TE OGH 1960/4/26 3Ob48/60 (3Ob49/60)

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.1960
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier, Dr. Liedermann, Dr. Berger und Dr. Überreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Johanna und Margarethe D*****, Schülerinnen, *****, vertreten durch ihren ehelichen Vater Hans D*****, Fleischhauer, ebenda dieser vertreten durch Dr. Philipp Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Josefa M*****, Landwirtin, *****, vertreten durch Dr. Hermann Eiselberg, Rechtsanwalt in Wels, wegen 56.960 S sA, infolge Revision und Rekurses der beklagten Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14. Juli 1959, GZ 1 R 200/59-45, womit infolge Berufung beider Teile das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 6. Mai 1959, GZ 3 Cg 27/58-37, teils bestätigt teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, den Klägerinnen die mit 516,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

2.) den Beschluss

gefasst:

Auch dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist nachstehender Sachverhalt:

Die Eheleute Heinrich und Theresia H***** übereigneten mit Übergabsvertrag vom 28. 6. 1945 der Beklagten, ihrer Tochter, das ihnen gehörige Maiergut im ***** gegen Übernahme verschiedener Leistungen. Die Beklagte verpflichtet sich im Punkt "Neuntens" des Vertrages ihren Kindern bzw Wahlkindern Maria W***** und Juliana D*****, geb. M*****, als Lohn und Heiratsgutsentfertigung einen Betrag auszubezahlen und zwar der Juliana D***** in der Höhe des Wertes dem 4 Joch Ackergrund durchschnittlich in der KG B***** haben. Diese Beträge seien über viermonatige Aufkündigung zur Zahlung fällig. Im Streitfall sei der Wert durch gerichtliche Schätzung festzustellen. Eine Verzinsung der Beträge erfolge nicht. Es heißt in der Folge, dass sämtliche Kinder bzw Wahlkinder beim Ableben der Übergeber nur mehr den Pflichtteil von jenem Vermögen zu bekommen hätten, das die Übergeber an ihrem Todestag besitzen würden. Die Klägerinnen sind die Erben nach ihrer am 24. 5. 1949 verstorbenen Mutter Juliana D*****. Sie begehren von der Beklagten Zahlung des Betrages von 56.960 S und führen aus, dass vier Joch Ackergrund in der KG B***** einen Wert von 71.360 S hätten. Hierauf habe die Beklagte, nachdem die Forderung rechtzeitig für den 10. 10. 1952 aufgekündigt worden sei, bloß 14.400 S bezahlt, so dass sie den begehrten Restbetrag schulde.

Die Beklagte gibt die Mahnung und Fälligstellung des Betrages für den 10. 10. 1952 zu, wendet jedoch ein, dass ein Joch Ackergrund in der KG B***** nur 4.300 S koste. Überdies sei sie nicht verpflichtet, Zinsen zu bezahlen.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von insgesamt 37.600 S samt 4 % Zinsen seit 11. 10. 1952 und wies das Mehrbegehren von 19.360 S ab. Es stellte fest, dass vier Joch Ackergrund am 10. 10. 1952, dem Tage der Fälligkeit der Schuld, 52.000 S wert gewesen seien, so dass nach Abzug des Betrages von 14.400 S die Beklagte noch 37.600 S schulde.

