der wasserwirtschaftlichen Vorranggebiete für die Trinkwasserversorgung haben folgenden Verlauf, wobei die Beschreibung im Uhrzeigersinn um das Gebiet führt:

.......

Gesichtspunkte für die Handhabung

§ 4. Bei der Handhabung der §§ 9, 10, 21, 21a, 28, 29, 30, 31, 31c, 32, 38 und 112 WRG 1959 im gesamten Rahmenverfügungsgebiet (§ 3) ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Widmungsziel nicht beeinträchtigt wird.

Wasserwirtschaftliche Vorranggebiete für die Trinkwasserversorgung

§ 5. (1) Für Nassbaggerungen in wasserwirtschaftlichen Vorranggebieten für die Trinkwasserversorgung ist zu beachten:

a) die Grundwasserüberdeckung (§ 2 Z 3) soll in ihrer natürlichen Mächtigkeit und Zusammensetzung erhalten bleiben, insbesondere um unvorhergesehene Stoffeinträge, die zu einer Gefährdung des Grundwassers führen können, zu vermeiden;

b) die natürliche Beschaffenheit des Grundwassers soll in physikalischer, chemischer, biologischer und bakteriologischer Hinsicht erhalten bleiben;

c) die im Grundwasser ablaufenden physikalisch-chemischen, biochemischen und biologischen Prozesse und Umsetzungen sollen durch anthropogene Einflüsse nicht beeinträchtigt werden;

d) atmosphärische Depositionen sollen weiterhin über die natürliche Grundwasserüberdeckung abgehalten, abgebaut oder abgepuffert werden, damit sie nicht ins Grundwasser gelangen können.

........

Übergangsbestimmung

§ 7. Für jene Gebiete (§ 3), die gemäß der Verordnung über ein regionales Raumordnungsprogramm Wien-Umland, LGBl. Nr. 8000/77- 1, als Eignungszonen für die Gewinnung von Sand und Kies ausgewiesen wurden und für die der Abbau in Form von Nassbaggerungen als zulässig bezeichnet wurde, gilt:

Auf Flächen, für die entweder die Widmungsart Materialgewinnungsstätte im jeweiligen örtlichen Raumordnungsprogramm bis zum In-Kraft-Treten dieser Verordnung verbindlich festgelegt wurde oder für die innerhalb der Eignungszonen bis zum 1. März 2001 ein wasserrechtliches Verfahren anhängig gemacht wurde, gilt hinsichtlich § 5 Abs. 1 Folgendes:

§ 5 Abs. 1 lit. a findet keine Anwendung, die lit. d findet mit der Maßgabe Anwendung, dass atmosphärische Depositionen aus der unmittelbaren Umgebung durch geeignete Maßnahmen weitgehend abgehalten werden."

Dass eine "Nassbaggerung" (auch) im spezifischen Sinn des § 2 Z. 1 der Rahmenverfügung Tullnerfeld geplant ist, ist unstrittig.

Ebenso unstrittig ist, dass sich das Vorhaben in einem wasserwirtschaftlichen Vorranggebiet für die Trinkwasserversorgung nördliches Tullnerfeld im Sinne des § 3 Abs. 2 der Rahmenverfügung befindet.

Der Beschwerdeführer meint aber, es fänden nicht die Bestimmungen des § 5 der Rahmenverordnung Anwendung, weil ein Fall der Übergangsbestimmung des § 7 leg. cit. vorliege.

Diese Auffassung ist unzutreffend.

Es kann dahingestellt bleiben, ob für den Beschwerdeführer überhaupt etwas zu gewinnen wäre, wenn auf sein Vorhaben die Übergangsbestimmung des § 7 der Rahmenverfügung anzuwenden wäre. Sie findet aber ohnedies keine Anwendung.

Voraussetzung für eine Anwendung des § 7 der Rahmenverfügung ist, dass die Nassbaggerung in einem Gebiet vorgenommen werden soll, das gemäß der Verordnung über ein regionales Raumordnungsprogramm Wien-Umland, LGBl. Nr. 8000/77-1, als Eignungszonen für die Gewinnung von Sand und Kies ausgewiesen und für die der Abbau in Form von Nassbaggerungen als zulässig bezeichnet wurde.

Der Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass es sich bei den in Rede stehenden Grundstücken nicht um ein solches Gebiet handelt, tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen.

Dass die Grundstücke, auf denen das Nassbaggerungsvorhaben durchgeführt werden soll, im Flächenwidmungsplan als Kiesabbaugebiet eingetragen sind, ist angesichts des Umstandes, dass sie sich nicht in einer Eignungszone der Verordnung LGBl. Nr. 8000/77-1 finden, ohne Bedeutung.

