TE OGH 1960/3/2 3Ob65/60

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Veröffentlicht am 02.03.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Machek, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermine B*****, Realitätenbesitzerin, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Löffelmann, Rechtsanwalt in Feldbach, wider die beklagte Partei Alois B*****, Besitzer, ***** vertreten durch Dr. Anton Waisocher, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterhaltsleistung (Streitwert 18.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 14. Dezember 1959, GZ 3 R 979/59-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fehring vom 22. September 1959, GZ C 134/58-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schudig, dem Beklagten die mit S 879,07 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist nachstehender Sachverhalt:

Die Streitteile sind miteinander verheiratet, leben aber seit dem Jahr 1955 getrennt. Die Klägerin schenkte dem Beklagten die Hälfte einer Liegenschaft, die sie auf Grund einer Gütergemeinschaft erhalten hatte, zurück, wogegen der Beklagte ihr einen kleinen Besitz (Wohnhaus mit Garten) kaufte. Unter den Streitteilen wurde ferner vereinbart, dass der Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 1. März 1957 bis 1. März 1960 gewisse Naturalleistungen zu erbringen habe. Eine weitere Abmachung über einen der Klägerin gebührenden Unterhalt wurde nicht getroffen.

Die Klägerin begehrt Zuspruch eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 500,-- und führt aus, dass durch die Naturalleistungen des Beklagten nicht alle ihre Bedürfnisse gedeckt seien. Der Beklagte wendet dagegen ein, die Klägerin habe durch Eingehen der genannten Vereinbarung auf jede weitere Unterhaltsleistung, insbesondere Geld, verzichtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte nachstehenden Sachverhalt fest:

Es kam im Jahre 1955 zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft, weil beide Teile außereheliche Beziehungen unterhielten. Die Klägerin zog mit Franz L***** zusammen und nahm mit ihm eine Lebensgemeinschaft auf. Dasselbe taten der Beklagte und Maria L*****, die Schwester des Lebensgefährten der Klägerin. Die Streitteile vereinbarten, dass der Beklagte der Klägerin die in der Klage genannten Naturalleistungen zu erbringen habe. Es wurde keine Abmachung getroffen, dass er weitere Unterhaltsverpflichtungen ihr gegenüber zu erfüllen habe, vielmehr sollte durch diese Vereinbarung der Unterhalt der Klägerin sichergestellt werden. Aus diesem Grunde könne sie vom Beklagten nicht auch die Bezahlung eines Geldunterhaltes verlangen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Gegen das Urteil zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, oder es aufzuheben und die Sache an eines der Untergerichte zurückzuverweisen.

Der Beklagte brachte vor, die Revision sei unzulässig und beantragte im Übrigen, ihr, wenn sie der Oberste Gerichtshof sachlich erledige, nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig.

Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes, mit welcher über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes entschieden wurde, kein Rechtsmittel zulässig. Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht aber darum, wie viel der Beklagte nach dem Gesetz seiner Gattin an Unterhalt zu leisten hätte, sondern, ob sie durch die erwähnte Vereinbarung für die Zeit bis 1. 3. 1960 auf jeden, die vereinbarten Naturalleistungen übersteigenden Unterhalt verzichtet hat. Der Fall des § 502 Abs 2 ZPO ist daher nicht gegeben (JB 60).

Die Revision ist aber nicht begründet.

Die Klägerin macht unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend, dass die Untergerichte keine Beweise darüber erhoben hätten, wie groß der Aufwand sei, den sie wegen ihrer Krankheit habe erbringen müssen, ebensowenig darüber, wie viel der Beklagte für sein im Ehebruch gezeugtes Kind Gisela L***** leiste, schließlich, dass nicht festgestellt worden sei, wie groß die Liegenschaft des Beklagten sei und in welchen wirtschaftlichen Verhältnissen er lebe. Demgegenüber ist jedoch darauf zu verweisen, dass diese Umstände nur für die Frage der Höhe der Unterhaltsleistung maßgebend sein können. Geht man aber, wie noch darzulegen sein wird, davon aus, dass die Klägerin gültig auf einen weiteren Unterhalt für die Zeit bis 1. 3. 1960 verzichtet hat, so kommt es auf die von ihr behaupteten oben angeführten Tatsachen nicht an.

Aktenwidrig soll das Urteil des Berufungsgerichtes sein, weil der Berichterstatter bei der Berufungsverhandlung vorgebracht habe, das Verfahren im Ehescheidungsakt ruhe. In Wirklichkeit habe der nunmehrige Beklagte seine Ehescheidungsklage 14 Cg 196/57 unter Anspruchsverzicht zurückgezogen. Hiebei übersieht die Klägerin, dass eine Aktenwidrigkeit gemäß § 503 Z 3 ZPO nur dann gegeben ist, wenn sie das Urteil des Berufungsgerichtes enthält, nicht aber wenn in der Berufungsverhandlung der Berichterstatter aktenwidrige Umstände vorgetragen hat. Überdies ist nicht einzusehen, welche rechtliche Bedeutung diesen Tatsachen zukommen soll.

