TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/15 2001/08/0176

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Veröffentlicht am 15.03.2005
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs3;
EStG 1988 §4 Abs4;
EStG 1988 §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Wirtschaftskammer Vorarlberg, Wirtschaftsförderungsinstitut, in Dornbirn, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft (OEG) in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 14. September 2001, Zl. IVb- 609-2001/0001, betreffend Beitragsnachverrechnung (mitbeteiligte Partei: Vorarlberger Gebietskrankenkasse in 6850 Dornbirn, Jahngasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat mit Bescheid vom 27. Oktober 2000 die Wirtschaftskammer Vorarlberg (in der Folge: Beschwerdeführerin) verpflichtet, für die in der einen "integrierten Bestandteil" des Bescheides bildenden Beilage angeführten Dienstnehmer allgemeine Beiträge für die dort genannten Zeiträume in der angeführten Höhe sowie Verzugszinsen bis einschließlich 28. September 2000 zu entrichten. In der Begründung hat die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse u. a. ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die namentlich genannten Personen als freie Dienstnehmer zur Sozialversicherung gemeldet und für diese auch Beiträge abgeführt. Die freien Dienstnehmer hätten neben ihrem Honorar auch Kilometergeld (S 4,90/km) in Rechnung gestellt. Dieses Kilometergeld sei von der Beschwerdeführerin beitragsfrei behandelt worden. Diese Vergütungen habe die Kasse nach Maßgabe des § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG nachverrechnet. Nach dieser Bestimmung seien Vergütungen für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte mit einem Massenbeförderungsmittel sozialversicherungsrechtlich beitragsfrei zu behandeln. Die Einschränkung auf Fahrten mit Massenbeförderungsmitteln sei so zu verstehen, dass der Ersatz der Fahrtkosten insoweit beitragsfrei sei, als er die Kosten, die bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels erwachsen wären, nicht übersteige. Die Beitragsfreiheit an sich werde jedoch unabhängig davon anerkannt, ob der Dienstnehmer tatsächlich ein Massenbeförderungsmittel benütze oder mit seinem eigenen Pkw zur Arbeit fahre. Der Differenzbetrag zwischen den Kosten für ein Massenbeförderungsmittel und den tatsächlich erhaltenen Vergütungen sei als beitragspflichtiges Entgelt nachverrechnet worden.

Der von der Beschwerdeführerin erhobene Einspruch hat sich gegen die Nachverrechnung der beitragsfrei ausbezahlten Kilometergelder sowie der darauf entfallenden Verzugszinsen gerichtet. Die Kilometergelder seien für Fahrten zwischen dem Betriebssitz des freien Dienstnehmers als Mittelpunkt seiner Tätigkeit und einem davon getrennten Leistungsort bezahlt worden. In § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG sei geregelt, was bei Dienstnehmern - einschließlich freien Dienstnehmern - nicht zum sozialversicherungspflichtigen Entgelt gehöre. Dazu zählten Fahrtkostenvergütungen, sofern diese dem Dienstgeber gesondert in Rechnung gestellt werden. Für solche Fahrtkostenvergütungen bestehe die "Sozialversicherungsbefreiung" jedoch nur unter der Voraussetzung, dass diese nach § 26 des Einkommensteuergesetzes nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterlägen. Es dürften daher bestimmte Höchstbeträge nicht überschritten werden. Das zusätzliche Erfordernis einer "steuerlichen Dienstreise" könne sich jedoch nur auf unselbständige Arbeitnehmer beziehen und nicht auf freie Dienstnehmer. Es sei ja gerade ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwischen Dienstvertrag und freiem Dienstvertrag, dass sich der freie Dienstnehmer die Arbeitszeit selbst einteilen könne und bei der Ausführung der Tätigkeit keinen Weisungen bzw. Aufträgen unterliege. "Für freie Dienstnehmer knüpft die ASVG-Befreiung in teleologischer Interpretation an die Steuerfreistellung des § 4 Abs. 5 EStG an, die selbst wieder auf § 26 EStG weiterverweist". Voraussetzung sei, dass eine durch den Betrieb veranlasste Reise vorliege, dass der freie Dienstnehmer also seinen Betriebssitz aus betrieblichen Gründen verlasse.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat den Einspruch der belangten Behörde vorgelegt und im Begleitschreiben vom 4. Jänner 2001 darauf hingewiesen, dass Fahrtkostenvergütungen nach § 26 Z. 4 EStG 1988 nur dann steuerfrei seien, wenn sie aus Anlass einer Dienstreise bezahlt werden. Es sei unstrittig, dass im vorliegenden Fall keine Dienstreisen vorlägen. Die von der Beschwerdeführerin angestrebte teleologische Interpretation sei keinesfalls zulässig, weil § 4 Abs. 5 EStG 1988 auf Fahrtkosten keinerlei Bezug nehme.

