TE OGH 1955/11/23 7Ob469/55

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Veröffentlicht am 23.11.1955
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Bernard als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser, Dr. Sabaditsch und Dr. Turba sowie den Rat des Oberlandesgerichtes Dr. Lachout als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1.) Christian M*****, 2.) Juliane K*****, 3.) Valentin M*****, 4.) Paul M*****, 5.) Barbara H*****, alle vertreten durch Dr. Georg Deutschbein, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei: Anton M*****, vertreten durch Dr. Hans Schneditz, Rechtsanwalt in Völkermarkt, wegen restlich 7.062 S sA, infolge Revision der klagenden Partei Barbara H***** gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11. August 1955, GZ 2 R 149/55-34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 31. Mai 1955, GZ 13 Cg 99 u - 100 - 103/54-28, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin Barbara H***** ist schuldig, dem Beklagten die mit S 588,56 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Kinder der am 25. 2. 1951 ohne Hinterlassung eines Testamentes verstorbenen Juliane M*****. Diese übergab dem Beklagten am 8. 6. 1946 ihren Hof um den Übergabspreis von 15.500 S. Im Übergabsvertrag wurde außer den der Übergeberin zu erbringenden Leistungen die Einräumung eines Wohnungsrechtes für den Viertkläger und die Bezahlung einer Erbteilsforderung von je 1.000 S an die Kläger 1.) bis 3.) vereinbart.

Die Klägerin Barbara H*****, eine ae. Tochter der Übergeberin, wurde in dem Übergabsvertrag überhaupt nicht erwähnt. Der nach dem Tode der Übergeberin vorhandene geringfügige Nachlass wurde dem Kläger Valentin M***** infolge Verzichtes der anderen Kläger zu seinen Gunsten eingeantwortet.

In dem vorliegenden Rechtsstreit machten die Kläger Pflichtteilsansprüche in der Höhe von je 8.000 S geltend, die Kläger

1.) bis 3.) abzüglich der ihnen bereits geleisteten Zahlungen von je 1.000 S und der Kläger Paul M***** abzüglich 1.000 S für das ihm eingeräumte Wohnrecht.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es nahm einen Verzicht der Kläger auf weitergehende Erbteilsforderungen als gegeben an und stellte im Übrigen fest, dass bei Nichtannahme des Verzichtes nur die Klägerin Barbara H***** berechtigt sei, einen Pflichtteilsanspruch in der Höhe von 938 S zu erheben, während die Pflichtteilansprüche der anderen Kläger in der gleichen Höhe durch die ihnen gewährten Leistungen bereits abgegolten seien. Zu dieser Feststellung gelangte das Erstgericht durch die Annahme eines Hofwertes zur Zeit der Übergabe von 17.860 S; abzüglich der Auszugleistung für Juliane M***** im Werte von 6.600 S verbleibe ein reiner Hofwert von 11.260 S, dieser ergebe eine Pflichtteilsforderung von je 938 S.

Das Berufungsgericht trat der Ansicht des Erstgerichtes, dass den von den Klägern im Verlassenschaftsverfahren abgegebene Erklärung die Bedeutung dieses Verzichtes auf ihre Pflichtteilsforderungen beizumessen sei, nicht bei, erklärte aber gleich dem Erstgericht den Wert des Hofes zur Zeit der Übergabe für entscheidend. Es übernahm die Feststellung, dass dieser Hofwert 17.860 S betragen habe und gelangte demgemäß zum Zuspruch eines Betrages von 938 S an die Klägerin Barbara H***** und im Übrigen zur Bestätigung des Ersturteils.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von der Klägerin Barbara H***** aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrage auf Abänderung des Urteiles im Sinne der Klage oder Aufhebung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht begründet.

Es kann allerdings der Ansicht der Untergerichte nicht beigepflichtet werden, dass auf den vorliegenden Fall das Gesetz vom 16. 9. 1903, LGBl f. Kärnten Nr. 33 anwendbar sei. Dieses Gesetz ist nur anzuwenden, wenn auf Grund gesetzlicher Erbfolge, in gewissen Fällen auch auf Grund testamentarischer oder vertragsmäßiger Erbfolge die Rechtsverhältnisse hinsichtlich eines Erbhofes zu regeln sind. Hat hingegen der Erblasser den Hof schon zu Lebzeiten übergeben, wozu er gemäß § 5 Abs 1 des Gesetzes jederzeit berechtigt war, ist für die Anwendung des Gesetzes kein Raum (Roth, NotZtg 1949, S 155, SZ XIX/128).

An der Richtigkeit der rechtlichen Beurteilung der Streitsache durch die Untergerichte ändert sich hiedurch jedoch im Ergebnis nichts, weder soweit die rechtliche Beurteilung die Grundsätze der Wertermittlung, noch soweit sie den für diese Ermittlung maßgebenden Zeitpunkt betrifft.

Bei der Untersuchung der Frage, welche von dem Übernehmer eines Hofes zu erbringende Gegenleistung als angemessen zu bezeichnen ist, ist immer von der im § 9 des zitierten Gesetzes niedergelegten Regel auszugehen, dass diese Gegenleistung nur so hoch sein darf, dass "der Übernehmer wohl bestehen kann". Dieser Grundsatz ist auch in den Fällen, in denen Landesgesetze, die auf Grund des Gesetzes vom 1. 4. 1889, RGBl Nr 52 erlassen wurden, keine Anwendung finden, stets zu beachten, weil es sich hiebei um altes bäuerliches Gewohnheitsrecht handelt (SZ XIX/128, SZ XXVI/64). Insoferne die Revisionswerberin aber darzutun versucht, dass auch unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes der von den Untergerichten angenommene Wert des Hofes seinem damaligen wahren Werte nicht entspräche, ergibt sie sich auf das dem Revisionsverfahren verschlossene Gebiet der Beweiswürdigung. Die Rechtsansicht der Untergerichte, dass für die Berechnung des Wertes des Hofes der Zeitpunkt der Übergabe maßgebend sei, findet ihre Grundlage in den Bestimmungen der §§ 785 und 794 ABGB. Wohl ist es richtig, dass in Lehre und Rechtsprechung vielfach bei der Anrechnung von Vorausempfängen die Berücksichtigung der Geldentwertung gefordert wird (s insbesondere Klang, 3. Band S 952, Graschopf, NotZtG 1934 S 199, SZ X/261). Aber ein allgemein gültiger Rechtssatz, ob und in welchem Ausmaße Geldentwertungen zu berücksichtigen sind, lässt sich hier nicht aufstellen. Es ist, worauf die zitierte Judikatur und Rechtsprechung hinweisen, in jedem einzelnen Fall zu prüfen, inwieweit die im Gesetz (§§ 785 ff ABGB) verordnete Gleichstellung aller Kinder die Berücksichtigung einer eingetretenen Geldentwertung erfordert. Voraussetzung ist dabei, dass die durch die Geldentwertung herbeigeführte Beeinträchtigung eines Kindes gegenüber den anderen Erben eines wesentliche ist. Dies lässt sich im vorliegenden Falle nicht sagen. Es darf nicht verkannt werden, dass die Übergabe der Liegenschaft an den Beklagten kein Geschenk war, sondern im Wege eines entgeltlichen Geschäftes erfolgte, bei dem der Beklagte beträchtliche Gegenleistungen erbringen musste. Ein Geschenk lag nur insoferne vor, als der unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass der Übernehmer wohl bestehen könne, ermittelte damalige Wert der Liegenschaft den Wert der vom Beklagten erbrachten Gegenleistungen überstiegen hat. Dieser Überschuss betrug, wenn man die Barleistungen an die Kläger 1.) bis

3.) und das mit 2.400 S geschätzte Wohnrecht des Viertklägers berücksichtigt, 5.860 S. Diesen Betrag hat sich der Beklagte an Gegenleistung für diese Liegenschaft erspart, dieser Betrag und nicht die Liegenschaft stellt in Wahrheit das Geschenk der Erblasserin an den Beklagten dar. Eine Aufwertung dieses Betrages zugunsten der Kläger 1.) bis 4.) käme keinesfalls in Frage. Denn die Kläger müssten, wenn sie Aufwertung des Überschusses begehren, sich auch die Aufwertung ihrer auf Rechnung des Erbteiles im Sinne des Übergabsvertrages erhaltenen Beträge gefallen lassen. Außerdem besteht dort kein Anlass, der Frage nach der Berechtigung einer im Wortlaut des § 794 ABGB keine Grundlage findenden Aufwertung näherzutreten, wo der Erblasser durch Übergabe der Liegenschaft und Verpflichtung des Übernehmers zur Auszahlung von Erbteilen die Erbteilung schon bei Lebzeiten vorgenommen hatte, soferne durch die ausgemessenen und dann auch wirklich ausgezahlten Erbteile die Pflichtteilsrechte der weichenden Erben, berechnet nach dem Werte des übergebenen Hofes zur Zeit der Übergabe, befriedigt wurden. Zu prüfen ist nur die Frage, inwieferne die Zuerkennung eines aufgewerteten Pflichtteiles an die Revisionswerberin deshalb in Erwägung gezogen werden könnte, weil diese im Übergabsvertrag überhaupt nicht bedacht wurde und bisher nichts erhalten hat. Aber auch die Frage ist zu verneinen, weil von einer infolge Geldentwertung eingetretenen wesentlichen Benachteiligung der Revisionswerberin gegenüber den anderen weichenden Erben nicht gesprochen werden kann. Die im Kommentar Klang aaO zitierte Literatur und Rechtsprechung hat immer die Inflation nach dem ersten Weltkrieg im Auge, die in vielen Fällen zur Folge haben musste, dass bei Nichtberücksichtigung der Geldentwertung Vorausempfängen im Werte von hundert von Goldkronen Pflichtteilsansprüche in der Größenordnung von Groschenbeträgen gegenübergestanden wären. Ein Fall, der sich damit nur einigermaßen vergleichen ließe, liegt hier nicht vor. Wäre die Revisionswerberin zur Zeit des Abschlusses des Übergabsvertrages mit dem ihr zustehenden Pflichtteilsbetrag von 938 S bedacht worden und hätte sie diesen Betrag damals auch tatsächlich ausbezahlt erhalten, hätte sie Geld bekommen, mit dem sie die wenigen damals auf Karten erhältlichen Lebensmittel zu billigen Preisen, im Übrigen aber praktisch überhaupt nichts hätte kaufen können, weil außer den bewirtschafteten Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen eben nichts zu haben war. Hätte sie aber das Geld liegen lassen, oder hätte der Beklagte zur Zahlung ihres Pflichtteiles so wie im Falle der Klägerin Juliane K***** eine Frist erhalten, die es ihm ermöglicht hätte, den Pflichtteilsbetrag knapp vor Inkrafttreten des Währungsschutzgesetzes zu bezahlen, wäre dieser Betrag der Geldänderung im Sinne des Währungsschutzgesetzes durch Kürzung um zwei Drittel unterworfen worden. Es lässt sich also die Frage, ob die Revisionswerberin durch die Nichtberücksichtigung ihrer Pflichtteilsrechte bei der Übernahme des Hofes durch den Beklagten wirklich benachteiligt wurde, nicht eindeutig bejaht. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte überhaupt erst erwogen werden, ob eine Aufwertung des Anspruches der Klägerin, die sich keinesfalls auf den Wortlaut des Gesetzes, sondern im Wesentlichen nur auf Billigkeitserwägungen gründen könnte, in Frage käme.

Aus diesen Gründen war das angefochtene Urteil zu bestätigen. Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E73505 7Ob469.55

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1955:0070OB00469.55.1123.000

Dokumentnummer

JJT_19551123_OGH0002_0070OB00469_5500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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