TE Vwgh Erkenntnis 2005/3/16 2004/12/0132

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Veröffentlicht am 16.03.2005
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
64/03 Landeslehrer;
65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

BDG 1979 §14 Abs1 idF 1995/820 impl;
BDG 1979 §14 Abs1 impl;
BDG 1979 §14 Abs3 impl;
LDG 1984 §12 Abs1 idF 1996/201;
LDG 1984 §12 Abs3;
PG 1965 §9 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der T in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, dieser vertreten durch Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Juni 2004, Zl. FA6B-05.03-1001/8-2004, betreffend Versagung der Versetzung in den Ruhestand nach § 12 LDG 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die im Jahre 1951 geborene Beschwerdeführerin steht als Sonderschuloberlehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark. Mit Erledigung vom 4. März 1999 versetzte der Landesschulrat für Steiermark die Beschwerdeführerin auf ihr Ansuchen hin mit Wirksamkeit vom

8. d.M. gemäß § 19 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 (LDG 1984) an die Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder G.

Am 16. Jänner 2003 erlitt sie einen Bruch der rechten Kniescheibe.

Mit Eingabe vom 17. November 2003 ersuchte die Beschwerdeführerin um Versetzung in den Ruhestand nach § 12 LDG 1984. Begründend führte sie aus, auf Grund ihres Gesundheitszustandes sehe sie sich nicht mehr in der Lage, den Dienst weiter zu versehen. Hierauf holte der Landesschulrat für Steiermark von Dr. R, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung, ein Gutachten ein, in dem er zu folgender Diagnose und Schlussfolgerung gelangt:

"Diagnose:

Belastungsschmerzen am rechten Kniegelenk bei Zustand nach Kniescheibenbruch mit Knorpelschaden, Chondropathia patellae beidseits.

Endgradiger Armhebeschmerz links bei Zustand nach Akromioplastik wegen Engpasssyndrom des linken Schultergelenkes mit Läsion der Rotatorensehnen.

Reaktive Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei Fehlhaltung und mäßigen Abnützungserscheinungen, keine Nervenwurzelsymptomatik.

Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung:

Die Untersuchte ist demnach nicht dauernd dienstunfähig.

Voraussichtliche Dauer der Dienstunfähigkeit: 3 Monate.

Durch intensive physiotherapeutische Maßnahmen ist eine wesentliche Besserung der Beschwerden und die Wiedererlangung der vollen Dienstfähigkeit zu erwarten.

Ärztlich empfohlene besondere Maßnahmen: Fortsetzung der Physiotherapie, eventuell auch stationäre Rehabilitationsmaßnahmen."

Zum Gutachten nahm die Beschwerdeführerin in ihrer umfangreichen Eingabe vom 14. April 2004 zusammengefasst dahingehend Stellung, sie sehe sich auf Grund ihrer Beschwerden im Schulter- und Kniebereich außer Stande, ihren Dienst ordnungsgemäß zu versehen. Als klassenführende Lehrkraft würde sie sich kaum mehr trauen, die geforderte, enorme Verantwortung zu übernehmen. Aber auch als Assistenz, die an ihrer Schule für Schwerstbehinderte möglich sei, müsste sie jederzeit eine ganze Reihe von Eigenschaften besitzen, um als verantwortungsvoller, pflichtbewusster, verlässlicher und vertrauenswürdiger Lehrer zu gelten, um also jenen Anforderungen gerecht zu werden, die von den Schülern, Eltern und Behörden und nicht zuletzt von den mitunterrichtenden Lehrern erwartet würden. Sie müsste also:

-

pausenlos auf den Beinen sein

-

allen physischen und mentalen Anforderungen der Unterrichtstätigkeit gewachsen sein

-

an Wanderungen, Lehrausgängen und anderen außerschulischen Veranstaltungen teilnehmen

-

gefährliche Momente (Wutattacken, Davonlaufen, Anfälle ...) rechtzeitig, fachlich und adäquat abwenden (voller körperlicher Einsatz sei in solchen Situationen unabdingbar)

-

am Turnunterricht teilnehmen und für die Kinder und den Lehrerkollegen hundertprozentig da sein

-

für eventuelle Krankenstände als Supplierkraft zur Verfügung stehen

-

für die Kollegen und Kolleginnen ein gleichwertiger, in allen Situationen verlässlicher Partner sein.