In ihrer Stellungnahme vom 5. Februar 2001 hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG gelte nicht nur für Dienstnehmer gemäß § 4 Abs. 2 ASVG, sondern auch für die den Dienstnehmern gleichgestellten Personen im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG. § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG bestehe aus einer Generalklausel und einer beispielhaften Aufzählung. Die Generalklausel finde auch im vorliegenden Fall vollinhaltlich Anwendung. Bei der Fahrtkostenvergütung gemäß § 26 EStG 1988 handle es sich um ein nur für "echte" Dienstnehmer geltendes Beispiel, weil nur solche Dienstnehmer überhaupt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen und damit dem § 26 EStG 1988 unterliegen könnten. § 26 EStG 1988 finde aber auf freie Dienstnehmer niemals Anwendung. Der Bezug auf § 26 EStG 1988 in § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG sei daher im Fall von freien Dienstnehmern dahingehend zu verstehen, dass die steuerlichen Regelungen nur "sinngemäß" heranzuziehen seien. Die betragsmäßige Beschränkung bereite keine Schwierigkeiten. Problematisch sei hingegen die Interpretation einer "Dienstreise". Diese setze voraus, dass der Dienstnehmer über Auftrag des Dienstgebers seinen Dienstort zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlasse. Ein freier Dienstnehmer sei aber in der Ausübung seiner Tätigkeit an keinem fixen Ort und auch nicht an Aufträge des Dienstgebers gebunden. Nach der Generalklausel des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG müsse es sich um Fahrtkostenvergütungen handeln, die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlasst seien. Dies sei dann der Fall, wenn es sich um Vergütungen für Fahrten handelt, die ihre Ursache in der ordnungsgemäßen Erfüllung des freien Dienstvertrages hätten. Würde man eine Dienstreise im eigentlichen Sinn voraussetzen, wäre die Anwendbarkeit des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG auf freie Dienstnehmer zur Gänze ausgeschaltet. Es sei daher an das einkommensteuerrechtliche Erfordernis einer betrieblich veranlassten Reise, wie sie für die nach § 4 Abs. 5 EStG 1988 einkommensteuerfreien Mehraufwendungen für Verpflegung und Unterkunft Voraussetzung sei, anzuknüpfen. Eine genaue Analyse der Beschäftigung ihrer freien Dienstnehmer ergebe nämlich, dass diese aus zeitlicher Sicht den Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit an ihrem steuerlichen Betriebssitz und jedenfalls nicht am Ort der Bildungseinrichtung (Veranstaltung) haben. Erfahrungsgemäß dauere die Vorbereitung eines Vortragsinhaltes und die Erstellung von Vortragsunterlagen, zu denen der Vortragende vertraglich verpflichtet sei, um ein Vielfaches länger als der eigentliche Vortrag.