Ebenfalls ohne Bedeutung ist die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verordnung über ein sektorales Raumordnungsprogramm für die Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe vom 29. Dezember 1998. Bei dieser vom Beschwerdeführer hinsichtlich ihrer Fundstelle nicht näher konkretisierten Verordnung handelt es sich offenbar um die auf Grund des § 3 Abs. 1 des niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes 1976 erlassene Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 15. Dezember 1998 über ein sektorales Raumordnungsprogramm für die Gewinnung grundeigener mineralischer Rohstoffe, LGBl. Nr. 8000/83-0.

Die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 Z. 1 und des § 2 Abs. 2

dieses Raumordnungsprogrammes lauten:

"§ 2 Abbauregelungen

(1) Der Abbau von grundeigenen mineralischen Rohstoffen ist wie folgt geregelt:

1. Im Geltungsbereich des Regionalen Raumordnungsprogrammes Wien Umland, LGBl. 8000/77-1, ist außerhalb der in der Anlage 2 zum Regionalen Raumordnungsprogramm Wien-Umland festgelegten Eignungszonen sowie in den Eignungszonen Nummer 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 und 10 und außerhalb der in der Anlage 3 zum Regionalen Raumordnungsprogramm Wien-Umland festgelegten erweiterungsfähigen Standorte ein Abbau unzulässig.

.......

(2) Bergbauberechtigungen, Aufschluß- und Abbaupläne sowie Abbaugenehmigungen im Sinne des Berggesetzes 1975, BGBl. 259 i. d.F. BGBl. 219/1996, werden durch Abs. 1 nicht berührt."

Diese Verordnung und insbesondere ihr § 2 Abs. 2, auf den sich der Beschwerdeführer beruft, ist für die Frage der Anwendung des § 7 der Rahmenverfügung Tullnerfeld schon deswegen bedeutungslos, weil sie nichts daran ändert, dass die geplanten Nassbaggerungsflächen nicht - wie von § 7 der Rahmenverfügung gefordert - in einer in der Anlage 2 zum Regionalen Raumordnungsprogramm Wien-Umland festgelegten Eignungszone liegen.

Durch die Rahmenverfügung Tullnerfeld wurde für die Vollziehung bindend angeordnet, dass u.a. die verfahrensgegenständlichen Grundstücke wasserwirtschaftliche Vorranggebiete für die Trinkwasserversorgung sind und es wurden weiters Bestimmungen für Nassbaggerungen festgelegt. Angesichts dieser Festlegungen in der Verordnung bleibt für eine Prüfung, ob das gegenständliche Gebiet überhaupt für weitere Trinkwasseraufschließungen geeignet ist, ob andere Nassbaggerungen bewilligt wurden und welche Auswirkungen eine Nassbaggerung auf das Trinkwasser hat, im ersten Schritt der Prüfung, der die Frage zum Gegenstand hat, ob ein Vorhaben mit einer wasserwirtschaftlichen Rahmenverfügung im Widerspruch steht, kein Raum. Solche Gesichtspunkte könnten allenfalls in der nächsten Prüfungsstufe, nämlich, wenn es darum geht, ob ein Vorhaben trotz Widerspruchs zur Rahmenverfügung wegen überwiegender öffentlicher Interessen bewilligt werden kann, eine Rolle spielen. Diese Prüfung hat aber im vorliegenden Fall gar nicht mehr stattzufinden, weil öffentliche Interessen nicht zu ersehen sind.

Wie sich aus dem Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen ergibt, ließe sich das Vorhaben des Beschwerdeführers ohne Verstoß gegen § 5 der Rahmenverfügung nicht verwirklichen. Somit steht das Projekt der Nassbaggerung im Widerspruch zur Rahmenverfügung.

Dass die Anordnungen im § 5 der Rahmenverfügung Tullnerfeld in die Form einer Soll-Vorschrift gekleidet sind, ändert daran nichts. Auch eine Soll-Vorschrift hat normativen Charakter. Ihre konkrete Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhang, in den sie eingebettet ist. Dies ist im Fall der Rahmenverfügung der Zusammenhang mit § 54 Abs. 3 WRG 1959, der auf Widersprüche eines Vorhabens zu einer Rahmenverfügung abstellt. Ein solcher Widerspruch liegt (auch) vor, wenn ein Vorhaben den Soll-Vorschriften der Rahmenverfügung widerspricht.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 24. Februar 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005070002.X00

Im RIS seit

22.03.2005

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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