Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Rat des Obersten Gerichtshofes Dr. Dinnebier als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Liedermann, Dr. Machek, Dr. Überreiter und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef B*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr. Gustav Wiltschek, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann G*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr. Erich Haase, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung infolge Rekurses der klagenden und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 5. April 1960, GZ 41 R 187/60-12, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. Jänner 1960, GZ 41 C 330/59-7, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurskosten sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung:
Der Kläger und seine Schwester Gisela B***** sind seit 1938 gemeinsam Hauptmieter der schon vom Vormieter zu einer Einheit zusammengezogenen Wohnung Nr 4 und Nr 5 im Hause ***** P*****straße
29. Die anfänglich noch vorhanden gewesenen Verbindungstüren sind vor 1953 von dem damaligen gemeinsamen Untermieter eines Teiles der Wohnung abgemauert worden. Für jede der beiden Wohnungshälften ist gesondert ein Gas- und Lichtzähler installiert worden. Zunächst haben die beiden Mitmieter die eine Wohnungshälfte (Tür Nr 4) gemeinsam zur Führung eines Wäschegeschäftes benützt, während die übrigen Räume bis auf einen Saal, der von Gisela B***** benützt wurde, leer gestanden sind. Dann wurde der Betrieb in die Wohnungshälfte Nr 5 verlegt, während die Wohnungshälfte Nr 4 untervermietet wurde. Im Jahre 1954 schied Gisela B***** aus dem gemeinsamen Unternehmen aus und gründete mit dem Beklagten ein Konkurrenzunternehmen, die Firma W***** eine OHG, welche die Wohnungshälfte Nr 4 als Geschäftslokal benützte. Im Gesellschaftsvertrag wurde festgehalten, dass Gisela B***** "ihre Mietrechte an den vorhandenen Lokalitäten" einbringt. Mit 31. 8. 1959 schied Gisela B***** "faktisch" aus der Gesellschaft aus, wurde aber bisher im Handelsregister nicht gelöscht. Der Beklagte setzt den Betrieb in den gleichen Räumen fort. Am 28. 10. 1959 brachte der Kläger gegen den Beklagten eine Räumungsklage ein. Er brachte vor, Gisela B***** habe sich im September 1959 in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtet, auf ihre Mietrechte zugunsten der Firma W***** zu verzichten. Gisela B***** sei aber als bloße Mitmieterin nicht berechtigt gewesen, ohne seine Zustimmung Mietrechte an einen Dritten zu übertragen. Der Beklagte wendete ua ein, Benützerin der Räume sei nicht er persönlich, sondern die Firma W*****. Der Kläger sei mit der Einbringung der Mietrechte durch Gisela B***** in die Gesellschaft einverstanden gewesen. Am 28. 10. 1959 sei zwischen der Firma W***** und Gisela B***** hinsichtlich der gegenständlichen Räume ein Untermietvertrag abgeschlossen worden.
Der Erstrichter gab dem Räumungsbegehren statt. Er ging in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass Gisela B***** als bloße Mitmieterin zur Übertragung der Mietrechte an die Firma W***** nicht berechtigt gewesen sei. Da sie der Gesellschaft nicht mehr angehöre, benütze der Beklagte die Räume nunmehr ohne Rechtstitel. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und hob das Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Der Beklagte habe sich nicht auf ihm übertragene Hauptmietrechte berufen, sondern auf einen mit Gisela B***** geschlossenen Untermietvertrag. Ein Mitmieter sei zwar grundsätzlich zur Untervermietung nicht berechtigt. Die mit Willen der beiden Mitmieter zustande gekommene Trennung der Benützung der beiden Wohnungshälften stelle eine Benützungsregelung durch schlüssige Handlungen des Inhaltes dar, dass jeder der beiden den uneingeschränkten und ausschließlichen Gebrauch seines Teiles habe. In einem solchen Fall sei der Mitmieter zur Unervermietung berechtigt. Es müsse daher festgestellt werden, ob der vom Beklagten behauptete Untermietvertrag abgeschlossen wurde.