In einer weiteren Stellungnahme vom 31. Juli 2001 hat die Beschwerdeführerin nach rechtlichen Ausführungen zum Begriff des freien Dienstvertrages vorgebracht, der Vertrag mit ihren freien Dienstnehmern sehe die ordnungsgemäße Erbringung einer Vortragsleistung - anhand eines einvernehmlich festgelegten Bildungszieles - vor. Die vertragsgegenständliche Leistung umfasse dabei ein breites Spektrum an Leistungen, das mit einem Pauschalhonorar abgegolten werde. Zu diesen Leistungen zähle insbesondere die Gestaltung der Bildungsveranstaltungen in didaktisch geeigneter, erwachsenengerechter und den Qualitätsgrundsätzen entsprechender Art und Weise. Die Leistung manifestiere sich vorrangig in der teilnehmerorientierten Vorbereitung und Abhaltung der Veranstaltung sowie in der Betreuung (auch Nachbetreuung) der Teilnehmer. Die Tätigkeiten fänden naturgemäß an verschiedenen von der Beschwerdeführerin nicht kontrollierten Orten und Zeiten statt. Eine Bindung des freien Dienstnehmers an Weisungen hinsichtlich eines bestimmten Arbeitsortes, einer bestimmten Arbeitszeit und eines arbeitsbezogenen Verhaltens bestehe im Rahmen dieser Leistungserbringung nicht. Die zum Teil notwendige Reservierung bestimmter Räume und Zeiten für die Abhaltung der Veranstaltungen habe organisatorische Gründe und liege in der Natur der Sache. Sie führe nicht zu einer persönlichen Abhängigkeit des Vortragenden.

Voraussetzung für die Beitragsfreiheit eines Aufwandersatzes könne daher nicht das Vorliegen einer aus der Weisungsbindung resultierenden Dienstreise sein, sondern lediglich die betriebliche Veranlassung der in Rede stehenden Fahrt (Generalklausel des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG). Diese Voraussetzung sei erfüllt. Der Beschäftigungsort der beauftragten Vortragenden liege gemäß § 30 Abs. 2 ASVG grundsätzlich entweder am Ort ihres steuerlichen Betriebssitzes (wenn sie von einer festen Arbeitsstätte, z.B. einem Arbeitszimmer, aus tätig werden) oder an ihrem Wohnsitz (wenn keine feste Arbeitsstätte vorliege). Die "Dienstorte" der einzelnen freien Dienstnehmer entsprächen somit ihrem steuerlichen Betriebssitz und damit ihren Wohnorten. Die freien Dienstnehmer würden keine "Dienstreisen" im Auftrag der Beschwerdeführerin unternehmen, sondern seien vertraglich berechtigt, der Beschwerdeführerin für betrieblich veranlasste Fahrten zwischen ihrem Betriebssitz und dem jeweiligen Ort, an dem die Bildungsveranstaltung vereinbarungsgemäß stattfinde, Fahrtkostenvergütungen (Kilometergelder) insoweit in Rechnung zu stellen, als diese nicht der Einkommensteuerpflicht unterliegen.

Die belangte Behörde hat am 21. August 2001 mit einem Vertreter der Beschwerdeführerin eine Niederschrift aufgenommen. Darin ist - auszugsweise - Folgendes festgehalten:

"Eine der großen Zielsetzungen (der Beschwerdeführerin) ist die berufliche Erwachsenenbildung. In acht verschiedenen Geschäftsbereichen werden den Erwachsenen verschiedene Seminare und Lehrgänge zur Weiterbildung angeboten ...

Die erwähnten Veranstaltungen (Seminare und Lehrgänge) werden in der Regel in den Räumlichkeiten (der Beschwerdeführerin) abgehalten; diese Räumlichkeiten finden sich vorwiegend in .... Vom Verhandlungsleiter werde ich gefragt, ob die in der von uns mit Schreiben vom 31.07.2001 vorgelegten Liste 'Kilometergelder für ... Kursleiter 1999' aufscheinenden Vortragenden ihre Veranstaltungen nur in solchen ... Räumlichkeiten abgehalten haben. Hiezu gebe ich an, dass alle dort angeführten Vortragenden ihre Veranstaltungen in Räumlichkeiten (der Beschwerdeführerin) abgehalten haben. Diese Räumlichkeiten befinden sich teilweise im Eigentum (der Beschwerdeführerin) oder sind von (ihr) angemietet ...