Das Urteil des Erstgerichtes wurde von den Klägerinnen hinsichtlich der Abweisung des Mehrbegehrens, von der Beklagten nur wegen des Zinszuspruchs für die Zeit vor Einbringung der Klage angefochten. Das Berufungsgericht versagte dem Rechtsmittel der Beklagten den Erfolg und hob das Urteil, soweit das Mehrbegehren der Klägerinnen abgewiesen wurde, und im Kostenpunkt auf und verwies die Sache an das Erstgericht unter Rechtskraftvorbehalt zurück. Es erachtete den Zinsanspruch für gegeben und führte ferner aus, es handle sich hier um einen Wertsicherungsklausel. Im Sinne einer solchen sei es gelegen, dass unabhängig von der Frage der Fälligstellung und der des Zeitpunktes der wirklichen Auszahlung der Schluss der mündlichen Verhandlung maßgebend sei. Nur nach diesem Tage könne der endgültige Wert bestimmt werden. Das Erstgericht habe daher nicht nur festzustellen, wieviel 4 Joch Ackergrund am 10. 10. 1952, sondern auch wieviel sie am Tag des Schlusses der mündlichen Verhandlung I. Instanz wert seien.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision und gegen den Aufhebungsbeschluss der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, dass das Zinsenbegehren insoweit abgewiesen werde, als es für die Zeit vor dem 17. 1. 1958 dem Klagetag, erhoben wurde, und im Übrigen die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederherzustellen. Die Klägerinnen beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.) Die Revision ist entgegen der Annahme der Klägerinnen zulässig. Von einem nur bestätigenden Urteil des Berufungsgerichtes kann nicht die Rede sein, wenn es gleichzeitig der Berufung einer Partei Folge gibt und einen Teil des Ersturteils aufhebt (SZ XXVII/112).

Die Revision ist aber nicht begründet.

Die Bestimmung des Übergabsvertrages, dass Zinsen nicht zu leisten seien, bezieht sich offenbar auf Vertragszinsen, nicht aber auf Verzugszinsen. Die Einwendung, die Beklagte sei auch bei Verzug nicht verpflichtet, Zinsen zu bezahlen, würde bedeuten, dass sie aus ihrem eigenen vertragswidrigen Verhalten zum Nachteil ihrer Gläubigerinnen Vorteil ziehen wolle, was den guten Sitten widersprechen würde. Die Beklagte versucht darzutun, dass die Verzinsung erst von dem Zeitpunkt beginnen könne, zu welchem der Betrag der Forderung festgesetzt sei. Wie der OGH bereits in der Entscheidung SZ XXIV/121 ausgesprochen hat, ist die Vereinbarung, dass der Wert des Ackergrundes gerichtlich zu bestimmen sei, wirkungslos und ohne jede Bedeutung. Eine Festsetzung im Außerstreitverfahren ist darnach unzulässig. Der bloße Umstand aber, dass eine Forderung der Höhe nach strittig ist, kann den Schuldner nicht von der Zahlung der Verzugszinsen befreien.

Die Hinweise der Beklagten auf verschiedene Entscheidungen sind unzutreffend. In GlU Nr 13.056 wurde ein Fall behandelt, in welchem ein Rechtsanwalt, dessen Kostenforderung noch nicht gerichtlich bestimmt war, Zinsen verlangte. Nach damaligem Recht durfte ein Rechtsanwalt aber einen Kostenanspruch erst geltend machen, wenn er vom Prozessgericht bestimmt war, früher war er gar nicht fällig. Ebensowenig trifft die von der Beklagten angeführte Entscheidung GlU Nr. 2324 zu, da dort vorausgesetzt wird, dass die Schuld gar nicht in Geld, sondern in Naturalleistungen besteht. Die von der Beklagten ferner bezogene Entscheidung SZ III/24 bezieht sich auf den Fall einer Kündigung wegen Nichtzahlung des Zinses und hat mit der Frage der Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen nichts zu tun. Schließlich geht der Hinweis auf die Entscheidung SZ XXV/128 ins Leere. Denn dort ist ausgesprochen, dass in dem Fall, als sich eine Forderung erhöht, Zinsen vom erhöhten Betrag erst mit dessen Fälligkeit und nicht schon mit dem der ursprünglichen Schuld begehrt werden können. Die Untergerichte haben aber die Beklagte nur zur Zahlung der Zinsen von demjenigen Betrag verurteilt, der nach den angefochtenen Feststellungen des Erstgerichtes schon von dem Tage an, an welchem die Zinsenzahlung beginnen sollte, geschuldet wird. Die Ansicht der Beklagten, die Verpflichtung zur Bezahlung von Verzugszinsen setze ein Verschulden voraus, steht mit der einhelligen Lehre und Rechtsprechung in Widerspruch. Es genügt hiezu vielmehr objektiver Verzug des Schuldners (Wolff bei Klang2, VI. S 177). Der unbegründeten Revision war daher ein Erfolg zu versagen. Der Kostenausspruch beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Zu 2.) Die Beklagte führt aus, dass es sich um eine reine Geldforderung handle; selbst wenn eine Wertsicherung beabsichtigt sei, gelte sie nur bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit. Ein allfälliger Verzögerungsschaden könne nur durch Verzugszinsen abgegolten werden. Für einen darüber hinausgehenden Schaden fehle es an jeder Prozessbehauptung. Wie schon das Erstgericht ausgesprochen habe, liege hier weder Schadenersatz noch eine Pflichteilsforderung vor, auch handle es sich nicht um die Auseinandersetzung zwischen Miterben.