Eine weitere Aktenwidrigkeit erblickt die Klägerin darin, dass sich das Berufungsgericht über die vorgelegte Korrespondenz hinweggesetzt habe. Aus den Schreiben des Beklagten vom 17. 3., 7. 8. und 15. 1. 1958 ergebe sich, dass sich der Beklagte für verpflichtet gehalten habe, der Klägerin einen die vereinbarten Leistungen übersteigenden Unterhalt zu gewähren. Ob nun diesen Schreiben die von der Klägerin beigemessene Bedeutung zukommt, gehört jedoch in das Gebiet der Beweiswürdigung. Aktenwidrig wäre das Urteil des Berufungsgerichtes nur, wenn es den Inhalt dieser Schreiben unrichtig dargestellt oder ausgeführt hätte, es lägen keine solchen Briefe des Beklagten vor. Es handelt sich hier ja nicht um Schreiben, welche den Inhalt der getroffenen Vereinbarung unmittelbar betreffen, vielmehr könnte aus ihnen höchstens ein Indiz über die ursprüngliche Absicht der Parteien abgeleitet werden. Dass dies das Berufungsgericht nicht getan hat, gehört weder zur rechtlichen Beurteilung noch kann es einen anderen Revisionsgrund bilden.

Das Gleiche gilt von der Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht hätte die Zeugen und die Parteien neuerlich vernehmen sollen. Denn die Frage, ob die Beweiswürdigung des Erstgerichtes unbedenklich ist oder ob das Berufungsgericht die Beweise wiederholen soll, wird von ihm bei Erledigung des Berufungsgrundes der unrichtigen Beweiswürdigung entschieden und kann daher vom Revisionsgericht nicht wieder aufgerollt werden.

Den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt die Klägerin dahin aus, dass sie ja Bargeld für Milch, Brot, Licht, Beheizung, Bekleidung, Leib- und Bettwäsche, für Beschuhung, Kaffee, Tee, Zucker, ärztliche Hilfe und dergleichen benötige. Ein Verzicht hierauf bedürfe eines Notariatsaktes. Franz L***** sei, wie schon in erster Instanz behauptet, Ende September 1957 von ihr weggezogen, wogegen der Beklagte sein ehebrecherisches Verhältnis mit Maria L***** fortsetzte. Aus den erwähnten Schreiben ergebe sich, dass der Beklagte keinerlei freiwillige Zuwendungen habe erbringen wollen. Mit Recht ist das Berufungsgericht nicht darauf eingegangen, inwieweit die Klägerin noch Bedürfnisse hat, welche durch die Naturalleistungen des Beklagten nicht gedeckt sind. Gemäß § 91 ABGB ist der Mann allerdings verpflichtet, seiner Gattin den anständigen Unterhalt zu gewähren. Sie kann jedoch hierauf verzichten, insbesondere, wenn die eheliche Gemeinschaft aufgelöst ist. Eine solche Vereinbarung bedarf keines Notariatsaktes, da sie keinen Ehepakt bildet. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes unterliegt es aber keinem Zweifel, dass durch die Vereinbarung der Naturalleistungen die der Klägerin gegenüber dem Beklagten zustehenden Unterhaltsansprüche für die Zeit bis 1. 3. 1960 erschöpft sein sollten. Sollte die Klägerin noch weitere Bedürfnisse haben, so kann sie sich das hiezu Notwendige durch Arbeit verdienen. Richtig ist, dass dem Ehemann eine primäre Unterhaltspflicht gegenüber seiner Gattin obliegt. Doch kann auch etwas anderes vereinbart werden, insbesondere, wenn die Ehefrau nach den Verhältnissen, unter denen die Gatten lebten, bisher verpflichtet war, ihrem Mann beim Erwerb beizustehen.

In der Lehre wird zwar noch die Ansicht vertreten, die Ehefrau könne während des Bestandes der Ehe auf ihren Unterhalt nicht gültig verzichten (so zB Wentzel bei Klang2, I S 378). Dies wird jedoch von der neueren Rechtsprechung insoweit abgelehnt, als ein solcher Verzicht nur dann unwirksam ist, wenn die Frau dadurch in Not geriete. Dies ist nicht der Fall, wenn sie genügend Vermögen besitzt oder sich den Unterhalt durch Arbeit verdienen kann (SZ XXVI/3 ua). Der Oberste Gerichtshof hat keinen Anlass, hievon abzugehen. Solche gänzliche oder teilweise Verzichtsleistungen entheben den Mann von der Notwendigkeit, eine Scheidungsklage einzubringen, so dass die Möglichkeit einer Wiedervereinigung besteht. Gerade dies trifft im vorliegenden Fall zu. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, dass sie nicht in der Lage sei, das Wenige, was ihr noch zum vollen Unterhalt fehlt, durch Arbeit zu verdienen.

Der unbegründeten Revision war daher ein Erfolg zu versagen. Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E76678 3Ob65.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00065.6.0302.000

Dokumentnummer

JJT_19600302_OGH0002_0030OB00065_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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