TE OGH 1960/5/4 1Ob77/60

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Veröffentlicht am 04.05.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Zweiten Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schuster, Dr. Stanzl, Dr. Zierer und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E. P*****, Futtermittel Ges. m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Hans Reindl, Rechtsanwalt in Linz an der Donau, wider die beklagte Partei Helmut L*****, Landwirt in *****, Burgenland, vertreten durch Dr. Karl Schubert, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wegen 13.727,-- S samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14. Dezember 1959, GZ 2 R 425/59-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz an der Donau vom 9. Oktober 1959, GZ 1 Cg 506/59-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass jenes der ersten Instanz wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, dem Beklagten die mit 648 S 56 g bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 879 S 07 g bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei verlangt, den Beklagten zur Zahlung von 13.727,-- S zu verurteilen, weil sie ihm am 16. 7. 1958 bestellungsgemäß 1.000 kg des Spezialfuttermittels "Spitzengold" zum Preis von 14.000,-- S geliefert habe, wovon 273,-- S für eine Gegenlieferung abzuziehen seien. Der Beklagte beantragt Abweisung dieses Begehrens, weil er gleichzeitig zehn Ferkel und auch 20 kg Ferkelaufzuchtfutter bestellt habe, wobei klar gewesen sei, dass die Futtermittel zur Mästung der Ferkel dienen sollten. Da die Ferkel nicht rechtzeitig geliefert worden seien, sei die Teillieferung für ihn ohne Interesse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest:

Am 1. 7. 1958 kamen Erwin P*****, Friedrich S***** und P***** sen. in das Anwesen des Beklagten; der Beklagte war nicht anwesend. Die genannten Personen verhandelten daher vorerst mit der Mutter des Beklagten. Sie machten dieser das Angebot, Kraftfutter, Aufzuchtfutter und Ferkel zu kaufen. Die klagende Partei würde mit der Bezahlung so lange zuwarten, bis die Ferkel gemästet seien und verkauft werden können. Als dann der Beklagte nach Hause kam, wurde ihm dies von seiner Mutter berichtet. Der Beklagte ging zu den vorgenannten Personen und ließ sich dies nochmals vortragen. Dann war er von der ganzen Sache begeistert. Von der klagenden Partei wird der Verkauf des Kraftfutters in der Weise propagiert, dass an Bauern Kraftfutter verkauft wird mit dem Bemerken, dass die klagende Partei dem Bauern hinsichtlich der Bezahlung Zeit lässt, damit dieser schnell die Schweine mästen und verkaufen und aus dem Verkaufserlös dann das Kraftfutter bezahlen kann. Nachdem nunmehr die drei genannten Personen dem Beklagten neuerdings die Sache vorgetragen hatten mit dem Bemerken, dass sie ihm vier Monate mit der Bezahlung zuwarten würden und dass bis dahin der Beklagte zehn Ferkel gemästet und verkauft haben könne und er dann den Kaufpreis für das Kraftfutter habe, erklärte der Beklagte, dass er dieses Geschäft machen wolle. Es wurden daraufhin zwei Bestellscheine geschrieben, auf welchen im Kopf die klagende Firma aufscheint. Es bestellte der Beklagte fünfzig Säcke "á 20 Spitzengold á pro zehn Kilo 140,-- S," und 20 kg Ferkelaufzuchtfutter, zahlbar in vier Monaten. In einem zweiten Bestellschein bestellte der Beklagte bei der klagenden Partei die wieder im Kopf des Bestellscheines aufscheint, zehn Ferkel á 10 bis 15 kg á 210,-- S. Dem Beklagten wurde dann, nachdem die Bestellscheine geschrieben waren, gesagt, dass innerhalb von vierzehn Tagen die beiden Kraftfuttermittel und die Ferkel geliefert werden. Dass die Schweine von einem Ferkelhändler F***** geliefert werden sollten, wurde dem Beklagten nicht mitgeteilt.