Der Veranstaltungsort wird also vor Abhaltung dieser Kurse zwischen (der Beschwerdeführerin) und dem Vortragenden vereinbart. (Die Beschwerdeführerin) übernimmt nachher die Anmietung dieser Räumlichkeiten bzw. stellt diese zur Verfügung. Aus organisatorischen Gründen ist dann natürlich klar, dass der Vortragende auch verpflichtet ist, die von ihm abgehaltene Veranstaltung an dem vereinbarten Veranstaltungsort abzuhalten.

Kilometergeld wurde den Vortragenden entsprechend der von ihnen zwischen dem Wohnort (gelegentlich auch von seinem Geschäftssitz) und dem oben erwähnten Veranstaltungsort zurückgelegten Distanz ausbezahlt."

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch keine Folge gegeben. In der Begründung hat sie das Verwaltungsgeschehen dargestellt und sodann ausgeführt, hinsichtlich des Sachverhaltes sei im Wesentlichen von der von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31. Juli 2001 vorgelegten Liste "Kilometergelder für Kursleiter 1999" sowie den diesbezüglich ergänzenden Ausführungen in der Niederschrift vom 21. August 2001 auszugehen.

Die nicht beitragspflichtigen Entgeltbestandteile seien in § 49 Abs. 3 ASVG angeführt und würden auch für die Versicherungsverhältnisse freier Dienstnehmer im Sinne des § 4 Abs. 4 ASVG gelten. Die Bezugnahme auf § 26 EStG 1988 sei dahingehend zu verstehen, dass diese steuerrechtlichen Regelungen nur sinngemäß heranzuziehen seien. Dies bedeute somit, dass Aufwandersätze nach denselben Kriterien wie bei den echten Dienstnehmern beitragsfrei zu behandeln seien. Dies ergebe sich daraus, dass gemäß § 4 Abs. 4 ASVG freie Dienstnehmer den "echten" Dienstnehmern im Sinne von § 4 Abs. 2 ASVG gleichstehen. Im vorliegenden Verfahren bedeute dies, dass Fahrtkostenvergütungen im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG für Dienstnehmer im Sinne von § 4 Abs. 4 ASVG beitragsfrei seien, wenn sie auch für Dienstnehmer im Sinne von § 4 Abs. 2 ASVG beitragsfrei wären. Nach § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG seien Fahrtkostenvergütungen nach Maßgabe des § 26 EStG 1988 beitragsfrei. Unter § 26 Z. 4 EStG 1988 fielen Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) gezahlt werden. Eine Dienstreise liege nach dieser Bestimmung vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Dienstgebers seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlasse oder so weit entfernt von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeite, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden könne. Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, trete an die Stelle des Dienstortes der Wohnort. Als Kilometergelder seien höchstens die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze zu berücksichtigen. Unter Dienstort sei der regelmäßige Mittelpunkt des tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens des Arbeitnehmers anzusehen. Meist werde der Dienstort eines Arbeitnehmers mit dem Betriebsort des Unternehmers, bei dem der Arbeitnehmer beschäftigt sei, zusammenfallen. Werde jedoch der Arbeitnehmer an diesem Betriebsort dienstlich nicht tätig, weil seine tatsächliche ständige Arbeitsstätte außerhalb des Betriebsortes liege, sei diese regelmäßige Einsatzstelle und nicht der Betriebsort als Dienstort des Arbeitnehmers anzusehen.

