TE OGH 1960/3/9 1Ob75/60

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Veröffentlicht am 09.03.1960
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den zweiten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Gitschthaler, Dr. Zierer und Dr. Bachofner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marzella P*****, Haushalt, *****, vertreten durch Dr. Kurt Spätauf, Rechtsanwalt in Mistelbach, wider die beklagte Partei Ludwig D*****, Gast- und Landwirt, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Doschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.000,-- S sA, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Jänner 1960, GZ 7 R 6/60-24, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 23. Oktober 1959, GZ 2a Cg 75/59-18, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen beider Parteien wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte besitzt in K***** drei Häuser, darunter ein Gasthaus und ein Kellergebäude mit Buschenschank. Die Klägerin ging mit ihm eine Lebensgemeinschaft ein, welche von Ende November 1957 bis 4. 6. 1958 dauerte. Sie verrichtete alle im Haushalt und in der Gastwirtschaft vorkommenden Arbeiten zur Zufriedenheit des Beklagten. Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages von S 15.000,-- mit folgenden Behauptungen: Sie habe mit dem Beklagten einen Vertrag geschlossen, mit ihm ein Konkubinat und nach der Todeserklärung ihres Gatten die Ehe einzugehen und alle Arbeiten insbesonders in der Gastwirtschaft zu verrichten, wogegen der Beklagte ihr das Haus Grasl und den Keller ins Eigentum übertragen sollte. Durch Verschulden des Beklagten (Beschimpfungen und Misshandlung) sei ihr nicht zumutbar, diesen Vertrag weiter einzuhalten und beim Beklagten zu bleiben, weshalb sie vom Vertrag zurückgetreten sei. Der Beklagte sei daher verpflichtet, den der Klägerin durch die verschuldete Nichterfüllung des Vertrages verursachten Schaden zu ersetzen und ihre Leistungen, wozu auch die Erfüllung der eheähnlichen Pflichten gehöre, mit einem entsprechenden Geldwert zu vergüten. Dieser sei folgendermaßen zu berechnen: Der Wert der zugesicherten Objekte betrage S 150.000,--. Der Beklagte sei siebzig Jahre alt und seine Lebenserwartung betrage daher 5 Jahre. Die Klägerin hätte daher voraussichtlich 5 Jahre ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen müssen. Auf die von ihr erfüllte Zeit von 6 1/2 Monaten entfalle daher mindestens der Klagsbetrag. Aber auch der Geldwert der erbrachten Leistungen einschließlich der Erfüllung der "eheähnlichen Pflichten" entspreche diesem Betrag.

Das Erstgericht wies zunächst mit Beschluss die Klage, soweit eine Entlohnung für geleistete Arbeiten gefordert wird, wegen Unzuständigkeit des Gerichtes zurück und mit Urteil das Klagebegehren auf Schadloshaltung wegen der geschlechtlichen Hingabe ab. Es führte aus, soweit die Klage die Entschädigung für die Arbeitsleistungen im Haushalt und in der Gastwirtschaft zum Gegenstand habe, sei die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes gegeben. Ein Schadenersatzanspruch wegen der geschlechtlichen Hingabe sei weder nach § 46 ABGB, noch § 1328 ABGB gegeben.

Das Berufungsgericht hob den Beschluss und das Urteil des Erstgerichtes auf. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass der Klägerin aus dem Grunde der geschlechtlichen Hingabe ein Anspruch nicht zustehe. Hingegen sei ein Anspruch wegen ihrer Arbeitsleistungen im Haushalt und in der Gastwirtschaft bei Richtigkeit der Klagsbehauptungen grundsätzlich gegeben. Da es sich um eine Art familienrechtlichen Verhältnisses handle, sei die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichtes gegeben. Es sprach jedoch aus, dass die Klägerin klarstellen müsse, welche Entlohnung sie für ihre Mitarbeit im Haushalt und in der Gastwirtschaft und welche Entlohnung sie für die geschlechtliche Hingabe begehre. Die Klägerin erklärte in der mündlichen Verhandlung vom 21. 4. 1959, dass sie für die geschlechtliche Hingabe nicht verlange, dass sie aber das Klagspunktum von S 15.000,-- "wegen Rücktrittes vom Vertrag" aufrecht erhalte.

