Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Elsigan als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Sabaditsch, Dr. Köhler, Dr. Pichler und Dr. Höltzel als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Josef D*****, Spediteur in *****, 2) Käthe D*****, Angestellte, ebendort, beide vertreten durch Dr. Walter Doppler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Leopold K*****, Transportunternehmer in *****, 2) Josef G*****, Kraftfahrer in *****, beide vertreten durch Dr. Alfred Lukesch, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Schadenersatz, infolge Revision der klagenden Parteien zu 2) und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. April 1960, GZ 3 R 107/60-28 , womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 16. Dezember 1959, GZ 1 Cg 32/59-23, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Zweitklägerin die mit 801,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Die Zweitklägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Bei einem vom Zweitbeklagten am 14. September 1957 verschuldeten Verkehrsunfall auf der über die Pielach führenden Brücke der Bundesstraße Nr. 1 nächst Prinzersdorf erlitten die beiden Kläger erhebliche Verletzungen. Die Zweitklägerin, deren Ersatzansprüche allein im Revisionsverfahren noch streitverfangen sind, begehrt vom Erstbeklagten als Halter und vom Zweitbeklagten als Lenker des Kraftfahrzeuges u.a. ein Schmerzensgeld von 35.000 S und eine monatliche Rente von 300 S für entgangenen Verdienst. Das Erstgericht hat beide Ansprüche als berechtigt angesehen und der Klägerin die begehrten Beträge zuerkannt. Das Berufungsgericht hat infolge Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil in Ansehung des Schmerzensgeldes bestätigt, die monatliche Rente aber auf 150 S herabgesetzt. Gegen das zweitinstanzliche Urteil richten sich die Revisionen der Beklagten und der Zweitklägerin. Die Beklagten machen den Revisionsgrund des § 503 Z. 4 ZPO. geltend und beantragen, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das ein Schmerzensgeld von 30.000 S übersteigende Begehren von 5.000 S sowie das Rentenbegehren abgewiesen werde. Die Klägerin macht die Revisionsgründe des § 503 Z. 2 und 4 ZPO. geltend und beantragt, in Ansehung des Rentenbegehrens das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird von den Revisionswerbern auch der Antrag gestellt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Untergerichte zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Klägerin beantragt, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind nicht begründet.
1) Zur Bemessung des Schmerzensgeldes:
Nach den Feststellungen der Untergerichte erlitt die Klägerin bei dem Unfall mehrere Risswunden im Bereich der linken Stirnseite, eine Schnittwunde im linken äußeren Augenwinkel, Bluterguss im Bereich des linken Auges, beiderseits einen Bruch der ersten und der zweiten Rippe, eine große lappenförmige Wunde am unteren Rand der rechten Kniescheibe, einen Riss des äußeren Seitenbandes im rechten Kniegelenk, eine Dehnung des inneren Seitenbandes im rechten Knie und einen Bruch des rechten äußeren Knöchels. Die Spitalsbehandlung dauerte bis 9. Oktober 1957. Nach Abnahme des Oberschenkelgipsverbandes am 22. November 1957 zeigte sich noch keine volle Festigung im Kniegelenk. Bis Ende Dezember 1957 musste die Klägerin mit zwei Stöcken gehen; dann genügte ein Stock, doch war der Gang noch unsicher. Eine Kontrolluntersuchung am 15. Dezember 1958 ergab ein unsicheres Gefühl beim Gehen trotz Benützung eines Stockes sowie Schmerzen bei Überanstrengung und Witterungswechsel. Das Kniegelenk ist voll streck- und beugungsfähig, aber noch immer nach außen etwas und nach innen geringfügig aufklappbar. Diese Lockerung der Bänder kann nicht mehr behoben werden. Eine Unsicherheit beim Gehen besteht fort; bei längerem Stehen treten Schmerzen und Ermüdungserscheinungen auf. Außerdem ist die Gefahr gegeben, dass infolge der Lockerung des Kniegelenks in späterer Zeit Abnützungserscheinungen im Knorpel und Knochen (arthrosis deformans) auftreten. Mit den Unfallsverletzungen waren starke Schmerzen von 10 bis 12 Wochen, mittlere Schmerzen von 10 Wochen und leichte Schmerzen von 15 Wochen verbunden.