Der Rekurs ist nicht begründet.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass es sich hier um eine Vereinbarung handelt, durch welche die Abfindungsforderungen der weichenden Geschwister der Übernehmerin wertgesichert werden sollen. Die Verhältnisse im Juni 1945 waren in wirtschaftlicher Hinsicht noch vollkommen unklar. Wenn daher die vertragschließenden Teile statt einfach einen bestimmten Abfindungsbetrag festzusetzen, den viel schwierigeren Weg gegangen sind, die Beklagte zu verpflichten, den Wert einer bestimmten Fläche Ackers zu bezahlen, so kann dies nur den Zweck verfolgen haben, die anderen Kinder oder Wahlkinder der Übergeber vor Nachteilen zu schützen.

Ein Übergabsvertrag unter Landwirten ist in der Regel eine vorgreifende Erbfolge. Aus diesem Grunde werden hiebei gewöhnliche Maßnahmen getroffen, durch welche die Pflichteil- und sonstigen Ansprüche weichender Kinder gedeckt werden. Aus dem letzten Absatz des Punktes "Neuntens" des Vertrages geht hervor, dass durch die vorangehenden Bestimmungen auch die Erb- und Pflichteilansprüche, der weichenden Kinder, soweit sie auf das Maiergut entfallen, bereinigt werden sollten.

Das Gesetz gibt keinen unmittelbaren Anhaltspunkt dafür, nach welchem Zeitpunkt bei Übergabsverträgen der Wert, der für die Forderung der weichenden Kinder der Übergeber maßgebend ist, zu bestimmen sei. Gemäß § 7 ABGB ist daher auf ähnliche Begehungen Bedacht zu nehmen. Eine solche ist § 786 ABGB. Nach dieser Bestimmung ist bis zur wirklichen Teilung die Erbschaft als zwischen den Erben und Pflichteilsberechtigten gemeinschaftlich zu betrachten, so am Ertrag also auch das letztere an einer inzwischen eingetretenen Werterhöhung, insbesondere bei Währungsverfall, teilnehmen (S Hfd JGS 1847 Nr 1051). Dieser Gedanke liegt nach dem § 12 des Bundesanerbengesetzes zugrunde, nach welchem bei Sicherstellung der Abfindungsforderungen auf deren inneren Wert Bedacht zu nehmen ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes der Pflichteilsforderung, im vorliegenden Fall sinngemäß der Übergabsforderung der weichenden Geschwister, ist der Tag, an welchem der sie gerichtlich festgesetzt wird, also der des Schlusses der mündlichen Verhandlung (Entsch. JBl 1956 S 403 mit zustimmender Besprechung Steinwentes und EvBl 1957 Nr. 396, S. 627). Zu demselben Ergebnis kommt für einen ähnlichen Fall die Entscheidung 1 Ob 118/58. Es ist daher dem Berufungsgericht beizutreten, dass es darauf ankommt, wie hoch der Wert von 4 Joch Ackergrundstücken in der KG B***** zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung I. Instanz war.

Dem unbegründeten Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Der Kostenausspruch beruht auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E76663 3Ob48.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00048.6.0426.000

Dokumentnummer

JJT_19600426_OGH0002_0030OB00048_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten