TE OGH 1960/6/14 3Ob194/60

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Veröffentlicht am 14.06.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Ersten Präsidenten Dr. Heller als Vorsitzenden und die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Berger, Dr. Überreiter und Dr. Graus als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****-Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Alfred Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Fa. Gebr. K*****, Eisengroßhandel, *****, vertreten durch Dr. Josef Rungg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unzulässigkeit einer Exekution, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1. März 1960, GZ 2 R 312/59-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 25. April 1959, GZ C 69/59-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.430,31 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit 514,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der wesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Aufhebungsschluss des Obersten Gerichtshofes vom 27. 11. 1959, 3 Ob 369/59. Das Berufungsgericht gab mit Urteil vom 1. 3. 1960, 2 R 312/59-22, der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass das Klagebegehren kostenpflichtig abgewiesen wurde. Es führte noch aus: Karl P***** verkaufte den Personenkraftwagen Ford Taunus 15 M an Franz N*****. Zug um Zug bekam Karl P***** von Franz N***** einen gebrauchten Fiat 1100 TV im Wert von 24.000 S und 4.000 S. Damit war das Kaufbeziehungsweise Verkaufsgeschäft auf beiden Seiten beendet. Karl P***** war nicht mehr Eigentümer des Personenkraftwagens. Eigentümer war Franz N***** geworden. P***** hatte also keine Rechte mehr am Personenkraftwagen und konnte keine Rechte mehr übertragen, weil diese bereits zur Gänze an N***** übergegangen waren. Einige Tage später verkaufte N***** den Ford Taunus 15 M an Anton M***** um den Kaufpreis von 32.000 S. 15.000 S zahlte M***** bar an. Den Rest von 17.000 S bekam N***** ausbezahlt, nachdem die Klägerin dem M***** ein Darlehen in dieser Höhe gewährt hatte. Damit war auch das Geschäft N*****-M***** abgeschlossen. Dieses Geschäft war in dieser Form von N***** und M***** gewollt und von P***** genehmigt. Im Zusammenwirken zwischen P*****, N***** und M***** wurde ein Kaufvertrag verfasst, nach dessen Inhalt P***** den Ford Taunus 15 M zum Preis von 32.000 S an M***** verkauft. Im Sinn dieses Kaufvertrages besagt auch das Kreditgewährungsanbot des M*****, dass er den Personenkraftwagen von P***** gekauft und 15.000 S bar bezahlt habe; die Restschuld betrage 17.000 S. In diesem Kreditgewährungsanbot heißt es weiter, dass der Personenkraftwagen bis zur vollständigen Berichtigung der restlichen Kaufpreisforderung und der Nebengebühren im Eigentum der Klägerin bleibt. Karl P***** unterfertigte eine Rechnung, welche besagt, dass er den Personenkraftwagen unter Eigentumsvorbehalt an M***** verkauft habe und das Eigentumsrecht an dem Fahrzeug mit Bezahlung des Kaufpreisrestes durch die Klägerin auf die Klägerin übergehe. Schließlich unterfertigte Karl P***** ein Zessionsanbot, welches wieder auf den angeblich zwischen P***** und M***** abgeschlossenen Kaufvertrag Bezug nimmt. Nach diesem Zessionsanbot nimmt P***** zur Kenntnis, dass die Klägerin die ihm zustehende Kaufpreisrestforderung gemäß § 1422 ABGB einlöse und die Abtretung seiner Rechnung gegenüber M***** verlange; er trat die ihm zustehende Forderung auf Bezahlung des Kaufpreisrestes ab und übertrug unter ausdrücklicher Weitergabe des zwischen ihm und dem Käufer für ihn ausbedungenen Eigentumsvorbehaltes das ihm noch zustehende Eigentumsrecht an dem Personenkraftwagen. Die Klägerin gewährte den Kredit und zahlte ihn an Franz B***** als Bevollmächtigten