Für das Berufungsgericht, das gleich dem Erstrichter das Schmerzensgeld mit 35.000 S bemessen hat, war die Art und Schwere der einzelnen Verletzungen ihr schwerer Grad und ihre lange Dauer in der Gesamtheit, sowie der Umstand, dass mehrere Schmerzensquellen vorlagen, bestimmend. Diese Erwägungen des Berufungsgerichtes müssen gebilligt werden. Auch wenn einzelne der festgestellten Verletzungen nicht besondere Schmerzen verursacht haben mögen, sind doch das Gesamtbild aller Verletzungen, die die Verunglückte bei dem Unfall erlitten hat, und die Folgen, die sich aus diesen Verletzungen ergeben haben, für die Höhe des Schmerzengeldes ausschlaggebend. Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände kann nicht gesagt werden, dass das von den Untergerichten zuerkannte Schmerzengeld zu hoch gegriffen sei.
2.) Zum Rentenbegehren der Klägerin:
Die Beklagten sind der Meinung, dass die Voraussetzungen für einen Rentenzuspruch nicht gegeben seien; die Klägerin will sich mit der monatlichen Rente von 150 S nicht zufrieden geben und verlangt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, mit dem ihr eine monatliche Rente von 300 S zuerkannt worden war.
Nach den Feststellungen der Untergerichte haben die Verletzungen Dauerfolgen insofern nach sich gezogen, als das Gehen unsicher ist, bei längerem Stehen erhebliche Schmerzen und Ermüdungserscheinungen auftreten und weiter die Gefahr besteht, dass die auf die Lockerung der Bänder zurückgehende Gelenkslockerung zu Abnützungserscheinungen in Form einer arthrosis deformans führt. Nach dem Gutachten des ärztlichen Sachverständigen haben diese Dauerschäden eine Verminderung der allgemeinen Erwerbsfähigkeit der Klägerin um 20 % und eine Verminderung der Arbeitsfähigkeit als Buchhalterin um 10 bis 15 % zur Folge. Es kann sonach keinem Zweifel unterliegen, dass die Klägerin auch bei ihrer Tätigkeit als Buchhalterin gegenüber einem Gesunden mehr an Energie und Zeit aufwenden muss, um dasselbe Ziel zu erreichen. Dies genügt aber nach der ständigen Rechtsprechung für den Zuspruch der laufenden Rente, die der Verunglückten den in Hinkunft entstehenden Schaden durch Verdienstentgang abgelten soll. Konkreter Feststellungen über die Höhe eines etwaigen Verdienstausfalls bedarf es ebenso wenig wie einer Feststellung, dass die Verunglückte ihren Arbeitsplatz verlieren könnte. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für einen Rentenzuspruch schon dann vorliegen, wenn ein dauernder Körperschaden feststeht und ein innerer Zusammenhang mit einem effektiven Verdienstentgang gegeben ist. Es darf nicht übersehen werden, dass sich ein unter den Folgen eines Unfalls Leidender körperlich früher verbraucht und einen im Augenblick vielleicht noch nicht wägbaren, in Zukunft aber immer deutlicher in Erscheinung tretenden gegenwärtigen Schaden erleidet. Auch gegen die Höhe der vom Berufungsgericht nach freiem Ermessen mit 150 S monatlich ausgemessenen Rente bestehen keine Bedenken. Auf die mit der Verletzung verbundene Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB. kann unter diesem Gesichtspunkt nicht weiter Bedacht genommen werden. Der Hinweis auf die beträchtlichen Kosten einer im Haushalt zusätzlich beschäftigten Bedienerin kann ebenso wenig durchgreifen wie die Behauptung, dass den Sozialversicherungsinstituten bei 20%iger Erwerbsminderung regelmäßig höhere Renten gezahlt werden. Die Mängelrüge der Klägerin ist nicht berechtigt, weil nur Mängel in der Begründung der zweitinstanzlichen Entscheidung behauptet, nicht aber, wie im § 503 Z. 2 ZPO. gefordert wird, Mängel des Berufungsverfahrens aufgezeigt werden.
Aus diesen Erwägungen musste beiden Revisionen der Erfolg versagt bleiben.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 bzw. 40,50 ZPO.
Anmerkung
E75328 2Ob280.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0020OB00280.6.0708.000Dokumentnummer
JJT_19600708_OGH0002_0020OB00280_6000000_000