Das Erstgericht sprach nunmehr der Klägerin einen Betrag von S 5.200,-- zu und wies das Mehrbegehren ab. Es stellte folgendes fest:

Der Beklagte machte der Klägerin den Vorschlag, sie solle vorläufig als Lebensgefährtin zu ihm ziehen, nach Erlangung der Todeserklärung ihres Gatten werde er sie heiraten. Er lasse ihr das Haus und die Kellerschenke überschreiben und zahle ihr deshalb keinen Lohn. Der Zeitpunkt der Übertragung ist nicht feststellbar. Der Beklagte hat aber eine Entlohnung der Klägerin schon von Anfang an beabsichtigt und die Klägerin hatte ebenfalls nur eine entgeltliche Tätigkeit im Auge. Über die Höhe wurde keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen. Das Gasthaus des Beklagten ist ein Landgasthaus, in dem gewöhnlich nur die ortsansässigen Landwirte als Stammgäste verkehren. Gelegentlich nehmen durchfahrende Gäste das Essen ein. Grösserer Betrieb herrscht an Sonntagen und bei besonderen Anlässen.

Zur Höhe der Belohnung führt das Erstgericht aus: Verfehlt sei die Ansicht der Klägerin, dass ihre Belohnung nach dem aliquoten Anteil des Wertes der Liegenschaft und auf Grund einer Lebenserwartung des Beklagten von 5 Jahren zu berechnen sei. Die Zusage der Entlohnung in Form der Übertragung von Liegenschaften auf Grund der Lebensgemeinschaft allein sei nicht erwiesen. Soweit ein derartiges Versprechen über den kollektivvertraglichen Lohn hinausgehe, läge eine Schenkung vor, die mangels der Einhaltung der Form des Notariatsaktes ungültig wäre. Da die Klägerin Ansprüche für ihre geschlechtliche Hingabe nicht stellen könne, könne sie nur die ortsübliche Entlohnung für ihre Mitarbeit im Haushalt und Gasthausbetrieb verlangen. Hiezu stellt das Erstgericht fest:

Die Klägerin verrichtete alle im Haushalt vorkommenden Arbeiten, also Aufräumen, Waschen der Wäsche udgl. Sie war ferner mit allen im Gasthaus des Beklagten üblicherweise der Wirtin zukommenden Arbeiten wie Bedienen der Gäste, Aufräumen der Gasträume, Kochen usw befasst. Sie war daher sowohl als Hausgehilfin als auch als Gastwirtin ganztägig beschäftigt, jedoch bei der Kleinheit des Haushaltes (2 Personen) und dem in der Regel geringen Umfang der Gastwirtschaft nicht voll ausgelastet.

Der ortsübliche und kollektivvertragliche Lohn einer Gasthausköchin beträgt bei freier Kost und Station S 634,--, der ortsübliche Lohn einer Hausgehilfin S 392,--. Da aber die Klägerin in beiden Tätigkeiten nicht voll ausgelastet war, und der Betrieb mit einer Person bewältigt werden könne, sei unter Zugrundelegung der ortsüblichen Löhne und Heranziehung der Bestimmung des § 273 ZPO ein monatlicher Lohn von S 800,-- angemessen.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin S 3.315,-- zu und wies das Mehrbegehren ab. Es billigte die Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen aus:

Die Ansicht des Beklagten, die Klage sei nur auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gestützt, sei unrichtig. Die Klägerin leite ihren Anspruch nicht nur aus der körperlichen Hingabe, sondern auch aus ihren erbrachten Arbeitsleistungen ab. Zu billigen sei die Ansicht des Erstgerichtes, dass Grundlage für die Berechnung des Entgeltes der Klägerin nicht der Wert der Liegenschaften, sondern das ortsübliche Entgelt sei. Der vom Erstgericht festgesetzte Betrag sei jedoch zu hoch. Da die Klägerin keine der beiden Tätigkeiten (Köchin, Hausgehilfin) voll geleistet habe und in beiden Richtungen außerdem nicht voll ausgelastet gewesen sei, sei als angemessenes Entgelt das arithmetische Mittel zwischen dem Lohn einer Köchin und dem einer Hausgehilfin (= S 1.000,-- plus S 500,--, hievon die Hälfte = S 750,--) vermindert um den Vergütungssatz für Kost und Wohnung (= S 240,--), das ist ein Betrag von S 510,-- monatlich, festzusetzen. Die Klägerin ficht das Urteil des Berufungsgerichtes in vollem Umfang wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung an und beantragt, es dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Der Beklagte ficht das Urteil des Berufungsgerichtes in seinem bestätigenden Teil wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung an und beantragt, es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde, oder es aufzuheben und die Sache an eine der Unterinstanzen zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen beider Parteien sind nicht begründet. Der Beklagtge wendet sich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Klägerin gründe ihren Anspruch auf ihre Arbeitsleistungen als Lebensgefährtin. Dies sei unrichtig. Vielmehr begehre die Klägerin Schadenersatz wegen Nichterfüllung eines Vertrages und zwar eines angeblichen Schenkungsversprechens, das wegen Formmangels ungültig sei. Die Klage sei daher zur Gänze abzuweisen.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Wie sich aus der Wiedergabe des Klagsvorbringens ergibt, behauptet die Klägerin, der Beklagte habe ihr für die Eingehung des Konkubinats und Leistung von wirtschaftlichen Diensten die Übertragung von Liegenschaften zugesagt. Sie sei von diesem Vertrag infolge Verschuldens des Beklagten berechtigterweise zurückgetreten. Es gebühre ihr daher aus dem Titel des Schadenersatzes ein entsprechender Anteil des zugesagten Entgeltes und zwar in Geld. Es ist daher nicht richtig, dass sich die Klägerin auf ein Schenkungsversprechen stützt und dass sie kein Entgelt fordert. Vielmehr behauptet sie, dass die zugesagten Liegenschaften das Entgelt für ihre Leistungen seien. Wenn sie sich hiebei auch auf den Titel des Schadenersatzes beruft, so schadet dies nicht. Sie ist jedoch der unrichtigen Ansicht, ihr Anspruch auf Entgelt bestehe in einem aliquoten Teil des Wertes der ihr zugesagten Liegenschaften. Beide Umstände ändern nichts daran, dass die Klägerin überhaupt oder zunächst auch einen Anspruch auf eine angemessene Entlohnung geltend macht. Wenn daher die Untergerichte zu dem Ergebnis gelangten, dass der Klägerin zwar ein Anspruch auf Belohnung gebühre, diese jedoch nach anderen Grundsätzen zu berechnen sei, als die Klägerin angewendet wissen will, so konnten sie den so errechneten Betrag zusprechen, ohne gegen die Bestimmung des § 405 ZPO zu verstoßen.

Was nun die rechtliche Natur der von den Untergerichten festgestellten Vereinbarungen der Streitteile anbelangt, so ist folgendes auszuführen:

Die Lebensgemeinschaft ist eine Art familienrechtlicher Verhältnisse. Sie umfasst auf Seite der Frau sowohl die Mitbetätigung im Haushalt, in der Wirtschaft und im Geschäfte des Mannes als insbesondere auch die sexuellen Beziehungen. Das Übereinkommen von zwei Personen verschiedenen Geschlechtes, miteinander eine Lebensgemeinschaft einzugehen, ist daher kein Vertrag im Sinne des Obligationenrechtes und hat daher auch nicht dieselben Rechtswirkungen wie ein bloß obligatorischer Vertrag. Die Zusage eines Entgeltes für die Leistung eheähnlicher Pflichten in sexueller Hinsicht widerspräche den guten Sitten und wäre daher ungültig. Nach den Behauptungen der Klägerin sollte die Übertragung des Eigentums an den Liegenschaften ein Entgelt für alle Leistungen im Rahmen der Lebensgemeinschaft, daher auch für die körperliche Hingabe, darstellen. Daraus folgt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Übertragung der Liegenschaften nicht zusteht und dass sie daher auch nicht aus dem Titel des Schadenersatzes einen solchen Anspruch auf Geldersatz dafür erheben kann.