Am 3. 7. 1958 schrieb der Beklagte der klagenden Partei, dass er nicht in der Lage sei, das bestellte Spitzengold zu bezahlen. Er bitte daher, von der Lieferung abzusehen und nur die zur Mast der zehn bestellten Ferkel notwendigen Spezialfuttermittel zu schicken. Am 16. 7. 1958 trafen 1.000 kg Spitzengold ein. Als der Beklagte die vielen Säcke sah, war er entsetzt. Er hat nun zugewartet, bis die Ferkel und das Aufzuchtfutter kommen. Die Rechnung über die 1.000 kg Spitzengold trägt den Vermerk, dass an Adolf W***** zu zahlen sei. Am 2. 10. schrieb der Beklagte an Adolf W***** zu dessen Schreiben vom 7. 8., dass die klagende Partei ihre Lieferverpflichtung nicht erfüllt habe, weshalb er vom Vertrag zurückgetreten sei. Im gleichen Sinn verständigte er am selben Tag die klagende Partei. Nach dem Brief vom 2. 10. schlug die klagende Partei dem Beklagten vor, das Geschäft trotzdem zu tätigen. Er ging jedoch darauf nicht ein, weil er sich nicht mehr billigen Futterschrott verschaffen und weil er im Winter keine Schweinemast durchführen konnte, da das Wasser im Stall gefriert. Der Beklagte hat auch aus diesem Grund wegen des kommenden Winters keine Nachfrist für die Lieferung der Ferkel gegeben.

Das Berufungsgericht fand den Berufungsgrund der "unrichtigen Tatsachenfeststellung" nicht für gegeben. Rechtlich beurteilte es aber den Sachverhalt entgegen dem Erstgericht dahin, dass der Klageanspruch gegeben sei, weshalb es der Berufung Folge gab und den Beklagten gemäß dem Klagebegehren verurteilte.

Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes aus den Gründen des § 503 Z 4 und 3 ZPO. Er beantragt, es dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde, allenfalls es aufzuheben und die Rechtssache zurückzuverweisen.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Gemäß § 919, zweiter Satz, ABGB kann dann, wenn die Natur des Geschäfts oder der dem Verkäufer bekannte Zweck der Leistung entnehmen lässt, dass die verspätete Leistung für den Käufer kein Interesse habe, der Käufer nicht mehr Erfüllung verlangen, sofern er nicht rechtzeitig angezeigt hat, dass er auf Erfüllung bestehe. Die Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige, auf Erfüllung zu bestehen, bewirkt, dass der Käufer die verspätete Leistung zurückweisen kann, ohne vorher den Rücktritt erklärt und eine Nachfrist gesetzt zu haben (Klang-Gschnitzer, Kommentar zum ABGB2, IV, 480 f). Im vorliegenden Fall steht fest, dass die klagende Partei den Verkauf ihres Kraftfutters in der Weise propagiert, dass sie den Bauern erklärt, ihnen mit der Bezahlung Zeit zu lassen, damit sie schnell die Schweine mästen und verkaufen und aus dem Erlös das Futter bezahlen können. Dem Beklagten wurden Kraftfutter, Aufzuchtfutter und Ferkel mit der Bemerkung angeboten, es würde mit der Bezahlung so lange zugewartet werden, bis die Ferkel gemästet seien und verkauft werden können. Nachdem dem Beklagten erklärt worden war, dass die klagende Partei vier Monate mit der Bezahlung zuwarten würde und dass bis dahin der Beklagte zehn Ferkel gemästet und verkauft haben könne und er dann den Kaufpreis für das Kraftfutter habe, war der Beklagte mit dem Geschäft einverstanden. Es wurde ihm gesagt, dass binnen vierzehn Tagen die beiden Kraftfuttermittel und die Ferkel geliefert werden.

Diese Feststellungen ergeben die Parteienabsicht, dass sowohl die Futtermittel wie die Ferkel innerhalb dieser vierzehn Tage geliefert werden sollten. Nur dann, wenn dies geschah, konnte der der klagenden Partei bekannte Zweck der Leistung erreicht werden, dass nämlich aus dem Erlös der gemästeten zehn Schweine binnen vier Monaten der Kaufpreis bezahlt werde. Ferner ergibt sich aus diesem der klagenden Partei bekannten Zweck des Geschäftes, dass sie keinesfalls annehmen konnte, dem Beklagten werde mit der fristgerechten Lieferung der 1.000 kg Spitzengold allein gedient sein, ohne dass ihm die Ferkel geliefert werden. Auch eine Lieferung der Ferkel im Oktober entsprach nicht mehr dem der klagenden Partei bekannten Zweck des Geschäftes, weil jedenfalls bei so später Lieferung nicht mehr erreicht werden konnte, dass der Beklagte aus dem Verkauf der gemästeten Schweine den Kaufpreis vor der Bezahlung hereinbringen könne.