des Karl P***** aus. Damit bezahlte die Klägerin die Schuld des M*****, für die sie nicht haftete. Nach § 1422 ABGB konnte sie vor oder bei Zahlung vom Gläubiger die Abtretung seiner Rechte verlangen. Gestützt auf den ihr vorgetäuschten Kaufvertrag P*****-M***** zahlte die Klägerin den Betrag von 17.000 S für (richtig an) P***** und begehrte von P***** die Abtretung seiner Rechte. Ohne noch Rechte am Personenkraftwagen zu haben, erklärte sich P***** mit der Abtretung der Rechte einverstanden. Weil P***** nicht mehr Eigentümer des Personenkraftwagens war, konnte er der Klägerin aber kein Eigentum abtreten und die Klägerin konnte auf Grund der Erklärung des P***** auch nicht Eigentümerin des Personenkraftwagens werden. Solche Rechte hätte nur N***** an die Klägerin weitergeben können. Eine Einlösung der vermeintlichen Forderung P*****s durch die Klägerin im Sinne des § 1422 ABGB ist also nicht erfolgt. Die Klägerin kann sich daher nicht darauf berufen, Eigentümerin des Ford Taunus 15 M zu sein und aus diesem Grunde die Unzulässigkeit der Exekution behaupten. Der von P***** und M***** unterfertigte Kaufvertrag war seinem Inhalt nach nicht gewollt. Er sollte einerseits das zwischen N***** und M***** abgeschlossene Geschäft verdecken und andererseits die Gläubiger des M***** täuschen und gegebenenfalls auch schädigen. Die Klägerin sollte insoferne getäuscht werden, als sie glauben sollte, Eigentümerin des Personenkraftwagens geworden zu sein und eine Sicherheit in Händen zu haben, während die anderen Gläubiger des M***** dadurch getäuscht und geschädigt werden sollten, dass ihnen der exekutive Zugriff nach dem Auto unter dem Vorwand verwehrt werde, die Klägerin sei Eigentümerin des Autos. Bei dem von P***** und M***** unterschriebenen Kaufvertrag handelt es sich also um ein Scheingeschäft. P***** gab seine Willenserklärung dem M***** gegenüber mit dessen Einverständnis nur zum Schein ab. Dieses Geschäft ist somit nichtig. Wirkungsvoll bleibe dagegen das verdeckte Geschäft N*****-M*****. Die Klägerin gewährte dem M***** auf Grund des ihr vorgelegten Scheingeschäftes einen Kredit in Höhe von 17.000 S. Nach § 916 ABGB sei die Klägerin auf Grund des Scheingeschäftes geschützt und M***** könne nach § 916 Abs 2 ABGB der Klägerin gegenüber nicht einwenden, dass es sich um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Dass die Abtretung der Forderung des Karl P***** samt Eigentumsvorbehalt mit Einverständnis der Klägerin nur zum Schein erfolgt wäre, wurde nicht behauptet. Im Verhältnis der Klägerin zu M***** werde das Scheingeschäft wie ein gültiges Geschäft behandelt. Durch das Scheingeschäft mit seiner Übertragung des Eigentumsvorbehaltes sollte aber auch die beklagte Partei als Gläubigerin geschädigt werden. Es genieße also auch die beklagte Partei den Schutz des Gesetzes. Für sie gelte das wahre zwischen N***** und M***** abgeschlossene Geschäft, wonach M***** Eigentümer des Personenkraftwagens geworden ist. Die Beklagte habe auf redliche Weise ein richterliches Pfandrecht am Personenkraftwagen erworben und werde in ihrem Recht insoferne geschützt, als für sie der zum Schein geschlossene Kaufvertrag P*****-M***** sowie die Abtretung der Forderung und des Eigentumsvorbehaltes durch P***** an die Klägerin unwirksam sind. Das nichtige Geschäft habe zwar M***** als Beteiligter am Scheingeschäft, nicht aber die Beklagte gegen sich gelten zu lassen. Die Beklagte sei ebenso Gläubigerin des M***** wie die Klägerin und beide seien in ihren Rechten in gleicher Weise geschützt. Die von der beklagten Partei auf den Ford Taunus 15 M geführte Exekution sei daher zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus den Revisionsgründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist begründet.

