TE OGH 1960/7/20 3Ob187/60

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Veröffentlicht am 20.07.1960
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Meyer-Jodas, Dr. Liedermann, Dr. Überreiter und Dr. Bauer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heimgartenverein "St*****, vertreten durch den Obmann Hermann K*****, dieser vertreten durch Dipl. Ing. DDr. Josef Goral, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Karl B*****, Gemeindeangestellter, ***** vertreten durch Dr. Leo Strafella, Dr. Gerhard Tomberger, Rechtsanwälte in Graz, wegen Aufkündigung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 3. März 1960, GZ 2 R 92/60-19, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 22. Dezember 1959, GZ 24 C 170/59-13, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Berufungsgericht aufgetragen, neuerlich unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungsgrund über die Berufung der klagenden Partei zu entscheiden, wobei auf die Rekurskosten als weitere Kosten des Berufungsverfahrens Bedacht zu nehmen sein wird.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Pächterin eines der Brauerei R***** in ***** gehörigen Grundstückes im Ausmaß von 68.111 m2. Der Zweck des Vereines ist der Erwerb von Grundstücken und Überlassung derselben an seine Mitglieder zur kleingärtnerischen Nutzung. Sie hat im August 1952 die Parzelle 13 im Ausmaß von 102 m2 dem Beklagten, einem Mitglied des Vereines, unterverpachtet. Am 14. 3. 1959 hat die Generalversammlung den Ausschluss des Beklagten aus dem Verein beschlossen. Am 28. 8. 1959 hat die Klägerin dem Beklagten das Bestandverhältnis gerichtlich aufgekündigt. Sie hat im Einzelnen folgende Umstände geltend gemacht: 1.) mutwillige Erstattung einer Anzeige wegen Erpressung gegen den Obmann des Vereines; 2.) ständige Streitigkeiten der Gattin des Beklagten mit den Nachbarn; 3.) Kritik an den Beschlüssen der Vereinsleitung; 4.) mangelhafte Verwahrung der Hühner, die in Nachbargärten Schäden anrichten; 5.) Nichteinhaltung der Bestimmungen über die Wasserentnahme durch die Gattin des Beklagten; 6.) Beschimpfung des Obmannes des Vereines bei der Generalversammlung vom 14. 3. 1959 und Störung dieser Versammlung durch die Gattin des Beklagten.