Aus diesen Ausführungen folgt, dass der Beklagte im Oktober die Lieferung der Ferkel zurückweisen konnte und dass das gesamte Geschäft, ohne dass er einen Rücktritt zu erklären und eine Nachfrist zu setzen brauchte, infolge Verzuges der klagenden Partei mit der Lieferung der Ferkel aufgelöst wurde. Auch hinsichtlich der bereits erbrachten Teilleistung kann das Geschäft nicht aufrecht erhalten werden, weil es sich nach der festgestellten Parteienabsicht um ein einheitliches Geschäft handelte und weil die Lieferung des Kraftfutters ohne die Ferkel nicht dem der klagenden Partei bekannten Zweck des Geschäfts entsprach.

Wenn das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe nicht behauptet, dass die klagende Partei gewusst habe, dass durch den Verzug mit der Ferkellieferung sein Interesse an der gesamten Leistung weggefallen sei, so missversteht sie das Beklagtenvorbringen schon in der Klagebeantwortung und gerät insbesondere in Widerspruch mit den zuvor wiedergegebenen Feststellungen, die eindeutig das Interesse des Beklagten an der gemeinsamen Lieferung und weiter zeigen, dass die klagende Partei davon gewusst hat. Hält man an der vom Obersten Gerichtshof als richtig erkannten Ansicht fest, dass der Rechtsfall nach § 919, zweiter Satz, ABGB zu beurteilen sei, so entsteht die Frage der Nachfristerteilung nach § 918 ABGB nicht. Zur Revisionsbeantwortung ist zu bemerken, dass deswegen, weil der Beklagte bei der Streitverhandlung vom 1. 4. 1959, ONr 4, vorgebracht hat, eine Nachfrist sei faktisch gewährt worden, weil der Rücktritt erst mit Schreiben vom 2. 10. erklärt wurde, keineswegs die Behauptung des Fixgeschäfts "völlig entwertet" wurde. Nach den obigen Feststellungen ist der Beklagte zum Geschäftsabschluss am 1. 7. dadurch veranlasst worden, dass ihm erklärt wurde, er könne den nach vier Monaten zahlbaren Kaufpreis aus der Aufzucht der binnen vierzehn Tagen zu liefernden zehn Ferkel hereinwirtschaften. Damit ist - wie bereits dargelegt - der Fall des § 919, zweiter Satz, ABGB gegeben. Wenn nun der Beklagte bei der hier bestehenden zweifelhaften Rechtslage, die insbesondere aus den voneinander abweichenden Entscheidungen der Untergerichte erhellt, auch noch den Standpunkt bezog, dass er ohnedies eine Nachfrist gewährt habe, so kann dies an der oben gegebenen rechtlichen Beurteilung nichts ändern. Dass die bloße Vereinbarung einer vierzehntägigen Lieferfrist für sich allein noch kein Fixgeschäft ergeben würde, ist sicher richtig. Der Fall liegt aber anders. Es kommt nämlich zu dieser Vereinbarung einer vierzehntägigen Lieferfrist hinzu, dass der der klagenden Partei bekannte - ja sogar der von ihr angeregte und den Beklagten allein zum Kauf bestimmende - Zweck des Geschäfts dahin ging, aus der Ferkelaufzucht binnen vier Monaten den Kaufpreis hereinzubringen. Dieser Zweck konnte nur bei schleunigster Lieferung der Ferkel erreicht werden; der klagenden Partei war nach dieser Sachlage bekannt, dass bei verspäteter Lieferung - jedenfalls bei Lieferung erst im Oktober - das Interesse des Beklagten an der Lieferung weggefallen sein musste.

Dass der mehrfach erwähnte Zweck des Geschäfts für den Beklagten deswegen nicht bestanden haben kann, weil das Futter nicht für zehn, sondern für hundert Schweine gereicht hätte, trifft nicht zu. Das Erstgericht hat nämlich auch festgestellt, dass binnen vier Monaten ein Schwein auf hundert Kilogramm aufgemästet werden kann und dass im Oktober 1958 für ein solches Schwein 1.200,-- S erzielt wurden. Mit 12.000,-- S wäre aber der Kaufpreis zum erheblichsten Teil gedeckt gewesen. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, dass der Berufungsgrund der "unrichtigen Tatsachenfeststellungen" nicht gehörig ausgeführt sei, teilt der Oberste Gerichtshof. Da auch die Ausführungen in der Revisionsbeantwortung in dieser Beziehung nicht zureichen, braucht hierauf nicht weiter eingegangen zu werden. Der Revision war daher Folge zu geben und das Berufungsurteil dahin abzuändern, dass die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt wurde.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E75249 1Ob77.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0010OB00077.6.0504.000

Dokumentnummer

JJT_19600504_OGH0002_0010OB00077_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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