Das Hauptgewicht der Revision liegt in der Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht. Bei der Überprüfung der rechtlichen Beurteilung ist von der vom Obersten Gerichtshof mit Aufhebungsbeschluss ausgedrückten Rechtsansicht auszugehen. Darnach ist nicht streitentscheidend, ob die Klägerin auf Grund der von ihr behaupteten Einlösung der Kaufpreisrestforderung des Karl P***** und Abtretung dieser Kaufpreisrestforderung und des dem Karl P***** angeblich zustehenden Eigentumsvorbehaltes an dem Personenkraftwagen tatsächlich Eigentum erworben habe oder nicht. Streitentscheidend sei lediglich, ob auf Grund des zwischen Karl P***** und Karl M***** abgeschlossenen Scheingeschäftes die Klägerin gutgläubig Rechte erworben habe, die nicht nur M***** hinderten, den von der Klägerin behaupteten Eigentumsvorbehalt zu bestreiten, also die Einrede des Scheingeschäftes zu erheben, sondern auch die Exekutionsführung der Beklagten auf diesen Wagen unzulässig machen. Dass die Klägerin nicht gutgläubig gewesen wäre, ist von der Beklagten im Verfahren vor dem Erstgericht nicht behauptet worden. Dass die Abtretung der Forderung des Karl P***** samt Eigentumsvorbehalt mit Einverständnis der Klägerin nur zum Schein erfolgte, ist gleichfalls nicht behauptet worden, es ergibt sich aus dem Verfahren hiefür auch kein Anhaltspunkt. Die Entscheidung wird nur davon abhängen, ob die Klägerin aus dem zwischen P***** und M***** zum Schein abgeschlossenen Kaufvertrag durch Einlösung der vermeintlichen Kaufpreisrestforderung und Abtretung dieser Forderung samt Eigentumsvorbehalt an die Klägerin rechtsgeschäftliche Rechte erworben habe und ob die Beklagte ebenso wie M***** diese gegen sich gelten lassen müsse, obwohl sie ein richterliches Pfandrecht an dem Personenkraftwagen erworben habe, mit anderen Worten ob die von der Klägerin an dem Personenkraftwagen im Vertrauen auf die Erklärungen des Karl P***** als Verkäufers und des Karl M***** als Käufer erworbenen Rechte stärker sind als das Pfändungpfandrecht der Beklagten und daher die von der Beklagten auf den Personenkraftwagen geführte Exekution unzulässig machen. Aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichtes ergibt sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes, dass die Klägerin die von P***** und M***** ihr gegenüber vorgetäuschte Kaufpreisschuld des Karl M***** von 17.000 S an Franz B***** als Bevollmächtigten des Karl P***** bezahlt und von Karl P***** die Abtretung seiner behaupteten Rechte gegenüber Karl M***** verlangt hat und dass diese von Karl P***** an die Klägerin abgetreten wurden. Die Zahlung der Klägerin hat im Vertrauen auf die Erklärung des Karl P***** als Verkäufers und des Karl M***** als Käufers, dass sie über den Personenkraftwagen einen Kaufvertrag unter Eigentumsvorbehalt wegen der angeblichen Kaufpreisrestforderung von 17.000 S abgeschlossen haben, Rechte aus diesem Kaufvertrag dadurch erworben, dass sie die behauptete Kaufpreisrestforderung des Karl P***** gemäß § 1422 ABGB einlöste und sich die Kaufpreisrestforderung und den Eigentumsvorbehalt abtreten ließ. Sie hat dadurch allerdings nur Rechte aus einem Scheingeschäft erworben, von dem ihr nichts bekannt war. Karl M***** wäre daher nach § 916 Abs 2 ABGB nicht berechtigt, der Klägerin, wenn sie von dem Eigentumsvorbehalt ihm gegenüber Gebrauch machte, die Einrede des Scheingeschäftes entgegenzusetzen und den Eigentumsvorbehalt zu bestreiten. Er müsste vielmehr den Eigentumsvorbehalt gegen sich gelten lassen; die Klägerin wäre dem Karl M***** gegenüber ihn diesem Fall so zu behandeln, als ob sie tatsächlich Eigentum an dem Personenkraftwagen erworben hätte. Andererseits hat die Beklagte durch Pfändung des Personenkraftwagens, die erst nach den zwischen der Klägerin, Karl P***** und Karl M***** abgeschlossenen Vereinbarungen erfolgte, gleichfalls Rechte an dem Personenkraftwagen erworben. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zur Zeit der Pfändung von dem tatsächlichen Sachverhalt keine Kenntnis hatte und daher ebenfalls gutgläubig war. Es treffen demnach im vorliegenden Fall zwei Gläubiger des Karl M***** zusammen, und zwar die Klägerin und die Beklagte. Es stehen sich beiderseits gutgläubige Dritte gegenüber. In diesem Fall ist nach § 916 Abs 2 ABGB (einem Dritten, der im Vertrauen auf die Erklärung Recht erworben hat), wohl nur der zu schützen, der aus der Scheinhandlung gutgläubig Rechte rechtsgeschäftlich ableitet. Der Beklagten als Pfandgläubigerin ist es daher im vorliegenden Fall verwehrt, der Klägerin gegenüber, die rechtsgeschäftlichen Rechte an dem Personenkraftwagen bereits im Frühjahr 1957 erworben hat, während die Pfändung erst am 15. 12. 1958 erfolgte, sich auf die Nichtigkeit des Scheinvertrages zu berufen. Der Klägerin stehen als gutgläubiger Dritter Rechte aus dem Scheinvertrag zu, die dem Pfändungspfandrecht des Beklagten vorgehen und eine Exekutionsführung der Beklagten auf den Personenkraftwagen unzulässig machen.

Es musste der Revision der Klägerin schon aus diesen rechtlichen Erwägungen Folge gegeben werden. Es kann eine Stellungnahme zu den weiteren Revisionsausführungen entfallen.

Die Kostenentscheidungen stützen sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E76133 3Ob194.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00194.6.0614.000

Dokumentnummer

JJT_19600614_OGH0002_0030OB00194_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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