Gegenstand der zwischen der Beschwerdeführerin und dem freien Dienstnehmer abgeschlossenen Verträge sei die ordnungsgemäße Erbringung einer Vortragsleistung. Diese Leistung sei an einem bestimmten, im Vorhinein festgelegten Veranstaltungsort abzuhalten, dessen Räumlichkeiten von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellt werden. Als Dienstort der freien Dienstnehmer sei jener Ort anzusehen, an welchem diese regelmäßig ihre Unterrichtstätigkeit für die Beschwerdeführerin verrichtet haben, also der angeführte Veranstaltungsort. Dies sei der regelmäßige Mittelpunkt des tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens der freien Dienstnehmer. Dem stehe nicht entgegen, wenn sich die freien Dienstnehmer an einem anderen Ort auf die Unterrichtstätigkeit vorbereiteten. Die Beschwerdeführerin habe Kilometergelder für von diesem Dienstort ausgehende Dienstreisen nicht gewährt. Da somit für die freien Dienstnehmer nur Kilometergelder für Fahrten zwischen Wohnung (gelegentlich auch von deren Geschäftssitz) und dem Dienstort angefallen seien und nicht solche im Rahmen einer vom Dienstort ausgehenden Dienstreise, habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse zutreffend § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG auf den vorliegenden Fall angewendet und den Ersatz der Fahrtkosten nur insoweit beitragsfrei belassen, als er die Kosten, die bei Benützung eines Massenbeförderungsmittels erwachsen wären, nicht überstiegen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG (in der im Beschwerdefall - zeitraumbezogen - anzuwendenden Fassung) ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im Folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende, auf volle Schilling gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt nach § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.

Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der Pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

§ 49 Abs. 3 ASVG enthält eine taxative Aufzählung jener Geld- und Sachbezüge, die nicht als Entgelt im Sinne der Abs. 1 und 2 leg. cit. gelten, d.h. die zwar die Merkmale der in den Abs. 1 und 2 angeführten Bezüge aufweisen, jedoch kraft besonderer gesetzlicher Vorschrift im § 49 Abs. 3 leg. cit. von der Bewertung als beitragspflichtiges Entgelt ausgenommen sind. Der Entgeltregelung des § 49 ASVG ist zu entnehmen, dass grundsätzlich alle dem § 49 Abs. 1 ASVG entsprechenden Geld- und Sachbezüge ohne Bedachtnahme auf die Art der Verwendung durch den Dienstnehmer zum Entgelt zählen, es sei denn, dass sie unter einen der taxativ aufgezählten Ausnahmetatbestände des § 49 Abs. 3 ASVG fallen, wofür aber ihre ausdrückliche Widmung seitens des Dienstgebers zu den angeführten Zwecken wesentlich ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1991, 90/08/0225).

§ 49 Abs. 3 ASVG lautet auszugsweise:

"(3) Als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 gelten nicht:

1. Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling), durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlassten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. ...

....

20. die unentgeltliche oder verbilligte Beförderung der eigenen Dienstnehmer und deren Angehörigen bei Beförderungsunternehmen, die Beförderung der Dienstnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Kosten des Dienstgebers sowie der Ersatz der tatsächlichen Kosten für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit Massenbeförderungsmitteln;

..."

Der verwiesene § 26 EStG 1988 in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 26. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nicht:

...

4. Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers

-

seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder

-

so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.

Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz). Enthält eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 eine besondere Regelung des Begriffes Dienstreise, ist diese Regelung anzuwenden.

              a)              Als Kilometergelder sind höchstens die den Bundesbediensteten zustehenden Sätze zu berücksichtigen.

..."

Freie Dienstnehmer erzielen in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht Einkünfte aus einer unternehmerischen Tätigkeit, in der Regel Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb (LStR 1999, RZ 979). Die Anwendung der Ausnahmen vom beitragspflichtigen Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 3 ASVG auf freie Dienstnehmer kommt daher nur insoweit in Betracht, als die genannten Bestimmungen nicht ihrerseits an der Lohnsteuerpflicht anknüpfen. Soweit letzteres der Fall ist, scheitert eine Anwendung der betreffenden Befreiungsbestimmung auf freie Dienstnehmer schon aus diesem Grunde. Auch eine analoge Anwendung von für lohnsteuerpflichtige Personen geltende Regelungen auch auf einkommensteuerpflichtige Personen wie freie Dienstnehmer kommt - wie im Steuerrecht so auch im Beitragsrecht der Sozialversicherung - auf Grund der Verschiedenheit der steuerlichen Behandlung dieser Personengruppen mit Blick auf den Gewinnbegriff des § 4 EStG, insbesondere auch jener des § 4 Abs. 4 EStG, in der Regel nicht in Betracht.