Das Versprechen des Beklagten und seine Erklärung, er zahle der Klägerin deshalb keinen Lohn, können nur dahin verstanden werden, dass die Dienste der Klägerin nur unter der Bedingung der späteren Zuwendung der Liegenschaften vorläufig unentgeltlich geleistet werden sollten (Arb 6100, 6760, 5857 ua). Mit dem Wegfall der Bedingung ist daher der Anspruch auf Entgelt (Belohnung) gegeben, wobei dieses jedoch nicht nach dem Wert der zugesagten Objekte, sondern nach den Grundsätzen der Kollektivverträge und der Ortsüblichkeit zu bemessen ist.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Anspruch auf eine angemessene Belohnung nicht durch den Nachweis eines Verschuldens des Beklagten bedingt.

Der Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass das Verhalten der Klägerin den zwingenden Schluss zulasse, dass sie auf ein ihr allenfalls zustehendes Entgelt verzichte. Denn nach ihrer Behauptung habe ihr der Beklagte die Übertragung der Liegenschaften innerhalb von 14 Tagen nach Beginn der Lebensgemeinschaft zugesichert. Wenn sie daher die Lebensgemeinschaft trotz der Nichterfüllung der Zusage fortgesetzt habe, so habe sie auf ihren Anspruch verzichtet.

Diesen Ausführungen kann nicht beigepflichtet werden. Abgesehen davon, dass aus dieser Tatsache allein nicht mit Überlegung aller Umstände der vom Beklagten gewollte Schluss gezogen werden könnte, haben die Untergerichte die Behauptung der Klägerin, es sei ihr die Übertragung binnen 14 Tagen zugesichert worden, nicht als erwiesen angenommen. Damit wird den Ausführungen die Grundlage entzogen. Der Beklagte bekämpft ferner die Höhe der zuerkannten Entschädigung und führt hiezu aus: Der Gasthausbetrieb habe keinen derartigen Umfang, dass die Mitarbeit einer zweiten Person erforderlich wäre. Die geringe Anzahl der Gäste könne ohne weiter vom Beklagten bedient werden und bei größeren Veranstaltungen habe er fremde Hilfskräfte in Anspruch genommen.

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig. Ob die Mitarbeit einer zweiten Person notwendig war, ist nicht wesentlich; entscheidend ist lediglich, dass die Klägerin tatsächlich die Arbeiten im Haushalt und in der Gastwirtschaft verrichtete. Dem Umstand, dass die Klägerin nicht voll beschäftigt war, hat aber das Berufungsgericht in der oben wiedergegebenen Weise Rechnung getragen.

Die Klägerin wendet sich gegen die nach ihrer Meinung zu niedrige Bemessung. Auch ihre Ausführungen sind nicht haltbar. Soweit sie ihren Anspruch nach dem Werte der zugesagten Liegenschaften berechnet wissen will, wurde die Unrichtigkeit ihrer Ansicht bereits oben ausgeführt. Ihre Meinung aber, es gebühre ihr der volle Lohn einer Gasthausköchin, weil es nicht darauf ankomme, ob sie in dieser Beschäftigung voll ausgelastet war, kann nicht geteilt werden. Denn dieser Umstand ist zwar nicht für den Grund des Anspruches, wohl aber für das Ausmaß der Bezüge von Bedeutung. Da eine genaue Ermittlung des Ausmaßes der beiden Verwendungen der Klägerin nicht möglich ist, war auch die Heranziehung der Bestimmung des § 273 ZPO gerechtfertigt. Die Festsetzung entspricht auch dem billigen Ermessen, zumal das Berufungsgericht im Gegensatz zum Erstgericht von den Bruttobezügen ausgegangen ist.

Aus diesen Erwägungen war beiden Revisionen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43, 50 ZPO.

Anmerkung

E75248 1Ob75.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00075.6.0309.000

Dokumentnummer

JJT_19600309_OGH0002_0010OB00075_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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