Der Erstrichter hob die Aufkündigung auf. Er hielt den Beweis für die unter 1.), 2.), 3.) und 5.) angeführten Behauptungen nicht für erbracht. Hinsichtlich der Verwahrung der Hühner stellte er fest, dass wiederholt Hühner in einige Nachbargärten gekommen seien, in letzter Zeit allerdings selten. Zumindest im letzten Jahr (1959), in dem nur einmal ein Huhn in den Garten des Josef L***** und viermal mehrere Hühner in den Garten des Josef St***** gekommen seien, sei auch kein besonderer Schade entstanden. Der Beklagte habe hievon keine Kenntnis gehabt. Seine Gattin sei immer bemüht gewesen, die Hühner entsprechend zu verwahren. Bei der Generalversammlung vom 14. 3. 1959 sei die Gattin des Beklagten, nachdem der Obmann des Vereines die Gründe für die Kündigung des Beklagten und eines weiteren Kleingärtners vorgetragen habe, aufgesprungen, habe sich hysterisch gebärdet und gerufen, der Obmann sei ein gemeiner Mensch. Es sei zu einem Wirbel gekommen, die Gattin des Beklagten sei schließlich durch die Polizei entfernt worden. Der Beklagte habe versucht, sie zu beruhigen, doch sei ihm dies nicht gelungen. Es könne nicht gesagt werden, dass er es unterlassen habe, die ihm mögliche Abhilfe zu schaffen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das erstrichterliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Der Erstrichter habe hinsichtlich der Verwahrung der Hühner und der Vorgänge bei der Generalversammlung vom 14. 3. 1959 nicht alle Beweisergebnisse entsprechend berücksichtigt. Der Zeuge Josef L***** habe auch angegeben, dass die Hühner im Winter in seinem Garten Vogerl- und Häuptelsalat und Spinat gefressen haben sowie dass er Jahre hindurch wegen der Hühner des Beklagten den Garten nicht habe benützen können. Der Zeuge Hermann K***** habe auch ausgesagt, Josef L***** habe ihn im Jahre 1959 dreimal um Abhilfe gegen die Hühner des Beklagten ersucht und der Zeuge Johann G*****, die Nachbarn hätten sich über die mangelhafte Verwahrung der Hühner des Beklagten beschwert. Die Zeugen Ruth und Ernst K***** sowie Franz L***** hätten angegeben, der Wirbel bei der Generalversammlung vom 14. 3. 1959 sei unter anderem auf die Gattin des Beklagten zurückzuführen. Das Berufungsgericht hielt es für möglich, dass bei Heranziehung auch dieser Beweisergebnisse ein Sachverhalt erweislich sei, der als Kündigungsgrund im Sinne des § 12 Abs 2 lit b des Kleingartengesetzes vom 16. 12. 1958, BGBl Nr 6/1959 gewertet werden könne. Der Erstrichter müsse daher unter Berücksichtigung dieser Beweisergebnisse ergänzende Feststellungen treffen, wobei auch auf die Bestimmung des § 12 Abs 4 des Kleingartengesetzes Bedacht zu nehmen sein werde. Ferner müsse festgestellt werden, ob die Personen, gegen die sich der Beklagte bzw dessen Gattin grob ungehörig verhalten habe, also insbesondere auch der Obmann Hermann K***** Kleingärtner seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen sind mit Recht davon ausgegangen, dass auf die vorliegende Rechtssache das Kleingartengesetz Anwendung findet und zwar ungeachtet des von der Bestimmung des § 1 Abs 1 dieses Gesetzes abweichenden Ausmaßes des Kleingartens, da es sich um einen bestehenden Pachtvertrag handelt, weshalb hinsichtlich des Ausmaßes die Übergangsbestimmung des § 20 Abs 3 zur Anwendung kommt. Den Vorinstanzen ist auch darin beizupflichten, dass im vorliegenden Verfahren gemäß §§ 7 Abs 1, 12 Abs 5 des Kleingartengesetzes andere als die in der Kündigung angeführten Kündigungsgründe nicht geltend gemacht werden können, weshalb auf die erst während des Verfahrens vorgebrachten Umstände nicht Bedacht zu nehmen ist. Ob ein Verhalten als rücksichtslos oder grob ungehörig im Sinne des § 12 Abs 2 lit b des Kleingartengesetzes zu werten ist, richtet sich nach den Umständen des Falles. Die Verursachung größerer Schäden in Nachbargärten durch mangelhaft verwahrte Hühner kann als ein solches Verhalten in Betracht kommen.

Das Berufungsgericht vermisst aber zu Unrecht Feststellungen darüber, wann die Vorfälle mit den Hühnern waren sowie darüber, ob die Gattin des Beklagten an der Entstehung des Tumultes bei der Generalversammlung vom 14. 3. 1959 beteiligt war. Der Erstrichter hat Feststellungen in diesem Belange ohnehin getroffen. Er hat insbesondere hinsichtlich jener Vorfälle mit den Hühnern, die er als erwiesen angenommen hat, soweit dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 12 Abs 4 des Kleingartengesetzes erforderlich war, auch festgestellt, in welche Zeit sie fallen.

Ob die Beweisergebnisse, insbesondere die Aussagen der Zeugen Josef L*****, Hermann K***** und Johann G***** die Feststellung ermöglicht hätten, dass die Hühner während der letzten sechs Monate vor der Einbringung der Kündigung öfter in den Nachbargärten waren und dort schwerere Schäden anrichteten, als der Erstrichter auf Grund der Beweisergebnisse annahm, ist eine Frage der Beweiswürdigung. Wenn das Berufungsgericht der Würdigung der diesbezüglichen Beweisergebnisse durch den Erstrichter nicht beitreten zu können glaubt, muss es das Beweisverfahren in diesem Belang wiederholen. Hiebei kann es im Sinne des § 496 Abs 3 ZPO zweckmäßiger Weise auch die von ihm gewünschte Klarstellung, ob der Obmann des Kleingartenvereines Hermann K***** auch Kleingärtner ist, herbeiführen. Sollte sich das Berufungsgericht aber hinsichtlich der Vorfälle mit den Hühnern der Beweiswürdigung des Erstrichters anschließen, wird dem Umstand, ob der Obmann des Kleingartenvereins auch Kleingärtner ist, keine entscheidende Bedeutung zukommen, da es sich bei der festgestellten Beschimpfung um einen einmaligen Vorfall nicht sehr schwerwiegender Natur handelt, der für sich allein keinesfalls den Tatbestand des § 12 Abs 2 lit b KleingartenG herstellen kann.

Der Ausspruch über die Rekurskosten gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E76132 3Ob187.60

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1960:0030OB00187.6.0720.000

Dokumentnummer

JJT_19600720_OGH0002_0030OB00187_6000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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