TE OGH 1960/3/15 3Ob27/60

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Veröffentlicht am 15.03.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Machek, Dr. Berger, Dr. Überreiter und Dr. Greissinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul H*****, Liegenschaftsbesitzer, ***** vertreten durch Dr. Otto Zimmeter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Baumeister Josef R*****, Alleininhaber der prot. Firma "Hoch- und Tiefbauunternehmung Friedrich W***** & Co., ***** Inhaber Baumeister Josef R*****, vertreten durch Dr. Petronella Schütz, Rechtsanwalt in St. Pölten, und 2.) Franz L*****, Tapezierermeister, ***** vertreten durch Dr. Rudolf Jahn, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 400.000 und Einebnung (Streitwert S 20.000) infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Dezember 1959, AZ 5 R 564/59, womit das Zwischenurteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 29. Mai 1959, GZ 2 Cg 384/58-20, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufgetragen. Auf die Rekurskosten ist als weitere Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Alleinerbe nach Siegfried H*****, seinem Vater. Dieser war zusammen mit Dr. Ernst Sch***** Eigentümer der Liegenschaft EZ 186 KG W*****, zu der unter anderem das Grundstück 71/1 Baufläche, Fabriksgebäude, gehörte. Mit den Kaufverträgen vom 26. 6. und 28. 9. 1939 erwarb der Reichsfiskus das genannte Grundstück, es wurde abgeschrieben und unter der neuen Einlagezahl 663 KG W***** im Grundbuch eingetragen. Nach Kriegsende stand die Liegenschaft als deutsches Eigentum unter USIA-Verwaltung. Am 15. 7. 1949 wurde die Einleitung des Rückstellungsverfahrens im Grundbuch angemerkt. Die Liegenschaft wurde am 29. 6. 1956 rückgestellt, der Kläger ist derzeit bücherlicher Alleineigentümer.

Der Zweitbeklagte kaufte am 1. 2. 1950 von der USIA-Verwaltung das auf der Liegenschaft befindliche Gebäude (Kesselhaus und Gerberei) der ehemaligen Lederfabrik zum Abbruch um einen Kaufpreis vn 45.000 S. Er führte den Abbruch aber nur zu einem geringen Teil durch und verkaufte das Objekt unter den gleichen Bedingungen an den Erstbeklagten um den Betrag von 44.000 S. Der Erstbeklagte führte den Abbruch sohin durch, ließ aber im Sinne der getroffenen Vereinbarungen den unverwertbaren Schutt auf der Liegenschaft liegen und ließ auch Betonfundamente stehen.