Mit Bescheid vom 20. April 2004 gab der Landesschulrat für Steiermark dem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand nicht statt. Begründend führte die Erstbehörde aus, die amtsärztliche Untersuchung habe ergeben, dass es sich bei den bestehenden Leiden um eine derzeitige, jedoch um keine dauernde Dienstunfähigkeit handelte. Es bestünden bei der Beschwerdeführerin nur vorübergehende Beschwerden, die durch intensive physiotherapeutische Maßnahmen eine wesentliche Verbesserung erfahren würden. Der Amtsarzt habe in seinem zusammenfassenden Ergebnis festgehalten, dass es sich bei den Leiden u.a. um eine mäßige Atrophie der Oberschenkelmuskulatur, einen leichten Patellaverschiebeschmerz sowie um mäßige Abnützungserscheinungen der Lendenwirbelsäule handelte. Weiters bedingte der von ihm diagnostizierte mäßige Armhebeschmerz bei Zustand nach Akromioplastik sowie die mäßigen Abnützungserscheinungen der Lendenwirbelsäule keine Ruhestandsversetzung, da es sich bei der amtsärztlichen Beurteilung nur um eine vorübergehende Dienstunfähigkeit handelte, deren Dauer bis zum Beginn der Sommerferien des Schuljahres 2003/04 angenommen würde. Zur Ausschöpfung der therapeutischen Möglichkeiten würden vom Amtsarzt die Fortsetzung der Physiotherapie und eventuell stationäre Rehabilitationsmaßnahmen empfohlen. Die Wiederaufnahme des Dienstes werde infolge dessen mit Beginn des Schuljahres 2004/05 erwartet.

Gemäß § 12 Abs. 1 LDG 1984 sei der Landeslehrer von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig sei. Diese Voraussetzung sei laut dem amtsärztlichen Gutachten nicht gegeben.

Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin eine umfangreiche Berufung ein, in der sie im Wesentlichen ihre Bedenken der Stellungnahme vom 14. April 2004 wiederholte. Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen des Berufungsverfahrens u.a. einen von Dr. J, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, verfassten "Fachärztlichen Befundbericht" vom 10. Mai 2004 vor, der ausführt:

"Bei oben genannter Patientin wurde im Feber 2004 eine Rotatorenmanschettenrevision und eine Acromioplastik li durchgeführt. Diese Operation war erforderlich, da ein massives knöchernes Impingement und auch schon eine Rotatorenmanschettenruptur vorhanden war. Außerdem erlitt die Patientin am 16. Jänner 2003 eine Patellafraktur re, welche konservativ behandelt wurde. Anschließend erfolgt eine Arthroskopie, wobei ein beträchtlicher Knorpelschaden festgestellt wurde. Das jetzige Problem ist nach wie vor ein beträchtlicher Arthroseschmerz re, sowie Bewegungseinschränkung und Kraftlosigkeit im li Arm.

Auf Grund dieser Behinderungen ist die Patientin in ihrer Arbeitstätigkeit massivst eingeschränkt und kann diese nicht erfüllen. Sie arbeitet mit schwerstbehinderten Kindern, muss diese Stützen bzw. Hilfestellung geben.

Es ist daher äußerst problematisch diese Arbeit weiterhin durchzuführen - auf Grund ihrer Schwäche im li Arm und auch ihrer Knieprobleme. Es besteht die Gefahr, dass diese Hilfestellung nicht entsprechend erfolgen kann und daher auch eine Gefährdung für ihre Schüler besteht.

Aus orthopädischer Sicht ist die Patientin für solche Arbeiten absolut nicht geeignet, sie könnte höchstens eine sitzende Tätigkeit (Bürotätigkeit oder ähnliches) ausüben."

Die belangte Behörde holte ihrerseits von Dr. P, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, ein Gutachten darüber ein, welche Tätigkeiten die Beschwerdeführerin nach ihrer körperlichen und geistigen Konstellation tatsächlich noch verrichten könne, damit der belangten Behörde eine Entscheidung darüber ermöglicht werde, ob eine dauernde, nur eine vorübergehende oder aber keine Dienstunfähigkeit vorliege. Insbesondere möge auch auf die Frage der zu erwartenden Krankenstände der Beschwerdeführerin eingegangen werden. Dieser Sachverständige schloss sein fachärztliches Gutachten mit folgender "Stellungnahme":

"Die 52-jährige Patientin befindet sich in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand, macht einen rüstigen Gesamteindruck und ist in ihrem Verhalten geordnet, an den Sinnesorganen besteht kein pathologischer Befund, das Gebiss ist saniert, die Beweglichkeit des Kopfes ist frei, das linke Schultergelenk in seiner Beweglichkeit endgradig eingeschränkt, die übrigen Gelenke der oberen Extremität bds. frei beweglich, die Hohlhandbeschwielung seitengleich, die grobe Kraft vorhanden, die Brust- und Lendenwirbelsäule im Lot, leichte Abflachung der Brustkyphose und Lendenlordose, Beweglichkeit frei, kein Klopfschmerz, der paravertebrale Muskeltonus gering erhöht, Nierenlager bds. frei, kein Beckenschiefstand, Beinlängen gleich, Hüftgelenke bds. frei beweglich, beide Kniegelenke bandfest, keine Schublade, Beweglichkeit frei, retropatellares Knacken bei Flexion bds., keine Meniskuszeichen, kein Erguss, Sprunggelenke bds. frei beweglich, bandfest, das Längsgewölbe abgeflacht, das Quergewölbe verbreitert, beginnender Hallux-valgus bds., Fußpulse tastbar.

Zusammenfassend handelt es sich bei der Patientin um einen Z. n. zweimaliger Schulteroperation links, eine endgradige Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, altersgemäße degenerative Veränderungen der LWS, rezidivierende LWS-Beschwerden, ein Z. n. medianer Unterbauchlaparotomie, eine mäßiggradige Knorpelschädigung an beiden Kniegelenken, ein Z. n. Kniescheibenbruch rechts, ein Senk-Spreiz-Fuß bds. sowie beginnender Hallux-valgus bds.

Auf Grund der erhobenen Befunde sind der Patientin leichte und mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen uneingeschränkt zumutbar, hierbei kommt es auf eine Reihenfolge der Körperhaltung bzw. eine zeitliche Dauer derselben nicht an. Schweren Arbeiten ist die Patientin nicht gewachsen. Arbeiten mit dem linken Arm über Kopf sind um die Hälfte des Arbeitstages zu reduzieren, der Rest gleichmäßig über die Arbeitszeit zu verteilen. Steighilfen können verwendet werden. Krankenstände sind mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit für die Dauer von drei Wochen festzusetzen, üblich gewährte Arbeitspausen sind ausreichend, vor Witterungseinflüssen kann sie sich durch geeignete Kleidung schützen, auf einen Fußanmarschweg zur Arbeitsstelle ist nicht Bedacht zu nehmen."

Zu diesem Gutachten nahm die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 22. Juni 2004 Stellung, in der sie zusammenfassend auf die fortdauernden schweren Kniebeschwerden verwies.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den Erstbescheid. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe des § 12 Abs. 1 und 3 LDG 1984 aus, nachdem eine unterrichtende Tätigkeit nicht als schwere körperliche Arbeit im Verständnis des Gutachtens Dris. P zu werten sei, müsse prinzipiell von der Dienstfähigkeit der Beschwerdeführerin ausgegangen werden. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass ihr Leistungskalkül aus medizinischer Sicht dadurch eingeschränkt werde, dass Arbeit mit der linken Hand über Kopf um die Hälfte des Arbeitstages zu reduzieren sei, wobei der verbleibende Rest gleichmäßig auf die Arbeitszeit zu verteilen sei. Diesbezüglich sei die Beschwerdeführerin als Pädagogin gefordert, dies in ihrer Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen. Zusammenfassend sei daher auf Grund der Gutachten des Amtsarztes und von Dr. P festzustellen, dass die erhobenen Beschwerden auch bei einer Gesamtbetrachtung nicht geeignet seien, eine erforderliche dauernde Dienstunfähigkeit herbeizuführen. Darüber hinaus blieben aber auch die prognostizierten Krankenstände im Ausmaß von drei Wochen pro Jahr hinter der laut höchstgerichtlicher Judikatur erforderlichen Krankenstandsdauer für Ruhestandsversetzungsverfahren zurück.

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 22. Juni 2004 sei entgegen zu halten, dass beide zugezogenen Fachärzte für Orthopädie sehr wohl auch ihre Kniebeschwerden in ihre Begutachtung miteinbezogen hätten. Diese seien aber nicht geeignet, derart Einfluss auf ihre Dienstfähigkeit zu nehmen, dass eine Versetzung in den Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen gerechtfertigt gewesen wäre. Hinsichtlich der vorgebrachten Schmerzzustände sei auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, die besage, wenn in einem ärztlichen Gutachten zur Überprüfung der Dienstfähigkeit medizinisch begründete Aussagen getroffen würden, dass auf Grund des festgestellten Gesundheitszustandes bestimmte Tätigkeiten (noch) zumutbar wären, so könnte unter Berücksichtigung der ärztlichen Sorgfaltspflichten, denen auch der ärztliche Sachverständige unterläge, davon ausgegangen werden, dass mit der Durchführung dieser Arbeiten keine oder nur geringe Schmerzen verbunden wären und somit durch diese Tätigkeiten keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes hervorgerufen werden würde, welche ohne Arbeitsleistung nicht eingetreten wäre. Aus diesen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofes lasse sich weiters schlussfolgern, dass es aber auch zu keiner Gefährdung anderer Personen (hier Schüler) durch die gutachterlich festgestellten zumutbaren Tätigkeiten komme. Somit könne das von der Beschwerdeführerin behauptete ausgehende Risikopotential nur als Selbsteinschätzung gewertet werden. Nachdem die Stellungnahme nicht geeignet gewesen sei, eine anders lautende Entscheidung herbeizuführen, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "Recht auf Ruhestandsversetzung infolge dauernder krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit gemäß § 12 LDG 1984" verletzt. Einleitend stellt sie in der Beschwerde klar, dass aus ihren Schulterbeschwerden keine dauerhafte entscheidende Behinderung ihrer schulischen Tätigkeit resultiere. Wesentlich hiefür seien die Kniebeeinträchtigungen. Die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht sie darin, sie habe in ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass ihr der Umgang mit behinderten Kindern vollen körperlichen Einsatz abverlange. Auf dieses Vorbringen habe die belangte Behörde in keiner Weise reagiert. Schon auf Grund der vorhandenen medizinischen Beweisergebnisse hätte die belangte Behörde dem Pensionierungsantrag stattgeben müssen, weil hierin deutliche körperliche Beeinträchtigungen zum Ausdruck kämen, die offensichtlich mit den Anforderungen des Umganges mit schwerstbehinderten Kindern nicht vereinbar seien. Im Falle von Zweifeln daran wäre der Sachverständigenbeweis dafür zu ergänzen gewesen. In concreto gehe es um ganz spezifische Anforderungen in Krisensituationen. Bei gehöriger Vorgangsweise hätte die belangte Behörde dem medizinischen Sachverständigen die Erfordernisse der Art der Lehrtätigkeit zur Kenntnis zu bringen und ihn aufzufordern gehabt, eine Aussage darüber zu treffen, ob die Beschwerdeführerin bei Auftreten der besagten Krisensituationen die erforderliche uneingeschränkte Aktionsfähigkeit hätte oder nicht. Es hätte der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige hiebei wohl nur eine verneinende Antwort geben können. Davon ausgehend hätte sich die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens erübrigt, ansonsten wäre auch ein solches einzuholen gewesen. Ein weiterer Mangel liege auch darin, dass im fachärztlichen Befundbericht Dris. J vom 10. Mai 2004 ein in den Grenzen seines Inhaltes dem amtlich eingeholten Sachverständigengutachten gleichwertiges Beweismittel vorliege. In diesem Befundbericht werde ausgeführt, es bestünde die Gefahr, dass die Hilfestellung in Bezug auf behinderte Kinder nicht entsprechend erfolgen könnte.

Gemäß § 12 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 302 - LDG 1984, in der Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, ist der Landeslehrer von Amts wegen oder auf seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dauernd dienstunfähig ist. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist der Landeslehrer dienstunfähig, wenn er infolge seiner körperlichen oder geistigen Verfassung seine dienstlichen Aufgaben nicht erfüllen und ihm kein mindestens gleichwertiger Arbeitsplatz zugewiesen werden kann, dessen Aufgaben er nach seiner körperlichen und geistigen Verfassung zu erfüllen imstande ist und der ihm mit Rücksicht auf seine persönlichen, familiären und sozialen Verhältnissen billigerweise zugemutet werden kann.

§ 12 Abs. 1 und 3 LDG 1984 ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit § 14 Abs. 1 und 3 BDG 1979, weshalb die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung auf die Beantwortung der Frage der dauernden Dienstunfähigkeit eines Landeslehrers übertragen werden kann. Unter der bleibenden Unfähigkeit eines Beamten (hier: Landeslehrers), seine dienstlichen Aufgaben ordnungsgemäß zu versehen, ist demnach alles zu verstehen, was seine Eignung, diese Aufgabe zu versehen, dauernd aufhebt. Die Frage, ob eine dauernde Dienstunfähigkeit vorliegt oder nicht, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsfrage, die nicht der ärztliche Sachverständige, sondern die Dienstbehörde zu beantworten hat. Aufgabe der ärztlichen Sachverständigen ist es, an der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes mitzuwirken, indem er in Anwendung seiner Sachkenntnisse Feststellungen über den Gesundheitszustand des Landeslehrers trifft und die Auswirkungen bestimmt, die sich aus festgestellten Leiden oder Gebrechen auf die Erfüllung dienstlicher Aufgaben ergeben. Dabei ist, um der Dienstbehörde eine Beurteilung des Kriteriums "dauernd" zu ermöglichen, auch eine Prognose zu stellen. Die Dienstbehörde hat anhand der dem Gutachten zu Grunde gelegten Tatsachen die Schlüssigkeit des Gutachtens kritisch zu prüfen und einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu unterziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 2003, Zl. 2003/12/0004, mwN).

Für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit verlangt § 12 Abs. 3 LDG 1984 - ebenso wie § 14 Abs. 3 BDG 1979 - das kumulative Vorliegen zweier Voraussetzungen, nämlich die Unfähigkeit der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben am aktuellen Arbeitsplatz infolge der körperlichen oder geistigen Verfassung und die Unmöglichkeit der Zuweisung eines den Kriterien der zitierten Gesetzesbestimmung entsprechenden mindestens gleichwertigen Arbeitsplatzes. Beide Voraussetzungen für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit müssen kumulativ und auf Dauer, also für einen nicht absehbaren Zeitraum, vorliegen, damit von einer "dauernden Dienstunfähigkeit" ausgegangen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2002/12/0301). Die Frage der Dienstunfähigkeit ist unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben am (zuletzt innegehabten) Arbeitsplatz bzw. die Möglichkeit der Zuweisung eines gleichwertigen Arbeitsplatzes zu lösen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 2004, Zl. 2003/12/0229, mwN).

