TE OGH 1953/10/28 3Ob498/53 (3Ob686/53)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.10.1953
beobachten
merken

Norm

Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §276
Prokuraturgesetz §1 Abs1
Prokuraturgesetz §2 Abs1 Z2
Verwaltergesetz 1946 §6

Kopf

SZ 26/259

Spruch

Keine Befugnis der Finanzprokuratur zum Einschreiten in einem Kuratelsverfahren, wenn ein Kurator für ein angeblich nicht existierendes Rechtssubjekt bestellt wird.

Keine Vertretungsbefugnis der Finanzprokuratur hinsichtlich der unter öffentlicher Verwaltung stehenden Unternehmungen.

Entscheidung vom 28. Oktober 1953, 3 Ob 498, 686/53.

I. Instanz: Bezirksgericht St. Johann i. Pongau; II. Instanz:

Landesgericht Salzburg.

Text

Das Erstgericht bestellte auf Antrag des Ehepaares Adolf und Rosa S. mit dem Beschluß vom 15. September 1952, P 201/52-3, gemäß § 276 ABGB. für die Firma S. Holzwerke AG. den Sparkassendirektor a. D. Richard L. zum Kurator. Dieser Beschluß wurde dem Rechtsanwalt Dr. K. als dem mit Vollmacht ausgewiesenen Machthaber der Antragsteller, dem Kurator Richard L., dem Dr. Josef H. als dem "öffentlichen Verwalter der S. Holzwerke AG." und dem Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau, Abteilung öffentliche Verwaltungen, zugestellt. Von diesen wurde nach der Aktenlage ein Rechtsmittel nicht erhoben. Ein gegen den erwähnten Beschluß von Rechtsanwalt Dr. Hans A., als dem zur Geltendmachung von Rückstellungsansprüchen gemäß § 276 ABGB. für die Vereinigten St. und S.Holzwerke AG. bestellter Kurator (Beschluß des Bezirksgerichtes St. Johann i. P. vom 26. Feber 1948, P 36/48) ergriffener Rekurs wurde mangels Rekurslegitimation zurückgewiesen. Am 27. April 1953 erwirkte die Finanzprokuratur die Zustellung des mehrerwähnten Beschlusses des Bezirksgerichtes St. Johann i. P. vom 15. September 1952 und erhob dagegen unter Berufung auf § 1 Abs. 3 des ProkG., StGBl. Nr. 172/45, Rekurs, wobei sie eine Verletzung des öffentlichen Interesses in dem Versuch erblickte, die handlungsbefugten Organe einer Aktiengesellschaft (gemeint ist die Vereinigte St. und S. Holzwerke AG.) durch Bestellung eines Kurators für einen überhaupt nicht vorhandenen Kuranden zu umgehen.

Über Antrag des Kurators Richard L. ordnete das Erstgericht mit Beschluß vom 21. März 1953, P 201/52-10, zwecks Feststellung des Vermögens der Firma S. Holzwerke AG. die Inventarisierung und Schätzung des Vermögens dieser Firma, "wozu insbesondere die Liegenschaften EZ. 60, 118, 131, 141, 244, 303 und 242 zur Hälfte des Grundbuches St. J., ferner die EZ. 156 und 157 des Grundbuches R. und EZ. 157 und 159 des Grundbuches P. gehören" und die gleichzeitige Einführung des Kurators an. Gegen diesen Beschluß erhob der durch Rechtsanwalt Dr. Hans A. vertretene öffentliche Verwalter Josef C. der Vereinigten St. und S. Holzwerke AG. Rekurs.

Das Rekursgericht gab beiden Rekursen Folge. Auf den Rekurs der Finanzprokuratur änderte es den erstrichterlichen Beschluß vom 15. September 1952 dahin ab, daß der Antrag der Antragsteller Adolf und Rosa S. auf Bestellung eines Kurators gemäß § 276 ABGB. für die S. Holzwerke AG. abgewiesen wurde. Über Rekurs des öffentlichen Verwalters Josef C. hob es den erstrichterlichen Beschluß vom 21. März 1953, ONr. 10, auf.

In den Gründen seiner Entscheidung führte das Rekursgericht aus:

Im Handelsregister sei nur die Firma Vereinigte St. und S. Holzwerke AG. und nicht eine Firma S. Holzwerke AG. eingetragen. Nach § 34 AktG. sei für Aktiengesellschaften die Eintragung in das Handelsregister konstitutiv. Infolgedessen bestehe eine Firma S. Holzwerke AG. nicht. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß diese Firma noch als Eigentümerin ob dem Liegenschaftsbesitz im Grundbuch eingetragen ist, weil für ihre rechtswirksame Existenz das Handelsregister und nicht das Grundbuch maßgebend sei. Wenn ein Kurator nach § 276 ABGB. für ein Rechtssubjekt bestellt werden soll, setze dies voraus, daß dieses Rechtssubjekt überhaupt existiere. Die Einschreitebefugnis der Finanzprokuratur erachtete das Rekursgericht gemäß § 1 Abs. 3 ProkG. alsgegeben, da durch die Bestellung eines Kurators für ein nicht existierendes Rechtssubjekt der staatliche Behördenapparat für einen Leerlauf in Anspruch genommen werde. Daraus ergeben sich auch Kollisionen mit bestehenden Rechten, wie der vorliegende Fall selbst zeige, wo der bestellte Kurator den der Firma Vereinigte St. und S. Holzwerke AG. gehörigen Liegenschaftsbesitz für die nicht mehr existierende Firma S. Holzwerke AG. in Anspruch nehme. Die Tatsache, daßdie Firma Vereinigte St. und S. Holzwerke AG. unter öffentlicher Verwaltung stehe, unterstreiche das öffentliche Interesse. Es sei infolgedessen die in § 1 Abs. 3 des ProkG. aufgestellte Voraussetzung, daß der Schutz öffentlicher Interessen das sofortige Einschreiten der Finanzprokuratur erfordere, zu bejahen und ihr daraus die Einschreitebefugnis zuzuerkennen. Durch die Abweisung der beantragten Kuratorbestellung für die S. Holzwerke AG. von Anbeginn verliere der zweite angefochtene Beschluß seine Grundlage, weil er über Antrag des Kurators ergangen sei und in seiner Existenz einen rechtswirksam bestellten Kurator zur Voraussetzung habe.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragsteller teilweise Folge und wies den Rekurs der Finanzprokuratur gegen den erstgerichtlichen Beschluß zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof vermag die Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Finanzprokuratur als Repräsentant öffentlicher Interessen im gegenständlichen Fall zum Einschreiten befugt sei, nicht zu teilen. Gemäß § 1 Abs. 3 des ProkG. kann die Finanzprokuratur zum Schutz öffentlicher Interessen vor den Gerichten und Verwaltungsbehörden nur dann einschreiten, wenn sie hiefür entweder von der zuständigen Behörde in Anspruch genommen wird oder die Dringlichkeit des Falles ihr sofortiges Einschreiten erfordert. Diese Voraussetzungen können im vorliegenden Falle nicht als gegeben angesehen werden. Durch die Bestellung eines Kurators für ein angeblich nicht bestehendes Rechtssubjekt werden Interessen, die aus öffentlichen Rücksichten oder aus Gründen des Allgemeinwohls schutzbedürftig wären, nicht berührt. Der Leerlauf, der sich aus einer unzulässigen Inanspruchnahme des Behördenapparates durch die Parteien oder durch fehlerhafte Entscheidungen der Behörden ergibt, muß in Kauf genommen werden. Dagegen gibt es von vornherein keinen wirksamen Schutz. Wollte man der Finanzprokuratur unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses gestatten, gegen einen solchen Leerlauf jederzeit einzuschreiten, dann hieße dies in Wahrheit, ihr eine Kontrolle des Behördenapparates einzuräumen, was aber nicht im entferntesten in der Absicht der Bestimmung des § 1 Abs. 3 ProkG. gelegen ist.