Der Kläger begehrt einen Betrag von 400.000 S als Ersatz für die Niederreißung des Fabriksgebäudes und die Verurteilung der Beklagten zum Wegführen des Schutts und zur Einebnung der Fläche. Das Erstgericht hat mit Zwischenurteil die Ansprüche dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannt. Der Zweitbeklagte habe das Vertragsobjekt erworben, obwohl die Anmerkung der Einleitung des Rückstellungsverfahrens im Grundbuch ersichtlich war. Er könne sich daher nicht darauf berufen, dass er in gutem Glauben von der USIA-Verwaltung erworben habe. Der Erstbeklagte habe vom Zweitbeklagten gekauft und keineswegs bloß die Abbruchsarbeiten zur Durchführung übernommen, wie er behauptet habe. Die Anmerkung der Einleitung des Rückstellungsverfahrens habe zur Folge, dass die Rückstellung gegen sämtliche Erwerber nach diesem Zeitpunkt wirksam sei.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil auf. Das Erstgericht habe übersehen, dass Verwaltungshandlungen der Besatzungsmacht als rechtsgültig anerkannt werden müssen. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung nach dem Inkrafttreten des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes. Die Anerkennung der Gültigkeit der Rechtshandlungen der Besatzungsmacht setze allerdings voraus, dass die Rechtshandlung im Rahmen der ordentlichen Verwaltung erfolgte. Dies gelte besonders für das sogenannte "unechte deutsche Eigentum", also für entzogenes Vermögen. Der Satz "Restitution bricht Reparation" sei eine der Grundlagen des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes und ergebe sich aus seinen §§ 29 und ff. Eigentumsübertragungen durch die Besatzungsmacht bezüglich entzogenen Vermögens könnten darnach für den österreichischen Rechtsbereich nur dann Wirksamkeit beanspruchen, wenn sie im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung verblieben, nicht gegen den österreichischen ordre public verstießen und nicht in erkennbarer Schädigungsabsicht erfolgten. Diesbezüglich reichten aber die Feststellungen des Erstgerichtes nicht aus, es müsste erst die Frage entschieden werden, ob das zwischen der USIA-Verwaltung und dem Zweitbeklagten abgeschlossene Geschäft im Rahmen der ordentlichen Verwaltung verblieb und deshalb als gültig anzuerkennen sei. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der klagenden Partei, in welchem die Meinung vertreten wird, dass es sich um ein Rechtsgeschäft über ein unbewegliches Gut gehandelt habe und der Verkauf unbeweglichen Gutes niemals in die ordentliche Verwaltung fallen könne. Nach Ansicht der klagenden Partei habe das Berufungsgericht auch übersehen, dass die Beklagten eine Behauptung, es handle sich um eine normale Verwaltungstätigkeit der USIA-Verwaltung, nicht aufgestellt haben. Es sei daher auf diese Möglichkeit nicht Rücksicht zu nehmen gewesen. Letztlich wird behauptet, dass es sich bei dem Rechtsgeschäft um einen Verstoß gegen den österreichischen ordre public gehandelt habe.

Rechtliche Beurteilung

Mit Rücksicht auf den in die Entscheidung aufgenommenen Rechtskraftvorbehalt war der Rekurs zulässig. Er erweist sich im Ergebnis, wenn auch zum Nachteil des Klägers als begründet. Das Berufungsgericht folgte mit Recht der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass nach den Bestimmungen des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes Verwaltungshand- lungen der Besatzungsmächte Wirksamkeit zukommt. Dies gilt auch für entzogenes Vermögen (vgl insbesondere 3 Ob 40/59). Es war daher tatsächlich festzustellen, ob es sich bei dem Abbruchvertrag um eine Verwaltungshandlung gehandelt hat und dazu noch, ob diese unter Umständen dem ordre public widersprach bzw in erkennbarer Schädigungsabsicht gesetzt wurde. Um diese Fragen zu beantworten, reichen aber im Gegensatz zur Ansicht des Berufungsgerichtes die getroffenen Feststellungen aus. Das Erstgericht hat unangefochten festgestellt, dass das Fabriksgebäude mit einer stillgelegten Fabrik von den Rechtsvorgängern des Klägers bereits im Jahre 1924 gekauft, dass es seither nicht mehr verwendet wurde, weil der Betrieb nicht mehr aufgenommen wurde, weiters dass es sich in einem verwendungsunfähigen Zustand befand und dass die USIA-Verwaltung beabsichtigte, es als baufälliges Gebäude zur Ziegelgewinnung zu verkaufen. Da es sich um keinen lebendigen Betrieb handelte, sondern um baufällige und nicht verwendete Gebäude, gehörte es sicherlich zur "ordentlichen Verwaltung", sich darüber schlüssig zu werden, ob solche Gebäude weder instandzusetzen oder ob sie als unbrauchbar auf andere Weise durch Abbruch zu verwerten waren. Wenn die USIA-Verwaltung die Entscheidung getroffen hat, das zu gewinnende Baumaterial zu verkaufen, so hat sie im Rahmen der ordentlichen Verwaltung gehandelt. Es ist vom Erstgericht auch festgestellt, dass der Erstbeklagte Baumaterialien benötigte und sich an die USIA-Verwaltung wandte, um ein baufälliges Gebäude zum Abbruch zu erwerben. Der Abbruchvertrag selbst ist ein gemischter aus Elementen eines Kaufvertrages und eines Werkvertrages bestehender Vertrag, auf Grund dessen sich der Käufer bereit erklärt, ein Gebäude abzubrechen und das Abbruchmaterial zu kaufen. Im Gegensatz zur Ansicht des Klägers handelt es sich dabei um ein Geschäft über bewegliche Sachen. Es kann aber auch nicht davon gesprochen werden, dass dieses Geschäft gegen den ordre public verstoßen hätte oder in Schädigungsabsicht erfolgte. Der österreichische ordre public wäre nur dann verletzt worden, wenn derartige Geschäfte gänzlich aus dem Rahmen der österreichischen Rechtsordnung herausgefallen wären; das war aber nicht der Fall. Von einer Schädigungsabsicht könnte aber nur dann gesprochen werden, wenn ein ordentlicher Verwalter in diesem Falle jedenfalls anders gehandelt hätte und dies auch den Käufern hätte bewusst sein müssen. Auch das kann nach den getroffenen Feststellungen aber nicht angenommen werden, weil es durchaus zu vertreten ist, abbruchreife, baufällige Gebäude, die keinem bestimmten wirtschaftlichen Zweck mehr dienen, abzubrechen. Dies umsomehr in einer Zeit, in der noch ein gewisser Mangel an Baumaterialien bestand, sodass das Abbruchmaterial zu verhältnismäßig günstigen Preisen abgesetzt werden konnte.

Das Schadenersatzbegehren des Klägers ist aus zwei Gründen spruchreif im Sinne einer Klagsabweisung; erstens fehlte die Widerrechtlichkeit der Handlung der Beklagten mit Rücksicht auf die Wirksamkeit der von der Besatzungsmacht getroffenen Verfügung. Die Beklagten können sich auf die Gültigkeit des von ihnen abgeschlossenen Vertrages berufen. Zweitens hat der Kläger aber auch keinen "Schaden" erlitten, weil er nach § 42 des 1. Staatsvertragsdurchführungsgesetzes nur Anspruch auf Rückstellung des im Zeitpunkt der Rückstellung noch vorhandenen Vermögens hatte, nur dieses zurückgestellt erhielt und das bereits vorher abgebrochene Gebäude daher nicht mehr zum rückgestellten Vermögen gehörte. Die Bestimmung des § 42 des 1.

Staatsvertragsdurchführungs- gesetzes durchbricht den Grundsatz des § 6 Abs 3 des 3. RückstellungsGes., wonach das entzogene Vermögen in jenem Ausmaß und Zustand rückzustellen ist, in dem es sich am 31. 7. 1946 befunden hat. Das Gleiche gilt hinsichtlich des Begehrens des Klägers auf Schuttwegräumung und Einebnung der Baufläche. Wie sich aus dem Klagsvorbringen ergibt, verlangt der Kläger auch diesbezüglich Schadenersatz wegen schuldbaren Verhaltens der Beklagten. Ein solches Verschulden ist aber nicht erweislich. Der Kläger hätte sich nur auf mangelnde Erfüllung des von den Beklagten geschlossenen Abbruchvertrages berufen können. Das hat er nicht getan, sondern im Gegenteil der Berufung der Beklagten auf den Inhalt dieses Vertrages den Einwand entgegengesetzt, dass er an diesen Vertrag nicht gebunden sei. Der allein geltend gemachte Klagsgrund des Schadenersatzes müsste aber nach den vorstehenden Rechtsausführungen versagen.

Auch der Einwand des Klägers, dass die Beklagten sich nicht darauf berufen haben, im Rahmen der ordentlichen Verwaltung von der Besatzungsmacht erworben zu haben, geht fehlt, weil es genügte, wenn die Beklagten sich auf den mit der Besatzungsmacht abgeschlossenen Vertrag beriefen. Es wäre Sache des Klägers gewesen zu behaupten und zu erweisen, dass es sich nicht um einen Vertrag im Rahmen der ordentlichen Verwaltung gehandelt hat. Ein solcher Nachweis ist aber nicht erbracht worden.

Die Sache war daher spruchreif, sodass wie im Spruche zu entscheiden war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E76145 3Ob27.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00027.6.0315.000

Dokumentnummer

JJT_19600315_OGH0002_0030OB00027_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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