Die belangte Behörde schloss die (dauernde) Dienstunfähigkeit deshalb aus, weil - unter Zugrundelegung des Leistungskalküls im Gutachten Dris. P - eine unterrichtende Tätigkeit nicht als schwere körperliche Arbeit im Verständnis dieses Gutachtens zu bewerten sei und, soweit das Leistungskalkül der Beschwerdeführerin eingeschränkt sei, sie dies in ihrer Unterrichtsgestaltung zu berücksichtigen habe.

Die Beschwerde hebt dem gegenüber - wie schon im Dienstrechtsverfahren - eine besondere (auch) körperliche Beanspruchung einer Lehrerin an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder hervor. Die Beschwerde zeigt damit zutreffend auf, dass die belangte Behörde der sie nach § 1 Abs. 1 DVG in Verbindung mit § 58 und § 60 AVG treffenden Begründungspflicht nicht Genüge tat, wenn sie - ohne nähere Begründung - die von der Beschwerdeführerin als Lehrerin an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder zu erfüllenden Aufgaben allgemein als "unterrichtende Tätigkeit" umschrieb und von daher nicht als schwere körperliche Arbeit im Sinne des Gutachtens Dris. P zu bewerten vermochte, zudem ist nicht erkennbar, dass den beigezogenen Amtssachverständigen die konkreten Aufgaben (das konkrete Tätigkeitsbild) der Beschwerdeführerin als Lehrerin an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder bekannt gewesen wären und der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige Dr. P insbesondere nicht auf die im fachärztlichen Befund Dris. J vom 10. Mai 2004 geäußerten Bedenken - wonach die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Behinderungen in ihrer Arbeitstätigkeit massivst eingeschränkt sei und diese nicht erfüllen könne, sie arbeite mit schwerstbehinderten Kindern, müsse diese stützen bzw. Hilfestellung geben - einging und zu entkräften vermochte.

Damit verschließen sich die Erwägungen dieses Amtssachverständigen und letztlich auch jene der belangten Behörde einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde daher vorerst begründete Feststellungen über die konkreten Aufgaben der Beschwerdeführerin an ihrem Arbeitsplatz als Lehrerin an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder zu treffen haben, um dem medizinischen Sachverständigen eine nachvollziehbare Beurteilung des medizinischen Leistungskalküls anhand dieser konkreten Aufgaben zu ermöglichen. Sollte der belangten Behörde das Wissen über die konkreten Aufgaben eines Lehrers an einer Schule für schwerstbehinderte Kinder fehlen, wäre diesfalls gemäß § 1 Abs. 1 DVG in Verbindung mit § 52 AVG die Beiziehung eines berufskundlichen Sachverständigen geboten. Sodann wird der medizinische Sachverständige unter Bezugnahme auf die konkreten Aufgaben am aktuellen Arbeitsplatz der Beschwerdeführerin sein Gutachten darüber abzugeben haben, ob diese Aufgaben innerhalb des Leistungskalküls der Beschwerdeführerin liegen oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2004, Zl. 2004/12/0076).

Sollte das medizinische Gutachten unter konkreter Bezugnahme auf die dienstlichen Aufgaben der Beschwerdeführerin ergeben, dass diese Aufgaben das Leistungsvermögen der Beschwerdeführerin übersteigen, hätte die belangte Behörde sodann im Sinne der wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einem weiteren Schritt die Frage des Verweisungsaspektes im Sinn des § 12 Abs. 3 LDG 1984 zu beantworten.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 16. März 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004120132.X00

Im RIS seit

14.04.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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