Dies gilt auch für die beitragsrechtliche Behandlung hier in Rede stehenden Kilometergelder für die Fahrten vom "Betriebssitz" des freien Dienstnehmers zum vereinbarten Arbeitsort, soweit sie die belangte Behörde nicht in Anwendung des § 49 Abs. 3 Z. 20 ASVG ohnehin als beitragsfrei behandelt hat:

Die Anerkennung pauschalierter (d.h. nicht durch Belege über tatsächliche Auslagen nachgewiesene) Reisevergütungen, wie Kilometergelder, Tagesgelder oder Nächtigungsvergütungen als beitragsfrei im Sinne des § 26 Z. 4 EStG, einschließlich der in dieser Bestimmung für die Anerkennung als steuerfrei festgelegten Höchstgrenzen, setzt voraus, dass lohnsteuerpflichtige Einkünfte vorliegen. Dies ist hier aber nicht der Fall. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass selbst eine analoge Anwendung dieser Bestimmung deshalb nicht zum gewünschten Erfolg führen könnte, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Fahrten zu Dienstorten, die im Dienstvertrag als solche schon vereinbart sind, kein Verlassen des Dienstortes und daher die für solche Fahrten gebührenden Kostenersätze keine Reisevergütungen nach § 26 Z. 4 EStG sind (vgl. das Erkenntnis vom 20. Juni 2000, 98/15/0066). Es kann auf sich beruhen, ob solche Fahrten der freien Dienstnehmer bei diesen einkommensteuerrechtlich als Reisekosten im Sinne des § 4 Abs. 5 EStG anzusehen wären (dazu, dass solche im Nahbereich des Betriebsortes von vornherein nicht anfallen vgl. u.a. das Erkenntnis vom 22. November 2001, 98/15/0029, mit weiteren Hinweisen), weil es im Beschwerdefall nicht um die rechtliche Bewertung von Ausgaben eines freien Dienstnehmers geht, sondern um die Beitragspflicht von Entgeltzahlungen des Auftraggebers, sodass eine auch nur analoge Anwendung des Reisebegriffs, der § 4 Abs. 5 EStG zu Grunde liegt, schon mangels Ähnlichkeit des Sachproblems nicht in Betracht kommt.

Die beschwerdeführende Partei vertritt zwar, wie schon im Einspruchsverfahren, zurecht die Auffassung, dass der erste Halbsatz des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG, der nicht an § 26 EStG anknüpft, an sich auch für freie Dienstnehmer gilt. Damit ist aber für die beschwerdeführende Partei insoweit nichts gewonnen, als Kilometergeld der Sache nach pauschalierter Aufwandersatz ist und daher keinen (echten) Auslagenersatz (im Sinne des Ersatzes für in dieser Höhe tatsächlich getätigte Aufwendungen) darstellt (vgl. zu dieser Unterscheidung das Erkenntnis vom 16. Februar 1999, 96/08/0172).

Schließlich ist auch in Bezug auf die hier zu beantwortende Frage nichts daraus zu gewinnen, ob und in welchem Ausmaß ein freier Dienstnehmer die Aufwendungen für die Anschaffung und Benützung seines Kraftfahrzeuges einkommensteuerrechtlich als Betriebsausgabe in Ansatz bringen kann.

Die Bindung der Beitragsfreiheit der Fahrtkostenvergütungen an die steuerrechtliche Beurteilung solcher Vergütungen als Leistungen des Arbeitgebers, die nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit fallen, erweckt keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch unter dem Aspekt des Art. 6 EMRK nicht geboten, weil die für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltselemente feststanden, eine Erörterung von Sachverhaltsfragen nicht erforderlich war und die aufgeworfenen Rechtsfragen angesichts des Inhaltes der Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens keiner Erörterung bedürftig waren. Eine weitere Klärung der Rechtssache war auch durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu erwarten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretenen mitbeteiligten Gebietskrankenkasse steht kein Ersatz des Schriftsatzaufwandes zu (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, 2001/08/0147).

Wien, am 15. März 2005

Schlagworte

Entgelt Begriff Anspruchslohn

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001080176.X00

Im RIS seit

11.05.2005

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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