TE OGH 1953/1/8 1Ob1032/52

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Veröffentlicht am 08.01.1953
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Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §482
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1284
Exekutionsordnung §291
Exekutionsordnung §293
Lohnpfändungsverordnung §3
Lohnpfändungsverordnung §4 Abs1 Z2
Reichspachtschutzordnung §1

Kopf

SZ 26/6

Spruch

§ 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung setzt Versorgungsansprüche des Übergebers einer Landwirtschaft oder des weichenden Erben oder des überlebenden Ehegatten gegen den Übernehmer voraus, nicht aber des Übergebers eines Siedlungshauses mit Garten.

Ein bloß vertraglicher Unterhaltsanspruch, der als Entgelt für eine veräußerte Liegenschaft eingeräumt wurde, ist pfändbar (§ 4 Abs. 1 Z. 2 und 3 Lohnpfändungsverordnung).

Entscheidung vom 8. Jänner 1953, 1 Ob 1032/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Nach dem Klagsvorbringen stand der Klägerin gegen die Stadtgemeinde V. auf Grund des Siedlungsvertrages vom 14. Juni 1933 der Anspruch auf Übereignung der Siedlerstelle in V., S.straße 21, zu und hat sie mit Vertrag vom 20. Jänner 1950 diesen Anspruch samt allen damit verbundenen Rechten unwiderruflich auf die Beklagte übertragen, wogegen diese als Entgelt an die Klägerin den Betrag von 6000 S bezahlte, ferner ihr auf Lebensdauer das Wohnungsrecht an einem Zimmer und einer Küche in der Mansarde des Hauses, S.straße 21, einräumte, sich zur unentgeltlichen Beistellung von elektrischem Licht und Wasser verpflichtete, der Klägerin das Mitbenützungsrecht am halben Keller, der halben Holzlage und das alleinige Benützungsrecht am halben südseitig gelegenen Gartenteil, weiters den Anspruch auf die halbe Obst- und Beerenernte vom ganzen Garten, das Recht auf Haltung von zehn Hühnern und Unterbringung dieser im halben Kellerabteil einräumte und sich schließlich zur Gewährung der vollständigen freien Verpflegung am Tische des Hauses oder nach Wahl der Klägerin zur Zahlung von 100 S monatlich verpflichtete.

Die Klägerin, die die Zahlung des Verpflegungsgeldes gewählt hat, begehrt nun unter Ausdehnung des Klagebegehrens die Bezahlung von 100 S monatlich für die Zeit von April bis einschließlich Juli 1952 und der Zustellungsgebühr für 70 Überweisungen a 0.70 S, somit insgesamt von 411.90 S.

Das Erstgericht hat mit Urteil vom 15. Juli 1952 der Klägerin lediglich den Betrag von 11.90 S s. A. zugesprochen und das Mehrbegehren mit der Begründung abgewiesen, daß die Streitteile vereinbart haben, daß die Beklagte die Verpflegsgelder von monatlich 100 S, statt sie an die Klägerin zu bezahlen, zurückbehalte und an die Rechtsanwaltskanzlei Dr. P. zur Abdeckung der Prozeßkosten aus dem Räumungsstreite zwischen denselben Parteien bezahle.