Gegen diesen Beschluss erhoben beide Parteien Rekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen. Der Kläger strebt die Wiederherstellung des erstrichterlichen Urteils an, der Beklagte dessen Abänderung dahin, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
Den Rekursen ist aus nachstehenden Erwägungen der Erfolg zu versagen. Zutreffend sind die Vorinstanzen in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass auf die Mitmiete sinngemäß die Bestimmungen der §§ 828 ff ABGB Anwendung finden, wonach nur die Gesamtheit der Teilhaber einverständlich über die Sache, die einzelnen Teilhaber aber nur über ihr Anteilsrecht verfügen können, dass also der Mitmieter weder sein Mitmietrecht auf einen Dritten übertragen noch ohne Zustimmung des anderen Mitmieters einen Teil des Bestandgegenstandes untervermieten kann. Es trifft auch zu, dass dem Teilhaber das Recht zusteht, die zur Wahrung des Gesamtrechtes erforderlichen Rechtsbehelfe zu ergreifen, deren es zur Wahrung seines Anteilsrechtes bedarf, dass also der Mitmieter gegen einen vom anderen Mitmieter unzulässigerweise aufgenommenen Untermieter direkt mit Klage vorgehen kann. An dieser Rechtslage wird grundsätzlich auch durch eine von den Parteien herbeigeführte oder vom Gericht festgesetzte Regelung der Benützung des Bestandgegenstandes durch die Mitmieter nichts geändert. Wie bereits erwähnt, ist im vorliegenden Falle die Benützung der Bestandsache durch die beiden Mitmieter schon seit Jahren dahin abgegrenzt, dass der Kläger die Wohnungshälfte Nr 5 für seine geschäftlichen Zwecke benützt, während Gisela B***** die Wohnungshälfte Nr 4 in das von ihr und dem Beklagten gegründete Unternehmen als Geschäftslokal einbrachte, wogegen der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen keinen Widerspruch erhob. Wäre dieser Zustand noch aufrecht, hätte der Kläger kein direktes Klagerecht gegen den Beklagten, da er der von im selbst Jahre hindurch unwidersprochen hingenommenen Gebrauchsabgrenzung entsprechen würde. Anders wäre es jedoch, wenn Gisela B***** die ihr nach der Gebrauchsabgrenzung zustehenden Räume nun nicht mehr wie bisher in der geschilderten Weise benützen, sondern einem Unternehmen, an dem sie nicht beteiligt ist, überlassen würde. Eine solche Maßnahme wäre nicht mehr durch die Abgrenzung der Benützung der gemeinsamen Bestandsache gedeckt. Dass anlässlich der Gebrauchsabgrenzung der Wille zum Ausdruck gekommen wäre, dass jeder Teil ein bleibendes und uneingeschränktes Recht an der ihm zugefallenen Wohnungshälfte habe und diese auch untervermieten könne, wurde nicht behauptet. Die Parteien haben nicht einmal eine ausdrückliche Vereinbarung über die Abgrenzung der Benützung behauptet, obwohl sich aus der Aussage der Zeugin Gisela B***** gewisse Anhaltspunkte für das Zustandekommen einer ausdrücklichen Vereinbarung ergeben hätten. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichtes, der von den Mitmietern geschaffene Zustand stelle eine durch schlüssige Handlungen zustande gekommene Benützungsregelung des Inhaltes dar, dass jedem der beiden Teilhaber die uneingeschränkte und ausschließliche Benützung seines Teiles zustehe, ist daher nicht zwingend. Die Ansicht, dass die Mitmieter in einem Falle wie dem vorliegenden zum Abschluss von Untermietverträgen hinsichtlich des ihnen nach der Gebrauchsregelung zukommenden Anteiles berechtigt seien, findet entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes auch nicht in der Entscheidung vom 9. 7. 1953, MietSlg 2774, eine Stütze, da sie zu dieser Frage nicht abschließend Stellung nimmt.
Konnte aber Gisela B***** nicht wirksam einen Untermietvertrag mit dem Beklagten oder der Firma W***** schließen, dann erübrigen sich Feststellungen darüber, ob der vom Beklagten behauptete Untermietvertrag zustandekam.
Trotzdem erweist sich die Aufhebung des erstrichterlichen Urteiles als notwendig. Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger ein direktes Klagerecht gegen den Beklagten hat, ist nach dem oben Gesagten, ob der Zustand, der durch die Einbringung des der Gisela B***** nach der Benützungsregelung zustehenden Teiles der Wohnung als Geschäftslokal in die OHG geschaffen wurde, derzeit noch aufrecht ist. Dies geht aber aus den Feststellungen des Erstgerichtes nicht eindeutig hervor. Es ist nicht klar, was unter der von Gisela B***** gebrauchten und vom Erstrichter übernommenen Wendung, sie sei faktisch, nicht aber rechtlich aus der Gesellschaft ausgetreten, zu verstehen ist. Sollte ihr Hinweis, sie sei im Handelsregister noch nicht gelöscht, bedeuten, dass sie als "rechtliches Ausscheiden" die Löschung im Handelsregister versteht, so wäre diese Auffassung unzutreffend. Die Eintragung im Handelsregister hat lediglich deklarative Bedeutung. Maßgebend ist im Innenverhältnis die Willensübereinstimmung der Gesellschafter. Festzustellen ist daher, ob eine Vereinbarung der Gesellschafter über das Ausscheiden der Gisela B***** bereits geschlossen wurde.
Vor Klarstellung des Verhältnisses der Gisela B***** zu der Firma W***** kann nicht beurteilt werden, ob dem Klagebegehren die Benützungsabgrenzung entgegensteht oder ob sich der Beklagte nunmehr nur noch auf eine unwirksame Vereinbarung mit Gisela B***** berufen kann.
Die Rekurse haben, wenn sie auch im Ergebnis erfolglos waren, zur Klarstellung der für die Entscheidung maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte beigetragen. Die Rekurskosten teilen daher das Schicksal der sonstigen Verfahrenskosten (§ 52 ZPO).
Anmerkung
E76136 3Ob208.60European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00208.6.0713.000Dokumentnummer
JJT_19600713_OGH0002_0030OB00208_6000000_000