Es zeigt sich somit, daß die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Finanzprokuratur nicht gegeben sind, weshalb ihr Rekurs zurückgewiesen werden mußte.

Hingegen ist die Rekurslegitimation der Vereinigten St. und S. Holzwerke AG. anzuerkennen.

Aus dem vorliegenden Handelsregisterauszug des Landes- als Handelsgerichtes Salzburg ergibt sich, daß die Firma "S. Holzwerke Aktiengesellschaft" im Jahre 1944 in "Vereinigte St. und S. Holzwerke Aktiengesellschaft" geändert wurde. Wenn daher der Erstrichter für die S. Holzwerke AG. einen Kurator bestellte, so hat er in Wahrheit einen solchen für die Vereinigte St. und S. Holzwerke AG. bestellt, da eine Firma nur ein Name ist. Dadurch wird aber in die Interessensphäre der Vereinigten St. und S. Holzwerke AG. eingegriffen, weshalb ihr schon aus diesem Grund die Rekurslegitimation zugestanden werden muß (§ 9 AußstrG.).

Die Meinung des Revisionsrekurses, daß die Vereinigte St. und S. Holzwerke AG., weil für sie ein öffentlicher Verwalter, also ein in § 2 Abs. 2 (gemeint ist § 2 Abs. 1 Z. 2) ProkG. genanntes staatliches Organ bestellt sei, ausschließlich von der Finanzprokuratur vertreten werde, ist verfehlt. Die Vereinigte St. und S. Holzwerke AG. ist als solche im Handelsregister eingetragen und genießt Rechtspersönlichkeit. Sie wird nicht von staatlichen Organen unmittelbar verwaltet (§ 2 Abs. 1 Z. 2 ProkG.). Durch die Bestellung eines öffentlichen Verwalters, der gemäß § 6 des VerwG. 1952 (BGBl. Nr. 100/53) alle Rechte und Pflichten der Organe der Aktiengesellschaft auszuüben und die Gesellschaft nach außen hin zu vertreten hat, ist nur die Vertretungsbefugnis gesetzlich anders geregelt worden. Es ist daher der Verwalter befugt, rechtswirksam dritte Personen mit seiner Vertretung zu betrauen, was im vorliegenden Fall durch die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. Hans A. geschehen ist. Eine Vertretungsbefugnis der Finanzprokuratur gemäß § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z. 2 ProkG. ist nicht gegeben.

Mit Recht erachtet sich aber die Vereinigte St. und S. Holzwerke AG. durch den Beschluß des Erstrichters vom 21. März 1953, ONr. 10, beschwert, der trotz Vorhandenseins eines vertretungsbefugten Organs die Einführung des Kurators und zugleich die Inventierung und Schätzung von Vermögen anordnet, das sich im Eigentum der Vereinigten St. und S. Holzwerke AG. befindet. Da die "Vereinigte" durch ihre ordnungsgemäßen Organe vertreten ist, so besteht kein Anlaß, einen Kurator, der enthoben werden muß, in den Betrieb einzuführen, und die mit der Einführung eines Kurators verbundenen Störungen des Betriebes zu veranlassen. Der Beschluß des Rekursgerichtes ist daher in diesem Punkte im Ergebnis zutreffend.

In diesem Punkt war daher dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage wird der Erstrichter nunmehr die amtswegige Enthebung des von ihm durch Beschluß vom 15. September 1952 für die S. Holzwerke AG. bestellten Kurators zu erwägen haben.

Anmerkung

Z26259

Schlagworte

Finanzprokuratur, Kuratelverfahren, Kuratelverfahren, Finanzprokuratur, Kurator, Finanzprokuratur, Öffentliche Verwaltung, Finanzprokuratur, Unternehmen, unter öffentlicher Verwaltung, Finanzprokuratur, Verwaltung, öffentliche -, Finanzprokuratur

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1953:0030OB00498.53.1028.000

Dokumentnummer

JJT_19531028_OGH0002_0030OB00498_5300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten