TE OGH 1959/11/11 5Ob466/59

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Veröffentlicht am 11.11.1959
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kisser als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Turba, Dr. Lachout, Dr. Graus und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thea B*****, vertreten durch Dr. Otto Zimmeter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Prot. Firma Fritz E*****, 2.) Norbert R*****, 3.) Eugen Karl R*****, sämtliche vertreten durch Dr. Friedrich Marker, Rechtsanwalt in Wien, wegen Lire 466.100,-

(Streitwert S 19.487,64) infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. Juni 1959, GZ 1 R 248/59-13, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 23. März 1959, GZ 2 Cg 1805/58-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 906,54 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte die Beklagte zur ungeteilten Hand schuldig, der Firma „A*****" Parfums de Luxe in P*****, den Betrag von Lire 466.100,- zu bezahlen und der Klägerin die Prozesskosten zu ersetzen.

Es führe hiezu Folgendes aus:

Die Firma A***** habe der Klägerin mit Vertrag vom 16. 7. 1957 den Verkauf ihrer Erzeugnisse in Österreich übertragen, sie ermächtigt, alle zur Bereitung und Herstellung dieser Waren nötigen Arbeiten vorzunehmen und ihr die Lieferung der hiefür erforderlichen analkoholischen Kompositionen, Flacons, Phiolen, Etiketten, Schächtelchen usw. zugesagt.

Die Klägerin habe daraufhin mit der Erstbeklagten, deren persönlich haftende Gesellschafter die beiden anderen Beklagten sind, am 31. 7. 1958 vereinbart, dass sie ihr das Auslieferungslager und den Alleinverkauf der Parfumerieserien „S*****" und „A*****" für das österreichische Bundesgebiet übertrage. Die Einführung der Waren sollte zur Vermeidung einer doppelten Umsatzbesteuerung direkt an die Erstbeklagte erfolgen, hingegen oblag die Bestellung sowie die Besorgung der Einfuhrbewilligungen der Klägerin. Dieser sollte eine 10-%ige Beteiligung an allen diese beiden Parfumerieserien betreffenden Verkäufen zustehen. Deshalb sei ihr von jeder Warenlieferung eine Fakturenkopie zu übermitteln und sie sei auch berechtigt, die Warenbestände der Erstbeklagten hinsichtlich dieser beiden Serien zu überprüfen. Sollte die Klägerin der Erstbeklagten den Alleinverkauf wegen zu niedriger Umsätze entziehen, so sollte die vorhandene Roh-, Halb- und Fertigware sowie alles Reklamematerial zum nachweislichen Selbstkostenpreis abgelöst werden. Die einzelnen Fakturen sollten 60 Tage nach dem Eintreffen der Ware fällig sein. Auf Grund dieser Vereinbarung habe die Firma A***** der Erstbeklagten mehrfach Ware geliefert, die zum größten Teil bezahlt wurde, wenn auch vielfach verspätet und teilweise erst während des Prozesses. Die Zahlungen der Beklagten seien vereinbarungsgemäß direkt an die Firma A***** erfolgt. Der Klagsbetrag sei unbestrittenermaßen noch unberichtigt.

Nach den beiden Verträgen sei die Klägerin verpflichtet, der Firma A***** die gelieferten Waren zu bezahlen und könne dafür ihrerseits den noch offenen Kaufpreis von den Beklagten fordern. Es bestehe daher kein Bedenken dagegen, dass sie von den Beklagten die unmittelbare Bezahlung an die Firma A***** verlange. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Gegen seine Entscheidung richtet sich die auf die Gründe des § 503 Z 2 bis 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten, in der beantragt wird, das angerufene Urteil entweder dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde, oder das Urteil des Berufungsgerichtes sowie allenfalls auch das des Erstgerichtes aufzuheben und die Sache an eines der Untergerichte zurückzuverweisen. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Prozessentscheidend ist die Frage, ob der Klägerin gegen die Beklagte ein klagbarer Anspruch auf Zahlung an die Firma A***** zusteht. Daran kann nach den untergerichtlichen Feststellungen nicht gezweifelt werden. Nach diesen gingen die Vereinbarungen zwischen den drei an den Geschäftsbeziehungen beteiligten Parteien dahin, dass die Klägerin die ihr von den Beklagten bekanntgegebenen Warenmenge bei der Firma A***** bestellte, dass diese sie unmittelbar an die Beklagten lieferte und dass die Beklagten unmittelbar an die Firma A***** zu bezahlen hatten. Aus der ganzen Korrespondenz ergibt sich aber eindeutig, dass die unmittelbaren Lieferungen und Zahlungen zwischen der Firma A***** und den Beklagten nur auf den Vereinbarungen der Klägerin einerseits mit der Firma A***** und andererseits mit den Beklagten beruhten. Eine unmittelbare Geschäftsbeziehung zwischen der Firma A***** und den Beklagten bestand nicht und wurde von der Firma A***** auch ausdrücklich abgelehnt, obwohl sich die Beklagten in dem Bestreben, die Klägerin auszuschalten, um eine solche bemühten. Auch gegenüber der Klägerin hat die Firma A***** stets betont, dass sie sich wegen ihrer Forderungen nur an die Klägerin als ihre Vertragsparteien halten werde.

Diese Sachlage wurde vom Berufungsgericht zutreffend dahin beurteilt, dass der Klägerin auf Grund der festgestellten Vereinbarungen ein Anspruch zustehe, dass die Beklagte die erhaltenen Lieferungen bezahlen, und zwar nicht an die Klägerin selbst, sondern unmittelbar an die Firma A*****. Warum der Klägerin, die auf Grund ihrer Bestellungen direkt der Firma A***** für die Bezahlung der gelieferten Waren haftet und jederzeit von ihr geklagte werden kann, hinsichtlich ihres Klagebegehrens kein Rechtsschutzanspruch zustehen sollte, wie die Beklagten behaupten, ist unerfindlichen. Sie hat ja überhaupt keine andere Möglichkeit, sich von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Firma A***** zu befreien, da diese mit Recht auf dem Standpunkt steht, mit der Klägerin und nicht mit den Beklagten kontrahiert zu haben.

Es ist ohne Bedeutung, dass die Firma A***** den Generalvertretungsvertrag mit den Klägerin gelöst hat, weil diese Auflösung nur ex nunc wirkt und die Klägerin nicht von ihren Verpflichtungen aus den während des Bestehens des Vertragsverhältnisses vorgenommenen Bestellungen befreit. Die Untergerichte gehen keineswegs davon aus, dass die Parteien einen Scheinvertrag geschlossen haben, wie die Revisionswerber meinen. Sie nehmen zwar die Absicht der Parteien, einer doppelten Umsatzbesteuerung auszuweichen, als erwiesen an, stellen aber fest, dass sie diese Absicht eben durch die von ihnen tatsächlich gewollten Regelung ihrer Geschäftsbeziehungen verwirklicht haben. Das Berufungsgericht ließ nur die rechtliche Qualifikation dieser Geschäftsbeziehungen auf sich beruhen, bejahte aber die daraus entspringenden Rechtsverbindlichkeiten.

Davon, dass den Beklagten für ihre Aufwendungen gemäß § 369 HGB ein Zurückbehaltungsrecht zustünde, kann schon deshalb keine Rede sein, weil es ein solches nur dann gibt, wenn bestimmte Geldstücke geschuldet werden, nicht aber an einer Geldsummenschuld. Gegen solche Schulden ist lediglich eine Kompensation möglich, von deren Geltendmachung die Beklagten ausdrücklich abgesehen haben (Schlegelberger, Kommentar zum Handelsgesetzbuch 3. Auflg., Anm 17 zu § 369, Reichsgerichtsrätekommentar, 1. Auflg., Anm 14 zu § 369, Düringer-Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch 3. Auflg., Anm 5 zu § 369).

Die rechtlichen Revisionsausführungen sind daher zur Gänze

unberechtigt.

Auch die Mängelrüge ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat sich mit den Ausführungen der Berufung zu den prozessentscheidenden Fragen, nämlich, ob der Klägerin trotz Beendigung ihres Vertragsverhältnisses zur Firma A***** der geltend - gemachten Anspruch zustehe, ausführlich auseinandergesetzt. In der Revision wird auch nicht dargelegt, auf welche Berufungsausführungen die angefochtene Entscheidung einzugehen unterlassen habe und inwiefern das Berufungsverfahren dadurch mangelhaft geblieben sein soll. Was insbesondere die unter II der Berufung vorgetragenen Ausführungen zur Frage der Stundung der Klagsforderung anlagt, so ist das Berufungsgericht hierauf mit Recht nicht eingegangen, weil die Beklagten selbst nur eine Stundung bis Ende 1958 behauptet haben. Da die Verhandlung in erster Instanz am 9. 3. 1959 geschlossen wurde, war die Forderung in dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt jedenfalls fällig.

Deshalb brauchte das Berufungsgericht auch auf die Ausführungen der Berufung zur Frage, ob und gegen Bezahlung welchen Betrages die Klägerin verpflichtet ist, das bei den Beklagten noch vorhandene Warenlager zu übernehmen, nicht einzugehen, da sich die Beklagten die Geltendmachung dieser Forderungen, wie auch allfälliger Schadenersatzforderungen gegen die Klägerin ausdrücklich vorbehalten haben.

In den Ausführungen zum Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit verwechseln die Revisionswerber die Wiedergabe der erstgerichtlichen Begründung mit den eigenen Darlegungen des Berufungsgerichtes. Dieses ist auf die Frage des Wertes des bei den Beklagten noch vorhandenen Warenlagers mit Recht gar nicht eingegangen. Mit den Worten, „es sei nicht feststellbar, welchen Wert das Lager bei den Beklagten besitze", hat es nur Ausführungen des Erstgerichtes wiedergegeben. Es ist auch nicht aktenwidrig, wenn das Berufungsgericht ausführt, die Beklagten hätten nicht einmal behauptet, dass das Klagerecht der Klägerin wegen Auflösung des Vertrages weggefallen sei. Tatsächlich haben die Beklagten (auf S. 52 des Aktes) lediglich aus der Verpflichtung der Klägerin, das Warenlager gegen Ablösung seines Wertes zurückzunehmen, gefolgert, dass die Klägerin auch verpflichtet sei, die noch offenen Forderungen der Firma A***** zu bezahlen. Diese Meinung ist jedoch unrichtig. Auf Grund der festgestellten Vereinbarung sind die Beklagten verpflichtet, die erhaltenen Lieferungen zu bezahlen und dadurch die Klägerin aus ihrer Haftung gegenüber der Firma A***** zu befreien. Ob und gegen Bezahlung welchen Betrages die Klägerin verpflichtet ist, das restliche Warenlager zurückzunehmen, wird erst zu klären sein, wenn die Beklagten diesen Anspruch, dessen Geltendmachung sie sich vorbehalten haben, tatsächlich erheben.

Es war daher der Revision nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E85933 5Ob466.59

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1959:0050OB00466.59.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19591111_OGH0002_0050OB00466_5900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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