Das Berufungsgericht hat dagegen mit dem angefochtenen Urteil in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung der Klägerin auch den Betrag von 400 S mit der Begründung zugesprochen, die vom Erstgericht festgestellte Vereinbarung betreffe die Aufrechnung gegen die der Beklagten zustehende Kostenersatzforderung; es handle sich jedoch um Auszugsrechte der Klägerin, die gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung nur bedingt pfändbar, d. h. grundsätzlich unpfändbar seien; nach § 293 Abs. 3 EO. sei jede Aufrechnung gegen die der Exekution entzogene Forderung ausgeschlossen. Abgesehen davon, daß das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Lohnpfändungsverordnungvon der Beklagten gar nicht behauptet worden sei, seien diese Voraussetzungen auch nicht gegeben, denn nach § 4 Abs. 2 Lohnpfändungsverordnung könne ein Auszug nur dann als pfändbar angesehen werden, wenn er sehr hoch sei, so daß er über den reinen Unterhaltszweck hinausgehe. Die Summe der sonstigen Ausgedingsrechte der Klägerin unter Hinzuzählung ihrer Renten und des Betrages von 100 S monatlich sei nicht mehr, als zum anständigen Unterhalt erforderlich sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge und stellte das erstgerichtliche Urteil wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es kann die Meinung des Berufungsgerichtes nicht geteilt werden, daß es sich im vorliegenden Falle um Leistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung handelt. Aus § 4 Abs. 1 Z. 2 Lohnpfändungsverordnung ergibt sich, daß Unterhaltsrenten, die nicht auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, keineswegs nach § 4 Abs. 1 Lohnpfändungsverordnung unpfändbar sind. Wird z. B. eine Liegenschaft gegen eine Leibrente oder gegen Übernahme einer Unterhaltspflicht veräußert, so ist eine solche Rente keineswegs nach § 4 Abs. 1 Lohnpfändungsverordnung der Exekution entzogen (vgl. Jonas - Stagel, Lohnpfändungsverordnung, S. 25). Der Zweck der Sicherung des Unterhaltes ist demnach allein für die Unpfändbarkeit nicht ausschlaggebend. Wenn § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung fortlaufende Einkünfte, die der Schuldner auf Grund eines Altenteils- oder Auszugsvertrages bezieht, für unpfändbar erklärt, so kann es nicht bloß darauf ankommen, daß sich der Veräußerer einer Sache z. B. irgendeiner Liegenschaft als Entgelt Rechte und Ansprüche einräumen läßt, wie sie sonst bei Ausgedingsverträgen vorkommen, sondern sollten damit offenbar nur die fortlaufenden Leistungen aus Ausgedingsverträgen zwischen solchen Personen exekutionsfrei gestellt werden, unter denen solche üblicherweise abgeschlossen werden, nämlich Versorgungsansprüche des Übergebers einer Landwirtschaft oder des weichenden Erben oder des überlebenden Ehegatten gegen den Übernehmer (vgl. Jonas - Stagel, a. a. O.). Von der herrschenden Lehre wird unter Ausgedinge, Auszug, Ausnahme, Altenteil die auf einem Bauerngute ruhende dingliche Verpflichtung zu Natural-, Geld- und Arbeitsleistungen zum Zwecke des Unterhaltes des früheren Eigentümers verstanden (vgl. Klangs Kommentar, 2. Aufl., zu § 530, S. 624, Ehrenzweig, System, Obligationsrecht 1928, S. 567). Demnach kann es im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung nicht als hinreichend erachtet werden, daß es sich um fortlaufende Leistungen handelt, wie sie sonst in Auszugs- und Altenteilsverträgen üblicherweise vorkommen, sondern wird vielmehr entscheidend sein, daß es sich wirklich um Ausgedingsleistungen handelt. Durch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung sollte offensichtlich der Übergeber einer Landwirtschaft, der damit seine Existenzgrundlage verloren hat, begünstigt werden, ebenso wie § 291 EO. in der geltenden Fassung bloß die Naturalvergütungen der Arbeitnehmer in einem landwirtschaftlichen Betriebe der Pfändung entzieht, nicht aber Ansprüche auf Naturalleistungen im allgemeinen. Mag nun selbst unter Landwirtschaft in Übereinstimmung mit § 1 Abs. 3 Reichspachtschutzordnung auch der Erwerbsgartenbau zu verstehen sein, so kann doch von einer Landwirtschaft auch in diesem Sinne hier keine Rede sein, falls es sich bloß um ein Siedlungshaus mit Garten handelt, wenn selbst Gartenprodukte verkauft werden, um ein gewisses Nebeneinkommen zu erzielen. Nach dem Klagsvorbringen handelt es sich um ein Siedlungshaus mit Garten. Die Klägerin hat auch im erstinstanzlichen Verfahren nie behauptet, daß es sich um eine Landwirtschaft handelt und hat auch nicht vorgebracht, daß die von der Beklagten behauptete Vereinbarung nach dem § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung und § 293 EO. unwirksam sei, sondern hat sich auf die Behauptung beschränkt, daß es sich um einen Unterhaltsanspruch handle. Ein bloß vertraglicher Unterhaltsanspruch, der als Entgelt für eine veräußerte Liegenschaft eingeräumt wurde, ist jedoch, wie sich aus § 4 Abs. 1 Z. 2 und 3 Lohnpfändungsverordnung ergibt, keineswegs unpfändbar. Da es sich nach dem Klagsvorbringen bloß um eine Siedlerstelle handelt und die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren weder das Vorliegen einer Landwirtschaft, noch die Unwirksamkeit der Vereinbarung im Sinne des § 293 EO. in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung behauptet hat, bestand auch kein Anlaß, zu erheben, ob etwa doch echte Ausgedingsleistungen im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung vorliegen. Übrigens handelt es sich nach dem Klagsvorbringen auch nicht um verbücherte (dingliche) Rechte. Der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die vom Erstgericht festgestellte Vereinbarung gemäß § 293 EO. und § 4 Abs. 1 Z. 3 Lohnpfändungsverordnung unwirksam sei, kann somit nicht geteilt werden, vielmehr ist die Vereinbarung als wirksam anzusehen. Da das Berufungsgericht die erstrichterlichen Feststellungen über den Abschluß und Inhalt der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarung übernommen hat, und in der Vereinbarung in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht eine Aufrechnung zu erblicken ist, hat das Erstgericht mit Recht das Klagebegehren hinsichtlich der begehrten Verpflegungsbeträge abgewiesen.

Daher war der Revision Folge zu geben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Anmerkung

Z26006

Schlagworte

Ausgedinge, Pfändbarkeit, Forderungspfändung, Ausgedinge, Leibrente, Pfändbarkeit, Liegenschaft, Veräußerung gegen Leibrente, Pfändbarkeit, Pfändbarkeit, Ausgedinge, Rentenkauf, Pfändbarkeit der Leibrente, Unterhalt vertraglicher -, Pfändbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0010OB01032.52.0108.000

Dokumentnummer

JJT_19530108_OGH0002_0010OB01032_5200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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